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können, ausgerüstet mit möglichst starken Garantieen der Unverletzlichkeit, und diese eben waren ein mächtiger Hebel für die Lebensfähigkeit und Steigerung der tribunicischen Stellung.

Den Tribunen werden als untergebene Gehilfen, die bei der Ädilität. Ausübung der Intercession ihnen zur Seite stehen und im Falle von Gewaltanwendung zu helfen haben, zwei Männer mit dem Titel aediles beigegeben.1) Da für die Bestellung derselben das Verhältnis der Quästoren zu den Konsuln mafsgebend sein konnte, so ist nicht unwahrscheinlich, dafs sie zunächst noch nicht gewählt, sondern von den Tribunen ernannt wurden. 2)

§. 13. Von der Einsetzung des Volkstribunats bis zum

Decemvirat.

halt der Periode.

1. Der politische Inhalt dieser Periode besteht in dem Kampf Allgemeiner Inder Plebs um Erleichterung ihrer Lage in derselben doppelten Beziehung, wie in dem vorigen Zeitabschnitt, sowohl gegenüber der patricischen Magistratur als in materieller Hinsicht; in beiden Beziehungen aber hat sie nunmehr kräftigere Mittel und die Zwecke werden schärfer bestimmt. Ist dies aus den Erfolgen leicht ersichtlich, so ist es um so schwieriger, den Gang des Kampfs im Einzelnen zu verfolgen. Keine Periode der republikanischen Geschichte hat unter politisch tendenziöser, juristisch. konstruierender oder auch blofs rhetorischer Übertragung von Erscheinungen einer späteren Zeit so sehr gelitten wie diese, keine bedarf daher so sehr der Rekonstruktion durch die Kritik. Kritik der Überlieferung. Die leitenden Gesichtspunkte für diese Kritik sind für uns folgende: Von den Erzählungen, welche Mittel und Zwecke des Kampfs besonders deutlich zeigen sollen, über Cn. Marcius Coriolanus und Sp. Cassius ist die erste durch die Sage, die zweite teils durch das Hereintragen von Motiven der gracchischen Zeit, teils durch die juristische Zurechtlegung des Prozesses gegen den des Hoch

so dafs dann hiebei tribunicische Hilfe eine Stelle fand. Allein da noch in den XII Taf. die Kraft des Nexum die alte ist, so wird dies nicht der Fall gewesen sein. Erst später scheint das Dekret des Richters eingeschoben zu sein, dem gegenüber der Tribun eintreten kann. Liv. 6, 27, 8. 10 vgl. Huschke, Nexum p. 79. Schwegler 2, 219 A. 4.

1) Livius erwähnt 2, 32 die Ädilen nicht, dagegen Dionys. 6, 90. Zon. 7, 15. Gell. n. a. 17, 21, 11 n. A. lassen sie zugleich mit den Volkstribunen eingesetzt und gewählt werden. Näheres über sie s. im System.

2) Mommsen, r. Staatsr. 2, 464. Niebuhr u. Schwegler datieren auch die Ädilen über die Secession zurück; s. o. S. 149 A. 1.

verrats angeklagten Konsul so sehr entstellt, dafs jene überhaupt nicht, diese höchstens in gewissen allgemeinen Zügen für die Verfassungsgeschichte verwertet werden kann. 1) Ferner die Rechte des Volks tribunats und die Sonderrechte der Plebs sind durch Verkennung der allmählichen Entwicklung, durch falsche Auffassung des prinzipiellen Standpunkts der Regierung, durch erfundene Plebiscite und plebejische Gerichtsverhandlungen so unrichtig dargestellt, dafs auch hier zuerst die Erzählungen zu beseitigen sind und nur durch Rückschlüsse aus dem Erfolg die richtigen Züge des geschichtlichen Hergangs gefunden werden können. Charakter der Aus den Mängeln in der Darstellung der alten Quellen heraus Fortschritte ist unter den Neueren die Auffassung herrschend geworden, die Tribunen hätten durch Usurpation eine fortgehende Erweiterung ihrer Befugnisse gewonnen, die aus der thatsächlichen Übung

tribunicischen

1) Die Sage von Coriolan hat Niebuhr 2, 108 ff. 264 ff. zwar kritisch behandelt, aber mit dem Resultat, dafs sie im wesentlichen glaublich, dagegen in der Zeit herabzusetzen sei. Schwegler 2, 363-384 setzt das geschichtliche Vorkommnis ebenfalls in der Zeit herab, findet es aber von der Sage so sehr überwuchert, dass kaum ein historischer Kern herausgestellt werden könne. Einen solchen will er etwa darin finden, dafs Coriolan als Führer einer Freischar Rom bedrohte, aber von dem Flehen seiner Mutter gerührt die Stadt im Augenblicke verschonte, da es in seiner Hand lag sie zu verderben. Mommsens Analyse der annalistischen Berichte (r. Forsch. 2, 113-152) kommt darauf hinaus, dafs die Erzählung nicht älter und nicht jünger sei als die erste Hälfte des 5. Jahrh. d. St., ein plebejisches Einschiebsel zur Verherrlichung des pleb. Adels der Marcier durch Anknüpfung an den patricischen und der Plebs selbst durch Hervorhebung ihrer politischen Rechte und dafs es vergeblich sei, in ihr, die auch schon zeitlos auftrete, einen geschichtlichen Kern zu suchen. In der Erzählung von Cassius hat schon Niebuhr (2, 144-160) die Züge der gracchischen Zeit entdeckt (190) und nimmt im übrigen an, dafs er mit reinen Zwecken, um die servianischen Gesetze über die Landzuteilung herzustellen und den Ungerechtigkeiten ein Ende zu machen, nach königlicher Macht gestrebt habe. Schwegler (2, 458-477) nimmt an, dafs Cassius sein Ackergesetz, das aber anders definiert wird als in der Tradition, als Konsul durchgebracht habe, nach Niederlegung des Amts aber in einer Sonderversammlung seiner Standesgenossen angeklagt und zum Tode verurteilt worden sei. Das cassische Ackergesetz ist also bei ihm historisch und besteht zu Recht. Mommsen (r. Forsch. 2, 153-179) verwirft das Ackergesetz als der älteren Überlieferung unbekannt, in welcher vielmehr nur liege, dafs Cassius wegen Trachtens nach königlicher Gewalt von den Quästoren vor den Centurien angeklagt und zum Tode verurteilt worden; dies sei anzuerkennen und vielleicht auch, dafs wie bei den Tarquiniern sein ganzes Geschlecht vertrieben worden sei,

stillschweigend ohne ausdrückliche gesetzliche Anerkennung zu rechtlicher Geltung gelangt wäre.1) Es läfst sich dies aber weder mit dem sonst gesetzlich geregelten Gang der römischen Verfassungsentwicklung noch mit der sonst noch so starken Stellung der Regierung vereinigen, welche z. B. durch gewisse Bestimmungen der XII Tafeln zeigte, dafs sie Usurpationen, wie sie allerdings vorkamen, nicht so leicht zu Gesetzen werden liefs. Das Unannehmbare dieser Vorstellung wird scheinbar vermieden durch die Auffassung, welche dem Volks tribunat zwar keine allgemeingültige gesetzliche Grundlage giebt, aber eine einseitige, bestehend in dem Schwur der Plebs, für das Tribunat einzustehen, und dem freien Associationsrecht derselben, sowie in der Stellung des Tribunats, wie diese sich, als es dann später eine gesetzlich geordnete Gewalt geworden, kund that, nämlich als eine Macht, die innerhalb ihrer Wirkungssphäre stärker war als die magistratische.") Gegen diese Ansicht gilt vor allem derselbe Grund, der schon hinsichtlich der Einsetzung des Tribunats geltend gemacht wurde: eine Jahre währende Zeit revolutionären Treibens, das auf Grund einseitiger Deutung von Rechten dem Staate Zwang anthat, hätte die Regierung zu offenem Kampf veranlafst, da ihre Stellung, wie die Wahlen zeigen, noch stark genug war, und ein so weit gehendes Associationsrecht lässt sich für den römischen Staat nicht belegen. Es wird vielmehr sich so verhalten haben, dafs zwar die Tribunen die ihnen gesetzlich eingeräumten Befugnisse möglichst ausgedehnt anzuwenden suchten, auch sich gestützt auf ihre Unverletzlichkeit Übergriffe erlaubten, dafs aber solche Übergriffe nicht einen gültigen Akt hervorbrachten, sondern nur Ansprüche ausdrückten, die zu einem anerkannten und bleibenden Erfolg erst führten, wenn die Regierung auf dem sonst geltenden Wege sie in die Form von Gesetzen brachte. So war es natürlich, dafs die Tribunen die Stellung zu der Gesamtgemeinde, die ihnen durch die Wahl und nur durch diese gegeben war, auch zu Agitationen verwerteten, aber dafs aus solchen Agitationen ein Beschlufs hätte hervorgehen können, der irgend jemand rechtlich band, d. h. dafs plebejische Versammlungen irgend eine andre Kompetenz gehabt hätten als die der Wahlen, ist nicht anzunehmen;

1) Zonar. 7, 15. Becker 2, 2, 273 ff. Schwegler 2, 267. Lange 1, 822 ff. u. A.

2) Mommsen r. Forsch. 1, 179. r. Staatsr. 2, 269 ff. Über diese Auffassung s. weiteres im System.

ja wenn die Tribunen zu andern Zwecken als dem der Wahl auch nur Kontionen hielten, so hing es nach der bestehenden Ordnung von der Regierung ab, ob sie dies als erlaubt betrachten wollte. Es haben ferner zweifellos heftige Parteikämpfe in dieser Zeit stattgefunden, hauptsächlich veranlafst dadurch, dafs die Volkstribunen ihr Recht gegenüber den Magistraten Person gegen Person geltend machten, und die Sage von Coriolan, der Überfall des Capitols durch eine Schar Verbannter i. J. 4601), sowie die Ermordung eines Tribuns Genucius i. J. 473, wenn diese als Thatsache zu nehmen ist 2), können als Beweis hierfür angeführt werden. Allein, was an diesen Berichten wahres ist, zeigt auch, dafs die Patricier eine sehr entschiedene Haltung den Plebejern gegenüber einnahmen, und wenn auch die patricische Regierung nicht nach dem über den ganzen Stand Gesagten zu beurteilen ist, so wird sie doch in dem ihr zustehenden Mass eine der Haltung des Stands entsprechende Energie bethätigt haben. Mindestens hatte sie die Kraft, wenn Koncessionen nicht mehr zu umgehen waren, dieselben in dem ihr gut dünkenden Mafse und auf einem Wege zu bewilligen, bei welchem ihre Auktorität bestehen blieb. Die ganze Geschichte der sicher kontrollierbaren Fortschritte der Plebejer zeigt, dafs die Patricier starkem Andringen gegenüber entweder nur Abschlagszahlungen machten, oder bei stärkeren Koncessionen durch ein Gegengewicht das Zugeständnis möglichst ungefährlich zu machen oder wenigstens den Schein einer Entschädigung zu wahren suchten. Diese allgemeinen Erwägungen sprechen schon dagegen, dafs in dieser Periode Plebiscite mit allgemein bindendem Charakter und eine Provokationsgerichtsbarkeit der Tribunen und plebejischer Komitien stattfand. Die Überlieferung giebt zahlreiche Fälle von beidem, und die neuere Forschung, wenn sie auch in den Zeugnissen darüber vieles vermifst, was dieselben beglaubigen sollte, abstrahiert daraus in beiden Beziehungen ein entsprechendes Recht, sei es als von Anfang an begründet oder usurpiert. Allein es lässt sich auch für diesen Zeitraum zeigen, dafs keines der Gesetze,

Dionys. 10, 14. Zonar. 7, 18.

1) Liv. 3, 15. 2) Liv. 2, 54. Dionys. 10, 38 (in Widerspruch mit 9, 38). Ich halte diese Erzählung für erfunden: wo soll sie berichtet gewesen sein? Auch ihre Verbindung mit der tribunicischen Anklage spricht nicht für sie. Wenn Zonar. 7, 18 den Patriciern viele Mordthaten zuschreibt, so mag etwas Wahres daran sein, aber ein Zeugnis ist auch dies nicht.

welche angeführt werden, vor der Kritik bestehen kann1), und dasselbe gilt von den Fällen, in welchen die Tribunen Patricier oder gar Magistrate vor Gericht gezogen haben sollen.) In letzterer Beziehung ist möglich, dafs die Tribunen, statt blofs persönlich patricischen Gegnern, von denen ihnen gegenüber das Schwurgesetz verletzt worden, zu Leibe zu gehen, in Analogie des Verfahrens vor den Centurien die Plebejer versammelten und ein Urteil abgeben liefsen; dafür zeugen nicht die erwähnten Fälle, wohl aber läfst es das Gesetz der XII Tafeln, welches für die Centuriatkomitien das alleinige Recht der Kapitalgerichtsbarkeit wahrt, vermuten; aber eben dieses Gesetz zeigt, dafs es den Patriciern nicht einfiel, aus einem derartigen Vorgehen der Plebejer eine Kapitalgerichtsbarkeit der Tribunen und ihrer Komitien als berechtigt anzuerkennen. Auf die Gesetzgebung aber konnten die Tribunen nur insoweit Einfluss üben, als sie den Konsuln und dem Senat gegenüber die Sprecher der Gemeinde waren, nicht mit einer förmlichen Kompetenz zur Antragstellung, wohl aber mit dem thatsächlichen Gewicht, das die hinter ihnen stehende Menge jeweilig hatte, auf dem Wege von nicht förmlichen Besprechungen mit Magistratur und Senat, die ihnen von diesen Faktoren gewährt wurden. Dagegen von einer Teilnahme der Plebs an der Gesetzgebung oder, was dasselbe ist, von einem Recht der Tribunen, durch die Plebs gültige Beschlüsse fassen zu lassen, ist noch in den XII Tafeln da, wo solches hätte erwähnt werden müssen, nicht die Rede. Auf dasselbe Resultat kommt man, wenn man die Zwecke und Ziele betrachtet, welche die Plebs verfolgte. die Plebs verfolgte. Die alten Die alten Berichte lassen einerseits das Recht der Hilfeleistung als das ursprünglich

1) Vgl. oben S. 151 A. 1.

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2) Über den Prozess gegen Coriolan vgl. die Litteratur oben S. 154. A. 1.; für die Anklage des Käso Quinctius Liv. 3, 11. Dionys. 10, 5 fehlt der zureichende Grund, auch steht sie in bedenklicher Verbindung mit der Armut seines Vaters Cincinnatus. Die tribunicischen Anklagen von 476 bis 454 sind zusammengestellt bei Schwegler 2, 530-2, der sie aber für rechtlich begründet erachtet. Für Mommsen ist die tribunicische Kapitalstrafe in dieser Periode revolutionäre Selbsthilfe, organisierte Lynchjustiz (r. Forsch. 1, 179), von den Anklagen gegen Magistrate aber urteilt er r. Staatsr. 2, 304 A. 5: „es ist charakteristisch für die völlig unhistorische Beschaffenheit der Annalen bis zum vejentischen Krieg, dafs diese von solchen Prozessen wimmeln", vgl. auch Ihne, Entstehung und älteste Befugnisse des Volkstribunats in rhein. Mus. 1866. S. 165 ff.

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