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ipse iudices per praetorem urbanum sortiretur; iudicum sortitione facta, comitia haberentur; qui iudicia impedisset, eum contra rempublicam esse facturum. Approbata valde sententia, C. Cato contra dixit et Cassius, maxima acclamatione senatus, cum comitia iudiciis anteferret. Philippus assensit Lentulo. Postea Racilius de privatis me primum sententiam rogavit. Multa feci verba de toto furore latrocinioque P. Clodii; tamquam reum accusavi, multis et secundis admurmurationibus cuncti senatus. Orationem meam collaudavit satis multis verbis, non mehercule indiserte, Vetus Antistius, isque iudiciorum causam suscepit antiquissimamque se habiturum dixit. Ibatur in eam sententiam. Tum Clodius rogatus diem dicendo eximere coepit. Furebat a Racilio se contumaciter urbaneque vexatum. Deinde eius operae repente a Graecostasi et gradibus clamorem satis magnum sustulerunt, opinor in Q. Sextilium et amicos Milonis incitatae. Eo metu iniecto, repente magna querimonia omnium discessimus. Nach diesem Berichte gaben ihre Meinungen nach einander ab der eine consul designatus, zwei Tribunen, der andere consul designatus, der erste Consular Cicero, ein dritter Tribun und zuletzt der tribunicius Clodius. Es fand also eine Reihenfolge bei der Meinungsäusserung Statt, die mit keiner Ansicht von der bei der Abstimmung befolgten Ordnung zu vereinen ist, und die überhaupt jede Regelmässigkeit bei derselben ausschliesst. Nach unserer zweiten Voraussetzung, die allein übrig geblieben war, hätten die Tribunen sämmtlich ihre Stimmen unmittelbar vor Clodius abgeben müssen; statt dessen sprechen hier zwei zwischen den erwählten Consuln und ein dritter unmittelbar nach dem zuerst gefragten Consular. Hierzu kommt, dass von jedem der Senatoren, die nicht Magistrate waren, nicht aber von den Tribunen, ausdrücklich berichtet wird: rogatus sententiam dixit, und dass nur bei den Ansichten dieser von einer Beitrittserklärung anderer

Senatoren die Rede ist. Gingen also alle wesentlichen Merkmale eines im Senat abgegebenen Votums den Meinungsäusserungen der Tribunen ab, so können sie unmöglich als solche betrachtet werden, und es wird sehr wahrscheinlich, dass die Tribunen sämmtlich ein Votum nicht abgegeben haben. Denn, wäre dies geschehen, so würden die Tribunen C. Cato und Cassius, als an sie die Reihe kam, nicht ermangelt haben, für Clodius zu stimmen, und dann hätte es von Cicero's Gutachten nicht heissen können: ibatur in eam sententiam. Nicht blos von den Tribunen aber erhellt dies aus dieser lehrreichen Stelle; auch die Prätoren können ein Gutachten im eigentlichen Sinne nicht abgegeben haben. Der Prätor Appius Claudius, der Bruder des Clodius, war mit den übrigen Prätoren in der Sitzung zugegen; denn am Anfang des Briefs sagt Cicero: Senatus fuit frequentior quam putabamus esse posse mense Decembri sub dies festos. Consulares nos fuimus et duo consules designati, P. Servilius, M. Lucullus, Lepidus, Volcatius, Glabrio; praetores. Derselbe Appius hatte in der früher über eben diesen Gegenstand gehaltenen Sitzung und auch sonst für seinen Bruder aufs eifrigste gewirkt; sein Gutachten musste also nothwendig zu Gunsten des Clodius ausfallen, und er wird auch diesem einzigen Mittel, seinem Bruder im Senat nützlich zu sein, freiwillig gewiss nicht entsagt haben. Dennoch wird eines Gutachtens von ihm mit keiner Silbe gedacht, vielmehr scheint der Senat bis auf die beiden Tribunen und Clodius selbst, einstimmig gegen den letztern gewesen zu sein; der Prätor Appius muss folglich das Stimmrecht entbehrt haben.

Nach mehrjährigen Anstrengungen war die aristokratische Partei im Jahre 705 endlich so weit gekommen, dass sie hoffen konnte, mit einer Kriegserklärung gegen Cäsar durchzudringen. Gleich am 1. Januar referirten die Consuln C. Marcellus und L. Lentulus an den Senat

über den Zustand des Reichs, und veranlassten damit die Verhandlung, welche den offenen Kampf zwischen Pompejus und Cäsar herbeiführte und deshalb von dem letztern am Anfang seiner Geschichte des Bürgerkriegs uns genauer als gewöhnlich überliefert worden ist. Zuerst wurde, weil Pompejus selbst nicht zugegen war, dessen Schwiegervater L. Scipio um seine Meinung gefragt, und dieser erklärte sich für den unverweilten Beginn der Feindseligkeiten. Indessen auch den Anhängern des Pompejus schien ein so übereiltes Verfahren bedenklich; der Consular M. Marcellus meinte, man müsse erst rüsten, ehe man zum Aeussersten schritte, und der Prätorier M. Calidius, dessen Meinung dann der gewesene Aedil M. Rufus beitrat, verlangte, Pompejus möge sich in seine Provinzen begeben, damit keine Ursache zum Kriege bleibe. Ihre Gutachten wurden aber vom Consul unbeachtet gelassen, und die Meinung des Scipio trotz des Einspruchs zweier Tribune zum Senatsbeschluss erhoben. Auch hier also wird kein Gutachten eines Magistrats erwähnt, gleich der Censor Piso und der Prätor L. Roscius mit dem Beschluss nicht einverstanden sein konnten. Von einer wenige Tage nachher gehaltenen Senatsversammlung berichtet nämlich Cäsar bell. civ. I, 3: Pollicetur L. Piso censor sese iturum ad Caesarem; item L. Roscius praetor, qui de his rebus eum doceant: sex dies ad eam rem conficiendam spatii postulant. Dicuntur etiam a nonnullis sententiae, ut legati ad Caesarem mittantur qui voluntatem senatus ei proponant. Beide Männer waren also für den Aufschub der Feindseligkeiten und suchten ihre Ansicht durch zu setzen; auch jetzt aber nicht durch ein von ihnen abgegebenes Gutachten, denn deutlich werden in unserer Stelle die Gutachten einiger ihnen gleichgesinnter Senatoren unterschieden.

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Während des Mutinensischen Kriegs wurde dem Senat ein Schreiben mit allerlei Forderungen vom Plancus,

dem Statthalter in Gallien, überbracht, und der städtische Prätor Cornutus, welcher in Abwesenheit der Consuln deren Amt in der Stadt versah, wurde aufgefordert darüber zu referiren. Ille, so berichtet Cicero dem Plancus ad fam. X, 16, se considerare velle. Cum ei magnum convicium fieret cuncto a senatu, quinque tribuni plebi rettulerunt. Servilius rogatus rem distulit; ego eam sententiam dixi, cui sunt assensi ad unum. Der Prätor stimmte also nicht dagegen; er würde es aber gethan haben, wenn er überhaupt gestimmt hätte; denn dass er nicht geneigt war, die Forderungen des Plancus zu bewilligen, erhellt schon aus seiner Verweigerung der Relation und noch mehr aus seinem Verfahren in einer frühern Sitzung, wovon wir durch Cicero ad fam. X, 12 unterrichtet sind.

Aus allen diesen Beispielen, welche leicht vermehrt werden könnten, erhellt, wie ich glaube, genugsam, dass wenigstens die Consuln, die Prätoren und die Volkstribunen das ius sententiae in senatu dicendae nicht ausgeübt haben. Die Analogie würde es also rechtfertigen, wenn wir dasselbe auch von den niedern Magistraten behaupteten. Indessen stossen wir dabei doch auf ein nicht unerhebliches Bedenken. Bei jenen Magistraten findet sich nämlich leicht ein Grund, der ihre Nicht-Theilnahme an der Abstimmung erklärlich macht, und dieser Grund findet keine Anwendung auf die niedern Magistrate.

Es liegt in der Natur der Sache, dass der jedesmalige Referent nicht an der Abstimmung Theil nimmt, denn derjenige, welcher den Senat um Rath fragt, (qui consulit senatum) kann sich nicht selbst antworten. Es ist aber auch einleuchtend, dass dasselbe von dem gilt, welcher zwar nicht referirt, wohl aber das ius referendi besitzt; denn in diesem Rechte hat er ein weit besseres Mittel, seine Ansicht zur Geltung zu bringen, als wenn es ihm freistünde ein Gutachten abzugeben. Indem er

nämlich jederzeit seine eigne Ansicht in einer motivirten . Relation dem Senat vorlegen konnte, indem es ihm ferner, wenn er referirte, freistand, ein beliebiges Votum zuerst 18) und andere gar nicht 19) zur Abstimmung zu bringen, indem er endlich, wenn ein anderer referirte, einem von diesem unterdrückten Gutachten dadurch Beachtung verschaffen konnte, dass er sich bereit erklärte, darüber selbst zu referiren 20); so war er offenbar vor dem im Vortheil, der nur ein Gutachten über einen bestimmten Antrag abgeben durfte, denn ihn hinderte nur eine offene Intercession, und zu intercediren war offenbar misslicher als ein Votum zu unterdrücken. Hat nun endlich gar jemand das ius intercedendi, so scheint eine Theilnahme an der Abstimmung von seiner Seite vollends überflüssig zu sein, denn es steht ihm ja frei, jeden missliebigen Beschluss ganz zu unterdrücken. Nicht nur leicht erklärlich ist es also, dass die Magistrate, welche diese beiden Rechte oder eins davon besassen, nicht mit abstimmten; es würde sogar auffallend sein, wenn sie es gethan hätten.

Ueber das ius referendi sind folgende zwei die

18) Cic. ad fam. X, 12: Servilius cum gratia effecisset ut sua sententia prima pronuntiaretur, frequens eum senatus reliquit et in alia omnia discessit; meaeque sententiae, quae secunda pronuntiata erat, cum frequenter assentiretur senatus, rogatu Servilii P. Titius intercessit.

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19) Caes. bell. civ. I, 2: Lentulus sententiam Calidii pronunciaturum se omnino negavit. Cic. XIV Phil. 8: Has in sententias meas si consules designati discessionem facere voluissent · Semel et saepius sententiam meam de numero sententiarum sustulerunt. Plin. ep. IV, 9: Fuit et tertia sententia. Sed hanc sententiam consules, quamquam maximae parti senatus mire probatur, non sunt persecuti.

20) Cic. ad fam. I, 1: Bibulus tres legatos (censet) ex iis qui privati sunt. Huic assentiuntur reliqui consulares praeter Servilium, qui omnino reduci negat oportere, et Volcatium qui Lupo ((trib. pl.) referente Pompeio decernit. Zu vergleichen ist auch die oben angeführte Stelle aus Cic. ad fam. X, 16.

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