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liche Gut; sie folgt aus der tugendhaften Thätigkeit der Seele. Die Tugend erhebt zur eidauovia, sie ist eine Fertigkeit (Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Freigebigkeit, Grossherzigkeit, Seelengrösse, Sanftmuth, Gerechtigkeit). Zweck des menschlichen Lebens ist τὸ εὖ ζῆν. Nach Spinoza ist der von Affecten ergriffene Mensch von äusseren Umständen abhängig. Er muss oft das Schlechtere vollziehen, während er das Bessere sieht. Die Erkenntniss der Affecte giebt uns das sicherste Heilmittel gegen dieselben. Das Streben nach Selbsterhaltung führt zur Glückseligkeit, indem dadurch grössere Vollkommenheit und Machtentfaltung erlangt wird.

Kant stellt eine von jedem Eudämonismus geläuterte Sittenlehre auf. Nichts ist an sich gut, als allein der gute Wille, der im kategorischen Imperativ seinen Ausdruck findet. Durch Nichts ist die Sittlichkeit besser gesichert, als durch die Freiheit des menschlichen Willens. Die sittliche Freiheit bekundet sich in der Handlung aus reiner Achtung gegen das sittliche Gebot.

Gegenüber diesen philosophischen Constructionen frage ich, wie bei den arischen Hauptvölkern die sittlichen Begriffe formulirt worden sind. Ich nehme dabei aus der neueren Philosophie die Herbart'schen „practischen Ideen" (nur mit allerlei für meine juristischen Zwecke nothwendigen Modificationen) zum Anhaltspunkte 2). Man hat die Ethik als einen Theil der allgemeinen Aesthetik aufzufassen. Das Ethische ist eine besondere Anwendung des Aesthetischen. In der Aesthetik findet man Formen schön oder hässlich, in der Ethik handelt es sich um gefallende oder missfallende Willensverhältnisse. Die Beurtheilung dieser Verhältnisse ist Sache des sittlichen Geschmacks. Gestalten sich gefallende bezw. missfallende Willensverhältnisse zu allgemeinen Be

2) Die Formulirung der Herbart'schen ,,practischen Ideen" ist in einzelnen Punkten anfechtbar. Darauf genauer einzugehen, würde hier nicht der rechte Ort sein. Jedenfalls wird man sagen dürfen, dass sie im Wesentlichen das Richtige getroffen haben. Meine Aufgabe ist, zu zeigen, wie diese absoluten Ideen im Gedankenkreise der Arier zu allmäligem Ausdruck gelangt sind. Ich hebe dabei - unter allgemeiner Verweisung auf die von Herbart in der „Practischen Philosophie" gegebenen Darlegung der Ideen [Herbart's Werke, herausgeg. von Kehrbach, Bd. II S. 329 ff.] im Folgenden einige Stellen aus Herbart's,,Encyklopädie der Phil. aus practischen Gesichtspunkten" hervor.

griffen, so sind das practische Ideen. Deren giebt es fünf. Wenn wir in Betreff dieser die Frage aufwerfen, ob und wie wir die Keime der Ideen schon bis in altarische Zeiten zurückverfolgen können, so ist von vorn herein im Auge zu behalten, dass es dabei vielfach noch an klarer Durchschauung gefehlt haben muss. Aber das hindert nicht, dass sich der sittliche arische Geschmack doch bereits mit intensiver Stärke und unter Festhaltung derselben Auffassung in primitiven Volkszuständen geltend gemacht hat, und dass wir durch den Lauf der Jahrhunderte hindurch den geschichtlichen Zusammenhang, Verlauf und Ausbau der einzelnen Ideen verfolgen können.

2) Die fünf practischen Ideen werden in folgender Weise zu fassen sein. Ich stelle der Formulirung einer jeden gleich Das gegenüber, was wir ihr Correspondirendes in der Entwicklung arischer Hauptvölker vorfinden. Letzteres ist schon früher von mir eingehend besprochen worden. Es enthält einerseits nach den indischen Quellen die s. g. Declaration des Manu [die wir wohl dem Aeltesten zurechnen dürfen, was die Arier durch die Jahrtausende fortgetragen haben (IG. S. 251]; und andererseits das gewiss ebenso alte Verbot der Hybris, sowie das Gebot der Humanität.

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a) Idee der Reinheit. Das menschliche Individuum bildet sich nach seinem ,,vorbildenden Geschmack" den Begriff der reinen, in innerer Freiheit sich darstellenden Existenz. Was dem Individuum, entweder durch den eigenen Willen hervorgerufen oder von Aussen zugefügt und durch den Willen nicht abgewehrt, als ein dem urtheilenden Geschmack Widersprechendes anklebt, gilt als Unreinheit. In dieser Hinsicht gestaltet sich auch schon in primitiven Völkern eine grosse Lehre von dem zu vermeidenden Unreinen, möge es als dem Menschen schädliche Substanz sich darstellen, möge es als unabsichtlich besudelndes eigenes Handeln des Menschen auftreten. Es entwickeln sich umfängliche Vorschriften darüber, dass man den Göttern nicht in unreinem Zustande sich nahen dürfe, sowie darüber, wie man den Zustand der Unreinheit wieder abwaschen könne. Bei den Indern bezieht sich hierauf das erste Gebot der Manu-Declaration. Solche Reinlichkeitslehren haben sich nicht bloss bei den

arischen, sondern auch in eigenthümlicher Andersartigkeit bei nichtarischen Völkern entwickelt. Sie sind ein wesentlicher Factor für die Charakterisirung je der einzelnen Menschheitsrassen. Eingehendere Details, wie die Unreinheitslehre bei den Indern und bei den Latinern auftritt, habe ich bereits in dem IG. S. 256 ff. und IC. I S. 373 ff. zusammengestellt.

b) Idee der Autorität. Wenn von zwei Willenspotenzen alle Eigenschaften ausser der Stärke abstrahirt werden, so gefällt der stärkere Wille neben dem schwächeren. Am stärkeren Willen gefällt die Energie der einzelnen Regungen, die Mannigfaltigkeit in der Summe und die Zusammenwirkung im System. Der schwächere Wille muss dem stärkeren nachstreben, um nicht zu missfallen. Der stärkere Wille aber, der in Wirklichkeit und dauernd gefällt, und welchem gegenüber der Ungehorsam missfällt, ist nicht die vorübergehende und arbiträre Gewaltäusserung, sondern die stätige schützende Machtbethätigung. Solche tritt hervor als göttliche Macht, als Macht des Hausherrn, Macht des Kriegsherrn, Macht der weisen Alten. Die missfallende Nichtachtung dieser Autoritäten ist die Hybris, die unmotivirte Selbstüberhebung des Schwächeren über die schützende Autorität. Bis in die ältesten arischen Zeiten ist diese Hybris als Gegenstand schweren Missfallens, als Sünde, als Unsittlichkeit erkannt worden (IG. S. 233. 279. 313. 437, IC. I S. 95).

c) Idee des Wohlwollens. Ihr entspricht es, dass die Person ihren eigenen Willen dem vorgestellten fremden Willen als solchem widmet. Tritt umgekehrt der eigene Wille dem vorgestellten fremden als solchem in den Weg, so ist das missfallendes Uebelwollen. Das Wohl- und Uebelwollen ist zunächst einseitig gedacht, es kann aber auch gegenseitig sein. Damit von anderen Ideen aus nicht Einspruch erhoben werde, muss der vorgestellte Wille reiner Ausdruck der Wohlwollensidee sein. Das Verhältniss, in welchem schon bis in die altarischen Zeiten hinein die Wohlwollensidee gestaltend gewirkt hat, ist das Gastverhältniss (GIRG. S. 211 ff.; IG. S. 220ff.; IC. I S. 354 ff.). Hierin hat sich schon früh eine Abklärung allgemeinerer Humanitätsgedanken vollzogen, die dann allmälig auch in anderen Verhältnissen zur Anwendung gebracht worden sind.

d) Idee der Ausgleichung. Zwei Willensregungen verschiedener Willenswesen treffen in Einem Punkte zusammen, über den nur Ein Wille disponiren kann. [Es ist eine zu enge Auffassung Herbart's, hier lediglich ein unabsichtliches Zusammentreffen vorauszusetzen.] Erkennen nun beide Wollungen einander an, beharren aber doch jede auf ihrem Standpunkt, so gerathen sie in Streit, der der Ausgleichung bedarf. Nicht der Streit an sich missfällt, wohl aber der inique, Einen der Streitenden in ungünstigere Position stellende Streit. Mit gleich wägender Unparteilichkeit soll der Streit durchgekämpft werden, sei es mit den physischen Waffen, sei es mit geistiger Argumentation. Andererseits mit Treue müssen, wenn es sich um friedlichen Verkehr handelt, oder wenn es bei etwaigem Streit nicht zum Kampfe kommen soll, die gegenseitigen Ansprüche gewogen bezw. das völlige oder theilweise Zurücktreten des Einen empfohlen werden. Diese Idee der treuen, auf Wahrheit ausgehenden Ausgleichung [,,Aequität“, verschieden von der „,Billigkeit"] ist bis in die ältesten arischen Zeiten zurückverfolgbar. Sie festigt sich besonders in den fundamentalen alten Gemeinschaftsverhältnissen der Ehe, der Sippen und der Stämme; sie hat auch schon als DharmaThemis-Fas - Recht eine eigenthümlich arische Gestaltung loyaler Streitdurchführung hervorgerufen. An die altthemisrechtliche Basis haben sich dann die mannigfaltigen Gestaltungen des ius civile angeknüpft. Grundgedanke bleibt immer das auf offene Wahrheit ausgehende aequum. Dieser Gedanke tritt schon im fünften Gebot der Manudeclaration hervor; er findet seine volle Aussprache in der römischen Auffassung der Jurisprudenz als der ars boni et aequi, und in dem Gebote: suum cuique. Sittlich gefallend ist das aequum, missfallend das iniquum.

e) Die Idee der Vergeltung. Wenn zwischen verschiedenen Willenswesen absichtliche Wehethat vollzogen ist, so ruft dies Missfallen hervor, welches erst dadurch schwindet, dass die That erwidert, vergolten wird. Bei den Ariern hat sich dies zu der typischen Zusammenstellung der drei grossen Uebelthaten: Schändung, Tödtung, Diebstahl formirt. Sie rufen die Individualtimorie hervor, bei der aber in bestimmter Weise eine Composition durch Verhandlung des Verletzten

mit dem Verletzer herstellbar ist (GIRG. S. 486 ff.; IC. I S. 394 ff.).

Es hat sich hiernach ergeben, dass es fünf practische Ideen, welche die Grundlagen der sittlichen Aesthetik bilden, giebt die Idee der Reinheit, der Autorität, der Humanität, des aequum, der Vergeltung 3). Die erste, vierte und fünfte finden wir schon in der Manudeclaration, die zweite im Hybrisverbot, die dritte im Humanitätsgebot. Alle fünf sind absolute, durch die gesammte Menschheit sich hindurchziehende, Ideen. Aber sie nehmen in den verschiedenen Rassen der Menschheit verschiedene Färbung an. Gegenstand meiner Darstellung ist hier die arische Ordnung. In bestimmten festen Punkten können wir die specifisch arische Gestaltung der fünf Ideen erkennen, die an sich nur als sittliche Grundsätze auftreten, aber schon das Material in sich tragen, das allmälig zur genauen Scheidung von Moral und Recht geführt hat.

3) Alle fünf, arisch-eigenthümlich formirten, practischen Ideen gehen von dem Grundpunkte aus: esse deos. Es besteht eine göttliche Substanz (hier zusammengefasst: die oberen und unteren Götter), die das Getreibe der Menschen kennt und gerecht beurtheilt. Nach der göttlichen Gerechtig

3) Herbart's Encykl. S. 233 ff.:,,Jede dieser Ideen wird durch ein ästhetisches Urtheil gefunden, welches nicht vom Willen ausgeht, sondern über ihn ergeht. Die Idee des Wohlwollens bezeichnet die innere Harmonie einer Person, welche mit dem eigenen Willen sich einem von ihr vorgestellten fremden Willen widmet. ,,Beim Recht und der Billigkeit sind mehre Personen nöthig, ja auch ein Medium, ein gemeinsamer Boden, eine Fähigkeit auf einander einzuwirken. Zwei Personen treffen in der ihnen gemeinsamen Welt der Sachen und des Handelns entweder absichtlich zusammen oder unabsichtlich... Recht und Billigkeit kommen darin überein, dass sie eine wirkliche Mehrheit von Personen voraussetzen. Das Wohlwollen braucht von der zweiten Person nur das Bild ihres Willens. Die Vollkommenheit kann zwar die Voraussetzung mehrer Personen annehmen, welche neben einander gross oder klein erscheinen, allein die Vergleichung und das darauf beruhende ästhetische Urtheil bedarf nicht einer Mehrheit von Personen, es findet seinen Gegenstand schon in einem Beisammensein der mehren Strebungen, welche das mannigfache Wollen einer einzigen Person an den Tag legt. Die innere Freiheit schwebt über allen anderen Ideen, denn sie ist überhaupt, gleichviel ob durch Grösse oder durch Wohlwollen oder durch Recht oder durch Billigkeit, diejenige Harmonie einer einzigen Person mit sich selbst, welche zwischen den erkannten Ideen und dem Willen stattfindet."

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