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nend' [wusste der Dritte, dass der Sklave kein Geschäftsführer seines Herrn seil, ,so hat er seinen Mardern entsagt' [d. h. er hat ihm die Waare auf eigene Gefahr überliefert]. Art. 111: ,Hat aber der Herr seinen Knecht zum Handel entlassen und der Knecht wird schuldig [d. h. hat der Herr den Knecht zum Pelzhandel 12) angestellt, und der Knecht hat daraus ein Debitum contrahirt, ist also der Sklave in keiner Culpa, sondern Ausführer des Auftrages seines Herrn], ,so kauft der Herr ihn los, aber er entsagt ihm nicht' [er hat das contrahirte Debitum zu bezahlen, ohne den Sklaven aus der Hausgemeinschaft stossen zu dürfen). Art. 112: Im Fall unwissentlichen Kaufens eines fremden Knechtes, nimmt der Herr seinen Knecht, der Käufer aber erhält sein Geld zurück auf den Eid des unwissentlich Gekaufthabens. Art. 114: Beim Entweichen des Knechts unter Mitnahme von des Nachbarn Waare, zahlt der Herr die Gebühr für das Mitgenommene. Art. 115: Wenn der Knecht stiehlt, so kauft der Herr ihn los oder er giebt ihn heraus, zusammen mit den etwaigen, demselben Herrn gehörigen Diebshelfern. Auch Frau und Kind, wenn sie mitstehlen oder mitverwahrten, werden entweder mitherausgegeben oder losgekauft. Der mitstehlende oder mitverwahrende Freie wird dem Fürsten zum Verkauf [wohl in die Sklaverei?] übergeben. Im Gegensatz zu dem vom Sklaven begangenen Diebstahl18) wird das von ihm ausgeführte Delict des Schlagens eines Freien anders behandelt, aber unter Festhaltung des Grundgedankens, dass der Hausherr für das Delict seines Sklaven verantwortlich sei. Es wird dem Geschlagenen eine gegen den Herrn, der den delinquirenden Sklaven schützte, gerichtete pignoris capio gestattet; wobei man aber die gegen den Delinquenten sich etwa darbietende Gelegenheit der Selbstrache zu benutzen nicht ausschliesst; Art. 58: ,wenn ein Knecht (cholop) einen freien Mann (swoboden) schlägt, und entflieht in die herrschaftliche

12),Handel' heisst,torg', ein Wort, das (nach B. Delbrück) altnordisch ist und dorthin aus dem Slavischen gekommen zu sein scheint.

13) Auch das furtum usus kennen schon die Prawdas; I Pr. Art. XI: ,wenn Jemand reitet auf einem fremden Pferde, es nicht erbeten habend, so sind 3 Griwnen zu erlegen'. III Pr. Art. 56:,wenn ein leibeigener Knecht (cholop obělnoe) irgend Jemandes Pferd entführt, so bezahlt man für ihn 2 Griwnen'.

Wohnung (chorom), und der Herr giebt ihn nicht heraus, so bezahlt der Herr 12 Griwnen für ihn. Aber wenn nach diesem irgendwo der Geschlagene seinen Angreifer (istitsh) trifft, welcher ihn schlug, so verordnete Jaroslav, dass er getödtet werde' [d. h. das alte, von Jaroslav in der ersten Prawda noch anerkannte Racherecht liess die Tödtung des Sklaven zu 11)]; jedoch seine Söhne verordneten nach ihm auf Marder, oder auch den Entfesselten zu prügeln, oder eine Mardergriwna für den Schimpf zu nehmen'.

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7) Zwischen den Gemeinfreien (swoboden) und den Knechten (cholop) steht zur Zeit der Prawdas eine Mittelstufe von glebae adscripti. Ihr Bestand ist wohl noch bis in unsere Gegenwart hinein zu verfolgen, und zwar scheint sich derselbe im Lauf der Zeiten noch sehr vergrössert zu haben. Es entspricht ganz der wilden Periode, welche auf die Jaroslav'schen Zeiten gefolgt ist, dass vom Herren- und Bojarenstande die Gemeinfreien in immer grösseren Massen zu Schollenzugehörigen herabgedrückt worden sind. Danach erscheinen die Zahlen nicht verwunderlich, die uns bei Aufhebung der russischen Leibeigenschaft (3. März 1863) gemeldet werden. Das Aufhebungsgesetz fand 11/2 Millionen leibeigener Dienstleute (dworovije 15) und 20 Millionen an die Scholle gebundener Bauern (krepostnije) vor. Ich gehe auf diese neueren Zeiten nicht ein, sondern beschränke mich auf das in der dritten Prawda in Betreff der Schollenzugehörigkeit uns entgegentretende Material.

Der Schollenzugehörige heisst ein Erkaufter oder Ermietheter: zakup III Pr. Art. 52; er ist ein vom Herrn (gospodin) zum Ackerbau Angenommener (rolĕinyi zakup) 16).

14) In der ersten Prawda lautet (Art. XVI) die Jaroslav'sche Fassung so: ,oder ein Knecht schlägt einen freien Mann, entfliehet aber in das Haus, und der Herr (gospodin) unterfängt sich, ihn nicht zu geben, so nehme man einen Knecht, und der Herr bezahle für ihn 12 Griwnen. Aber wenn nachher der geschlagene Mann ihn findet, so prügele man ihn' (vgl. auch Ewers S. 273 Not. 19].

15) Diese sind vorzugsweise als auf dem Herrenhof Lebende zu denken, während die Schollenzugehörigen auf besonderer Kathe sitzen. Jeder Herrenhof heisst dwor (III Pr. Art. 54), daher der Name: dworovije Hofknechte.

16) Als Grundlage des Verhältnisses erscheint also ein Kauf- oder MiethVertrag (nicht wie beim cholop über den Leibeigenen, sondern mit dem

Er hat eine freiere Hörigenstellung; der Herr liefert ihm zum Ackerbau die Pferde; ruinirt dieser das ihm zugeeignete (swoiski) Pferd, so bezahlt er es nicht, III Pr. Art. 53. Der Herr scheint zu bestimmten Terminen einen Naturalpachtzins (insbesondere einen ,,Schober", kopa, Heu, aber möglicherweise auch Geld) empfangen zu haben. Dabei hat der zakup den vom Herrn ihm gelieferten Pflug und Egge, die bei der Bebauung des Kathenlandes zu Grunde gegangen sind, zu bezahlen, III Pr. Art. 53. Der Herr kann aber dem Schollenzugehörigen auch auf seine, des Herrn (Frohn-) Arbeit (orudie) schicken; was dabei ohne seine, des Arbeiters, Schuld verloren geht, braucht derselbe nicht zu bezahlen. Das aus dem Stalle (durch Diebstahl) Weggeführte braucht der zakup nicht zu vergüten, III Pr. Art. 54; was er aber auf dem Felde zu Grunde gehen lässt, sowie das nicht auf den (schützenden) Hof Getriebene und das nicht gemäss dem Befehl des Herrn Eingeschlossene, oder auch das dem zakup bei seiner eigenen (swoja) Arbeit zu Grunde Gehende hat er zu bezahlen. Der zakup ist persönlich frei; er braucht sich vom Herrn Beleidigungen, ungerechte Forderungen und Misshandlungen nicht gefallen zu lassen; der Herr hat ihm Solches zu ersetzen und für das Unrecht (obida) noch 7 Marder Busse zu zahlen; III Pr. Art. 55. Schlägt der Herr ihn für eine That, so wird Das dem Herrn nicht als Schuld zugerechnet; schlägt er ihn aber unvernünftig, trunken oder ohne Schuld des zakup, so hat er es für den zakup ebenso wie für einen Freien (swoboden) zu büssen. Wenn der zakup Etwas entwendet, so ,ist der Herr in ihm (III Pr. Art. 57, d. h. der Herr wird aus dem Delicte des zakup verbindlich, der zakup wird zum cholop; der Herr bezahlt das Pferd oder das sonstige Ge

Leibeigenen). Dadurch begiebt sich Letzterer, gegen Zusage von Leistungen aus dem zur eigenen Bearbeitung ihm mit einem gewissen Inventar überlassenen Kathenhofe, aber auch Zusage von dem Herrn zu leistenden Frohnden, in den Dienst und Schutz eines Gutsherrn. Das Verhältniss kann Anfangs wohl vielfach nur als ein Dienstcontract auf Zeit zwischen Gemeinfreien und grösseren Gutsherren vorgekommen sein. Es hat sich aber dann im Verlauf der russischen Geschichte zu einer festen glebae adscriptio gestaltet, so dass vor Aufhebung der Leibeigenschaft die eigentliche Masse der russischen Bauernschaft in diesem Verhältnisse stand.

stohlene;,will er nicht für ihn bezahlen, so verkaufe er ihn und entrichte zuvor für das Pferd oder für den Ochsen oder für die Waare, welche er Fremden genommen hat, und das Uebrige nehme er für sich selbst. Ebenso wie der zakup wenn Bestehlung Dritter zum leibeigenen Knecht (oběl) degradirt wird, so auch, wenn er seinem Herrn entweicht; III Pr. Art. 52. Der zakup kann sich auch Pelzwerk (Marder) sammeln, nimmt ihm der Herr diese weg, so hat er sie zurückzugeben; III Pr. Art. 55:,wenn er bei ihm Marder eingenommen hat, so soll er ihm die Marder wiedergeben, die er nahm, und für das Unrecht (obida) bezahlt er 3 Gr. Busse'. Dem zakup wird, wenn er offenkundig auf Sammlung von Pelzwerk ausgeht, dies nicht als Entweichen von seinem Herrn ausgelegt, ebenso wenig wie wenn er zur Klage wegen Beleidigung vor den Richter geht; III Pr. Art. 52: geht er, um Marder zu suchen, und geht öffentlich, oder entläuft zum Fürsten oder zu den Richtern wegen einer Beleidigung (obida) seines Herrn, so soll man ihn desshalb nicht versklaven (robotit), sondern ihm Recht geben (dati prawdu)'. Kann allerdings wegen Schuld des zakup derselbe versklavt werden, so steht doch keineswegs dem Herrn das Recht willkürlichen Verkaufs in die Sklaverei zu; III Pr. Art. 55: ,veräussert der Herr den Erkauften als völlig Leibeigenen (oběl), so hat der Gemiethete (naimit) Freiheit in allen Mardern' (d. h. er behält alles Pelzwerk, das er sich gesammelt hat, und das auch zugleich als Geld dient], und der Herr zahlt für das Unrecht 12 Gr. Busse'.

Dies die wohldurchdachte Casuistik betreffs des wichtigen zakup-Verhältnisses, das in den Prawdas eine Mittelstellung zwischen den Gemeinfreien (swoboden) und den eigentlichen Sklaven (cholopstwo obělnoe) einnimmt. Wir werden darin die Unterlage zu erkennen haben, auf der, im Gegensatz zu der in den Städten sich fixirenden gemein freien Kaufmannschaft, sich auf dem Lande die grosse Masse der russischen Bauern zu einem Stande Halbfreier gestaltet hat.

24. (Die Erbtochter.) 2) Den bisherigen Gang meiner Erörterung fasse ich jetzt zusammen. Es ergeben sich in Betreff der Stellung des germanischen (insbesondere bäuerlichen)

Hofbesitzers, sowie des slavischen gospodars oder ognischtschanin durchaus dieselben Hauptsätze, wie ich sie früher rücksichtlich des indischen grihin und des griechischen oizovóμos geschildert habe. Wir werden danach die Grundelemente der Haushalter- oder Heerd-Ordnung als gemeinsames, schon altarisches Besitzthum anzuerkennen haben. Demzufolge ist durch das Haus, dessen Centrum der Heerd bildet, eine themisrechtliche Koinonie gegeben. Glieder dieser Gemeinschaft sind sowohl der Herr selbst (pati) wie die zur Mithülfe an der dem Hause obliegenden Arbeit in verschiedenen Richtungen Berufenen: Frau, Kinder, Gesinde, Hausthiere. In der Gemeinschaft der Arbeit liegt die Gewähr der effectvollsten, billigsten Herstellung der für Alle zu beschaffenden Ernährung. Es wird in dem häuslichen Heim ein alle Glieder umfassendes heiliges Band gebildet (domus unicuique civium perfugium sanctum), dem zur Sicherung seiner zunächst materiellen Zwecke die gottesdienstliche Basis eines gemeinschaftlichen Hauscults gegeben wird. Die Gemeinschaft ist nicht so gedacht, dass der Herr als der allein Berechtigte, die anderen Glieder als das Object seines Rechtes dastehen, auch nicht so, dass alle Glieder als nach Quoten getheilte Genossen einer beliebig aufkündbaren Gesellschaft erscheinen. Die potestas des Hausherrn ist auch nicht eine je nach den verschiedenen Stellungen der Glieder verschieden (auf Ehe, Zeugung, Eigenthum) gegründete. Die Hausmacht ist vielmehr eine, trotz der Sonderstellung der einzelnen je freien, je unterworfenen Glieder gleichartige, absolute Regierungsmacht, eine durch das rita, die pious gegebene monarchische Ordnung, in der die Hausfrau mitberathend neben den Herrn tritt, und immer schon im Auge behalten wird, dass die Söhne die künftigen Herren des Haushalts sein werden.

Ist hiernach die Haushalterordnung als der eigentliche Kern des altarischen Rechts aufzufassen, so ist damit auch zugleich gesagt, dass die Fortführung des Hauses dem altarischen Auge als eine der wichtigsten Angelegenheiten erscheinen musste.

In dieser Fortführungsfrage aber liegt ein reales Element, das wir nicht treffen, wenn wir uns die Vererbung lediglich als auf subjectiv-persönlicher Verwandtschaftsbe

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