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Ausdehnung des

Gebiets.

bedeutendste Stadt desselben, Präneste, lag ein starkes Motiv, Rom eine solche Stellung zu lassen, in einem Umstand, der auch später den Römern in ihren Beziehungen zu, Latium förderlich war: in den beginnenden Kämpfen mit den aus ihren Bergen hervorbrechenden Äquern und Volskern. Eine Konsequenz

des Verhältnisses zum latinischen Bund war das Eintreten in spezielle Rechtsverhältnisse öffentlicher und privatrechtlicher Natur, die zwischen den einzelnen Bundesgliedern bestanden und die internationale Seite des latinischen Rechts ausmachten.

5. Die Verhältnisse zu den latinischen Nachbarstädten lassen auch ungefähr den Umfang des römischen Gebiets am Ende der Königszeit erkennen. Die entfernteste nachweisbare Grenze ist mit dem Gebiet von Alba gegeben; im übrigen ist Tiber nördlich der Stadt angefangen die Ausdehnung bezeichnet durch das Verhältnis zu den noch selbständigen Städten

von der

320-325; ihm traten bei u. a. Schäfer im rhein. Mus. 15, 396 f. 488. 16, 288 ff.; entgegen u. a. Nissen, in Fleckeisens Jahrbb. 95, 321-332; eigentümlich ist Unger in rhein. Mus. 1882 (Bd. 37) p. 153-205, der den ersten Vertrag ins J. d. St. 406 (bei ihm 340 v. Chr.), den zweiten schon wenige Jahre nachher, 411 (bei ihm 335 v. Chr.) setzt. Entscheidend ist für mich, dafs der zweite von Polybius erwähnte Vertrag, in welchem Tyrus neben Karthago als vertragschliefsend auftritt, nicht dem Jahr 306 angehören kann, dem er nach Mommsens Auffassung angehören müfste; denn Tyrus war damals zu wenig selbständig, um so auftreten zu können. Mommsen wendet p. 324 gegen diesen Grund, dessen Gewicht er nicht verkennt, ein, dass wir das Verhältnis der griechischen und phönikischen Kaufstädte zur Krone Asien nicht kennen, aber wir wissen aus dem bei Diod. 19, 58. 61. 86 über den Kampf der Diadochen um Tyrus Erzählten, dafs diese Stadt stets von dem einen oder anderen derselben besetzt war, und damit ist Selbständigkeit im Vertragschliefsen nicht vereinbar. Der Verkehr zwischen Karthago und Tyrus bei Diod. 20, 14 ist rein sakraler Natur und von politischen Verhältnissen unabhängig. Folglich fällt der zweite Vertrag des Polyb. mit dem des Diodor von 348 zusammen (vgl. Liv. 7, 27, 2. 9, 43, 26), und dann bleibt für den ersten das von Polybius angegebene Datum gesichert. Dasselbe tritt bei Pol. freilich nicht als integrierender Teil der Urkunde auf, aber es mufs aus ihr, die uns nicht vollständig gegeben wird, gewonnen sein; denn da die betr. Jahresbezeichnung von der sonstigen Überlieferung abweicht, so ist sie weder von Polybius noch von seinen Gewährsmännern, die ihm den Inhalt des Dokuments in Übersetzung gaben, aus eigener Meinung hinzugesetzt. Sich in der Urkunde zu nennen, dazu hatte die neue Regierung eben wegen der Neuheit ihrer Existenz allen Grund. Übrigens darf man für den Seeverkehr der Stadt Rom selbst daraus nicht zu viel schliefsen; hinsichtlich der maritimen Festsetzungen vertritt hier Rom die latinischen Küstenorte.

Fidenä, Nomentum, Tibur, Gabii, Tusculum, Bovillä, Ardea, Lavinium und Laurentum; zu dem von diesen Orten eingeschlossenen römischen Gebiet kommen dann noch auf dem rechten Tiberufer unterhalb der Stadt die sieben Gaue mit der vaticanischen Mark, die kurze Zeit nachher vorübergehend in die Hände des etruskischen Königs Porsena fielen.') Wenn die Notiz, dafs Signia und Circeji durch den letzten Tarquinier Kolonieen geworden), überhaupt anzunehmen ist, so können damit nur latinische Kolonieen gemeint sein. Dafs aber durch die Stellung zum latinischen Bund Roms Machtsphäre sich ziemlich weit über sein eigenes Gebiet hinaus erstreckte, sieht man eben an der bereits beginnenden Aktion gegen die Volsker.")

Königtums

6. Mitten in einer Unternehmung gegen Ardea begriffen Sturz des soll Tarquinius von einer durch die Frevelthat seines Sohnes hervorgerufnen Empörung überrascht und mit leichter Mühe gestürzt worden sein. In der Sage, die wir von dieser Katastrophe haben, sind gewifs geschichtliche Thatsachen enthalten; aber sie ist versetzt mit Erzählungen, die aus Namen, wie aus dem des Brutus oder aus staatsrechtlichen Anschauungen heraus gemacht und in ihren wahren Motiven verwischt sind durch das Interesse des Patriciats, die Beseitigung des Königtums mit einer übertriebenen Schilderung von dem despotischen Regiment des letzten Königs zu rechtfertigen.) Dafs die Plebs mithalf, kam wohl daher, dafs die Lasten, welche die Bauten des Königs und die Kriege den Plebejern auferlegten") ohne dafs sie von den Errungenschaften des Kriegs Gewinn hatten, schwer drückten; auch, dafs der Ausbruch der Empörung veranlafst wurde durch übermütige Gewaltthat, ist glaublich, wenn gleich von wirklicher

1) Dionys. 5, 31.

2) Liv. 2, 21, 7. Diod. 14, 102.

3) Die Notizen bei Eutrop 1, 8, dass die Grenze unter den Königen bis zum 15., bei Augustin de civ. Dei 3, 15, dafs sie bis zum 20. Meilenstein gegangen sei, sind wertlos. Von Neueren schätzen Schwegler 2, 684 beim Schlufs der Königszeit das Gebiet auf 8, Mommsen r. G. 1, 95 auf mindestens 20, Lange 1, 435 auf 20-30 Q.-Meilen. Über die älteren Grenzen

0. S. 28. A. 2.

4) Cic. de rep. 2, 46. Liv. 1, 57 ff. Dionys. 4, 64 ff. Die Erzählung davon mit allen Stellennachweisen bei Schwegler 1, 777 ff.

5) Liv. 1, 56, 1: non pecunia solum ad id publica est usus, sed operis etiam e plebe etc.

Herzog, d. rom. Staatsverf. I.

4

Bezeugung dieser Umstände nicht geredet werden kann.1) Aber die wahre Ursache dieser Revolution lag, wie die Anfänge der Republik zeigen, in der Beschwerde der Geschlechter über Hintansetzung des Senats) und in der Opposition derselben gegen die dynastischen Tendenzen des Königshauses, die mit der Grundverfassung sich nicht vertrugen"), und der Rechtsgrund, auf den sich die Patricier, welche die Empörung leiteten, gestützt zu haben scheinen, war die Usurpation des Throns durch die zwei letzten Könige mit Umgehung des Interregnum.4) Günstige äufsere Umstände und jene Mithilfe der Plebs ermöglichten es, dafs die Revolution, wie es die Erzählung darstellt, leicht verlief. 5) Wie tief aber der Zwiespalt zwischen den Geschlechtern und den Königen geworden war, zeigt der Zug der Erzählung, der zu den wenigen innerlich glaubwürdigen gehört, dass Brutus das Volk habe schwören lassen, neminem Romae passuros regnare.") Die Erinnerung an diesen Schwur und die Berufung auf ihn hat keinen Versuch, das Königtum zurückzuführen, aufkommen lassen.

1) Niebuhr 1, 572:,,Alles und jedes in der Erzählung auch von diesem König verschwindet vor der Prüfung“ u. s. w.

2) Liv. 1, 49, 7: hic enim regum primus traditum a prioribus morem de omnibus senatum consulendi solvit etc.

3) Niebuhr 1, 572:,,Mit dem Einzelnen, was von Tarquinius' Tyranneien erzählt wird, ist es um so bedenklicher, da sich gemeiner Parteigeist gegen den gefallenen jede Übertreibung seiner Schuld, oft ausgemachte Verleumdung für erlaubt, manchmal für pflichtgemäss hält". Schwegler 1, 787: „der Sturz des Königstums ist ein Werk der Geschlechteraristokratie gewesen“. 4) Vgl. Dionys. 4, 80.

5) In diesem Punkte also hat die Traditon im allgemeinen Recht und Auffassungen wie die von Schwegler 2, 72-74 (,,es kann unter allen Umständen für gewifs gelten, dafs die Umwälzung, welche das römische Königtum gestürzt hat, nicht ohne schwere Konflikte und blutige Kämpfe vorübergegangen ist") müssen so gut wie alle diejenigen, welche mit Tarquinius eine etruskische Herrschaft stürzen sehen, fallen vor dem klaren Charakter der Verfassungsveränderung, der davon zeugt, dafs die Urheber in der Lage waren, ruhig zu überlegen, was sie wollten. S. unten bei der Republik. Der Form der Abrogation (Liv. 1, 59, 11: incensam multitudinem perpulit, ut imperium regi abrogaret) ist natürlich konstruiert.

6) Liv. 2, 1, 9.

II.

Das System der Verfassung in der Königszeit.

§ 7. Die Grundlagen des Systems.

Unsre Quellen stellen die ursprüngliche Verfassung Roms dar als aus freier Hand vom ersten Könige dem ihm unterthänigen Volk mit der Stadtgründung gegeben.') Die Herrschaft des Königs ist ein imperium legitimum), eine an Gesetze gebundene Gewalt; aber der erste König selbst ist es, welcher sich und dem Volk das Gesetz giebt. Nach unserer Darstellung dagegen ist die Verfassung des römischen Staats hervorgegangen aus einem Vertrag zwischen einem sefshaften Geschlechtergau und einem Zuzug von aufsen, so dafs sie einerseits das Ergebnis eines. bestimmten geschichtlichen Vorgangs war, der die Gründung eines städtischen Staats veranlafste, andrerseits die Forterhaltung längstbestehender Ordnungen, die durch jenen Vertrag geschützt und bewahrt werden sollten. Diese Ordnungen sind die Geschlechter- und Familienrechte mit den dazu gehörigen Besitzverhältnissen, der den Leitern dieser Geschlechter, den patres, von jeher zukommende Einflufs (auctoritas) und die Gewohnheit, gewisse gemeinsame Angelegenheiten als Sache aller einzelnen Männer, des populus, zu betrachten; das Neue ist der Gewinn des Schutzes einer Stadtbefestigung für die Ansiedlung, die Führung des Gemeinwesens durch einen König (rex), dem auf Lebenszeit die Gewalt über den Staat und für den Staat übergeben wird, so dafs er für alles öffentliche Handeln die Initiative und zur Ausführung freie Hand hat, und dem sich im Bedürfnisfall die gesamte wehrfähige Mannschaft wohlgegliedert zur Verfügung stellt. Die Geschlechter- und Familienrechte sind zwar nunmehr privater Natur, aber sie wirken auf das öffentliche Leben ein dadurch, dafs die Geschlechtshäupter den Rat des Königs bilden. Ihr bisheriger Bestand wird gewahrt, Änderungen dagegen unter die Kontrolle der unter Leitung des Königs stehenden neu gebildeten Gesamtgemeinde gestellt. So ergab sich die erste bestimmte Scheidung des privaten und öffentlichen Wesens. Der oberste Schutz der Staatsordnung, des

1) Liv. 1, 8, 1: (Romulus) vocata ad concilium multitudine iura dedit. Dionys. 2, 7 ff.

2) Sallust. Catil. 6, 6: imperium legitimum, nomen imperi regium habebant.

Methodisches darüber.

Alten wie des Neuen, liegt in der Gewähr, welche sie vom höchsten Gott hat. Wie jedes Geschlecht für sich bisher dieser Gewähr durch die Erkundung des göttlichen Willens im Vogelflug (auspicium, augurium) durch seine Ältesten sich versichert und die Kenntnis von der richtigen Art, es zu thun, von Generation zu Generation fortgepflanzt und vererbt hat, so thut es jede Gemeinschaft von Geschlechtern durch die sämtlichen Ältesten und wahrt die Kunde davon und das Recht im Schofse aller Geschlechter. Bei Gründung des Staats wird diese Gewähr in feierlicher Weise für den König eingeholt und ihm dann fernerhin wie das Handeln selbst, so auch die Einholung der göttlichen Weisung für sein Handeln überlassen, so dafs neben ihm von andern das Auspicium nur für Privatzwecke anwendbar ist; aber dem König steht für die richtige Ubung sachkundiger Rat von Männern, die aus den Geschlechtern genommen das Wissen davon pflegen, zur Verfügung. Ist der König nicht mehr vorhanden, so fällt der Verkehr mit dem Gotte, in welchem eben die Fortdauer des Staats und der Gewalt begründet ist, wieder an die Ältesten zurück, bis wieder ein neuer König. gefunden ist; nur auf diese Weise ist dieser Verkehr, für dessen Wirkung es unentbehrlich ist, dafs er in den herkömmlichen Formen geschieht, in der richtigen Weise zu erhalten.

§ 8. Das Königtum.

Für die Beurteilung des römischen Königtums sind ins Auge zu fassen die Formen der Übertragung, beziehungsweise Fortpflanzung der Gewalt, der Inhalt derselben, die Ausübung durch den König selbst oder seine Organe.

A) Die Bestellung des Königs.

Für das Wesen einer öffentlichen Gewalt ist charakteristisch schon die Art, wie dieselbe übertragen und weitergegeben wird. Die uns hinsichtlich des römischen Königtums überlieferte Erzählung ist hierüber bei der ersten Übertragung oder Übernahme rein sagenhaft oder mythisch, bei dem weiterhin folgenden Königswechsel scheingeschichtlich, im ersten Fall ausführlich, in den folgenden nur summarisch. Kritisch betrachtet ist sie mit dem Detail, das sie giebt, Kombination der unter der Republik bei der Übertragung der höchsten Gewalt üblichen Formen mit mehr oder weniger richtig überlieferten oder er

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