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Hand, um des Sieges gewifs zu sein.

Dies war vor allem das Werk der ererbten römischen Heeresverfassung, welche, nachdem sie die makedonische Phalanx überwunden, nichts Ebenbürtiges mehr sich gegenüber hatte. Aber auch die Elemente des bürgerlichen Staatslebens waren in Rom noch am lebendigsten: das Rechtswesen hatte, so weit es noch nicht ausgebildet war, eine ebenso kräftige innere Entwicklung und äufsere Entfaltung vor sich wie das Heer; die erhaltende Kraft, welche in einer wirksamen Staatsreligion liegt, war trotz des Unglaubens oder der philosophischen Umdeutung der gebildeten Kreise noch keineswegs verbraucht und gab bei der Toleranz, die sie ihrer eigenen Natur nach andern Religionen gewähren konnte, diesen selbst neuen Halt, die Litteratur gelangte eben zu ihrem Höhepunkt, war der damaligen griechischen an origineller Kraft überlegen und geeignet, das klassische Griechentum für die römische Welt zu verwerten; ja selbst das sittliche Leben, so viele Erscheinungen der Korruption sich auch aufzählen lassen, war durch alle Stände hindurch noch weit besser als in der griechischen Welt und für neue Triebe, wie namentlich für ein stärkeres Humanitätsgefühl empfänglich. In dem Allem versprach das Eingehen der Italiker in die herrschende Nationalität des Reichs, das eben jetzt vollendet war, dem neuen Staatswesen die kräftigste Unterstützung für die materiellen wie für die geistigen Interessen; denn die jeder nationalen Eigentümlichkeit innewohnende Stärke, welche den jetzt schon gewonnenen und noch zu gewinnenden orientalischen, hellenistischen und barbarischen Massen gegenüber noch unumgänglich nötig war, ging nun aus von einem im Verhältnis zur Aufgabe gewachsenen Volksganzen, und die für dieses Reich so günstig wie möglich gestaltete Lage des centralen Italien kam jetzt zu voller Bedeutung. Nur eines fehlte, was selbst die konservativste Form der alten Verfassung gehabt hatte, was das höchste Prinzip republikanischer Tugend gewesen war, und dessen Mangel, indem er schliefslich auch die nationale Kraft tötet, die dem Ende zuführende Kehrseite der weltgeschichtlichen Kulturarbeit des neuen Reiches bildet, das Sichverwachsenfühlen jedes einzelnen Bürgers mit den Aufgaben und Interessen des Staats: es stand die Zeit bevor, in der dem Bürger der eigene Staat fremd war.1)

1) Tac. Hist. 1, 1: inscitia reipublicae ut alienae.

II.

System

der

republikanischen Staatsverfassung.

sichtspunkte.

In der Verfassung der Republik ist die Verteilung der poli- Allgemeine Getischen Funktionen im allgemeinen dieselbe wie unter dem Königtum, aber das Gewicht, das jedem der berechtigten Faktoren zukommt, und die Organisation dieser Faktoren ist wesentlich verändert. Es stehen auch jetzt neben einander die Amtsgewalt, welche Initiative und Exekutive besitzt, der Senat und die politische Volksgemeinde; aber die Amtsgewalt verteilt sich in doppelter Weise auf mehrere und wird in ihrer Macht beschränkt, der Senat wird anders zusammengesetzt, mit gröfseren Rechten ausgestattet und gewinnt eine selbständigere Teilnahme an der Regierung; ebenso wird die politische Rechte ausübende Volksgemeinde anders zusammengesetzt, gestaltet sich mannigfaltiger und gewinnt in allmählichem Fortschritt neue Rechte gegenüber der Regierung. Die Leitung der Politik übernimmt, wie die geschichtliche Darlegung gezeigt hat, in Entwicklung der schon in der ersten Einrichtung der Republik gelegenen Intentionen der Senat und behauptet sie in der mittleren Zeit der Republik sowohl gegenüber der Magistratur wie gegenüber den Volksrechten unbestritten, in der dritten Periode dagegen nur unter schweren Kämpfen teils mit revolutionärer Auffassung der Volksgewalt, teils mit dem Ehrgeiz Einzelner. In diesem Kampf unterliegt er schliefslich, aber mit ihm auch die Republik; denn diese war ihrem Wesen nach eine konservative und in ihrer Existenz darauf gegründet, dafs der konservativ gestaltete Senat trotz weitgehender Ausdehnung der Volksrechte niemals sich ganz der Mittel begab, auf denen seine leitende Stellung beruhte, und damit auch die Magistratur in konservativer Richtung erhielt. Für die Gliederung des Systems ergiebt sich daraus, dafs Magistratur und Senat zusammen in schärfer bestimmter Weise als Regierung dem Volke gegenüberstehen, innerhalb derselben aber der wahren Bedeutung nach der Senat

voransteht. Allein da dies sich formell nicht entsprechend ausprägt, sondern die Magistratur mit ihrer Initiative und persönlichen Handlungsfähigkeit aufserlich im Vordergrund steht, so gebührt ihr auch in der Ordnung der Darstellung der erste Platz.

Die Bedeutung von magistratus.

Erster Teil.

Die Regierung: Magistratur und Senat.

Erstes Kapitel.

Die Magistratur.

A) Die Rechtsverhältnisse der gesamten Magistratur.
I. Die Prinzipien.

§. 32. Begriff und Umfang der Magistratur.

1. Die allgemeinste unter der Republik für das politische Amt gebräuchliche Bezeichnung ist magistratus, gebraucht sowohl für die Stellung, wie für die Person. Der Art der Bildung nach kollektiv oder abstrakt1) kann dieses Wort erst entstanden sein, als es eine Mehrheit von Ämtern gab oder nachdem man durch Reflexion eine abstrakte Auffassung gewonnen hatte; zu Anfang der Republik gab es wohl keine andere Bezeichnung für das damals allein selbständige Amt als die konkrete, welche den Inhalt der Gewalt durch den Titel 'Heerführer', 'Richter' (praetores, iudices) und das den Unterschied vom Königtum am meisten bezeichnende Merkmal durch die Benennung der Doppelgewalt (consules) ausdrückte.) Der Etymologie des Stammes nach bezeichnet magistratus nichts als die ausgezeichnete Stellung der Beamten gegenüber den Bürgern als privati.3) Es wird zwar gewöhnlich der konkretere und materielle Begriff der Befehlsgewalt über die Bürger hineingelegt, allein nur in willkürlichem Verhältnis zwischen Wort und Sache. Dem etymologischen Grund entspricht es, dafs man auch die Volkstribunen als magistratus plebis, Obmänner der Plebs, bezeichnete; daraus aber abzuleiten,

1) Magistratus von magistrare, Meister, Obmann sein, wie senatus von senare, ein Ältester (in dem besondern politischen Sinn) sein; vgl. oben. 2) Vgl. über diese Ausdrücke unten beim Konsulat.

3) Für den abgetretenen Magistrat ist der technische Ausdruck privatus Cic. de leg. 3, 11: censores fidem legum custodiunto: privati ad eos acta referunto.

In

dafs diese in eine Linie oder in Parallele mit den über das
ganze Volk gesetzten Beamten (magistratus populi Romani) zu
stellen seien, überhaupt materielle Konsequenzen über die Be-
fugnisse der Volkstribunen daraus abzuleiten, wäre unrichtig.1)
Wenn im Verlauf der politischen Entwicklung das Volkstribunat
in der That in die Ordnung der Staatsbeamten einbezogen wurde,
so war dies ein künstlich bewirktes Abziehen von der natürlichen
Bestimmung dieses Instituts. Das Volkstribunat hat vielmehr
nach seinem Ursprung und nach dem, was die ganze Republik
hindurch das Grundverhältnis blieb und auch in der tribunicischen
Gewalt der Kaiser ausgedrückt sein sollte, seine Stellung bei
den Instituten, welche die Volksrechte repräsentieren.2)
der Urverfassung der Republik ist es begründet, dass magistratus
nur das weltliche Amt bedeutet, indem schon in dieser die
priesterliche Amtsthätigkeit des Königs von der politischen Ge-
walt abgelöst und die besonderen Stellungen des Oberpriesters
(pontifex maximus) und Opferkönigs (rex sacrificulus) geschaffen
waren (oben S. 129 f.). -Wesentlich ist für die Republik, dafs
das Amt durch Volkswahl, sofern nicht gesetzliche Sonder-
bestimmung oder althergebrachtes und mit übernommenes Recht
Ausnahmen zuläfst, verliehen wird.) Solche Ausnahme wird
neu festgesetzt für die Diktatur1) und ist von früher her über-
nommen für die Zwischenkönige und den Stadtpräfekten.

Inhalt.

2. Der Inhalt des weltlichen Amts wird prinzipiell als der Allgemeiner selbe angesehen wie unter den Königen (oben S. 63 ff.); imperium und potestas bezeichnen die staatliche Exekutivgewalt gegenüber dem Bürger in derselben Weise wie früher, und zu Anfang der Republik giebt es nur éin Amt. Allein die Beschränkungen, die teils sofort, teils im Verlauf der Zeit scheinbar nur aufserlich

1) Vgl. auch das Wort magister, das übrigens aus dem publicistischen Sprachgebrauch im engern Sinn bald verdrängt wurde. Man sagte ursprünglich magister populi und mag. equitum, nannte aber später bei Titelschöpfung magistri nur die Obmänner von munizipalen, priesterlichen und privaten Korporationen.

2) Näheres s. beim Volkstribunat.

3) Fest. - Paul. p. 50: cum imperio est' dicebatur apud antiquos, cui nominatim a populo dabatur imperium; 'cum potestate est' dicebatur de eo, qui a populo negotio alicui praeficiebatur. Cic. de leg. agr. 2, 17: omnes potestates, imperia, curationes ab universo populo Rom. proficisci convenit.

4) Hierfür ist es gleichgültig, ob für die Diktatur ein besonderes Einführungsgesetz angenommen oder sie als in dem Grundgesetz der Republik vorgesehen erachtet wird.

der aufseren

an sie herangebracht werden, sind in ihren Wirkungen so tiefgreifend, dafs die republikanische Magistratur selbst gegenüber der vortarquinischen Königsgewalt wesentlich schwächer wird. Nichtsdestoweniger ist die prinzipielle Auffassung der staatlichen Exekutive als einer Vollgewalt weder falsch noch gleichgültig, sofern dieselbe auf Grund dieser Anschauung in besonderen Fällen und auf gewissen Gebieten in ihrer Fülle hergestellt werden kann, ohne dafs dadurch in den Augen des Bürgers die Kontinuität der Verfassung aufgehoben wird. Jene Beschränkungen aber treten sofort und in allgemeinster Weise ein in der Kollegialität und Zeitgrenze, im besonderen und im successiven Fortschritt in der gröfseren Auktorität des Senats und in der Ausdehnung der Volksrechte durch die Provokation, durch die Mitwirkung der Centuriatkomitien bei Gesetzgebung und Wahlen, durch die tribunicische Gewalt, teils für sich, teils in Verbindung mit den Tributkomitien, endlich in der Selbständigstellung früher untergeordneter amtlicher Organe und Ausprägung einzelner Funktionen des ursprünglich einheitlichen Amts zu besonderen Ämtern. Dabei machen sich aber diese Schranken anders geltend auf dem bürgerlichen als auf dem militärischen Gebiet, indem dieses nur die Beschränkung der Zeit, teilweise auch der Kollegialität und erst später die der Provokation annimmt. Die Schranken, welche von Senat und Volksrechten herrühren, sind bei diesen Instituten zu besprechen; an der Magistratur selbst dagegen hängen die der Zeit, der Kollegialität und der Teilung, und da die letztere besondere Bedingungen für die Anwendung der Zeit- und Kollegialitätsschranke schafft, so ist es zweckmäfsiger, sie zuerst zu besprechen.

Bezeichnung 3. Die äufsere Stellung der republikanischen Magistratur Stellung. ist von Anfang an eine andere als unter dem Königtum. Der Magistratus ist der Stellung des einfachen Bürgers gegenüber eine Ehre, honor, womit ihm zwar eine höhere Stellung, aber nur eine relativ höhere angewiesen wird. Magistratus und honor werden unter der Republik identisch gebraucht; ein gewisser Unterschied zwischen beiden gehört erst der Kaiserzeit an.

1) Suet. Aug. 26: magistratus atque honores et ante tempus et quosdam novi generis perpetuosque cepit. Gaius 1, 96: qui honorem aliquem aut magistratum gerunt (in Latinerstädten). Dio 44, 47. Mommsen Str. 1, 8, A. 4 verzichtet auf eine Erklärung dieser Unterscheidung; O. Hirschfeld, Gesch. des latin. Rechts S. 4 bezieht den honor auf den vom Kaiser

zur

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