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fahrens auf Grund einer actio in seinen ,,Anfängen" schon auf die altarischen Zeiten zurückzuführen ist.

III. Die Schuldverfolgungsaction.

47. (Die Schuldnergreifung.) - 1) Neben die Gegenstandsgreifung stellt sich als zweite Privataction des altarischen Themisrechtes die Ergreifung des nichtzahlenden Schuldners. Sie zeigt sich nicht in derselben formelmässigen Feststellung, wie die Gegenstandsgreifung in dem apprehendere mit aio meum esse vor uns steht. Aber doch werden wir sie mit gleicher Sicherheit aus dem in den verschiedenen Völkern uns aufbewahrten Material als altarischen Fundamentalsatz erschliessen dürfen. Wer seine Schuld nicht bezahlt, an dessen Leib hält sich der Gläubiger. Dieser kann, vor Göttern und Menschen gerechtfertigt, ihn ergreifen und entweder gleich als Knecht behalten oder nach Aussen in die Sklaverei verkaufen. Wird die Schuld in förmlicher Weise bestritten, so ist es wie bei der bestrittenen Gegenstandsverfolgung. Es wird im Stammgericht erst der Bestand der Schuld festgestellt, und danach kann auf Grund der res iudicata der Gläubiger den verurtheilten Schuldner ebenso greifen, wie sonst den von vorn herein geständigen.

Am deutlichsten finden sich diese Sätze im indischen Rechte dargelegt. Ich habe dies bereits im IG. S. 473 ff. ausgeführt. Das nächstliegende Eintreibungsmittel der Schuld ist die Mahnung (dharma - Execution). Ihr steht gegenüber die bala-(Gewalt-)Execution. Der Gläubiger führt den Schuldner gefangen in sein Haus und zwingt ihn mit Schlägen, Drohungen u. dgl. zur Erfüllung seiner Verpflichtungen. Also er behandelt ihn als Sklaven. Der Schuldner hat mit Begründung der Schuld seine Person, seinen Leib, zur Zahlung verbindlich gemacht. Und zwar setzt diese Gewaltexecution das Manifestsein der Schuld voraus. Das wird regulär dadurch bestimmt, dass der Schuldner seine Schuld nicht läugne. Das Läugnen bringt für den Fall der Succumbenz Gefahren mit sich, denen vielleicht der Schuldner sich nicht unterziehen will. Er gesteht dann die Schuld ein und ist nur nicht im Stande zu

zahlen. Alsdann geht gegen ihn die Selbsthülfe des Gläubigers 1), und wenn er sich beim Stammgericht darüber beklagt, dass der Gläubiger wegen des manifesten Verhältnisses die Schuld unabhängig vom Gericht rückerlange, so wird er, der sich beklagende Schuldner, bestraft. Wagt aber der Schuldner die formelle Streitigmachung des Verhältnisses, so hört für den Gläubiger die Zulässigkeit der Gewaltexecution auf. Er muss zum Stammgericht gehen und seine Forderung beweisen, demgegenüber dem Beklagten der Nachweis seiner etwaigen Einreden, insbesondere der Zahlung, offen steht. Geht aus diesem Verfahren der Richterspruch hervor, dass der Beklagte schuldig sei zu zahlen, so steht dem siegreichen Kläger zur Execution dieser res iudicata wiederum die eigene Gewalt offen.

Was wir in den indischen Sutras in so deutlicher Weise dargelegt sehen, ist bei den Griechen freilich nicht so detaillirt zu ermitteln. Aber der Fundamentalsatz ist doch auch bei diesen sicher zu constatiren. Der Schuldner lieh in alter Zeit auf seinen Leib. Das ἐπὶ σώματι δανείζεσθαι (Büchsenschütz, Besitz und Erwerb S. 493) ist ,,eine barbarische Sitte, welche in Athen durch die Gesetzgebung Solons beseitigt wurde, während sie in anderen griechischen Staaten noch länger bestanden hat“ 2). Und ein gleiches Resultat

können wir bei den Römern noch aus den späteren Formeln ihres Civilrechts herauslesen. Ihr Satz confessus pro iudicato habetur bedeutet in Betreff der Schulden, dass Derjenige, welcher das Schuldverhältniss nicht streitig zu machen wagt, sondern die Forderung des Gläubigers anerkennt: ayyuos ist. Wenn dagegen der in Anspruch Genommene die Schuld

1) Nur unter besonderen Voraussetzungen, wie namentlich beim Concurse einer Mehrheit von Gläubigern ist (gleichartig wie bei der Action aio meum esse im Fall des Gestohlenseins) dem Stammgericht die Regulirung der Angelegenheit zugewiesen; IG. S. 481.

2) Vgl. auch die von Büchsenschütz S. 115 citirten Stellen, Diodor I 79: μέμφονται δέ τινες νὺν ἀλόγως τοῖς πλείστοις τῶν παρὰ τοῖς Ἕλλησιν νομοθετῶν, οἵτινες ὅπλα μὲν καὶ ἄροτρον καὶ ἄλλα τῶν ἀναγκαιοτάτων ἐκώλυσαν ἐνέχυρα λαμβάνεσθαι πρὸς δάνειον, τοὺς δὲ τούτοις χρησαμένους συνεχώρησαν ἀγωγίμους εἶναι; Etymol. Gud. S. 193: ἐξελεύθερον μὲν εἶπον τὸν διὰ χρέος ὑπὸ τῷ δανειστῇ γενόμενον δούλου δίκην.

Leist, Altarisches ius civile. II.

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streitig macht, so darf der Anspruch Erhebende nicht gleich ἄγην πρὸ δίκας, sondern er muss den Gegner erst zu einem iudicatus machen. Liegt das vor, so kann er die actio der manus iniectio durchführen. Diese ist in ihrem eigentlichen Kern die Apprehension des Körpers des Schuldners, gerechtfertigt durch das Nichtbezahltsein der Schuld; Gai. IV 21: qui agebat sic dicebat,quod tu mihi iudicatus (sive damnatus) es sestertium X milia, quandoc non solvisti, ob eam rem ego tibi sestertium X milium iudicati manum iniicio' et simul aliquam partem corporis eius prehendebat; nec licebat iudicato manum sibi depellere et pro se lege agere, sed vindicem dabat, qui pro se causam agere solebat; qui vindicem non dabat, domum ducebatur ab actore et vinciebatur. Und der so in altthemisrechtlicher Selbsthülfe Ergriffene wurde schliesslich, wiederum in altthemisrechtlicher Selbstexecution, wofern nicht noch durch zwischengeschobene pacta Hülfe kam zum capite poenas dare oder in die auswärtige Sklaverei gebracht; Gell. XX 1: Confessi aeris ac debiti iudicatis XXX dies sunt dati conquirendae pecuniae causa.. post deinde, nisi dissolverent, ad praetorem vocabantur et ab eo quibus erant iudicati addicebantur, nervo quoque et compedibus vinciebantur. Die prätorische Addiction ist die speciell latinische magistratische Actconstatirung in Betreff Dessen, was ursprünglich überhaupt die vor Göttern und Menschen manifeste Greifung und caputUnterwerfung des Schuldners gewesen war. Erat ius interea paciscendi ac, nisi pacti forent, habebantur in vinculis. .. Tertiis autem nundinis capite poenas dabant aut trans Tiberim peregri venum ibant. Wir finden hier also bei den Latinern noch deutlich erkennbar denselben Grundgedanken, den wir auch bei Griechen und Indern angetroffen haben. Der manifeste Schuldner wird durch Selbstexecution des Gläubigers mit seinem Leibe für die Schuld haftbar gemacht.

Diese uralte Grundlage des griechisch-latinischen Rechts ist auch noch in späterer römischer Zeit erkennbar (Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des röm. Reichs S. 444 ff.). Die persönliche Verhaftung des Schuldners hat unzweifelhaft in der republicanischen Zeit

Roms und den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit in Uebung gestanden. Ob sie sich in der späteren Kaiserzeit erhalten habe, ist streitig. In der oströmischen Reichshälfte ist vor der antoninischen Constitution die Personalexecution im Bereich des Hellenismus in täglichem Gebrauch gewesen. In Attika hat allerdings Solon die Personalexecution aufgehoben [vielleicht nur das sich zur Schuldknechtschaft ohne Process Binden, nicht aber das Erzwingen des siegreichen Urtheils]; für das übrige Griechenland ist die allgemeine Verbreitung dieser Rechtsinstitution sicher; Psephisma der Arkader zu Gunsten der Tejer: αἴ τινες τῶν ὁρμωμένων Αρκάδων ἀδικήσωντί τινα Τηίων. . . ἐξέστω τῷ παραγενομένῳ Τηίων ἐπιλαβέσθαι καὶ τῶν σωμάτων καὶ χρημάτων (provisorische Selbsthülfe); in der Inschrift von Heraklea heisst es vom Bürgen des Gemeindepächters: τὼς δὲ πρωγγύως τως αἰεὶ γενομένως πεπρωγγιενκῆμεν . . καὶ αὐτὼς καὶ τὰ χρήματα ἅ κα ἐπιμαρτυρήσωντι [in quo habes vetustum Romanorum morem, apud quos ante legem Papiriam latam creditori debitoris non modo bona sed etiam corpus obnoxium erat]; Cic. pro Flacc. 20, 48: Heraklides aus Temnos wird seinem Mitbürger Hermippus vom Statthalter als Schuldsklave zugesprochen: cum iudicatum non faceret addictus Hermippo et ab hoc ductus est; Plutarch de evitando aere alieno c. 3 sq. spricht von den Gefahren der Personalexecution und von der Freistätte, welche zahlungsunfähige Schuldner im Tempel der ephesischen Artemis finden; Lukian Timon c. 49: κατεδεδίκαστο γὰρ καὶ ἐδέδετο οὐκ ἀποδιδούς, κἀγὼ ἐλυσάμην αὐτόν; im hellenisirten Aegypten zeigt das Edict des Tib. Jul. Alex., dass, ,,nachdem durch König Bokchoris im 8. Jahrh. a. Chr. die Personalexecution abgeschafft worden war (Diod. Sic. I c. 79: twv dè ὀφειλόντων τὴν ἔκπραξιν τῶν δανείων ἐκ τῆς οὐσίας μόνον ἐποιήσατο, τὸ δὲ σῶμα κατ' οὐδένα τρόπον εἴασεν ὑπάρχειν ἀγώγιμον, ἡγούμενος δεῖν εἶναι τὰς μὲν κτήσεις τῶν ἐργασαμένων, τὰ δὲ σώματα τῶν πόλεων), sie unter der griechischen Herrschaft wieder in Gebrauch gekommen sein muss, indem Tib. Alex. rügt, dass manche Gläubiger auch wegen privater Forderungen, die sie sich sogar eigens zu diesem Zweck von den ursprünglichen Geldgebern abtreten liessen, die Schuldner in den bloss für Fiscalschuldner bestimmten Schuldthurm

oder andere Gefängnisse werfen liessen, indem sie diese Forderungen listiger Weise als fiscalische Guthaben darzustellen wussten; diese Machination wird unter Hinweis auf eine Bestimmung des Augustus, wonach die Execution bei Privatforderungen nur auf das Vermögen nicht auf die Person gerichtet sein soll, abgestellt (Bruns, Fontes s p. 218 § 4): ἐπειδὴ ἔνιοι προφάσει τῶν δημοσίων καὶ ἀλλότρια δάνεια παραχωρούμενοι εἴς τε τὸ πρακτόρειόν τινας παρέδοσαν καὶ εἰς ἄλλας φυλακὰς . . ἑπόμενος τῇ τοῦ Θεοῦ Σεβαστοῦ βουλήσει κελεύω μηδένα τῇ τῶν δημοσίων προφάσει παραχωρεῖσθαι παρ' ἄλλων δάνεια, ἃ μὴ αὐτὸς ἐξ ἀρχῆς ἐδάνεισεν μηδ' ἄλλως κατακλείεσθαί τινας ἐλευθέρους εἰς φυλακὴν ἱντινοῦν (es war in Aegypten Sitte, in Privatcontracten Multen zu Gunsten des Königs zu stipuliren; so lieferte man wegen der verfallenen Mult den Schuldner in den Schuldthurm, was dann auf die Privatforderung herüberwirkte; wonach Speculanten derartige Forderungen zusammenkauften und so exequirten). Demzufolge wird im griechischen und gräco-ägyptischen Urkundenstyl in den Schuldscheinen der Schuldner ausdrücklich als Executionsobject bezeichnet (ἡ δὲ πρᾶξις ἔστω ἔκ τε αὐτῶν τῶν δανεισαμένων . . . καὶ ἐκ τῶν ὑπαρχόντων αὐτοῖς ἡ δὲ πρᾶξις ἔστω Αρσιήσει ἐκ [τῶν] (sic) τῆς Ασκληπίαδος καὶ ἐκ τῶν ὑπαρχόντων αὐτῇ καὶ ἡ πρᾶξις ἔστω Κονούφει ἔκ τε αὐτοῦ Μετειμούθου καὶ [τῶν ὑπαρχόντων]), oder es wird erklärt, das Capital stehe auf Gefahr des Schuldners und seines Vermögens (ὁμολογῶ ἰδίῳ μου κινδύνῳ καὶ πόρῳ τῆς ἰδίας μου ὑποστάσεως καὶ τοῦτο [das Capital] ἑτοίμως ἔχω ἰδίῳ μου κινδύνῳ καὶ πόρῳ τῆς παντοίας μου ὑποστάσεως παρασχεῖν σοι . . τὴν πρᾶσιν ἀρραγῆ καὶ ἀσάλευτον εἶναι διὰ παντὸς ἥνπερ ὑμῖν ἐθέμην, κινδύνῳ ἐμῷ καὶ τῶν ἐμῶν κληρονόμων . . . καὶ τῆς ἐμῶν ὑποστάσεως . . κινδύνῳ ἐμῷ καὶ [τῆς ἐμῆς ὑποστάσεως]).

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Wie steht gegenüber diesem griechisch-römischen Rechtsmaterial das alte germanische Recht? Auf den ersten Blick freilich macht es den Eindruck völlig anderer Gestaltung. Und doch lassen sich bei genauerer Betrachtung die allgemeinen Fundamentalsätze herauserkennen. Wir haben schon oben gesehen, dass als altarisch-gemeinsame Grundverfassung eine aus der Haushalterordnung abgeleitete

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