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Gehört demnach der éine dieser Akte zu den Befugnissen des Senats, der andre zu dem, was der König mit den Kurien oder dem populus zu verhandeln hat, und damit zu der Rechtssphäre, in welcher diesem eine Mitwirkung zugewiesen ist, so wird es geeigneter sein, die Bedeutung beider Akte bei Senat und Volksrechten zu besprechen und hier nur in dem Sinne zu erwähnen, dass daraus hervorgeht, wie vor dem Amtsantritt, beziehungsweise der vollen Funktionsfähigkeit des Königs noch besondere Kautelen gegenüber dem Senat und dem Volke für nötig erachtet wurden.

Auf die auctoritas patrum erfolgte wohl die definitive Erklärung1) durch den Interrex und trat dann der neu Bestellte das Amt an durch einen feierlichen Akt nach Auspicien, die er selbst angestellt. Doch lässt sich dies nur aus der Antrittsform der Konsuln ableiten. Dann erst folgte die Einholung der lex curiata.

B) Die Gewalt des Königs.

und Wesen der

Gewalt.

1. Die technische Bezeichnung für den König ist rex. Dieser Bezeichnung mit seinem Ursprung über die italischen Stämme zurückgehende Name darf nicht in dem Sinne gefafst werden, den er später nach dem Sturz des Königtums bei den Römern erhalten hat, im Sinne des Despotismus, sondern in dem etymologischen des Ordnung schaffenden und erhaltenden Oberhaupts.2) Aufserdem werden aber für die Gewalt der römischen Könige dieselben Ausdrücke wie später für die Magistrate der Republik gebraucht, imperium und potestas, jenes (von in und parare) das Befehlen als solches oder, von seiner Wirkung aus betrachtet, wie es die Ausführung des Befohlenen zustande bringt, bezeichnend, dieses (von potis) die Gewalt als Wurzel des ausgehenden Befehls, die Befugnis dazu.) Bei der grofsen Bedeutung, welche die hausDie lex curiata ist bei Livius zuerst und zwar in ganz allgemeiner Weise erwähnt 5, 52, 15: comitia curiata, quae rem militarem continent.

1) Vgl. Liv. 1, 18, 10 declaratus rex Numa de templo descendit. 2) rex W. rēg leiten, richten vgl. rēgula zusammenzunehmen mit Sskr. ragań, ir. rí, goth. reikas. vgl. Vaniček, etymol. Wörterb. p. 229; über den langen Vokal Curtius, Studien IV. p. 352.

3) imperium und potestas werden noch in republikanischer Zeit, nachdem potestas bereits ein Sonderbegriff geworden, als gleichbedeutende Ausdrücke allgemeiner Bedeutung gebraucht. Cic. de rep. 2, 15: (Romulus vidit), singulari imperio et potestate regia tum melius gubernari et regi civitates.

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herrliche Gewalt in dem römischen Familienrecht hat und da das in den verwandten Sprachen dem potis entsprechende Wort 'Eheherr' bedeutet1), könnte man versucht sein, die königliche Stellung direkt als eine Nachahmung der hausväterlichen Gewalt, der sog. manus zu fassen. Allein nicht blofs war man in Latium zur Zeit, als Rom mit seinem Königtum entstand, über eine solche patriarchalische Auffassung hinaus, sondern es widerspricht dem auch die nach unsrer Ansicht fehlende Erblichkeit und die Entstehung der Königsgewalt aus einem Vertrag.2) Indirekt aber mag die tägliche Übung der hausväterlichen Gewalt mit ihrer vollen Stärke die Römer dafür empfänglich gemacht haben, sich auch die staatliche Gewalt in ihrem Auftreten möglichst kräftig zu denken und gefallen zu lassen, und in der That 2, 23: ut nec sine rege civitas nec diuturno rege esset uno nec committeretur, ut quisquam inveterata potestate aut ad deponendum imperium tardior esset aut ad optinendum munitior. Fast. Cap. z. J. 303 varr.: decemviri consulari imp[e]rio. Liv. 4, 6, 8: ut tribunos militum consulari potestate creari sinerent. Im Verlauf der Zeit verband sich mit imperium vorzugsweise der Begriff des militärischen Oberbefehls, wornach dann für potestas die bürgerliche Amtsbefugnis blieb, s. u. bei der republ. Verfassung; aber noch bei Ulpian in Digest. 1, 4, 1: utpote cum lege regia quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat, wo imp. und pot. Synonyma sind, aber freilich wenigstens imperium unpassend dem Volk zugeschrieben werden. Potestas auch bei Cic. de leg. 3, 28 vom Volk (potestas in populo, auctoritas in senatu). Etymologisch imperare von in und parare (vgl. aequiperare, vituperare Corssen, Ausspr. 22, 410), Lange 1, 306 will ein von parare verschiedenes parĕre (befehlen) im Wechselverhältnifs mit parere zu Grunde legen; derselbe zieht 1, 265 f. 302 f. in potestas die Bezeichnung für die familienrechtliche Form der königlichen Gewalt, woneben imperium den Überschufs über die patriarchalische potestas, die in das Privatrecht der Bürger eingreifende Zwangsgewalt bedeuten würde; allein dies ist weder durch den Gebrauch gerechtfertigt, noch ist eine solche begriffliche Unterscheidung in der Zeit, in welcher sie so geschieden worden sein sollen, anzunehmen.

1) Sskr. pati, griech. nóos u. s. w., und ohne Zweifel hat sich der Begriff 'Herr' bei diesem Wort von der hausherrlichen Gewalt aus gebildet; allein die Verallgemeinerung liegt wohl schon weit zurück.

2) Wenn es bei Pomponius de orig. iur. in Digest. 1, 2, 2, 1 heisst: initio civitatis nostrae populus sine certa lege, sine iure certo primum agere instituit omniaque manu a regibus gubernabantur, so kann diese Stelle wohl verleiten zur Verwertung für die Analogie des Königs mit dem Hausvater, hat aber doch keinen historischen Wert. Nicht nur bietet eine Reflexion des Pomponius keine Auktorität, sondern es kann auch, wie der Gegensatz zeigt, manu gubernare ein allgemeinerer Tropus für Willkürgewalt sein: vgl. Tacitus Agric. 9: castrensis iurisdictio secura et obtusior ac plura manu agens.

war die obrigkeitliche Gewalt in Rom zu allen Zeiten prinzipiell als eine starke Macht der Exekutive und hinsichtlich des Umfangs als eine über alle Teile des Staatswesens gesetzte Verfügungsvollmacht und allgemeine Obergewalt betrachtet. Aber so stark auch diese Gewalt gedacht wurde, so war sie doch nicht unbeschränkt, sondern ein imperium legitimum1), an die Gesetze gebunden, vor allem an die in der sog. lex curiata, wie unten zu zeigen ist, zusammengefafsten Grundlagen der Verfassung, durch welche mit dem Recht des Königs auch das des Senats und Volks festgestellt ist. Wenn der König diese brach, so war auch das Volk vom Gehorsam gegen ihn entbunden, und beim Sturz des zweiten Tarquinius fand diese Auffassung von einer gegenseitigen Verpflichtung geschichtliche Anwendung. Ferner wenn der König auch seine Entschlüsse frei von sich aus fassen kann, so wird doch vorausgesetzt oder ist von Anfang an direkt ausgesprochen, dafs er bei wichtigeren Entscheidungen, sei es in Politik und Verwaltung oder als Richter erst den Rat der Ältesten einholen soll, sei es der Ältestenversammlung als eines. Ganzen oder einzelner Mitglieder derselben, die er als Beirat (consilium) zuzieht. War doch selbst der Hausvater durch das Herkommen gehalten, bei schweren Entscheidungen über Familienglieder zuvor einen Rat der Verwandten zu hören.2)

Inhalt der
Gewalt.

2. Eine Unterscheidung der verschiedenen Funktionen der Mannigfaltiger Herrschergewalt gab es wohl nicht; denn sie wurde eben nicht als ein Bündel von mehreren Gewalten, sondern als einheitliche Befugnis angesehen; in ihren Äufserungen aber erscheint sie durch die Mannigfaltigkeit der objektiven Zwecke, mit denen sie zu thun hat, wie es die Natur eines jeden Staatswesens mit sich bringt, nach gewissen Gebieten geteilt, und wird auf denselben durch den Grundvertrag in verschiedener Weise bestimmt. Unter diesen Gebieten tritt wohl voran die Heerführung, weil sich in ihr die gröfste Machtbefugnis entfaltet, aber sie ist nur ein Teil der allgemeinen Verfügungsgewalt, eine besonders bedeutsame Bethätigung einer ihrem Gesamtcharakter nach politischen Vollmacht. Das zweite Gebiet ist das der Rechtsprechung oder Gerichtshoheit, das dritte das der Rechtschaffung oder Gesetzgebung; auf letztere aber äufsert der Grundvertrag den Einflufs einer Beschränkung.

1) S. oben S. 51 A. 2.

2) Dionys. 2, 25: ταῦτα οἱ συγγενεῖς μετὰ τοῦ ἀνδρὸς ἐδίκαζον.

Herzog, d, röm. Staatsverf. I.

5

Kriegsbefehl.

Verwaltung im
Frieden.

a) Die Verfügungsgewalt.

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Der König als oberster Kriegsherr ist typisch dargestellt in den Personen des ersten und dritten Königs, in deren Thaten zugleich die kriegerische Natur und Angriffsfähigkeit des neuen Staats sich zeigt. Der Kriegsherr ruft die im einzelnen Fall nötige Mannschaft nach den durch die Einteilung der Bürgerschaft gegebenen Verhältnissen auf, bestimmt die Heerordnung, führt den Oberbefehl im Krieg, ernennt die unter ihm stehenden Führer, führt den Krieg bis zur Beendigung und dem Friedensschlufs, der als durch die Kriegführung bedingt ihm zusteht. 1) Dagegen die Kriegserklärung erfolgt nicht durch den König allein, sondern durch ihn unter der Mitwirkung von Senat und Volk.

Die Verfügungsgewalt auf dem Gebiet der Staatsverwaltung im Frieden gilt in ganz allgemeiner Weise für alle Gegenstände, welche im täglichen Lauf im Interesse des Staats anzuordnen sind, und zwar hat der König allein alle Initiative. In den wichtigsten Fragen sollte der Rat der Alten befragt werden, aber Vorschriften darüber, in welchen Einzelfragen dies zu geschehen habe, existierten sicher nicht, sondern es war wohl im allgemeinen irgendwie förmlich ausgesprochen, im einzelnen aber dem Herkommen überlassen.

Hervorgehoben wird hinsichtlich des königlichen Verfügungsrechts, dafs es sich auch auf die Staatsgelder erstreckte und dafs eben hierdurch der König höher stand als später der Diktator.) Auch wird ihm das Recht zugeschrieben, über das liegende Gut des Staats zu verfügen; er verteilt das eroberte Land, ordnet Bauten an und läfst sie mittelst Fronden der Bürger ausführen, welch letztere Leistung der Pflicht der Heerfolge gleichgestellt wird.) In der That darf letzteres zu den Elementen des obrig

1) Die Erzählungen aus der Königszeit liefern hierfür wohl Belege, aber sind keine Zeugnisse; was jedoch die Republik in dieser Beziehung den obersten Magistraten zugesteht (s. unt. §. 44), gilt noch mehr für den König.

2) Zon. 7, 13 (s. d. Stelle unten bei der Dikt.).

3) Cic. de rep. 2, 26: primum (Numa) agros quos bello Romulus ceperat, divisit viritim civibus. 33: (Ancus Marcius) Aventinum et Caelium montem adiunxit urbi, quosque agros ceperat divisit et silvas maritimas omnis publicavit quas ceperat et ad ostium Tiberis urbem condidit colonisque firmavit; über die Bauten Liv. 1, 38, 5 (Tarq. Prisc.). c. 56 (Tarq. Sup.); bei letzterem wird nicht das Recht des Königs bestritten, sondern das Übermals von Ansprüchen an die Bürger.

keitlichen Rechts gezählt werden, denn noch in einer cäsarischen Städteordnung wird die Arbeit des Bürgers zu städtischen Bauten wie zur Verteidigung der Heimat in Anspruch genommen.1) Dagegen für die Arbeit im eigenen Haushalt ist anzunehmen, dass der König auf die eigenen Knechte und Klienten angewiesen war.2) Bei Forderung gröfserer Opfer für Staatszwecke wird es herkömmlicher Weise dem König obgelegen haben, den Rat zu fragen; nur wird er in dieser Beziehung, solange die Plebejer noch nicht in die Gemeinde aufgenommen waren, diesen gegenüber freier gewesen sein.

Unabhängig vom König waren die Privatverhältnisse. Das Eigentum der Geschlechter und Familien war für ihn, der selbst auch Mitglied eines solchen Geschlechts war, unantastbar, soweit nicht ein Eingriff aus der Strafgewalt hervorgeht.

Besondrer Erwähnung bedarf noch die Stellung der Könige zu den religiösen Einrichtungen. Wenn irgendwo, so fand hier die Übertragung eines Grundverhältnisses des häuslichen Lebens auf das öffentliche statt, dafs nämlich, wie der Hausvater in Opfer und Gebet die Familie den Göttern gegenüber vertritt3), so auch das Oberhaupt des Staats den Verkehr mit den Göttern für diesen übernimmt. In der Figur Numas sodann ist der königlichen Gewalt sogar zugeschrieben, dafs sie die Staatsreligion geschaffen. So ist es auch der erste König, welcher selbst die Auspicien für die Stadtgründung anstellt, und von ihm ab steht das Recht zur Blitz- und Vogelschau (spectio) für politische Zwecke dem politischen Oberbeamten zu.) Daneben erscheint

1) Gesetz der Kolonie Julia Genetiva Urso in Spanien, ephem. epigraphica 2, p. 110 und 224. XCVIII und dazu Mommsen p. 127.

2) Die Bürger dazu mifsbraucht zu haben, erscheint auffallender Weise nicht unter dem, was dem Tarq. Sup. vorgeworfen wird, obwohl der Vorfall des L. Postumius Megellus, cos. III 291, der verurteilt wurde, quoniam cum exercitui praeesset opera militum in agro suo usus erat (Liv. ep. 11), diesen Zug für das Bild liefern konnte.

3) Cato r. r. 143: Scito dominum pro tota familia rem divinam facere. 4) Über Numa Cic. de rep. 2, 26. Liv. 1, 20. Dionys. 2, 63 f.; Romulus als Gründer religiöser Institute Liv. 1, 7, 3, Tullus Hostilius 1, 27, 2, Ancus Marcius 1, 32, 5. Ausübung des Kults durch die Könige Cic. de div. 1, 89: omnino apud veteres qui rerum potiebantur, iidem auguria tenebant; ut enim sapere sic divinare regale ducebant; testis est nostra civitas, in qua reges augures remp. religionum auctoritate rexerunt. Liv. 1, 20, 1: tum sacerdotibus creandis animum adiecit (Numa), quamquam ipse plurima sacra obibat, ea maxime, quae nunc ad Dialem flaminem pertinent.

Religiöse Einrichtungen.

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