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zunächst nur in kurzen Worten zusammen, was im Folgenden seine eingehendere Erörterung finden wird ').

Auch in Betreff der Privatangelegenheiten gilt bei Indern, Griechen, Latinern, Germanen der themisrechtliche Satz, dass nur das vor Göttern und Menschen Manifeste, insbesondere das vom Gegner Zugestandene, mit Selbsthülfe durchgesetzt werden könne. Für das Streitige dagegen ist aggressive Selbsthülfe unzulässig; es muss vor das Stammgericht gebracht werden, durch welches (nach Phratrien und Phylen, Centenen und Gauen) die streitige Frage in präjudicieller Gestalt festgestellt wird, so dass sie nunmehr als manifeste wieder der Selbsthülfe offensteht. Hiernach ist für das alte Themisrecht von so ganz besonderer Wichtigkeit die formelle Feststellung des Streitigseins. Darauf ist gerichtet bei den Persern das ayahua (IC. I S. 39), bei den Griechen die góσzλŋois, bei den Latinern die in ius vocatio, bei den Germanen die mannitio (Brunner II S. 332 ff.) 2). Die Kenntniss des Grundgegensatzes streitiger Privatangelegenheiten wird man schon bis in das arische Urvolk zurückzuverlegen haben. Bei den Indern ist es die Gegenstands- und die Schuldverfolgung (IG. S. 467. 473), bei den Griechen die Scheidung von Diadikasien und von δίκαι πρός τινα und κατά TIVOS (GIRG. S. 490. 502 ff.), bei den Latinern das beiderseitige aio meum esse und das certum petere, bei den Germanen die Klagen um Gut und um Schuld. In Betreff der Schuldklagen aber hat sich bei arischen Völkern eine Tendenz entwickelt, die offenbar auch in sehr alte Zeiten hinaufreicht. Es wird das Schuldverhältniss unter solchen festen Formen begründet,

1) Das Zusammensuchen der arischen Grundelemente des Rechtsschutzes hat seine grossen Unbequemlichkeiten. Das je in den einzelnen Völkern Hervortretende erscheint nicht von vorn herein in einem das geschichtlich Cohäreute kennzeichnenden Kleide. Ich kann danach auch nur schrittweise die Aufgabe der Nachweisung der historischen Cohärenzen lösen, und bitte den Leser, den vielfachen Mangel an Uebersichtlichkeit nicht, oder wenigstens nicht allein mir, zur Schuld anzurechnen.

2) Es giebt legitime Hinderungsgründe, die das Nichterscheinen des Geladenen entschuldigen, namentlich schwere Krankheit. Dafür hat der Germane wie der Latine dasselbe Wort. Bei Jenem heisst die echte Noth der Verhinderung: sunne, sunnis, sonia, bei Diesem ist es der morbus sonticus (s. § 46 N. 1).

dass es dem Schuldner von vorn herein unmöglich oder wenigstens schwer gemacht wird, das Schuldverhältniss zu einem streitigen zu machen, so dass danach der Gläubiger zu der gegen die Person oder das Vermögen gerichteten Selbsthülfe greifen kann. Was in dieser Hinsicht bei arischen Völkern hervortritt, wird später geprüft werden. Ein allgemeiner Gesichtspunkt bedarf schon hier der Hervorhebung. Es handelt sich in den vorliegenden Fragen um practische Bedürfnisse, die gar nicht bloss bei den Ariern hervortreten. Dabei nehmen dann aber leicht bei den gleichartigen practischen Bedürfnissen die Rechtsschemata einerseits der Arier, wie andererseits der Nichtarier ganz verschiedene äussere Gestalt an. Insbesondere zwischen Ariern und Semiten findet ein Gegensatz in mannigfacher Anwendung statt. Um eine Angelegenheit manifest zu machen, wird sie von den Semiten schriftlich gemacht, während die arischen Völker die Schriftlichkeit in viel engeren Grenzen verwenden. Das mag daher kommen, dass bei den Semiten die Schrift, die ja die alten arischen Völker erst von den Semiten entlehnt haben, viel tiefer ins Volk gedrungen ist und so viel mehr mit den Rechtsgeschäften sich verwachsen hat. Es kann aber noch ein anderer Umstand mitgewirkt haben. Cäsar erzählt von den Kelten, dass bei ihnen, obgleich sie die Schrift kannten, doch das Heilige ohne solche im Gedächtniss getragen werden musste. Das wird weiterreichend auch die Anschauung anderer arischer Völker gewesen sein 3). Was Göttern und Menschen gegenüber manifest gemacht werden soll, das muss mit lebendigem, solennem Worte nuncupirt sein. So wird es zu den Göttern getragen, die zwischen sich und den Menschen,,kein Papier dulden". Die Nuncupationen aber, um perpetuirt zu werden, drängen dazu, dass man sie vor Zeugen vornehme. Dies führt leicht dahin, dass man, sobald die Staatsgewalt kräftiger hervortritt, die Zeugen, als Repräsen

3) Caes. B. G. VI, 14: magnum ibi numerum versuum ediscere dicuntur. Itaque annos nonnulli vicenos in disciplina permanent. Neque fas esse existimant ea literis mandare, cum in reliquis fere rebus, publicis privatisque rationibus Graecis literis utantur. Auch bei den Indern wurden die eigentlich heiligen Gesänge und Sprüche durch Auswendiglernen fortgetragen.

tanten staatlicher Gliederungen, in fester Zahl zu Trägern der Verstaatlichung wichtiger Rechtsgeschäfte macht. So öffnet sich denn hier, auf Grund alter themisrechtlichen Institutionen, ein weites Feld für die Bildung civiler Rechtsordnung.

II. Ehe.

Die bisher

19. (Die Haushaltsgründung durch Ehe.) besprochenen Punkte haben ergeben, dass bei den für uns vorzugsweise wichtigen arischen Völkern die Haushalterordnung die ursprüngliche hauptsächliche Rechtsfeststellung gewesen ist. Das Haus bildet eine Gemeinschaft, die unter Leitung des Hausherrn sich nach Aussen schützt, und im Inneren als Friedensgenossenschaft im Hausherrn einen nach den Begriffen von Gut und Böse entscheidenden Richter hat. Es giebt noch keine verfassungsmässig geordneten civitates. Die gesammte Rechtsordnung ist noch kein ius civile, sondern Themisrecht, das unter Götterschutz durch Selbsthülfe durchgeführt wird. Wir finden bei den arischen, durch die Sprache als zweifellos mit einander verwandt sich ergebenden Völkern in weitreichender Weise den Götterschutz auch in derselben obersten Göttergestalt des Dyaus, Zeus, Iuppiter, Ziu verkörpert.

Die Haushalterordnung hat im Hausheerde ihr zusammenfassendes Element. Das zu Einem Haushalt Zusammengeschlossene hat im Nahrung (i. w. S.) gewährenden Heerde sein Centrum, und, soweit diese Gewährung reicht, seine Grenzen. Danach lag es dem Altarier nahe, als die reguläre Haushaltsgründung sich das Infunctiontreten des Heerdes im neuerrichteten Hause vorzustellen. Dies Infunctiontreten geht zusammen mit dem Heirathen des Mädchens, welches fortan die mithelfende Leiterin des neuen Haushalts werden soll. So wird die Frage von der Eheschliessung abhängig von der anderen, wie der Haushalt begründet werde. Das Recht der Eheschliessung ist nicht so entstanden, dass zunächst in den einzelnen populi durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht bestimmte feste Grundsätze über das Heirathen sich festgestellt hätten, die dann von den einzelnen Heirathspaaren

befolgt wären. Die Ehe reicht, auch unter der Tendenz, nur monogamisches Verhältniss zuzulassen, schon in die Herrschaftszeit der, Menschen- und Thierwelt leitenden, naturalis ratio hinein. Sie ist speciell in der Menschenwelt unter Fortwirkung der naturalis ratio ganz über den Kreis der arischen Völker hinaus vielfach zu gleichartigen Rechtsschematen geführt worden, und zwar auch in der Richtung, dass sich zwei Formen der Eheschliessung, die Raub- und die Kaufehe, entwickelt haben. Insbesondere ist dies der Anfangspunkt des altarischen Eherechts. Darin tritt dann auch schon bei diesen beiden Eheschliessungsformen eine eigenthümliche juristische Formulirung auf. Unter Raubehe ist nicht nothwendig ein wirkliches Rauben zu verstehen, sondern nur das Nehmen des (namentlich einem fremden Stamme angehörigen) Mädchens unter dem Schein gewaltsamer Wegführung, wovon dann (wie bei der spartanischen Eheschliessung und in einigen römischen Traditionen) die Ueberreste sich noch bis in späte Zeiten fortgetragen haben. Andererseits ist die Kaufehe die reguläre arische Volksehe geworden, ohne dass dabei in dem Kaufen die Nothwendigkeit wirklichen Erstehens für einen Preis vorausgesetzt würde. Kaufehe kann vielmehr auch nur den friedlich-freundlichen Abschluss gegenüber den Brauteltern bedeuten.

1) Bei beiden, bei der Raub- wie der Kaufehe, besteht nun aber, wie bemerkt, in den arischen Völkern ein genau erkennbarer Zusammenhang mit der Haushalterordnung. Hieraus gerade hat sich die eigenthümlich arische Scheidung der drei Stufen: Ehegründung, Eheeinsetzung, Ehevollziehung entwickelt. Sie ist nie durch positiv-particularrechtliche (gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche) Satzung eingeführt worden, sondern lediglich das Product der in den arischen Völkern zur Regel gewordenen Lebensweise. In Gemässheit dieser Lebensweise, die sich bereits in Häusern (freilich ebenso leicht aufzubauenden wie niederzureissenden) vollzog, ist es in der Zeit, als sich diese arische Eheordnung zu festen Sätzen gestaltete, die durchaus überwiegende Sitte gewesen, dass (während die heirathenden Mädchen in eine fremde Sippe hinübergehen) die heirathenden Söhne einen neuen, meist in der Nähe des elterlichen Hauses gelegenen Hausstand gründen,

in den sie ihre Braut einführen, wobei aber sehr oft die Sohnesbezw. Enkels-Hausstände noch längere Zeit eine ungetheilte Gemeinschaft fortführen. Freilich ist dabei vollkommen offen, dass je nach den Umständen auch hier und da der heirathende Sohn, gleich den elterlichen Haushalt fortführend, keinen neuen Hausstand gründet, oder die allein vorhandene Tochter in die bisherige elterliche Wohnung den einheirathenden Bräutigam aufnimmt. Aber das sind Ausnahmen. Die altarische Regel bildet für die heirathenden Söhne die Neugründung eines Haushalts neben dem elterlichen, mit der Möglichkeit eines längeren ungetheilten Zusammensitzens (Fraternität) der mehren Sohnes- bezw. Enkels-Haushalte. Der Beweis, dass dem so gewesen ist, liegt darin, dass durch alle arischen Hauptvölker hindurch sich in zweifelloser Gleichartigkeit die in domum deductio als der manifeste Beginn des ehelichen Lebens zieht, und dass damit das ungetheilte Zusammensitzen einer Mehrheit von Haushaltungen (die s. g. joint family) sich leicht vereinigt. Wir werden das auch so formuliren dürfen die in domum deductio ist der reguläre altarische Eheanfang. Aber diese Institution der in domum deductio hat sich nicht als eine für die Ehe bestehende civile Rechtssatzung entwickelt. Die Ehe ist in der alten Zeit noch gar kein in sich abgeschlossener Rechtsbegriff in unserem heutigen Sinne. Sie ist nur erst ein Moment in dem allgemeineren Haushaltungsbegriff, was sich daraus ergiebt, dass in der alten Sprache noch gar kein unseren modernen Ehebegriff wiedergebendes Wort existirt. Ist nun die in domum deductio der eigentliche reguläre Haushaltsanfang, so ist damit zugleich gesagt, dass, was ihr vorausgeht zunächst nur als Vorstufen für die wirkliche reale Haushaltsgründung erscheinen kann. Möglich, dass solche Vorstufen überhaupt fehlen. Das gilt für diejenigen Stämme, die sich für die Eheschliessung die Form der Raubehe bewahrt haben. Dagegen bei der eigentlichen arischen Volksehe, der Kaufehe, liegt gerade schon in dem Ausdruck Kaufehe der Hinweis auf die Vorstufen. Wo nun aber noch gar kein technisches Wort für Ehe existirt, da ist von vorn herein ausgeschlossen, dass bei diesen Vorstufen eine juristische Begriffsformulirung gewaltet habe. Dafür ist in jenen alten Zeiten noch kein Raum. In der That finden

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