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mechanisch damit zusammenhängen, dass schon in den ersten Bildungstagen durch Hinwendung der linken Körperseite nach dem Dotter die rechte freier wird?

Die Bildung des Gaumens, des Abschlusses der Mundhöhle von der Nasenhöhle, wird eingeleitet durch zwei flache Wülste oder Leisten, Gaumenfortsätze welche, an den Zwischenkiefer sich anschliessend, vom unteren (Alveolar-) Rand des Oberkieferfortsatzes jederseits ausgehen und sich zu nach der Mittellinie vorwachsenden Platten, den Gaumenplatten ausbilden. Sie begrenzen eine anfangs weite, dann immer enger werdende Spalte, die Gaumenspalte. Die Gaumenplatten verschmelzen im Beginn des 3. Monats, nachdem sie sich bis zur Berührung genähert, von vorn nach hinten miteinander und liefern so das als Gaumen bezeichnete horizontale Septum (Gaumengewölbe), durch welches die primitive Mundhöhle in die natürlich relativ kleinere bleibende Mundhöhle und die über ihr befindliche Nasenhöhle getrennt wird. Da die durch Einstülpung von aussen (schon im 1. Embryonalmonat) gebildeten Nasengruben zu den Nasenlöchern werden und anfangs an dem Dach der primitiven Mundhöhle keinerlei (innere) Öffnung besitzen, so müssen sie behufs Herstellung der bleibenden Verhältnisse erst eine solche entwickeln. Sie geschieht durch Durchbruch der sich immer mehr vertiefenden Nasengruben in Form schlitzförmiger Öffnungen in die primitive Mundhöhle. Während die Gaumenplatten sich in der Mittellinie zur Bildung des Gaumens vereinen, verwächst mit der Medianlinie der oberen Fläche des Gaumens, d. i. mit der Gaumennaht der in die Nasenscheidewand septum narium umgewandelte Stirnfortsatz in der Richtung von vorn nach hinten, wodurch die Nasenhöhle zu einem paarigen Hohlraum sich gestaltet. Ganz vorn wird ein Teil der Nasenscheidewand in die Bildung des Gaumens miteinbezogen. Er enthält die Zwischenkieferanlage. Schultze.

An der Grenze von Zwischenkiefer und Gaumenplatten erhält sich bei den meisten Säugetieren ein kleiner Gang, Nasengaumengang (Stensonscher Gang) einige Zeit offen. Durch ihn kann man mit einer Sonde aus der Nasenhöhle in die Mundhöhle gelangen. Bei dem Menschen schliesst sich dieser Gang noch während des embryonalen Lebens, doch erhält sich an der entsprechenden Stelle ein von Bindegewebe, Gefässen und Nerven bestehender Strang. Bei dem Erwachsenen findet sich nach der

Maceration an derselben Stelle der canalis incisivus der Osteologie. Der Kanal ist nasalwärts doppelt vorhanden, an der Gaumenfläche besteht aber in der Regel ein unpaares foramen incisivum. Die Gaumenplatten enthalten gleichzeitig das Material für die Entstehung des weichen Gaumens. Aus ihren hintersten Strecken gehen lateral die arcus palato-pharyngei hervor, aus den medialen Partien der weiche Gaumen und das Zäpfchen uvula. Die Anlage des Zäpfchens ist deshalb doppelt, es entsteht bei Fetusen von 4,2-4,5 cm Scheitelsteisslänge (etwas über die Mitte des 2. Monats). Der weiche Gaumen liegt bei seiner Entstehung noch in derselben Ebene wie die Gaumenplatten, auf welchen die Raphe als eine leichte Kante auslauft. Die hintere Grenze des weichen Gaumens bildet eine Bogenlinie mit mehrfachen Vorsprüngen. Zwei durch einen medianen tieferen Einschnitt getrennte Vorsprünge stellen die noch gespaltene Uvula vor. Bei Fetusen von 7,3 cm Scheitelsteisslänge (Anfang des 4. Monats) sind die Unregelmässigkeiten des freien Randes geschwunden und nur die breite Uvula bildet einen Vorsprung; ihre ursprüngliche Duplizität ist aber noch deutlich zu erkennen. Die beiden Gaumenmandeln, Tonsillen, bilden sich um das Ende des 3. Monats.

Bei Fetusen von 5,5 cm Scheitelsteisslänge (zweite Hälfte des 3. Monats) ist der vordere und seitliche Teil des harten Gaumens durch 5-7 Leisten ausgezeichnet, welche regelmässig auf jeder Hälfte angeordnet sind. An ihrer Bildung hat eine epitheliale Wucherung den grössten Anteil. Sie tragen zahlreiche nach hinten gerichtete Papillen; der freie Rand der Falten erscheint reich gekerbt. Bei Fetusen von 10-16 cm Länge (4. Monat) wird dadurch die vordere Gaumenhälfte von der hinteren sehr verschieden. Zu diesen Gaumenfalten kommt ein Alveolarwall mit einer gekerbten Kante, welche nach dem Gaumenrand umgeschlagen ist. und wie eine breite Fimbrie aussieht. Gegen das Ende des Fetallebens wird die Anordnung unregelmässig; hintere Falten verschwinden, vordere werden umfangreicher und rücken näher aneinander. So bestehen sie auch beim Neugebornen und durch das Kindesalter und schwinden erst spät. Bei den Quadrumanen sind die Falten zahlreicher und ihre Anordnung ähnlich, doch sind die hinteren bis zur Medianlinie herangerückt und können sich sogar vereinigen. Diese Falten sind Bildungen, in denen der morphologische Wert den physiologischen überwiegt; sie sind von

phylogenetischer Bedeutung und gehören in das Gebiet der Theromorphien (tierähnlichen Bildungen, Tierformen, 940 Tier, ogń Form, Gestalt), an denen der Kopfdarm während seiner Entwicklung so auffallend reich ist. Kollmann.

Eine sehr anschauliche Schilderung mit guten Abbildungen, wie ich sie zum Teil auch beim (erwachsenen) Menschen gesehen, hat Bischoff in seinen Beiträgen zur Anatomie des Gorilla (1879) gegeben, und lasse ich sie hiermit folgen. Nachdem Gegenbaur in jüngster Zeit (Morphologisches Jahrbuch, 1878) die Aufmerksamkeit der Anatomen auf die Falten der Schleimhaut des vordern Teiles des harten Gaumens gelenkt hat, hielt ich es für angezeigt, dieselben auch bei dem von mir untersuchten Gorilla. zu beachten. Man sieht dieselben blattrippenartig von einer mittleren Linie, von welcher sie ausgehen, sich etwas gebogen nach aussen ziehen, und zwar nicht ganz symmetrisch auf beiden Seiten. Auf der rechten Seite zählt man S, deren vorderste am schwächsten und ebenso die beiden hintern schwach entwickelt sind. Links sind es auch 8, deren vorderste ebenfalls die schwächste ist, die drei hintern korrespondieren aber nicht ganz denen der linken Seite. Und da mir das Material zu Gebote stand, so habe ich zum Vergleich auch noch diese Gaumenfalten vom Orang wie Schimpanse und vom Hylobates (Gibbon) abbilden lassen. Dabei ist vorzüglich die von Gegenbaur gegebene Abbildung eines jüngeren Orang zu vergleichen, woraus man, wie mir scheint, entnehmen kann, dass diese Falten mit fortschreitendem Alter sowohl vorn als hinten verschwinden. Die vordersten Falten sind am meisten reduziert. Bei den beiden fast gleichalterigen Schimpansen finden sich 7-8 und sind dieselben ziemlich asymmetrisch angeordnet. Der Hylobates ist ein älteres Tier, welches die Zähne bereits gewechselt hat; die Falten sind aber noch kräftig und zwar 8 auf jeder Seite und symmetrisch, ziemlich weit nach hinten gehend, ausgebildet. Wenn man die von Gegenbaur gegebenen Abbildungen von cercopithecus (Meerkatze) und ateles (Klammeraffe) hinzunimmt, kann man schliessen, dass die Ausbildung dieser Gaumenfalten auch mit der höheren Entwicklung einer Tierart abnimmt.

Beim (gebornen) Menschen beginnt die Verknöcherung der Gaumenbeine gleich der des Oberkiefers nach Bischoff zu Ende des 2. und Anfang des 3. Monats, und der Prozess entwickelt sich

so schnell, dass zu Ende des 3. Monats der ganze Knochen schon verknöchert ist.

Unterkiefer. Von jeder unteren Hälfte des 1. Kiemenbogens geht zunächst nach vorn der Unterkieferfortsatz aus, welcher sich schon in der 4. Embryonalwoche mit dem der andren Seite in der Mittellinie vereinigt, womit der Unterkiefer in seiner Anlage vollendet ist. Im Unterkieferbogen entsteht, aber erst im 3. Monat bei 30 mm Scheitelsteisslänge des Fetus, der Meckelsche Knorpel, der die Anlage für die Gehörknöchelchen Hammer und Amboss liefert (der Steigbügel stammt vom Hyoidbogen), eines jener lehrreichen Beispiele abgeänderten Entwicklungsganges höherer Formen. Bei dem Selachier (Knorpelfisch) erscheint der Knorpel sehr früh als Skelettstück des Kopfes, er bleibt das ganze Leben als Mandibularknorpel erhalten und erhält einen reichen Besatz von Zähnen, die sich beständig erneuern. Bei dem Menschen erscheint dagegen der knorpelige Unterkieferbogen im Innern des Mesoderm spät, der Knorpel hat in seinem distalen Teil nur eine kurze vorübergehende Existenz, er trägt niemals Zähne, sondern der spätere Belegknochen, der Unterkiefer der Anatomie verdrängt ihn umklammernd und durchbrechend, und dieser neue Unterkiefer wird der Träger der Zähne. Schon Bischoff bemerkt (1842): Der Unterkiefer entsteht nicht, wie man früher lehrte, geradezu aus dem ersten Kiemenbogen, sondern aus einem auf denselben abgesetzten Blastem, wodurch, wenn dieses verknorpelt und verknöchert, der Kiemenbogen selbst wie von einer Scheide eingefasst wird. Der proximale Teil des Mandibularknorpels erhält bei den Haien eine Verbindung mit dem Oberkiefer, bei den höheren Formen setzt sich aber das Homologon des Mandibularknorpels der Fische, der Meckelsche Knorpel in das Mittelohr fort und baut Hammer und Amboss auf wie sie sich entwickeln, hat aber zuerst Reichert (1837) dargethan. Es ist, wie Kollmann sagt, eines der interessantesten Kapitel der vergleichenden Anatomie, den Mandibularbogen und die Vielseitigkeit seiner Verwendung in der aufsteigenden Reihe der Tiere zu verfolgen, und hängt dieser Wechsel der Form mit dem Wechsel der Funktion zusammen, indem mit der terrestrichen Lebensweise die Funktion der Kiemen von den Lungen übernommen wird. Es ist das allmählich mit der höheren Entwicklungsstufe sich vervollkommnende Prinzip der Teilung der Arbeit, was hier in Kraft tritt.

Die Anlage des Unterkiefers kann ausbleiben; Fehlen des Unterkiefers heisst Agnathie (vaos der Kiefer), es ist dann lediglich die obere Hälfte des ersten Kiemenbogens zur Entwicklung gelangt und also nur der Oberkiefer vorhanden. Bei dem einfachen Agnathus findet sich der Schädel und der obere Teil des Gesichtes mit Augen und Nase wohlgebildet, die untere Hälfte des Gesichtes aber erscheint wie abgeschnitten oder ungemein verkürzt und erstreckt sich fast in einer Ebene von der Nase bis zur Gegend des Zungenbeins; die Mundöffnung ist sehr klein oder fehlt ganz, der Vorsprung der Kiefer mangelt vollständig und die Ohren sind sich mit ihren unteren Enden so genähert, dass sie sich berühren (Synotie) und ihren Sitz an der Grenze zwischen Gesicht und Hals haben. Diese Missbildung kommt beim Menschen ausserordentlich selten vor, häufiger bei Tieren, insbesondere bei Lämmern. Da wegen des Mangels des Unterkiefers und der Mundhöhle die Ernährung der Kinder unmöglich ist, kann das Leben nicht erhalten werden; meist werden solche Kinder zu früh geboren und kommen schon tot zur Welt. (In der Münchener medizinischen Wochenschrift 1901, Nr. 22, veröffentlichte Kuse einen Aufsatz: Über Agnathie und die dabei zu erhebenden Zungenbefunde.) Höchst selten ist die Verdoppelung der Anlage des Unterkiefers, wobei der Mandibularbogen in seiner unteren Hälfte doppelt angelegt wurde. An der Unterlippe sind, ebenfalls sehr selten und nur in der Mittellinie, also mediane Spalten beobachtet worden, ein Zeichen getrennter, aus zwei gleichen Hälften gebildeter Anlage der Unterlippe.

Der Unterkiefer besteht während des ganzen Fetuslebens aus zwei durch Knorpel getrennten Stücken, die aber schon im 1. Monat nach der Geburt sich vereinigen. Eine andre, aus seiner Entstehung leicht ersichtliche Eigentümlichkeit des fetalen Unterkiefers ist die, dass er um so gerader und um so weniger gebogen verlauft, die Äste eine um so geringere Höhe haben und der Winkel um so stumpfer ist, je jünger der Fetus ist, wovon die runde Form des Gesichtes der Fetuse und Kinder abhängig ist. Der Zahnzellenfortsatz macht ferner bei dem Fetus fast den ganzen Unterkiefer aus und ist sehr dick und angeschwollen, da er die Keime für die Milchzähne und selbst schon einige der bleibenden Zähne enthält. Das Kinn ist eigentlich noch gar nicht da und entwickelt sich erst später. Durch die relativ verschiedene Ausbildung des

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