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von besonderem Interesse, Einiges von dieser letzteren Art auf ihr arisches Alterthum zu prüfen.

aa) Zunächst drängt sich diese Frage in Betreff der Verjährung auf. Giebt es altarisches Recht, wonach dem klägerischen Vindiciren die beklagtische Behauptung gegenübertritt: Ja, aber der Gegenstand ist durch Zeitablauf wegen langversäumter gegnerischer Vindication nunmehr meum. Das ist die Frage nach dem longum tempus (IG. S. 414. 456. 471. 472). Sehr verbreitet ist die Auffassung), dass diese Institution erst aus einer Zeit datire, wo im späteren röm. R., im Gegensatz zur civilrechtlichen Usucapion, es eines erweiterten Aushülfsrechtes bedurft habe. Gewiss ist davon das richtig, dass die Behandlung dieser Verjährung als einer praescriptio gegenüber der das dominium ex iure Quiritium gewährenden Usucapion specifisch römischen Ursprunges sei. Aber wie, wenn wir das longum tempus auch bei anderen arischen Völkern ohne sichtbare Entlehnung aus dem römischen Recht vorfinden? Freilich in Betreff der Germanen wird man leicht geneigt sein, in der Satzung Childeberts II. (Brunner RG. II S. 501. 514), die den Anefang ausschliesst gegen ,,Jeden, der die Sache zehn Jahre (inter praesentes) besessen hatte", nur eine Entlehnung aus dem Römerthum zu vermuthen. Anders steht es indess schon in Betreff der Griechen. Die Stelle des Isokrates (Archidamus § 9), die hier in Betracht kommt, lautet: ἀλλὰ μὴν οὐδ' ἐκεῖνο ὑμᾶς λέληθεν, ὅτι τὰς κτήσεις καὶ τὰς κοινὰς (possessiones sive privatas sive publicas), ἣν ἐπιγένηται πολὺς χρόνος, κυρίας καί πατρώας ἅπαντες εἶναι νομίζουσιν 5). Danach erkennt auch schon Unterholzner an, „dass füglich die longi temporis praescriptio ursprünglich griechisches Recht gewesen sein und zuerst in den edicta provincialia der griechischen Landschaften Auf

4) Unterholzner, Verj. I § 10, insbes. Note 42 (2. Aufl. v. Schirmer S. 41). 5) Die Worte κυρίας καὶ πατρῴας zeigen eine eigenthämlich griechische Auffassung, wonach durch den Zeitablauf dem Besitzer nicht bloss eine praescriptio gegen die Vindication zustehen, sondern volles Recht, wie in Betreff des von den Vätern Ererbten, gewährt werden soll. Die Stelle des Isokrates wird auch schon von Platner dazu verwendet, dass es bei den Griechen ein Usucapionsinstitut gegeben haben müsse (GIRG. S. 688), ohne dass Platner aber die näheren Zusammenhänge mit dem longum tempus gekannt hat. Leist, Altarisches ius civile. II. 19

nahme gefunden haben könnte, aus welchen sie allmälig in die übrigen edicta provincialia übergegangen sei, bis sie auch endlich in Italien geltendes Recht wurde". Wie aber wollen wir uns nun mit den Indern") abfinden? Vas. 16. 17:,Was irgend von den acht Erwerbarten (von einer anderen Person) zehn continuirliche Jahre [inter praesentes] lang genossen worden ist, (ist dem Eigenthümer verloren)'. Die zehn Jahre sind hier nicht bloss von extinctiver ), sondern auch von acquisitiver Kraft; Gaut. 12, 37: Das Gut eines Menschen, der weder ein Idiot noch ein Minderjähriger ist, wenn es gebraucht worden ist von Fremden vor seinen Augen [inter praesentes] zehn Jahre lang, gehört Dem, der es gebraucht. Hiebei besteht schon ganz der Gesichtspunkt, dass der zehnjährige Zeitraum durch das nähere Beisammenleben motivirt wird [,vor seinen Augen'], und man kennt bereits den Satz, dass Sachen bevormundeter Personen von den Wirkungen des Zeitablaufes ausgeschlossen sein sollen. Auch der Gegensatz der zehn und zwanzig Jahre ist den Indern bekannt, nur wird er von Yajnavalkya an den Unterschied der unbeweglichen und beweglichen Sachen angeknüpft; 2, 24: ,wenn Einer sieht und nichts sagt [d. h. trotz seines Nahewohnens seine Sache nicht reclamirt], so findet der Verlust eines Landstückes, welches von einem Fremden benutzt wird, nach zwanzig Jahren statt; der Verlust von anderem Gut nach zehn Jahren. Wir haben hier eine frappante Uebereinstimmung des indischen Rechtes mit dem römischen longum tempus vor uns. Wie sollen wir dieselbe erklären? Klenze (Ztschr. f. gesch. RW. VI), der die Sutras noch nicht kannte, ist sie im versificirten Manu VIII 147 entgegengetreten. Die Uebereinstimmung war ihm eine so ,,verblüffende", dass er die Schlussfolgerung der geschichtlichen Cohärenz nicht zu ziehen wagte: „der Anklang", sagt er, „ist wie noch in vielen anderen Dingen auch hier zum Theil gewiss ganz zufällig; und Niemand wird verständigerweise zum Beispiel die genannte Präscription unmittelbar mit der ganz neuen Ein

6) Vgl. IG. S. 414. 471.

7) Die extinctive Kraft tritt als absentia von 20 Jahren nach Vishnu 6, 27 auch gegenüber Schuldverbindlichkeiten ein.

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richtung ähnlicher Art im römischen Recht in Verbindung setzen". Aber ist denn die Annahme, dass die so schlagende Uebereinstimmung des indischen und römischen Rechts ohne allen geschichtlichen Zusammenhang lediglich auf Zufall beruhe, nicht verständigerweise" noch etwas viel Unglaublicheres? Stehen wir hier nicht überhaupt in einem Rechtsgebiet der Gegenstandsverfolgung, das zum Theil zweifellos (wie in Betreff der Formel aio meum esse, und der Haussuchung lance et licio), zum Theil mit hoher Wahrscheinlichkeit (wie in Betreff der Apprehensionsaction mit der festuca) in den weit auseinandergegangenen arischen Völkerschaften geschichtliche Zusammenhänge aufweist? Danach wird man ,,vernünftigerweise" auch wohl im longum tempus einen solchen Zusammenhang anzunehmen haben.

BP) Verwandt mit der Verjährungsfrage ist weiter die Erbfrage. Bei jener entnimmt gegenüber dem klägerischen aio meum esse der Gegner aus einem abgelaufenen festen Zeitraum den Grund zu seiner Contravindication aio meum. esse. Bei der Erbfrage ist der Zeitablauf ein unbestimmter; aber, indem der Beklagte sich darauf beruft, dass der Gegenstand schon vom Vater auf den Sohn gelangt sei, wird immer auch eine längere Zeit vorausgesetzt, in der sich der Gegenstand unangefochten ausserhalb der klägerischen Macht befunden habe. Darauf gestützt, setzt dann der Besitzer der klägerischen Vindication die Contravindication entgegen: jetzt ist die Sache mein". Wie hiezu die römische usucapio verwendbar ist, so giebt es auch bei den Germanen die Erbeinrede; (Brunner II 507): „der Besitzer der angeschlagenen Sache, bezw. sein Vormann, kann gegen die Anfangsklage die Einrede) erheben, dass er die Sache ererbt habe. Nach der Nov. z. 1. Sal. hat er durch Zeugen zu beweisen, dass er die Sache im Nachlass des Erblassers gefunden und wie sie dieser erworben habe." Auch hiefür besitzen wir, wie IG.

8) Neben diese Einrede stellt sich bei den Germanen in späterer Zeit auch noch die Einrede des originären Erwerbes; Brunner a. a. O.:,,Beruft sich der Besitzer oder sein Gewähre weder auf Erbgang noch auf Erwerb von einem Dritten, so liegt in der Klage der Vorwurf des Diebstahls oder Raubes. Nach jüngerem Recht hat der Beklagte auch die von ihm zu beweisende Einrede des originären Erwerbes, z. B. dass das Vieh in seinem Gewahrsam geboren sei."

S. 472 gezeigt worden ist, die Parallele im indischen Recht; der Beklagte, der den Besitz vom Vater her darthut, kann so lange die Herausgabe weigern, bis Kläger seinerseits den rechtlichen Erwerbstitel darthut; Vishnu 5, 186: wenn ein Gegenstand durch den Vater genossen worden ist nach der Sitte des Geniessens dem Rechte nach, so ist der Sohn nach dessen Tode nicht zu tadeln, denn durch Genuss ist es von ihm erlangt. Auch wenn hier der Besitzer schon das longum tempus abgeschlossen hat, und dadurch (dem früheren Eigenthümer gegenüber) ihm, der die Sache gebraucht, sie gehört, so ist das doch immer nur als Vertheidigungsmittel (exceptio) gegen den früheren Eigenthümer gedacht. Also eine selbständige Vindication wird damit dem Sachbesitzer noch nicht gegeben. Wenn aber der Beklagte als Vierter in der Abstammung den continuirlichen Familienbesitz der Sache durch die vorhergehenden drei Generationen darthut, so wird der Kläger gar nicht mehr zum Beweise eines rechtlichen Erwerbes zugelassen; Vishnu 5, 187: ,wenn der Besitz eines Gutes durch drei (auf einander folgende) Generationen gehalten worden ist in richtiger Folge, so soll die vierte in der Abstammung es als ihr Eigenthum behalten auch ohne geschriebenen Titel'.

45. (Fortsetzung. Rechtsgang um Liegenschaften.) 7) Wir finden bei verschiedenen arischen Völkern, dass die Action aio meum esse sich anfangs nur auf bewegliche Sachen bezogen hat und erst von da auf Liegenschaften übertragen worden ist. Demgemäss wird in Gortyn als der Gegenstand, um den man processirt, ein Sklav vorausgesetzt; I 1: ös κ' ἐλεύθερω ἢ δώλω μέλλῃ ἀνφιμωλεῖν. . . 24: αἰ δέ κα μωλῇ ὁ μὲν ἐλεύθερον ὁ δὲ δῆλον . . αἱ δὲ κ' ἀνφὶ δάλω μωλίωντι φωνίοντες Τὸν εκάτερος ἤμην. Dem gleichartig wird auch in Rom bei der Action der Gegenstands-Apprehension zunächst ein Sklav supponirt; Gai. IV 16: qui vindicabat, festucam tenebat, deinde ipsam rem adprehendebat, veluti hominem. Dabei wird noch genauer erörtert, wie man von dem Apprehendiren der einzelnen beweglichen Sache zur künstlichen Ausdehnung auf Begriffsganze und auf unbewegliche Sachen übergegangen sei.

Gerade diese künstliche Nachbildung zeigt, dass in ihr die Apprehensionsaction nicht entstanden sein kann; Gai. IV 17: si qua res talis erat, ut sine incommodo non posset in ius adferri vel adduci, veluti si columna aut grex alicuius pecoris esset, pars aliqua inde sumebatur, deinde in eam partem quasi in totam rem praesentem fiebat vindicatio; itaque ex grege vel una ovis aut capra in ius adducebatur vel etiam pilus inde sumebatur et in ius adferebatur; ex nave vero et columna aliqua pars defringebatur; similiter si de fundo vel de aedibus sive de hereditate controversia erat, pars aliqua inde sumebatur et in ius adferebatur et in eam partem perinde atque in totam rem praesentem fiebat vindicatio, veluti ex fundo gleba sumebatur et ex aedibus tegula et si de hereditate controversia erat. . .

Auch bei den Germanen zeigt der Rechtsgang um Liegenschaften 1), dass derselbe ursprünglich noch nicht bestanden hat. Erst verhältnissmässig spät hat er sich entwickelt, wohl ,,als Nachwirkung der früheren Feldgemeinschaft"). Aelteste Liegenschaftsklage hat sich gestaltet wegen rechtswidriger Landnahme, Landraubes, d. h. widerrechtlicher Occupation und Bearbeitung eines Grundstücks (landrof bei den Friesen, reaflac [Raub] bei den Angelsachsen, deutsche Klage quod malo ordine oder iniuste invasisset, pervasisset, abstraxisset, introisset, usurpasset; jüngere Klagformel, dass der Besitzer dem Kläger das Grundstück rechtswidrig vorenthalte: malo ordine, iniuste retineret, contradiceret, possideret, die wohl für die Klage um anvertrautes Gut entstanden ist, bei Weigerung der Räumung des durch Leihe oder Satzung erworbenen Besitzes, dann auf andere Fälle des Liegenschaftsprocesses ausgedehnt, und schliesslich mit dem Vorwurf der invasio gleichwerthig). Die Klage um Liegenschaften hat, wie die Fahrnissklage, ursprünglich den

1) Brunner RG. II S. 511; vgl. auch Rud. Hübner, Der Immobiliarprocess der fränk. Zeit, 1893 (Gierke's Unters. z. deutsch. Staats- u. Rechtsgesch., 42. Heft).

2) In den russischen Dorfgemeinden hat sich die Einrichtung der Feldgemeinschaft des mir, mit periodisch wiederkehrender Grundstückszutheilung (so dass es also ein festes Privateigenthum, über Haus und Hof hinaus, am Acker nicht giebt), noch bis in die neueren Zeiten fortgezogen.

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