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ziehung (mag man sie nun als cognatische, oder als germanistisch oder romanistisch agnatische sich construiren) beruhend denken 1). Das reale Haus erzeugt gewisse Sätze, ohne die man nicht von einer Fortführung des Hauses reden kann. Zunächst es kann nur ein Mann der Hausherrscher sein; die griechische Regel: κρατεῖν τοὺς ἄῤῥενας werden wir für eine allgemein altarische halten müssen; sie ergiebt sich auch bei den Russen aus den Voraussetzungen der Blutrache; es wird derselbe Satz ausgedrückt, wenn man sagt: ,,erschlägt man den Hausheerdbesitzer (ognischtschanin) "oder: „erschlägt der Mann den Mann." Weiter: das Uebergehen des Hauses von Mann zu Mann besteht an sich nur als ein Fortgehen vom Vater auf die Söhne; es ist ein nicht erst durch civilen Rechtssatz Angeordnetes, sondern ein schon durch die Geburt des Sohnes gegebenes Themisrecht der Renation (IC. I S. 189), das daher auch nicht erst durch Richterspruch, sondern durch eigenmächtige Selbsthülfe geltend gemacht wird. Endlich: der succedirende Sohn kann, wenn alle Nachkommenschaft fehlt, ganz künstlich hergestellt werden durch Adoption. Wenn aber nur die Söhne fehlen, so bedarf es in Betreff des bruderlosen Mädchens einer halb natürlichen, halb künstlichen Aushülfs-Institution. Das ist das altarische Erbtochterrecht

(IG. S. 107 ff.).

Dieses Erbtochterrecht ist eine Institution, die das höchste Interesse erregt 2). Sie bildet den eigentlichen Schlussstein

1) Ich halte es danach nicht für rathsam, den Gegensatz des Erbtochterrechts, also das Succediren der Söhne in das Haus, mit Bernhöft (s. o. § 14 N. 1) S. 343 gleich als agnatischen zu bezeichnen.

2) Das,,Schema" einer Erbtochter kommt auch bei nichtarischen Völkern vor, aber in einer von der arischen Institution doch wesentlich verschiedenen Gestalt. Auch bei den Ariern kann die Erbtochter-Institution ihre Keime herdatiren aus Zeiten, die vor der arischen Sesshaftmachung in Häusern liegen, (ein interessantes Bild solchen Charakters bietet uns das von Bernhöft [s. o. § 14 N. 1] S. 351 ff. mitgetheilte, bei den Zelt-Zigeunern geltende Einheirathen des Bräutigams in die Truppe der Braut). Aber jedenfalls hat sich bei den sesshaften Ariern das Erbtochterrecht ganz zu einem Rechte des Einheirathens in das Haus gestaltet. Bei den Griechen wo die Erbtochter, abgesehen νου ἐπίκληρος, πατροιῶχος d. h. die Inhaberin der πατρῷα (Gortyn VII 16f.) heisst, hat die Institution in der Heroensage eine reiche Verwendung gefunden. Bernhöft hat diese eingehend (S. 342 ff.) behandelt. Wo in den Königshäusern Söhne sind, da ziehen diese meist auf Abenteuer aus, und die Männer

der Haushalterordnung. Sie ist der Gegensatz des gewöhnlichen Ganges, dass die Töchter aus dem Hause in ein fremdes aus heirathen. In ihr heirathet der Mann in das mit Verwaisung bedrohte Haus ein. Dieser Mann wird in erster Linie aus den dem Hause ohnehin schon Nächststehenden entnommen. Indem er dem Hause aus dem Schoosse der Erbtochter einen Sohn giebt, ist die Gefahr des Verwaistwerdens überwunden. Diese Erbtochterinstitution findet sich (vgl. IG. S. 108) bei den Indern, wie bei den Griechen [Gortyn 3), Sparta, Athen]. Sie zeigt sich auch in der bäuerlichen Ordnung der Südslaven 3a). Aber die Stärke der Hausgemeinschaft hat hier die Wirkung, dass man das Austreten des Burschen aus seiner natürlichen Familie in das Erbtochterhaus nicht gern sieht 4). Die Erbtochter heisst blagarica (Gutsbesitzerin) (Krauss S. 466 ff.). Sind mehrere bruderlose Töchter vorhanden, so können, wenn Eine Schwester geheirathet, d. h. den Mann (domazet) zu sich ins Haus genommen hat, nicht etwa die anderen Schwestern das gleiche Recht beanspruchen; diese werden ausgeheirathet. Weil dies aber mit dem jetzt bestehenden allgemeinen Landesrecht im Widerspruch steht, so kommt es vor, dass die übrigen

der im Haus bleibenden Töchter succediren nach Schwiegersohnserbrecht. Bernhöft erkennt an, dass dies eigenthümlich formulirte Herrenrecht noch in dem geschichtlichen griechischen Erbtochterrecht erkennbar sei (S. 349). Nur mögte ich das Erbtochterrecht nicht einen ,,Rest des alten Rechtes" nennen, sondern vielmehr es als das alte Stammrecht bezeichnen, das nur in den alten Heldensagen eine besondere Ausschmückung durchgemacht hat.

3) Von ganz besonderem Werthe ist die detaillirte Darlegung des Erbtochterrechts im Gortyner Stadtrecht. Vgl. auch Hafter, Die Erbtochter nach attischem Recht (1887). Auch wohl im syrischen Rechtsbuch findet sich, gewiss dann als Rest der griechischen Institution, die Erbtochter (vgl. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in d. östl. Prov. des röm. KR. 1891 S. 537 ff.); L. § 37:,Wenn der Mann Jene (die Söhne seiner Töchter) als die Söhne seines Hauses erben lassen will, so steht es in seinem Belieben'.

3a) Dass sie danach auch bei den Russen bestanden haben werde, liegt nahe; vielleicht ist von ihr in der § 23 N. 8 angegebenen Stelle die Rede.

4) In einem solchen Fall sagt der Vater des Burschen (Krauss S. 471): ,freilich würde ich Božo glücklich machen, doch meinem Hause und meiner Ehre würde ich dabei schweren Abbruch thun, denn das hiesse nicht meinen Sohn verheirathen, sondern aus heirathen'.

Schwestern ihren Antheil am Erbe dem Schwager und der verheiratheten Schwester schenken, damit diese Zwei nicht verkürzt werden. Es wird als reine, das Staatsgesetz nichts angehende, Privatangelegenheit behandelt, wenn Eltern für ihre Tochter einen Mann ins Haus nehmen. Es muss aber der Vater des Mädchens vor Allem die Einwilligung der Dorfgemeinde (der uralten Trägerin des eigentlichen Stammrechts) einholen. Das Sippen- und Stammesbewusstsein ist davon der Grund. Man betrachtet den so in ein Haus und damit ins Dorf Gelangenden als einen Eindringling, der sich erst sein Recht erkaufen muss, d. h. der Schwiegervater hat es erst für ihn vom bratstwo (der Phratrie) zu erringen. Das Ganze tritt meist als väterliche Disposition auf: ich blieb, so spricht ein Hausherr, ohne Mannesgesicht in meinem Hause. Gott nahm meinen Sohn, meinen Ernährer im Alter. Ich habe nur eine einzige leibliche Tochter, der gedenke ich mein ganzes Hab und Gut zu vermachen; doch ich wünsche einen Eidam und die Tochter statt meines verstorbenen Sohnes bis zu meiner Todesstunde in meinem Hause zu schauen, der meiner vor Gott und der Nachwelt gedenkt nur mit Eurer, der Gemeinde, Vorwissen und Eurer Genehmigung. Der Aufgenommene giebt den Zunamen seiner Familie auf und nimmt den Namen des Stammes, in den er einheirathet, an. Der Vater des Bräutigams begiebt sich aller Rechte auf den Sohn. Ihm ist er ein Sohn durch Sünde, dem Vater der Erbtochter wird er ein Sohn durch Gnade. Der Grundgedanke ist nicht bloss persönliche Kindesaufnahme (Adoption), sondern zur Vermeidung des Verwaistwerdens des Hauses Aufnahme des Erzeugers eines Sohnes aus dem schon im Hause vorhandenen Weiberschooss, so dass dieser Sohn wiederum ein im Hause Geborener sei. Das Rechtsverhältniss gestaltet sich vorzugsweise zu folgenden vier Sätzen: der Erbtochtermann geht leer aus seinem Hause; der domazet bekommt das väterliche Vermögen des Mädchens; stirbt die Erbtochter, so darf er (wenn die Eltern der Erbtochter noch leben, nur mit deren Einwilligung) in dies Vermögen eine Fremde hineinheirathen; die Erbtochter hat vielfach im Hauswesen über den Mann das Uebergewicht; ist der Ehe ein männliches Kind entsprossen, so überträgt

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die Mutter die Verwaltung des Hauses auf das (mündig gewordene) Kind als auf ein männliches Haupt, muska glava; der Ehemann kann alsdann in sein Stammhaus zurückkehren.

Augenscheinlich haben wir in diesem slavischen Erbtochterrecht dieselbe Institution vor uns, die auch bei Indern und Griechen bestanden hat. Es liegt danach nahe, dass sich von ihr auch bei den Germanen, insbesondere in bäuerlichen Verhältnissen, die Spuren finden werden. Indess fordert dies eine eingehendere Untersuchung, auf die ich mich hier nicht einlasse 5).

25. (Die Erbtochter. Fortsetzung.) Dürfen wir die Erbtochter-Institution für eine altarische, aus der Haushalterordnung sich ergebende, erklären, so erscheint es als um so verwunderlicher, dass wir sie bei den Latinern nicht finden. Trotzdem dass der latinische Vestacult so nahe dem griechischen Hestiadienst steht, und dass die Fortführung des Vestaheerdes so eng mit der Frage zusammenhängt, ob man auch durch die Töchter solche Fortführung herstellen könne, - ist doch bei den Römern in Betreff der continuatio,dominii' (dominium im ursprünglichen Sinn) eine zum Erbtochterrecht im schroffen Gegensatz stehende Ordnung geltend geworden. Die Tochter ist familiae suae finis; es giebt kein Mittel, durch sie hindurch dem Hause noch wieder einen Sohn zu schaffen. Wir werden nicht fehlgehen in der Annahme, dass diese tiefgreifende in Rom durchgeführte Rechtsänderung nicht als etwas Vereinzeltes dagestanden haben kann, sondern nur ein Stück der grossen, dem ius proprium civium Romanorum angehörigen, agnatischen Rechtsordnung bildet. Es

5) Ich begnüge mich mit der Mittheilung eines Zeitungsartikels; Kreuzzeitung 1893, v. 21. Jan. No. 35 (Landwirthschaft, Osnabrück 19. Jan.):,,bisher herrschte im Osnabrückschen die Sitte, dass der Erwerber einer bäuerlichen Stätte oder ein auf dieselbe heirathender Ehemann seinen Familiennamen mit dem Namen der Stätte vertauschte. Nach einer höheren Orts nun erlassenen Bestimmung ist dieses seit Karl d. Gr. bestehende tausendjährige Gewohnheitsrecht aufgehoben, in Folge dessen der landwirthschaftliche Verein Belm an die Schwestervereine die Aufforderung richtete, die nöthigen Schritte zu thun, damit jene Verfügung rückgängig gemacht werde."

erhebt sich damit die schwierige Frage, wie in strict-nationaler Entwicklung dieses agnatische System sich habe bilden können. Es liegt mir fern, zu meinen, dass ich auf diese Frage schon jetzt eine allseitig befriedigende Antwort zu geben vermögte. Ich kann nur erst constatiren, dass die Lösung dieses Problems eine unumgänglich der Forschung gestellte Aufgabe ist, und dass die Lösung mit der Zeit in den Hauptpunkten auch wohl erreicht werden wird. Ich habe mich hier mit der Specialisirung der Punkte, auf die es vorzugsweise ankommen wird, zu begnügen.

Zu diesem Zweck wird es das Geeignetste sein, an die früher (IG. S. 508 ff.) gegebene aristotelische Darstellung des Oikonomos anzuknüpfen. Hat auch Aristoteles diese Lehre in seiner eigenthümlich scharfen Weise gefasst, so will er doch offenbar die allgemein griechische Auffassung wiedergeben. Und diese griechische Auffassung ist zugleich offenbar die altarische. Ihr Grundgedanke ist der vorher (§ 22) schon ausgesprochene: Die Hausherrnstellung ist als eine dem pati natürlich gegebene Regierungsmacht gedacht (uovagzɛitai nas olzos). Dieselbe umfasst vier Beziehungen: die yaux, πατρική, δεσποτική, χρηματιστική. Es ist durchaus kein Widerspruch gegen das Wesen dieser Regierungsmacht, dass sie sich bei zweien (Weib und Kind) auf freie, bei zweien (Sklaven und Sachen) auf unfreie Wesen erstreckt. Von den Beherrschten ist die erste (die Frau) auch sogar berathende Mitregentin; der Herr steht zu ihr wie der Regent einer Republik". Das Regieren ist aber nicht bloss das Geltendmachen eines einseitigen Rechtes, sondern es ist eine, Befugnisse und Pflichten enthaltende, Aufgabe: die Leitung zur ager. Weil diese Aufgabe bei den vier Klassen der Haushaltsglieder (besonders aber bei den drei menschlichen Klassen) eine verschiedene ist, so sind die vier Klassen schon quo getrennte. Das Ganze ist eine Koinonie, eine sacralrechtlich zusammengeschlossene aquae et ignis communio; es muss pflichtmässig dazu geleitet werden, dass jede der vier Klassen für die gemeinsame Aufgabe Aller (die arbeitsame Beschaffung der Ernährung und Schützung Aller) die richtige und geschickteste Thätigkeit ausübe. Auch dem Sklaven, obgleich er olwg Eneivov ist, stehen doch in der Gemeinschaft auch

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