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Weg zurück. Die Rückgabe der Sache befreit den Besitzer endgültig vom Diebstahlsverdacht und setzt den Vormann in die Lage, processualisch für die Sache einzustehen. Beklagter ist nur noch der Gewährsmann, als solcher führt er im Verhältniss zum Kläger den Rechtsstreit im eigenen Namen durch. Der Gewähre hat im Verhältniss zu Demjenigen, dem er Gewährschaft leistet, während des Rechtsstreites nur die Stellung eines Treuhänders, Salmanns. Obsiegt er gegen den Kläger, so muss er die im Rechtsstreit behauptete Sache an den früheren Besitzer herausgeben."

77) Durch das Verfahren des Anefangs wird der Gang, den der des Gestohlenseins bezichtigte Gegenstand gewandert ist, zum Behuf der Ermittelung des Diebes rückläufig gemacht. „Die Rückgabe der Sache ist unerlässlich für die processualische Durchführung des Gewährszuges. Wenn der Gewähre vor Gericht erschien, aber die Annahme des Schubs verweigerte, so galt nach älterem Rechte der Besitzer als sachfällig. Doch konnte er wegen des Bruches der Gewährschaft sich gegen den Gewähren erholen, indem er ihn durch Zeugen überführte, dass er die Sache von ihm erworben habe. Der Gewähre, der seiner Gewährschaftspflicht nicht nachkommt, sei es dass er nicht erscheint oder die Annahme des Schubs verweigert oder im Anefangsprocess unterliegt, hat den Bruch der Gewährschaft gegen seinen Nachmann zu sühnen, in Gemässheit des dafür früher abgeschlossenen Strafgedinges oder durch die gesetzliche Busse (in Baiern poena dupli). Der beim Anefang seinen Gewährsmann angebende, dann aber nicht auffindende Besitzer gilt als sachfällig (nach fränkischem R.). Der gleich nach dem Anefang erklärende Besitzer, dass er seinen Vormann nicht kenne, wird, wenn er dies selbsiebent beschwört, durch Sachherausgabe von weiterem Schaden befreit. Nach altkent. R. braucht das in London vor Zeugen gekaufte Vieh dem Anefangskläger nur gegen Zahlung des Kaufpreises herausgegeben zu werden. Der Besitzer der angeschlagenen Sache bezw. sein Vormann kann gegen die Anefangsklage die Einrede erheben, dass er die Sache ererbt habe. Nach Nov. z. 1. Sal. hat er durch Zeugen zu beweisen, dass er die Sache im Nachlass seines Erblassers gefunden, und wie sie dieser erworben habe. Beruft sich

der Besitzer oder sein Gewähre weder auf Erbgang noch auf Erwerb von einem Dritten, so liegt in der Klage der Vorwurf des Diebstahls oder Raubes. Nach jüngerem Rechte hat der Beklagte auch die von ihm zu beweisende Einrede des originären Erwerbes, z. B. dass das Vieh in seinem Gewahrsam geboren sei, der im Anefangsprocess unterliegende Besitzer bezw. Gewährsmann wird als Dieb behandelt und muss die Sache herausgeben und die Diebstahlsbusse bezahlen. Der unterliegende Anefangskläger hat eine Busse (bei den Franken von 15 sol., bei den Burg. poena dupli) zu zahlen. —— Die Anefangsklage war nicht sowohl eine Klage des Eigenthümers als vielmehr Desjenigen, der die Sache in Gewahrsam hatte, ehe sie ihm durch Raub oder Diebstahl abhanden kam. Wurde die Sache nicht dem Eigenthümer, sondern einer treuen Hand gestohlen, in die er sie gelegt hatte, so war nur diese in der Lage, den Anefang durchzuführen und die Diebstahlsbusse in Anspruch zu nehmen: compositio furti ad eum, qui habuit commendata, pertineat. Bei Unterschlagung geliehener und anvertrauter Sachen war dem Beschuldigten die Anefangsklage versagt. Er konnte sich dann nicht an den dritten Besitzer, sondern nur an die untreue Hand halten (,hand muss hand wahren'), auch an diese nicht in der Form des Anefangs. Der Grund der Beschränkung liegt darin, dass der Schub die Sache an den Kläger zurückgeleitet hätte, auch der Thäter nicht erst gesucht zu werden brauchte und seine That nicht unter die deutschrechtlichen Begriffe von Raub und Diebstahl fiel. Hatte also der Beschädigte selbst die Sache aus seiner Hand gegeben (a furto excusatur per hoc quod initium habuerit suae detentionis per dominum illius rei), so war ein Verfahren nicht am Platz, welches wie der Anefang durch Verfolgung der abhanden gekommenen Sache den Dieb oder Räuber zu finden bezweckte." ε) Wesentlich gleichartige Elemente, wie im germanischen, finden wir in Betreff der Gegenstandsvindication aio meum esse im russischen Rechte. Ich habe die in Betracht kommenden Stellen der Prawdas oben (§ 36) bereits mitgetheilt. Es ergiebt sich aus denselben, dass das russische Recht freilich in manchen Punkten eigenartig ist, aber doch gewisse Fundamentalgedanken mit dem germanischen Recht gemein

hat.

Es werden drei Verfahrensarten unterschieden: die Vindication aio meum esse [die dem Kläger widerrathen wird, wofern er das Gestohlensein der Sache behauptet], die Klage des Gestohlenseins auf der ,,Zusammenführung, wo die Sache genommen" ist, und die Klage des Gestohlenseins, der gegenüber der Beklagte sich auf seinen Auctor bezieht. In diesem letzteren Fall kommt es zum Gewährschaftsschub. Dies Verfahren ist der russische swod, der germanische anefang. Bei beiden wird noch unterschieden ein Zurückgehen auf den dritten auctor oder noch weiter hinaus 6).

43. (Zusammenfassende Lehre.) b) Ich bin jetzt, nach einer zunächst noch wenig übersichtlichen Zusammenstellung des in den einzelnen arischen Hauptvölkern sich vorfindenden Rechtsmaterials, zu der Aufgabe gelangt, ein Gesammtbild von den Grundelementen der altarischen vindicatio ao meum esse zu versuchen. Sie zerlegt sich in drei Gesichtspunkte: die Vindication hat sich in Zusammenhang mit der Diebstahlsordnung festgestellt (§ 43); sie enthält Elemente altarischen Datums ($ 44); sie ist erst allmälig von beweglichen Sachen auf unbewegliche ausgedehnt worden (§ 45).

a) Der Zusammenhang mit der Diebstahlsordnung. Die

6) Auch den ransak (die pwpá) glaube ich in einer (allerdings nicht ganz klaren) Stelle des Oleg'schen Vertrages im russischen Rechte finden zu dürfen; Ewers, R. d. Russ. S. 155:,wenn aber im Fall, dass ein Sklav gestohlen wird oder entläuft oder gezwungener Weise abgetreten ist, sowie dass ein Grosshändler (gost) einen Sklaven verliert] bei Jemand Nachsuchungen anzustellen [d. h. der Sklave wird in einem Hause vom Hehler verborgen gehalten, und der Herr des Sklaven verlangt das Haus nach ihm zu durchsuchen] der Rächer nicht gestattet [d. h. in Abwesenheit des Hehlers verweigert dessen Rächer (nächster Blutsverwandter) die Gestattung der Hausdurchsuchung], so verliert er sein Recht [d. h.: wenn nun bei der erzwungenen Hausdurchsuchung der Sklave gefunden wird, so gilt damit das furtum manifestum als constatirt, und der Herr,mag ihn nehmen']. Von dem uralt arischen Haussuchungsbrauche wird in Thalheim Gr. RA. S. 129 N. 1 allerdings die griechisch-römische Gestaltung angegeben, nicht indess die seit lange bekannte germanisch-nordische. Es ist aber nöthig, ihn in allen seinen Gestaltungen vor Augen zu haben, um ihn richtig zu verstehen; vgl. GIRG. S. 246 ff.; IC. I S. 402 ff., s. auch noch B. Delbrück, Recens. der Jhering'schen Schrift in Sybel's histor. Ztschr. N. F. XXXVIII S. 454.

Gedanken, in denen sich das Haben der Gegenstände unter einen mit äusserer Zwangskraft versehenen Schutz bei den Ariern gestellt hat, schliessen sich in sehr einfacher Weise an einander. Sie sind von vorn herein arisch-eigenartig; wesentlich verschieden von Dem, wie sich namentlich bei Aegyptern und Semiten der sachenrechtliche Schutz geordnet hat. Ich stelle in kurzen Worten die Hauptpunkte, die ich an anderen Orten schon ausführlicher erörtert habe, zusammen. Es hat sich bei den Ariern aus der naturalis ratio der Ehe und der Fraternitäts- und Stammbildung eine Stufenfolge von Koinonien gestaltet. Die Grundkoinonie ist die unter dem pati und der patni stehende Hausgemeinschaft. Ihr nachgebildet ist die Macht des Herrn der Bruderschaften und Stämme. Letzteres ist der Grundtypus des Königthums. Danach haben die Arier von Anfang an eine Gliederung gehabt, die in familienmässiger Ueberordnung einen nach pietas urtheilenden Richter besitzt. Diese pietas ergiebt sich einerseits aus den religiösen Geboten der Ehrung der Götter (insbes. des Himmelsgottes Zeus), der Eltern, der entfernteren Vorfahren (und dann des Vaterlands), der Gäste; und andererseits aus gewissen Moralgeboten. Diese letzteren haben in der von den Indern bewahrten Declaration des Manu eine formelle Feststellung erhalten, die zu den ältesten arischen Satzungen zu rechnen sein wird. Sie haben ihre Keime deutlich dem Götterglauben entnommen, der den Menschen vorschreibt, der höheren divinen Macht in Reinheit und Wahrheit zu nahen. Aus diesen beiden Geboten, die auch für die Menschen unter einander bindend erscheinen, hat sich insbesondere bei den Iraniern die Zarathustralehre entwickelt. Das Reinheitsgebot umfasst neben Anderem auch die unabsichtlichen Delicte. Diesen stellen sich in formell abgeschlossener Dreiheit die (natürlich allenthalben, wo Menschen leben, vorkommenden grossen Kakurgien des Schändens, Tödtens (bezw. Körperverletzung), Stehlens gegenüber. So hat sich die Manudeclaration als älteste, formell abgeschlossene Sittlichkeitstheorie ergeben, die in ihren einzelnen Gliedern auch über den Kreis der Indoiranier hinaus bei allen arischen Völkern erkennbar ist. In der Trias der absichtlichen Kakurgien aber erkennen wir den alten Stamm der arischen

Individual-Rechtsverfolgung mit vollkommener Deutlichkeit. Nach arischer Auffassung giebt es keinen über allen Ordnungsstörungen stehenden Richter, wie z. B. bei den Aegyptern. Richter ist nur, als die autoritäre Timorie über seine Koinonie übend, der pati über die Haus- bezw. Bruderschaften und Stämme. Darüber hinaus existirt kein Richter, der die Unordnungen kraft seines Imperiums wieder zurechtstelle. Vielmehr tritt für alles über die Koinonien Hinausliegende der Hausherr - das eigentliche Subject des alten themisrechtlichen Hausheerdrechtes - dem Schädiger als Selbsträcher gegenüber. Er übt die Individualtimorie, unterstützt von den Seinigen, aus. Aber er muss bei der Selbstrache in seinem Rechte sein, und um dies vor Göttern und Menschen zu constatiren, muss er seine Rache in manifester Weise vollziehen. Er muss zeigen, dass er das Recht ausübt, nicht bricht. Dadurch wird er dazu getrieben, die dies constatirende Actvollziehung vor dem Koinonierichter vorzunehmen. So entwickelt sich das Eingreifen des Koinonierichters in den Gang der Selbsthülfe. Entweder die betreffenden Acte werden richterlich geprüft; es wird in präjudicieller Sentenz festgestellt, dass der Individualrächer im Rechte gehandelt habe. Oder aber an dem seitens des Verletzten überführten Thäter wird vom Richter die Strafe vollzogen.

Die Trias der Unthaten, die durch Selbstexecution verfolgt wird, enthält schon, wenn auch unbeholfen, eine theoretische Gliederung der, zunächst nur als Sünde aufgefassten, Delicte. Es werden die Angriffe gegen die Keuschheit, das Leben, das Eigenthum geschieden. Der Rächer kann, wo es nicht zu gütlicher Composition kommt, nach allen drei Richtungen hin den Tod verfügen. Aber in der dritten Richtung hat sich durch alle arischen Hauptvölker der mildernde Satz festgestellt, dass man nur den nächtlichen und den sich widersetzenden Dieb tödten solle, im Uebrigen aber den Dieb nur zu binden und mit sich zu nehmen habe, um sich (in verschieden denkbarer Weise) an ihm seines Schadens zu erholen. Und weiter ruft der Diebstahl nothwendig eine, wenn auch Anfangs noch rohe, juristische Casuistik betreffs der verschieden denkbaren Eventualitäten wach.

Auszuscheiden von dieser Frage sind diejenigen arischen

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