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Zeichen.

4. Als Zeichen, welche den göttlichen Willen kundgeben, Die Arten der werden neben den ältesten und wichtigsten, dem Flug gewisser Vögel und den Gewittererscheinungen, in der Auguraldisziplin noch geltend gemacht die Art des Fressens von Hühnern, die für diesen Dienst gehalten werden (tripudium)1), auffallende Wahrnehmungen an vierfüfsigen Tieren (ex quadrupedibus oder pedestre auspicium)2), grausenerregende Erscheinungen (dirae) sowohl besonderer Art als solcher, welche bei anderweitigen Auspicien sich bieten.3) Von diesen war das Zeichen der gierig fressenden Hühner das bequemste, weil es stets zur Verfügung stand und am leichtesten mit offenbarem günstigen Erfolg zu handhaben war. Die dirae und pedestria auspicia sind unerbetene, die andern vorzugsweise erbetene.

Stellung des Augurn

den Auspicien.

5. Die Ausbildung der Methode des Befragens, die Beurteilung von Fehlern im Verfahren, die richtige Deutung der kollegiums zu Beobachtungen, überhaupt die ganze Kasuistik der Anwendung kam dem Augurnkollegium zu, dessen sachverständiger Rat den Magistraten und dem Senat stets zu Gebot stand. Teils an der Hand einzelner Fälle, teils auf dem Wege der Interpretation, teils mit neuen Bestimmungen hat dieses Kollegium im Laufe der Zeit eine solche Menge von Vorschriften und Normen geschaffen, dafs schon hierdurch das ganze Institut vortrefflich geeignet wurde, für politische Zwecke verwertet zu werden, sofern, je kleinlicher und schwerer wahrnehmbar die Zeichen waren, desto willkürlicher das Sehen oder Nichtsehen, eventuell das Denuntiieren von vorgekommenen Fehlern war.4)

6. Aus dem Erbitten der Zeichen entwickelt sich das Recht Spectio.

1) Fest. p. 363: tripudium in auspiciis [et] in exsultatione; trepudia t[erripudia] a terra pavienda sunt dicta (nach der Überl. des Polit. bei Mommsen, Abh. der Berl. Ak. 1864. S. 74.) vgl. Paul.- Fest. p. 244: puls potissimum dabatur pullis in auspiciis, quia ex ea necesse erat aliquid decidere, quod tripudium faceret, id est terripuvium; puvire enim ferire est. Bonum enim augurium esse putabant, si pulli, per quos auspicabantur, comedissent, praesertim si eis edentibus aliquid ex ore decidisset; sin autem omnino non edissent, arbitrabantur periculum imminere. Der dabei gebrauchte Diener hiefs pullarius.

2) ebend.: pedestria auspicia nominabantur, quae dabantur a vulpe, lupo, serpente, equo ceterisque animalibus quadrupedibus.

3) Serv. ad Aen. 4, 453 mit falscher Etymologie: dira enim deorum ira est, quae duplici modo colligitur aut ex signis aut quocunque modo. 4) Vgl. Cic. de leg. 2, 30 ff.

der magistratischen Ausschau (spectio), das selbst wieder wurzelt in dem allgemeineren Recht des 'Besitzens von Auspicium' (oder Auspicien). Letzterer Ausdruck bezeichnet teils die anererbte Fähigkeit zur Handhabung des religiösen Instituts, wobei dann Subjekt derselben ist der patricische Teil des Senats als Träger des Interregnums1), teils das durch eine richtige Wahl gewonnene Recht der Magistrate); die jeweilige Anwendung des letzteren im Dienste des Staats ist die spectio. Letztere hat nur der Magistrat, nicht der Augur und noch weniger der Privatmann, auch nicht der einzelne Patricier3). Die Fälle, für welche Auspicien eingeholt werden sollten, waren auch in der Republik nicht gesetzlich bestimmt; aber das Herkommen war, zumal für die wichtigeren Handlungen, die des Kriegs und der Komitienleitung, so mächtig wie ein Gesetz.

Die Regelung des Rechts der Magistrate unter sich war nur eine Anwendung des Rechts der höheren und gleichen und des Unterschieds von allgemeiner und spezieller Gewalt.4) Die

1) Cic. de leg. 3, 9: (wenn Konsuln und Diktator fehlen) auspicia patrum sunto.

2) ebendas. 10: omnes magistratus auspicium iudiciumque habento. Val. Max. 2, 8, 2: cum de imperio et auspicio inter vos disceptationem susceperim. Inschr. des L. Mummius C. inser. l. 1, n. 541: duct(u) auspicio imperioque eius Achaia capt(a).

3) Cic. Philipp. 2, 81: nos (augures) nuntiationem solum habemus, consules et reliqui magistratus etiam spectionem. Varro bei Non. p. 93: de caelo auspicari ius nemini est praeter magistratum. Diesem Prinzip kann die verderbte Stelle bei Festus p. 333 s. v. spectio nicht widersprechen, wohl aber ist darin spectio in dem beschränkten Sinn einer unselbständigen Hilfsthätigkeit gefafst, wie es ähnlich auch Rubino S. 58 f. auffafst. Die Stelle lautete vielleicht: spectio in auguralibus ponitur pro aspectione; [data est spectio] et nuntiatio [iis, qui] (Cod. quia) omne ius sacrorum habent; auguribus spectio, dumtaxat quorum consilio rem gererent magistratus, [nuntiatio] (Cod. non) ut possent impedire nuntiando, quaecunque (Cod. quae cum) vidissent; [aliis] (Cod. satis) spectio sine nuntiatione data est, ut ipsi auspicio rem, non ut alios impedirent nuntiando. Anders Mommsen Str. 1, 105 A. 2, dessen Korrektur (et nuntiatio, quia omne ius sacrorum habent, auguribus competit dumtaxat) die spectio auf die Augurn überhaupt nicht angewandt sein läfst, und Madvig, Verf. und Verw. 1, 267 A.

4) Bei Val. Max. 2, 8, 2 werden die Entscheidung, ob gekämpft werden soll oder nicht, die Gültigkeit der beiderseitigen Auspicien, das Recht des Triumphs als parallele Ausflüsse derselben Gewaltstufe behandelt. Vgl. auch Liv. 28, 9. In der Ausführung des Augurs Messalla bei Gell. 13, 15 ist die Abstufung der politischen Gewalt als Konsequenz der Abstufung des Auspicienrechts behandelt (vgl. §. 4: reliquorum magistratuum minora sunt auspicia;

Auspicien der Konsuln, Prätoren und Censoren heifsen höchste, die der Konsuln gehen denen der Prätoren vor und sind ihnen überlegen; dagegen stehen sich die der Censoren einer-, der Konsuln und Prätoren andrerseits nicht im Wege. Die höhere Gewalt kann die Auspicien der niedern, die gleiche die der gleichen stören (turbare oder vitiare) oder zurückhalten (retinere, obtinere); die der höheren Gewalt sind gültiger (magis rata). Die Auspicien der Beamten unter der Prätur sind geringere.1) Allerdings ganz unterdrückt der politische Gedanke den religiösen in diesem Verhältnis der magistratischen Auspicien unter sich nicht. So gilt zwar für dieselbe Handlung die spectio des niedern Beamten gegenüber der des höheren überhaupt nicht; aber wenn der niedere in seinem speziellen Amtskreis an dem Tage einer vom höheren angeordneten Handlung für sich eine Spectio vornimmt und dabei ungünstige Zeichen erhält, so ist dies für alle Staatshandlungen an diesem Tag bedenklich, und daher weicht man der Gefahr einer Störung durch das Gebot aus, dafs die niedrigeren Beamten an dem betreffenden Tage überhaupt sich der Spectio enthalten sollen.) Auf dem Gebiete der gleichen Gewalt wirken an sich, um die negative Kraft kollegialer Auspicien zur Geltung zu bringen, zwei Prinzipien zusammen, das der allgemeinen kollegialen Hemmung und das der zeitlich jüngeren Kundgebung des göttlichen Willens; soweit also der Kollege überhaupt das Recht hat, neben dem andern Auspicien anzustellen, so ist, wenn er nicht freiwillig darauf verzichtet, immer die Gefahr da, dafs durch die gleiche Gewalt die zuerst gewonnenen günstigen Zeichen gestört werden; aber die Regel ist, dafs man mit den Auspicien wie mit dem Oberbefehl wechselt.")

ideo illi minores, hi maiores magistratus appellantur; es ist dies aber nur eine Konzession an die Staatsreligion.

1) Messalla a. a. O.: neque consules aut praetores censoribus neque censores consulibus aut praetoribus turbant aut retinent auspicia; at censores inter se rursus praetores consulesque inter se vitiant et optinent. §. 7: maiora dicuntur auspicia habere, quia eorum auspicia magis rata sunt quam aliorum.

2) Fest. p. 214: Peremere Cincius in libro de verbis priscis ait significare idem quod prohibere. At Cato in libro, qui est de re militari, pro vitiare usus est, cum ait: cum magistratibus nihil audent imperare, ne quid consul auspici peremat. Gell. 13, 15, 1: in edicto consulum, quo edicunt, quis dies comitiis centuriatis futurus sit, scriptum ex vetere forma perpetua: ne quis magistratus minor de caelo servasse velit.

3) In den Tagen vor der Schlacht bei Cannä Liv. 22, 42, 8: Paulus, cum Herzog, d. röm. Staatsverf. I.

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Allgemeiner ist das Recht der Spectio bei denjenigen Magistraten, welche Imperium haben, spezieller bei jedem, welcher potestas in engerem Sinn, d. h. eine beschränkte Kompetenz hat.1)

Die Magistrate, welchen die Ausschau zusteht, sollen ursprünglich diese persönlich üben, jedenfalls persönlich leiten2); dafs dies in den richtigen Formen geschehe, dafür sind sie jedenfalls insofern verantwortlich, als Fehler ihr Vorhaben beeinträchtigen, und da immer mehrere Personen neben und unter ihnen mitwirken, sind sie der Gefahr ausgesetzt, dafs man ihnen Fehler nachweist und die vorgehabte Handlung ungültig macht. Um sich dagegen möglichst sicher zu stellen, können sie aber, wie schon bemerkt, einen Augur als sachverständigen Ratgeber oder Gehilfen beiziehen. Die Einholung der Auspicien geschah an dem Tag der beabsichtigten Handlung selbst, wenn möglich, in der ersten Frühe desselben, wobei der Tag von Mitternacht an gerechnet wurde.") Als wesentlichste Punkte des Ceremoniells werden hervorgehoben die richtige Absteckung und Begrenzung des Raums für die Ausschau (templum)1), vorschriftsmäfsiges Verfahren in dem unmittelbaren, innerhalb des Templum aufgestellten Beobachtungsraum, dem Zelt (tabernaculum)5),

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ei sua sponte cunctanti pulli quoque auspicio non addixissent, nuntiari iam efferenti porta signa collegae iussit, worauf Varro wieder umkehrt. Dies ist aber der einzige derartige Fall; sonst heifst es wie bei Liv. 28, 9, 10: quoniam eo die eius forte auspicium fuisset. In dem Fall bei Cannä ist der Zug vielleicht erfunden, um den Widerspruch des Paulus auch durch die Götter gerechtfertigt sein zu lassen; in Wirklichkeit aber würde das Vorgehen des Paulus blofs gegen diesen sprechen.

1) Messalla b. Gell. a. a. O.: neque tamen eorum omnium (auspicia) inter se eadem aut eiusdem potestatis sunt, worauf der Unterschied zwischen konsularisch-prätorischen und censorischen ausgeführt wird.

2) Cicero de divin. 2, 74 (bei der Gegenüberstellung der guten alten Sitte und des Verfalls der Übung): de caelo servare non ipsos censes solitos, qui auspicabantur? nunc imperant pullario: ille renuntiat.

3) Gell. 3, 2, 7 ff.: populum Rom. ita, uti Varro dixit, dies singulos adnumerare a media nocte ad proximam mediam multis argumentis ostenditur, magistratus, quando uno die eis auspicandum est et id super quo auspicaverunt agendum, post mediam noctem auspicantur.

4) Cic. de leg. 3, 8: (die Augurn) urbem et agros templa liberata et effata habento. Varro de 1. 1. 7, 7 f. Der Etymologie nach hängt es mit réuevos zusammen; vgl. Nissen, das Templum. Näheres gehört dem Sakralwesen an.

5) Serv. ad Aen. 2, 178: tabernacula eligebantur ad captanda auspicia. Fehler bei der Handhabung: parum recte oder vitio tabernaculum capere

richtige Anwendung der Gebetsformeln (verba concepta)1) und der Zeichenerbittung (legum dictio)), Fernhaltung aller Störungen.3)

7. Einen negativen Charakter hat die auf ungebetenen Nuntiatio. Zeichen beruhende Gegenmeldung (nuntiatio, obnuntiatio); sie besteht darin, dafs einem Beamten, der einen Akt vornehmen will, gemeldet wird, man habe Zeichen beobachtet, welche die beabsichtigte Handlung unmöglich machen), und ist daher dem Geltendmachen von Spectio gegen Spectio ähnlich. An sich kommt darin der objektive religiöse Gedanke zum Ausdruck, dafs göttliche Zeichen jederzeit anzuerkennen seien, selbst wenn schon ein anderweitiges vorliegt, und es steht deshalb auch jedem frei, solche Zeichen zu melden. Allein andrerseits bedarf jede Meldung einer Prüfung, beziehungsweise bedarf das allgemeine Recht im Interesse der Geschäftsleitung einer Regelung. In erster Linie wird angenommen, dafs bei offenkundigen Zeichen, wie Gewittern, der Magistrat selbst sieht und die angefangene Handlung aufgiebt), aber auch, wenn ein anderer das Zeichen meldet, steht es dem Magistrat zu, ob er es anerkennen will oder nicht, und die Auktorität, die solche Meldung hatte, stufte sich ab nach der Stellung des Meldenden; die Meldung eines andern Magistrats oder eines Augurn war verbindlicher als die eines Privatmanns. Die Meldung eines Kollegen gegen den

Liv. 4, 7, 3. Cic. de nat. deor. 2, 11. Serv. a. a. O.: in constituendo tabernaculo si primum vitio captum esset, ad primum reverti mos erat.

1) Varro a. a. O.: in terris dictum templum locus augurii aut auspicii causa quibusdam conceptis verbis finitus.

2) Serv. ad Aen. 3, 89: legum dictio est, cum condicio (überl. condictio) ipsius augurii certa nuncupatione verborum dicitur.

3) Insbesondere war silentium erfordert. Cic. de div. 2, 71: peritum esse necesse est eum, qui silentium quid sit intellegat: id enim silentium dicimus in auspiciis, quod omni vitio caret etc. Die geringfügigsten Geräusche, wie das Pfeifen einer Maus, galten als Störung. Plin. nat. hist. 8, 223: soricum occentu dirimi auspicia annales refertos habemus.

4) Solche Zeichen nannte man clivia auspicia; Fest. p. 64. cl. ausp. dicebant quae aliquid fieri prohibebant; es ist nicht nötig, dafs das Zeichen seiner Art nach ungünstig sei; ein fulmen sinistrum ist an sich günstig (Cic. de div. 2, 82), die Nuntiation verwendet es negativ (l'hilipp. 2, 99); das entscheidende Moment kann also nur sein, dafs es eine nachfolgende göttliche Kundgebung ist. Über die Ausdrücke s. d. folg. Noten.

5) Tacit. Histor. 1, 18: observatum id (Gewitter) antiquitus comitiis dirimendis.

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