Page images
PDF
EPUB

Gerichtsmacht der Fraternitäts- bezw. Stammhäupter bestehe, dass aber ein allgemeines vor diese zu bringendes Klagenwesen noch nicht existire. Vielmehr giebt es in Verfolgung der dem Einzelsubject (dem Hausherrn) zugefügten manifesten Verletzungen zunächst nur Selbsthülfe, an die sich aber schon eine mannigfaltig sich gestaltende Anrufung jener Gerichtsmächte in Betreff der Constatirung des Manifesten anschliesst. In dieser Hinsicht kommt es nun darauf an, bei welchem einzelnen Punkte je in den einzelnen arischen Völkern in Betreff der Anrufung des Richters angeknüpft wird. Aus der Anknüpfung je an verschiedene Punkte entwickeln sich ganz verschiedene Gedankenreihen. Für die Griechen und Italiker ist der Anknüpfungspunkt das altthemisrechtliche Apprehendiren des Schuldnerleibes geblieben. Dabei ist reguläre factische Voraussetzung, dass vorher der Gläubiger den Schuldner schon ein- oder mehrmal gemahnt haben werde. Aber diese Mahnung spielt bei ihnen keine technische Rolle. Bei den Indern hat sich die Mahnung neben die Schuldnergreifung so gestellt, dass überwiegend je nach den Ständen die Verwendung des einen und des anderen Beitreibungsweges eintritt (IG. S. 476 N. 6). Bei den Germanen dagegen ist der allgemeine Anknüpfungspunkt die Mahnung geworden, und so tritt bei ihnen die Schuldnergreifung mehr in den Hintergrund (s. Brunner RG. II 519 ff.): „Die rein privatrechtlichen Ansprüche waren im ältesten Recht nicht Gegenstand einer gerichtlichen Klage. Klagbar waren nur Rechtsverletzungen pönalen Charakters, d. h. solche, wegen deren auf Friedlosigkeit oder auf Busse erkannt werden konnte. Wie jene setzte auch diese ein strafbares Unrecht voraus, denn auch die Busse trug ein pönales Moment in sich. Ein Gerichtsverfahren, welches keine directe Zwangsvollstreckung kannte, sondern gegen den sachfälligen Beklagten nur die Friedloslegung zur Verfügung hatte, war zur Geltendmachung von Civilsachen nicht geeignet. Vielmehr war der Berechtigte dafür in ältester Zeit auf den ausschliesslichen Weg der rechtlich geregelten Selbsthülfe angewiesen. Sollte ein privatrechtlicher, insbesondere ein vermögensrechtlicher Anspruch zur gerichtlichen Verfolgung reif werden, so musste der Gegner vorher in strafbares Unrecht

versetzt werden, das ihn bussfällig machte. Diesen Zweck erfüllt das Betreibungs- oder Mahnverfahren" (in fränkischen Volksrechten, inbesondere lex Salica und in nordgerm. Quellen). Ursprünglich ein rein aussergerichtlicher Rechtsgang, kann es im fränk. R., um gegen einen widersetzlichen Gegner zum Abschluss zu gelangen, der Anrufung des Richters auch bei liquiden Ansprüchen nicht mehr entbehren. Wesentlich ist dem Betreibungsverfahren eine aussergerichtliche Mahnung vor Zeugen an den Verpflichteten (testare, contestare, admonere). Dadurch verwirkte der in Verzug gesetzte Gegner eine Busse wegen rechtswidriger Vorenthaltung der Sache oder der Leistung. Der Berechtigte gewinnt dadurch einen Anspruch nicht auf Schadensersatz, sondern auf Sühne des durch die Weigerung erlittenen Unrechts. In allen Fällen des salischen Betreibungsverfahrens geht der Anwendung des Zwanges, mag sie eine Parteihandlung oder ein gräflicher Act sein, eine Ladung des Säumigen in den volksgerichtlichen Mallus voraus. Die Ladung giebt ihm Gelegenheit, den vom Kläger erhobenen Anspruch zu bestreiten. Thut er das, so wird die Sache in den Weg eines contradictorischen Verfahrens geleitet." Die lex Sal. kennt ein Betreibungs- oder Mahnverfahren vorzugsweise [Anderes lege ich hier bei Seite] aus zwei Anlässen : einerseits ex fide facta [Geltendmachung eines rechtsförmlichen Schuldversprechens, eines gerichtlichen oder aussergerichtlichen ; zur Zahlungszeit erfolgt aussergerichtliche Aufforderung vor Zeugen zur Zahlung; durch den Verzug wird Busse von 15 Schill. verwirkt, die im Mallus vom Thungin ausgesprochen wird mit Anpfändung; dann dreimaliges rogare, um den Anspruch pfändbar zu machen], und andererseits um res praestita [Anspruch auf Rückerstattung der geliehenen Sache (Darlehn wie Leihvertrag); der Verpflichtete muss dreimal von Woche zu Woche mit Zeugen gemahnt werden; die vergebliche Mahnung wird durch rechtsförmlichen Protest (solsadia) constatirt; bei jeder solsadia Erhöhung der Schuld um 3 solidi; bei weiterer Säumniss Busse von 15 solidi; diese, sowie die ursprüngliche Schuld und die 9 solidi, die ihr aus Anlass des dreimaligen testare zugewachsen sind, mag der Berechtigte vor Gericht einklagen]. So sind die

[ocr errors]

griechisch-latinische Schuldnergreifung und das germanische Mahnverfahren bis fast zur Unkenntlichkeit der Zusammenhänge auseinander gegangen. Und doch sind diese Zu

sammenhänge vorhanden.

Schliesslich habe ich noch auf die Slaven den Blick zu werfen. In dieser Hinsicht haben wir im russischen Recht die Bekundung der ältesten Rechtsanschauungen. Die Stelle (III Pr. Art. 51) ist oben (§ 37 a. E.) in anderem Zusammenhange angeführt worden. Die Voraussetzung ist, dass Jemand schon andere Schulden hat, und nun einem Auswärtigen gegenüber eine Marder- [zugleich Geld und Waare] Schuld contrahirt. Hier tritt, wenn die Schuld an den Auswärtigen nicht erfüllt wird und die anderen Gläubiger sich mit dessen Ausschliessung bezahlt machen wollen, Verkauf des Schuldners in die Sklaverei ein:,so führe man ihn auf den Markt und verkaufe ihn, und gebe die ersten Marder dem Gast (gost) heraus, und theilen die Einheimischen unter sich, was an Mardern übrig bleibt'. Wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir diesen Verkauf in die Sklaverei für einen Rest des altarischen Themisrechts erklären, demzufolge die Schuld in letzter Linie auf dem Leibe des Schuldners haftet 3).

48. (Die Pfandgreifung, pignoris capio.) 2) Wo die Anschauung herrscht, dass die contrahirte Schuld vom Gläubiger am Leibe des Schuldners exequirt werde, da liegt es nahe, dass sich daneben als etwas Milderes die Pfandgreifung stelle. Wo man den Gegner zum Sklaven machen, bezw. durch Verkauf nach Aussen in die Sklaverei bringen kann, da ist das Angreifen seines Vermögens, um sich bezahlt zu machen, ein

3) Vgl. auch III Pr. Art. 50 (Ewers, R. d. R. S. 328): ,und welcher Kaufmann irgendwohin geht mit fremden Mardern und leidet Schiffbruch, oder das Kriegsvolk nimmt, oder das Feuer, so soll man ihm keine Gewalt anthun, ihn nicht verkaufen, sondern er fange an jährlich zu bezahlen. So zahlt er, weil das Unglück von Gott und nicht Schuld ist. Wenn er sich betrinkt, oder in Sinnlosigkeit verschwendet, oder fremde Waare verdirbt, so ist in Belieben Dessen, welchem die Marder sind, sich mit ihm zu gedulden, oder ihu zu verkaufen nach seinem Willen'.

im zuständigen Majus mitinbegriffenes Minus. Eine Anschauung, dass für die Schuld wohl die ganze Rechtsexistenz des Schuldners genommen werden könne, nicht aber sein Vermögen angreifbar sei, erscheint in primitiven Zuständen als eine undenkbare Ziererei. Wir finden denn auch bei den uns vorzugsweise interessirenden arischen Hauptvölkern neben der auf den Leib gehenden Individualexecution ein Verfahren der Erfassung des schuldnerischen Vermögens. Ich gebe davon eine kurze Uebersicht. Sie wird zeigen, dass auch hier sich wesentlich verschiedene Standpunkte festgestellt haben, die aber doch die gemeinsamen Grundelemente durchblicken lassen.

=

[ocr errors]

a) Bei den Indern (IG. S. 474 ff.) steht, neben der Eintreibung der Schuld durch friedliche Mahnung und durch Gewalt gegen die Person, die auf die Gegenstände des Schuldners gerichtete Execution in zwei Gestaltungen. Man sucht (offenbar ein exceptionelleres Verfahren) durch Umwege eine dem Schuldner gehörige Sache in die Hand zu bekommen (Chala Täuschung) und retinirt sie dann wegen der unbezahlten Schuld. Oder man geht offen den Weg der pignoris capio (Acarita der,,herkömmliche Weg"). Gegenstand derselben ist Alles, was ein Haushalter in der Hauskoinonie unter seiner Macht hat, also so gut Frau und Kind, wie Vermögenssachen, namentlich das Vieh (pecunia) des Schuldners. Dabei kann dann, wenn man vor dem Hause des Schuldners sitzt, um desselben oder seiner Sachen habhaft zu werden, das wunderliche,,Hungerduell" eintreten, das wir in so merkwürdiger Weise ausser bei den Indern auch noch bei den Kelten wiederfinden (das Dharna-Sitzen). Ist nun aber das pfand weise Greifen von Gegenständen des Schuldners zulässig, so ergiebt sich von selbst, dass auch von vorn herein zwischen Gläubiger und Schuldner durch Verpfändungsacte diejenigen Gegenstände des Schuldners specialisirt werden können, an die sich der Gläubiger halten soll. Also das Bestehen der pignoris capio hat den Bestand von pfandrechtlicher Satzung zur Folge. Und daraus ergiebt sich, dass die ursprüngliche Geltendmachung des Pfandrechts ebenso wie die pignoris capio nicht etwa eine vor Gericht vorzubringende Klage, sondern ein executorisches Greifungsverfahren ist.

Nicht minder ergiebt sich daraus, dass der primitive Pfandrechtsbegriff lediglich das Vorenthaltungspfand umfasst, an das sich dann erst je nach den Umständen die Begriffe der Antichrese, des Verkaufsrechtes, des veräusserten Pfandes mit Einlösungsrecht durch Schuldbezahlung (IG. S. 474 N. 4) anschliessen 1).

1) Ich stelle hier einige das Pfandrecht betreffende Hauptstellen der indischen Rechtsbücher zusammen; a) das Pfandobject. a) Vishnu 5, 181-184: Wer mehr als a bull's hide Land dem Gläubiger verpfändet, soll körperlich gestraft werden durch Auspeitschen oder Gefängniss. Ist das Areal ein geringeres, so soll er eine Strafe von 16 Suvarnas bezahlen. Soviel Land, sei es klein oder gross, von dessen Ertrag ein Mann ein Jahr lang leben kann, wird die Quantität eines bull's hide genannt. Wenn ein Streit entstehen sollte zwischen zwei (Gläubigern) betreffend (ein Feld oder anderes Grundeigenthum), welches Beiden gleichzeitig verpfändet worden ist, so soll den Ertrag dieses Pfandes derjenige geniessen, der es in seinem Besitz hat, ohne es gewaltsam erlangt zu haben. B) Yajnavalkya 2, 25. 26:,Ausgenommen [vom longum tempus] sind Pfand (adhi), Grenzen, Deposita, Eigenthum von Schwachsinnigen und Kindern, anvertrautes Gut, Eigenthum des Königs, einer Frau, eines vedakundigen Brahmana. Wer ein solches Pfand oder anderes Gut wegnimmt, den soll (der Richter) das Gut (dhana) an den Eigenthümer (dhanin) erstatten (da) lassen und eine Geldstrafe (dande) von gleicher Höhe oder im Verhältniss zu seinem Vermögen, an den König'. y) Yajnavalkya 2, 60:,das Pfand wird gültig durch Annahme; wenn dasselbe, obwohl gehütet, verdorben wird, so ist ein anderes zu geben, oder der Gläubiger soll sein Geld empfangen'. b) Aufbewahrungspfand: Vishnu 6, 5. 6:,durch den Gebrauch eines Pfandes (welches lediglich aufzubewahren ist) geht man des Zinses verlustig. Der Gläubiger muss den Verlust eines Pfandes ersetzen, ausser wenn er durch Geschick oder durch den König verursacht ist' (vgl. Yājnavalkya 2, 59). Antichrese; Gautama 12, 32: ,ein Darlehn, welches durch ein vom Gläubiger gebrauchtes Pfand gesichert ist, trägt keinen Zins'; Yajnavalkya 2, 64:,wenn eine Schuld auf ein Pfand doppelt geworden ist, so ist das Pfand zurückzugeben, wenn der Gläubiger aus der Benutzung desselben das Doppelte des Capitals gezogen hat'; 2, 90: ,ein Pfand wird so lange genossen, als die Schuld nicht bezahlt wird'; Vishnu 6, 7. 8: ,ferner (muss das Pfand dem Schuldner restituirt werden) wenn das Interesse seinen höchsten Betrag erreicht hat (durch Gleichwerden mit dem Capital) und Alles bezahlt worden ist. Aber er braucht nicht ein unbewegliches Pfand ohne besondere Verabredung zu restituiren, bis das Capital selbst gezahlt worden ist'.

c) Vishnu 6, 9. 10:,Das Grundeigenthum, welches überliefert worden ist als zu restituirendes, wenn die geborgte Summe bezahlt sein werde [Fiducialpfand ?], muss der Gläubiger restituiren, wenn die geborgte Summe gezahlt worden ist. Geliehenes Eigenthum trägt keinen Zins weiter, nachdem es dargeboten, aber vom Gläubiger zurückgewiesen worden ist. Yajnavalkya 2, 58. 61-63: ,ein Pfand geht verloren, wenn es nicht eingelöst wird, nachdem das geliehene Capital ver

« PreviousContinue »