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Hauptstellen: Cic. de legg. III, 4: Cum populo patribusque agendi ius esto consuli, praetori, magistro populi equitumque, eique quem produnt patres consulum rogandorum ergo, tribunisque quos sibi plebes rogassit ius esto cum patribus agendi; und Varro bei Gell. XIV, 7: Primum ibi ponit, qui fuerint per quos more maiorum senatus haberi soleret, eosque nominat: dictatores, consules, praetores, tribunos plebi, interregem, praefectum urbi; neque alii praeter hos ius fuisse dixit facere senatusconsultum, quotiensque usus venisset ut omnes isti magistratus eodem tempore Romae essent, tum quo supra ordine scripti essent, qui eorum prior aliis esset, ei potissimum senatus consulendi ius fuisse. Nach diesen Stellen ist es unzweifelhaft, dass von den ordentlichen Magistraten den Consuln und den Tribunen das ius referendi zustand, und nur bei den Prätoren könnte man Bedenken tragen, ob auch ihnen jenes Recht unbedingt zuzuschreiben sei. Vergleicht man nämlich den Schluss der Varronischen Stelle mit folgenden Worten des Cicero ad fam. X, 12: Placuit nobis ut statim ad Cornutum praetorem urbanum literas deferremus, qui, quod consules aberant, consulare munus sustinebat more maiorum; so kann man wohl auf den Gedanken kommen, dass nur in Abwesenheit der Consuln die Prätoren den Senat berufen und in demselben Vortrag halten durften, und wirklich haben auch die Gelehrten, deren Ansicht über diesen Gegenstand ich kenne, die Sache so aufgefasst 21). Indessen weder die Stelle des Cicero, noch die des Varro, in welcher das hinzugefügte potissimum nicht zu übersehen ist, spricht den Prätoren das Recht völlig ab. Im Gegentheil beweist die letztere, in

p. 991.

21) Zamoscius de senatu Rom. in Grävius Thesaurus I, Kolster, über die parlamentarischen Formen im römischen Senat, in der Zeitschr. für Alterthumswissenschaft, Jahrgang 1842, p. 413. Göttling römische Staatsverfassung, p. 348. Becker, römische Alterthümer. Bd. II, Abth. 2, p. 403.

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dem sie die Prätoren ganz gleich den Tribunen stellt, welche unzweifelhaft auch in Anwesenheit der Consuln den Senat beriefen, dass den Prätoren auch in diesem Falle ihr Recht unverkürzt blieb, wenn es auch, wie es in der Natur der Sache lag, dann nur sehr selten ausgeübt werden konnte. Eben das und nichts weiter besagt die Klage der Prätoren bei Dio Cassius LV, 3: Oi orpatyyol ἀγανακτήσαντες, ὅτι μηδεμίαν γνώμην, καίτοι τῶν δημάρχων προτετιμημένοι, ἐς τὴν βουλὴν ἐσέφερον, παρὰ μὲν τοῦ Αὐγούστου ἔλαβον αὐτὸ ποιεῖν, ὑπὸ δὲ δὴ τοῦ χρόνου ἀφη pérov. War nämlich jeder Magistrat, der eine gleiche oder höhere Gewalt als der Referent besass, befugt, gegen dessen Relation Einspruch zu thun, so konnten die Prätoren wider den Willen der Consuln unmöglich einen Antrag stellen, und es musste, seit es Sitte wurde dass die Consuln während der Dauer ihrer Amtsführung in Rom blieben, das Recht der Prätoren bald in Vergessenheit gerathen. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die Befugniss der Prätoren ganz und gar nur ein Schein gewesen, und dass sie niemals von ihnen geltend gemacht worden wäre. Es ist etwas anderes gegen einen Antrag Einspruch thun und einen Antrag nicht selbst stellen wollen. Die Consuln konnten recht wohl nicht geneigt sein eine Sache selbst in Anregung zu bringen, und doch Bedenken tragen es zu verhindern, wenn sie von einem Prätor zur Sprache gebracht wurde. Deshalb finden sich auch zu allen Zeiten Beispiele, dass die Prätoren etwas im Senat beantragten, oder doch es wollten, auch wenn die Consuln in der Stadt anwesend waren. Folgende Stellen werden zur Bekräftigung dieser Behauptung genügen. Liv. XXXIII, 21: Decreverunt patres, ut comitiis praetorum perfectis, cui praetori provincia Hispania evenisset, is primo quoque tempore de bello Hispaniae ad senatum referret. Liv. XLII, 21: Ex eo plebiscito C. Licinius praetor consuluit senatum, quem quaerere ea rogatione vel

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let. Patres ipsum eum quaerere iusserunt. Tum demum consules in provinciam profecti sunt. - Liv. XLV, 21: Sed et praetor novo maloque exemplo rem ingressus erat, quod ante non consulto senatu, non consulibus certioribus factis, de sua unius sententia rogationem ferret. Cic. pro lege Manil. c. 19 sagt von sich, als er Prätor war: De quo (Gabinio) legando spero consules ad senatum relaturos, qui si dubitabunt aut gravabuntur, ego me profiteor relaturum; neque me impediet cuiusquam, Quirites, inimicum edictum, quominus fretus vobis vestrum ius beneficiumque defendam, neque praeter intercessionem quidquam audiam, de qua (ut arbitror) isti ipsi, qui minantur, etiam atque etiam quid liceat considerabunt. Endlich Cic. ad

Att. III, 15: Ast tute scripsisti ad me, quoddam caput legis Clodium in curiae poste fixisse: ne referri neve dici liceret. Quomodo igitur Domitius (praetor) se dixit relaturum? Es hat sich also ergeben, dass das ius referendi denselben Magistraten zukam, welchen wir oben das ius sententiae dicendae abgesprochen haben 22). Sehen wir jetzt, ob dasselbe auch bei dem zweiten jener Rechte der Fall ist.

Dass ius intercedendi ist eine Befugniss, welche unter gewissen Beschränkungen allen Magistraten zukam, und bei allen Amtshandlungen eines andern anwendbar war. Sie konnte aber nur dann ausgeübt werden, wenn die Gewalt des intercedirenden Magistrats grösser, oder

22) Man könnte, wenn man nur die Worte des Varro beachtete, leicht in Ungewissheit sein, ob nicht auch andern, als den von ihm genannten Magistraten, das ius referendi zugestanden habe, denn eigentlich spricht er vom ius convocandi senatus, nicht vom ius referendi. Indessen eine nähere Betrachtung zeigt bald, dass beide Rechte unzertrennlich waren. Wer das ius convocandi hat, muss auch das ius referendi haben, denn sonst könnte der Senat zusammenkommen und kein Antrag vorliegen, über den verhandelt würde; wer aber das letztere Recht besass, kann auch das erstere nicht entbehrt haben, denn Varro setzt hinzu: neque alii praeter hos ius fuisse dixit facere senatusconsultum.

doch nicht geringer war, als die Gewalt dessen, gegen den die Intercession gerichtet war. Dieser Grundsatz galt, wie überall, auch bei den Intercessionen gegen Senatsbeschlüsse; denn ganz damit übereinstimmend sagt Varro bei Gellius XIV, 7, intercedendi ne senatusconsultum fieret ius fuisse iis solis, qui eadem potestate, qua ii qui senatusconsultum facere vellent, maioreve essent. Nun konnten Senatsverhandlungen nur von den Consuln, Prätoren und Tribunen veranlasst werden; es konnte also auch das ius intercedendi senatusconsultis nur diesen Magistraten zukommen, denn alle übrigen hatten eine geringere Gewalt. Demnach war zur Intercession befugt der eine Consul gegen den andern, jeder Consul gegen die Prätoren, und jeder Prätor gegen seine Collegen. Nur das Intercessionsrecht der Tribunen, das gegen alle Magistrate geltend gemacht werden konnte, muss auf einem andern Grunde beruht haben. Man kann nicht sagen, sie hätten gleiche Gewalt mit den Consuln gehabt und darum gegen die Handlungen dieser Einspruch thun dürfen, denn dann hätten auch die Consuln umgekehrt dies Recht gegen sie gehabt, was nicht der Fall war. Sie waren vielmehr Vertreter des souverainen Volks, oder, um Göttlings Ausdruck zu gebrauchen, eine zweite Kammer gegenüber dem Senat, bestimmt die Interessen der Plebs gegen die Uebergriffe der verwaltenden Behörden zu wahren. Als solche konnten sie weder an die Auctorität des Senats 23), noch an die Befehle der Magistrate 24) gebunden sein;

23) Polyb. VI, 16: Ἐὰν εἷς ἐνίζηται τῶν δημάρχων, οὐχ οἷον ἐπὶ τέλος ἄγειν τι δύναται τῶν διαβουλίων ἡ σύγκλητος, ἀλλ ̓ οὐδὲ συνεδρεύειν ἢ συμπορεύεσθαι τὸ παράπαν. Οφείλουσι δὲ ἀεὶ ποιεῖν οἱ δήμαρχοι τὸ δοκοῦν τῷ δήμῳ, καὶ μάλιςα στοχάζεσθαι τῆς τούτου βουλήσεως.

24) Cic. de legg. III, 7: Nam illud quidem ipsum, quod in iure positum est, habet consul, ut ei reliqui magistratus omnes pareant, excepto tribuno. Polyb. VI, 12: Οἱ ἄρχοντες οἱ λοιποὶ πάντες ὑποτάττονται καὶ πειθαρχοῦσι τούτοις πλὴν τῶν δημάρχων.

sie standen folglich gewissermassen über diesen, so lange ihre Gewalt eine negative blieb, positiv anordnend konnte sie aber nur werden, wenn sie einen Beschluss des Souverains selbst veranlasste.

Wir haben aus dem Vorstehenden gesehen, dass von den Consuln, Prätoren und Tribunen das ius sententiae dicendae nicht ausgeübt worden ist. Zugleich haben wir aber auch gestehen müssen, dass aus diesem Umstande ein hinlänglich begründeter Schluss auf die Berechtigung der niedern Magistrate nicht gezogen werden kann. Ob also dasselbe auch von den Aedilen und Quästoren zu behaupten ist, oder nicht, müssen andere Gründe jetzt

entscheiden.

Zuvörderst versteht es sich von selbst, dass ein Beispiel eines von einem Magistrat abgegebenen Votums nicht vorkommen darf, und dass die Stellen, die etwa so gedeutet werden könnten, vor allen Dingen geprüft werden müssen. Ich kenne deren nur zwei; denn die Worte des Cicero aus der Rede in Pis. c. 15: legem comitiis centuriatis tulit P. Lentulus consul de collegae Q. Metelli sententia, welche Kolster für diesen Zweck geltend macht, bedürfen schwerlich für irgend jemanden einer rechtfertigenden Erklärung. Die erste jener Stellen findet sich in der Rede pro Sext. c. 32, und lautet so: (Piso et Gabinius coss.) cum in senatu privatim ut de me sententias dicerent flagitabantur, legem illi se Clodiam timere dicebant. Bekanntlich hatte Clodius im Einverständniss mit den Consuln, dem Gesetz, welches Ciceros Verbannung herbeiführte, die Clausel beigefügt: ne quis ad senatum referret, ne quis decerneret, ne disputaret, ne loqueretur, ne pedibus iret, ne scribendo adesset 25). Dies war also das Gesetz, welches die Consuln zu fürchten vorgaben,

25) Cic. post red. in sen. c. 4.

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