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des römischen Reichs, wenn irgend einem Manne so Sulla zu danken war, so ist andrerseits daran, dafs der Weg von ihm zu Cäsar durch neuen Bürgerkrieg ging, er nicht blofs indirekt mitschuldig, sondern direkt mit verantwortlich, weil er die kannte, denen er die politische Arbeit hinterliefs.) Die Geschichte des nächsten Jahrzehnts schon hat die Kritik der sullanischen Schöpfung geliefert; die Kritik der Persönlichkeit des Schöpfers kann davon nicht unabhängig sein.")

§. 29. Von Sullas Tod bis zur Wiederaufrichtung des

Tribunats im J. 70.3)

1. Für das von Sulla wiederhergestellte Senatsregiment war die natürliche Voraussetzung, dafs der Senat nicht nur in sich einig und der Auktorität der aristokratischen Leiter ergeben sei, sondern dafs auch die Wahlen zur Magistratur auf Persönlichkeiten gelenkt würden, die sich mit dem Senat vertrugen, kurz dafs in der siegreichen Partei Disziplin herrschte. Dies war aber durchaus nicht der Fall. Schon die für das Jahr 78, also noch zu Lebzeiten Sullas gehaltenen Konsulwahlen ergaben neben dem zuverlässig konservativen Q. Lutatius Catulus den von Sulla selbst als Unruhestifter bezeichneten M. Lepidus1), ohne dafs Sulla, der zwar schon zurückgetreten war, aber, wenn er wollte, seinen Willen leicht geltend machen konnte, ernstlich sich bemüht hätte zu verhindern, dafs die Opposition, die er im Tri

1) Vgl. seine Äufserung über Lepidus Plut. Sulla 34.

2) Verschiedene Urteile über Sulla: Zachariä, L. Corn. Sulla 1, 186 ff. vergleicht ihn in rühmender Weise mit Napoleon I. Mommsen r. G. 2, 366-375 giebt eine glänzende Apologie von Sullas Persönlichkeit, spricht aber doch von Unsittlichkeit und Oberflächlichkeit der sullanischen Restauration. Auch Ihne, r. G. 5, 393 ff. urteilt apologetisch. Scharf verurteilend dagegen ist Drumann 2, 498-508.

3) Quellen: Fragmente des Licinianus (bis zum Aufstand des Lepidus), Fragm. der Historien des Sallust, die mit d. J. 78 begannen, (frgm. 1 D.), Ciceros Reden aus dieser Zeit, Livius in seinen Epitomatoren, Appian 1, 107 ff. Plutarchs Sertorius, Lucullus, Crassus, Pompejus, Cicero, Cäsar, Cato der jüng. Von Neueren Drumann in den Biographieen der leitenden Männer. Diese Periode bringt es in der That mit sich, dafs die Individualität eine ganz andere Rolle spielt als früher, und dem entspricht in der Geschichtschreibung die Charakteristik der Persönlichkeiten.

4) Vgl. S. 522 A. 2. or. Lepidi bei Sall. hist. 1, 41, 16 D.: verum ego seditiosus, uti Sulla ait.

Uneinigkeit unter den Sullanern.

Der Aufstand des Lepidus.

bunat überwunden, nun in der Magistratur wieder aufkam. Ebenso sah er es noch mit an, wie in den neu eingerichteten Gerichtshöfen Günstling gegen Günstling stand, mit Hilfe der einen Sullaner andere gedemütigt und indirekt er selbst bekämpft wurde.1)

2. Nachdem Lepidus im J. 78 das Konsulat angetreten, kündigte er sofort offen den Gehorsam, hatte es aber, da Sulla inzwischen starb 2), bei der weiteren Verfolgung seiner Absichten nur noch mit seinem Kollegen und dem Senat zu thun. Er identifizierte sich nicht mit der Demokratie; denn er trat dem Verlangen derselben, die alte Tribunengewalt wieder herzustellen, entgegen3); seine Stellung war überhaupt eine rein persönliche, jeder sittlichen Überzeugung bare, negative. Mit den Gesetzesvorschlägen, die Getreidespenden wieder aufzunehmen, die Verbannten zurückzurufen, die Einrichtungen Sullas für nichtig zu erklären, den durch Sulla aufser Besitz Gesetzten ihre Güter wiederzugeben1), sammelte er alle Unzufriedenen um sich, während die Konservativen an den sullanischen Kolonisten ihre Stütze hatten. In Rom that der Konsul Catulus was er konnte; dem Getreidegesetz allerdings widersprach niemand, aber die übrigen Gesetze wurden vereitelt. Aufserhalb Roms jedoch wurde der verlangte Besitzwechsel sofort von den Depossedierten in Angriff genommen, und der Senat, sich mit einem eidlichen Ver

1) Bei dem ersten Prozefs, der bei dem Gerichtshof für Mord vorkam, dem des Roscius von Ameria, erklärt sich die Haltung des Verteidigers Cicero nur dadurch, dafs im Lager Sullas selbst Zwiespalt herrschte und die vornehmen Sullaner eine Demütigung des Chrysogonus gerne sahen. Für die Anerkennung des Bürgerrechts der Arretinerin (pro Caecina 97) und der Volaterraner (de domo 79), denen Sulla es genommen, scheint für den Advokaten wie für die entscheidenden Richter Sulla selbst eine Handhabe geboten zu haben, indem er nicht bis zum äufsersten ging, vgl. ad Att. 1, 19, 4: Volaterranos et Arretinos, quorum agros Sulla publicarat neque diviserat.

2) Die Rede (oben S. 523 A. 4) legt Sallust dem Lepidus noch gegenüber dem lebenden Sulla in den Mund.

3) Licin. p. 43 B.: ubi convenerant tribuni pl. consules, uti tribuniciam potestatem restituerent, negavit prior Lepidus et in contione magna pars adsensast dicenti non esse utile restitui tribuniciam potestatem. Lepidus wollte wohl die Führung nicht an andre abgeben. Wenn Sallust in das Programm des Lepidus (or. Lep. 23. Philipp. 14) auch die Tribunatsforderung setzt, so macht er ihn eben für die ganze Partei verantwortlich oder hat Lep. später sich dies in der That angeeignet.

4) Die Reden bei Sallust, App. 1, 107. Licin. a. a. O. Liv. ep. 90.

sprechen des Lepidus begnügend, war schwach genug, diesen mit einem Kommando auszuschicken, das ihm Gelegenheit gab, sich durch Verbindung mit den Empörern ein revolutionäres Heer zu schaffen. Er wurde indes unter den Mauern Roms besiegt, aus Italien verdrängt und starb bald darauf in Sardinien. Aber mit dem sullanischen Schrecken war es nun vorbei, denn dieser Regierung, dies sah man, war es nicht allzugefährlich Opposition zu machen.

Verhältnisse und

liche Kommando.

3. Für den Augenblick waren jedoch die äufseren Verhält- Die auswärtigen nisse wichtiger. Sulla hatte Hoffnung gegeben, dafs durch dendas aufserordentFrieden mit Mithridates, durch die Vernichtung der Heere und Führer der Demokratie, durch die Unterwerfung der Italiker und Säuberung der Provinzen ein dauernder Friedenszustand sich ergeben und so die Kraft der ordentlichen Magistratur in Rom und den Provinzen genügen werde, um die Verwaltung zu führen. Diese Aussichten wurden getäuscht. Von den Marianern war der bedeutendste, Q. Sertorius, übrig geblieben und hatte sich seit dem J. 80 in Spanien mit wachsendem Erfolg eine Stellung gewonnen; das Meer wurde von den Seeräubern beherrscht, welche die für Rom bestimmten Getreidezufuhren abschnitten; im Osten brach im J. 75 Mithridates den Frieden, und 73 kam dazu noch der Sklavenkrieg in Italien. Gegen die drei ersten Gegner nun hatte man aus der Magistratur Führer mit gutem Namen aus Sullas Schule aufgestellt, Metellus Pius, P. Servilius, L. Lucullus, aber gegen die Sklaven wurde der Kampf von Anfang an schlecht geführt, und auf den übrigen Kriegsschauplätzen waren die guten Heerführer entweder nicht allein thätig oder blieben nicht bis zu Ende, und die, welche neben ihnen kämpften oder sie ablösten, waren unfähig. So stand man vor der Perspektive der Errichtung aufserordentlicher Gewalten, welche der aristokratischen Sache noch gefährlicher waren als die Demokratie. Sulla hatte. durch seine Abdankung der Senatsregierung ihre Freiheit und Aktionsfähigkeit wiedergeben wollen; aber indem er es zu früh that, ehe volle Ruhe eingetreten war, liefs er die Gefahr eines Appells an die Diktatur für die Zukunft offen. Diesem Gang der Ereignisse kam entgegen, dass unter den Heerführern Sullas nicht alle dachten wie er und sobald wie möglich für sich Ausnahmestellungen zu gewinnen suchten. Die fernere Geschichte zeigt, dafs nachdem man auf diese Bestrebungen einmal eingegangen war, man nicht wieder davon loskam, dafs zwar der Senat und

Pompejus und

Crassus.

der ihm anhängende Teil der Bürgerschaft jetzt noch Widerstandskraft gegen weiter gehende Konsequenzen hatte, dafs es aber schliefslich doch nur von der Persönlichkeit deren abhing, welche die Wege der Konsulate des Marius und der Diktatur Sullas gehen wollten, ob es ihnen gelinge, ein persönliches Regiment an die Stelle der republikanischen Kollektivregierung zu setzen.

4. Als Prätendenten für eine Sonderstellung kamen für den Augenblick nur Pompejus und M. Crassus in Betracht. Der erstere, bisher noch in keiner bürgerlich politischen Stellung thätig, war durch seine Erfolge im Felde noch als ganz junger Mann') unter den militärischen Führern in erste Linie gekommen. Durch sein anspruchsvolles Auftreten im J. 81 schon mit 25 Jahren zur Ehre des Triumphs gelangt, hatte er sich zwar dem Sulla unangenehm gezeigt, war aber in der öffentlichen Meinung ein Mann von hervorragender Bedeutung geworden und wufste in nicht geringerem Grade sich selbst als solchen. Der ältere und gereiftere Crassus, von Sulla als Soldat sehr geschätzt, hatte in der Schlacht vor Rom auf einem wichtigen Posten sich bewährt, war aber seitdem vorzugsweise der Erwerbung und Befestigung eines grofsen Vermögens nachgegangen. Beiden Männern war es keineswegs um den Umsturz der Verfassung zu thun. Pompejus wollte nur der populärste und gefeiertste Heerführer sein, politische Thätigkeit war ihm blofs Mittel für die Befriedigung der persönlichen Eitelkeit, die politischen Konsequenzen seines Thuns wufste er überhaupt nicht zu würdigen. Crassus seinerseits war eher ein Politiker, aber obenan stand ihm möglichst ausgiebige Geschäftsbeteiligung bei der Ausbeutung politischer Macht; dafür süchte er sich Genossen eben nur nach den geschäftlichen Begriffen der jeweiligen Brauchbarkeit, und so kamen beide dazu, bald die eine bald die andre Partei zu gebrauchen, freilich eben so auch von ihr gebraucht zu werden. Der Mann, welcher begriff, dafs der sicherste Weg zur Gewalt durch vorsichtige Verbindung mit der Opposition ging, Julius Cäsar, war eben erst daran, in die politische Laufbahn, die ihm ererbte Verbindungen eröffnet hatten, mit selbständiger Thätigkeit einzutreten. Die Namen dieser drei Männer sind es, welche in der Politik der

1) Die Zeugnisse für und gegen das Geburtsjahr 106, (dasselbe wie das Ciceros), bei Fischer, Zeittafeln z. diesem J.; vgl. auch das von Mommsen, r. G. 3, 16 A. über das Geburtsjahr Cäsars (102, nicht 100) Gesagte.

nächsten Jahrzehnte die herrschenden sind, der erste aber, der

in eine aufserordentliche Stellung kam, war Pompejus.

Senat und in der

5. Der Senat bietet den Ereignissen gegenüber, die sich nun Die Parteien im unter der jetzt bestehenden Perspektive einer kräftigen demokra- Bürgerschaft. tischen Opposition und der Bestrebungen des persönlichen Ehrgeizes entwickeln, ein bis zum Untergang der Republik ziemlich gleich bleibendes Bild dar. An der Spitze stehen neben einander überzeugte strenge Aristokraten von Geburt, wie Catulus, verschiedene Licinier, Meteller und Marceller, und wer von dem alten Adel überhaupt fähig ist, Auktorität auszuüben; neben ihnen später, nachdem die prinzipiellen Gegensätze klarer hervortreten, theoretische Republikaner wie ein M. Cato und M. Brutus; weiter die Männer der Opportunität, mehr oder weniger geschickt und ehrlich, auch mehr oder weniger ernsthaft zu nehmen: zuerst L. Marcius Philippus, einer der gewandtesten Politiker, Tribun vom J. 104, als Konsul 91 heftiger Gegner des M. Livius, hierauf eines der Senatsmitglieder, welche unter Cinna in Rom blieben, und als solches Censor im J. 86, darauf zur richtigen Zeit Überläufer zu Sulla und nun gegen Lepidus ein Vorkämpfer der staatlichen Ordnung; dann nachdem Philippus, der jetzt schon am Ende seiner Laufbahn stand, abgetreten1), M. Tullius Cicero. Das Muster eines Opportunitätspolitikers, war Cicero doch wesentlich anderer Art als Philippus, an Geschick mit ihm nicht zu vergleichen, aber ebenso fähig das allgemeine Prinzip der Senatsauktorität und konservativen Politik in das der Zeitlage entsprechende Gewand zu kleiden, jetzt eben im Begriff, in Advokatenthätigkeit durch einen ungefährlichen Liberalismus sich den Zutritt zur Magistratur zu gewinnen. Um diese nun gruppiert sich die Menge der gewöhnlichen Senatoren, je nach ihren persönlichen Verhältnissen, auf der einen Seite die untergeordneten Angehörigen der alten Geschlechter, die mit Familieneinflufs und Bestechung sich ihre Plätze in der Magistratur und im Senat erkaufen, auf der andern die von Sulla hereingebrachten niedrigeren Elemente, ihrem Interesse und persönlicher Stellung nach den Rittern näher stehend als der Würde eines Senators nach der früheren Auffassung, nur ausnahmsweise von höher strebendem Ehrgeize. Sie alle, zusammen die Mehrheit des Senats ausmachend, bilden die konstitutionelle Ordnungspartei, soweit es die Macht der Verhältnisse zuläfst und

1) Nach 77 wird nichts mehr von ihm berichtet.

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