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erscheint das Verfahren des Lentulus als vollkommen angemessen; denn das Ausstossen eines ordentlichen Mitglieds aus dem Senat ist offenbar schwieriger, als das Nicht-Aufnehmen eines Exspectanten. Wurde Lentulus durch seine zweite Prätur wirklicher Senator, so musste ihn ein etwa feindlich gesinnter Censor als solchen beibehalten, wenn sein College es wollte; erhielt er dagegen dadurch nur das ius sententiae dicendae, so konnte ihm ein Freund unter den Censoren nichts helfen, wenn dessen College forderte, dass er bei der Aufnahme nicht berücksichtigt würde.

Man sieht, dass die eine Befugniss der Censoren bei der senatus lectio, die Aufnahme neuer Mitglieder, ihnen so gut als entzogen war, denn von der durch sie bewirk⚫ten Aufnahme anderer ausser den gewesenen Magistraten findet sich meines Wissens in dieser Zeit kein sicheres Beispiel. Nur die zweite Befugniss also, nämlich die, anwürdige Mitglieder aus dem Senat zu entfernen, blieb der Censur bei ihrer Wiederherstellung im Jahre 684, und auch diese erlitt bald eine Beschränkung, welche der völligen Aufhebung fast gleichkam. Im Jahre 696 nämlich gab der Tribun P. Clodius das Gesetz, ne quem censores in senatu legendo praeterirent neve qua ignominia afficerent, nisi qui apud eos accusatus et utriusque censoris sententia damnatus esset "); ein Gesetz, welches die censorische Rüge gerade da, wo sie nöthig war, unmöglich machte ), welches aber so sehr von den Zeitumständen geboten war, dass selbst seine Aufhebung im Jahr 702 die Censur nicht wieder zu Kräften bringen konnte. 'O Σκιπίων, sagt Dio XL, 57, τὰ πρὸς τοῦ Κλωδίου περὶ τῶν

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60) Ascon. ad or. in Pis. p. 9 Orelli. Dio XXXVIII, 13: '0. Κλώδιος τοῖς τιμηταῖς ἀπηγόρευσε, μήτ' ἀπαλείφειν ἔκ τινος τέλους, μήτ' ἀτιμάζειν μηδένα, χωρίς ἢ εἴ τις παρ ̓ ἀμφοτέροις σφίσι κριθεὶς ἁλοίη.

61) Cic. pro Sext. 25, in Pis. c. 4, de provinciis cons. c. 19.

τιμητῶν γραφέντα κατέλυσε. Καὶ ἔδοξε μὲν τὴν ἐκείνων χάριν τοῦτο πεποιηκέναι, ἐπειδὴ τὴν ἐξουσίαν αὐτοῖς, ἣν καὶ πρὶν εἶχον, ἀπέδωκε· περιέτη δὲ ἐς τοὐναντίον. Ὑπὸ γὰρ τοὺς πολλοὺς ἔν τε τῇ ἱππάδι καὶ ἐν τῷ βουλευτικῷ φλαύ ρους ἄνδρας εἶναι, τέως μὲν μηδένα μήτε κατηγορηθέντα μήθ ̓ ἁλόντα διαγράψαι σφίσιν ἐξῆν, οὐδεμίαν τῶν οὐκ ἀπαλειφομένων αἰτίαν εἶχον· ἀπολαβόντες δὲ τὴν ἀρχαίαν ἰσχὺν, (ὑφ ̓ ἧς αὐτοῖς καὶ καθ ̓ ἑαυτοὺς τὸν ἑκάςου βίον ἐξετάζουσι τοῦτο ποιεῖν ἐδέδοτο) οὔτε πολλοῖς προσκρούειν ὑπέμενον, οὔτ ̓ αὖ ἐν μέμψει τινὶ, ὡς μὴ διαγράφοντες τοὺς οὐκ ἐπιτηδείους, γίγνεσθαι ἤθελον. Καὶ διὰ τοῦτο οὐδὲ ἐφίετο ἔτι τῆς ἀρχῆς τῶν ἐμφρόνων οὐδὲ εἰς. Der Sittenverderbniss zu wehren, war die Censur errichtet; die Sittenverderbniss wurde allgemein, und die Kraft der Censur war dahin.

Schon aus der Art und Weise also, wie in dieser Zeit die senatus lectio gehalten wurde, erhellt genugsam, dass die Aufnahme in den Senat damals nur eine Form ohne alle Bedeutung war, und dass alle Rechte und Pflichten eines Senators unmittelbar mit der Ertheilung eines senatorischen Amtes übertragen wurden. Es fehlt indessen auch an Zeugnissen nicht, welche geradezu senatorische Rechte auch den von den Censoren noch nicht Aufgenommenen zuschreiben. So war es, wie wir sahen, mit der Berechtigung zum Richteramte und mit dem Sitz im Theater, und so ist es auch mit einer andern Auszeichnung der Senatoren, deren ich hier des Folgenden wegen in der Kürze gedenken muss.

Cicero sagt in der Rede für den Rabirius Postumus c. 5: Datur tibi tabella iudicii. Qua lege? Julia de pecuniis repetundis. Quo de reo? de equite Romano. At iste ordo lege ea non tenetur. Eine lex de pecuniis repetundis konnte überhaupt nur auf solche Männer Anwendung finden, welche mit irgend welcher Gewalt vom Staate bekleidet waren; die lex Julia insbesondere aber bezog sich

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nach Ciceros Meinung wenigstens 62) nur auf den ordo senatorius, nicht auf den ordo equester. Nun wurde unter dem Consulat des Pompejus der Vorschlag gemacht, auch die mit einer öffentlichen Gewalt bekleideten Ritter in das Gesetz mit einzuschliessen, und diese Erweiterung des Gesetzes wurde so ausgedrückt, dass dasselbe auch Anwendung finden sollte auf die Tribunen, Präfecten, Schreiber und alle Begleiter der Statthalter 3). Es ist also klar, dass die höhern, nicht genannten Magistrate schon vorher in dem Gesetz mit einbegriffen waren, und dass z. B. die Quästoren schon in ihrem Amtsjahr auch in dieser Beziehung als zum ordo senatorius gehörend betrachtet wurden, obgleich da ihre förmliche Aufnahme durch die Censoren gewiss noch nicht erfolgt war. Die von C. Gracchus begonnene Scheidung des ordo senatorius vom ordo equester als streng begrenzter Stände war damit vollendet; das Institut der equites equo publico aber stand in der Mitte und gehörte keinem von beiden ausschliesslich an. Man konnte ganz wohl in den 18 Rittercenturien sein, ohne zum ordo equester zu gehören, und brauchte der strengen Form nach noch gar nicht ordentliches Mitglied des Senats zu sein, um doch zum ordo senatorius gerechnet zu werden.

62) Dass Zumpt in seiner Abhandlung de legibus iudiciisque repetundarum p. 64 die Richtigkeit der Ciceronischen Auffassung des Gesetzes, wie es mir scheint, mit Recht in Zweifel zieht, macht für unsern Zweck keinen Unterschied.

63) Cicero a. a. O. c. 6: Cum, optimo et praestantissimo consule Cn. Pompeio de hac ipsa quaestione referente, existerent nonnullae sed perpaucae tamen acerbae sententiae, quae censerent ut tribuni, ut praefecti, ut scribae, ut comites omnes magistratuum lege hac tenerentur : vos, vos, inquam, ipsi et senatus frequens restitit, et quamquam tum propter multorum delicta etiam ad innocentium periculum tempus illud exarserat, tamen, cum odium non restingueretis, huic ordini ignem novum subiicere non sivistis.

4. Die Magistrate im Senat.

Alle Magistrate von den Consuln bis zu den Quästoren herab haben das ius sententiae dicendae gehabt, und sind folglich, wofern sie nicht bereits wirkliche Senatoren waren, zu der Klasse der stimmberechtigten Beisitzer gerechnet worden; dies ist die jetzt allgemein angenommene und, wie es scheint, vollkommen begründete Ansicht. Denn nicht nur dass höhere Magistrate, die fast immer schon wirkliche Senatoren waren, im Senat zugegen waren und gesprochen haben, ist unzweifelhaft, man hat auch vom Quästor Cato dasselbe überliefert gefunden 1) und könnte sich ebenfalls auf das Beispiel des Quästor Clodius beziehen 2), wenn dies überhaupt noch nöthig wäre. Dennoch ist der Schluss zu rasch, und die Ansicht, so weit sie hierauf beruht, nicht begründet; keineswegs nämlich folgt aus der Befugniss im Senat zu sprechen, welche die Magistrate ohne Zweifel hatten, und noch weniger aus ihrer blossen Gegenwart im Senat, dass ihnen auch das ius sententiae im eigentlichen Sinne zugestanden habe. Gellius XIV, 8 sagt folgendes: Praefectum urbi Latinarum causa relictum senatum habere posse Junius negat, quoniam ne senator quidem sit neque ius habeat sententiae dicendae M. autem Varro et Ateius Capito ius esse praefecto senatus habendi dicunt. --- Namque et tribunis plebis senatus habendi ius erat, quamquam senatores non

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1) Plut. Cato minor e. 18: Εκκλησίαν καὶ βουλὴν οὐδεμίαν παρῆκε, δεδιὼς καὶ παραφυλάττων τοὺς ἑτοίμως καὶ πρὸς χάριν ὀφλημάτων καὶ τελῶν ἀνέσεις ἢ δόσεις οἷς ἔτυχεν ἐπιψηφιζομένους.

2) Das Gericht über Clodius wegen Tempelschändung wurde im Jahr 693 gehalten, in welchem er Quästor war. Vielfache Verhandlungen im Senat waren vorausgegangen. Von einer derselben berichtet Cicero dem Atticus (I, 14): Cum decerneretur frequenti senatu, contra pugnante Pisone, ad pedes omnium sigillatim accidente Clodio etc. Clodius war also im Senat. Vergl. ad Att. I, 16.

essent ante Atinium plebiscitum. Wenn also dem praefectus urbi, trotz dem dass ihm das ius sententiae nicht zustand, doch das Recht den Senat zu berufen, und folglich auch das Recht, in demselben zu sprechen, nicht abgesprochen werden konnte, so folgt auch für die übrigen Magistrate aus dem Besitz dieses letztern Rechts nicht, dass sie auch jenes erstere besessen haben, vielmehr müssen beide Rechte wesentlich von einander verschieden gewesen sein. Hätte doch sonst der jedesmalige Referent, der doch unzweifelhaft mit einer seinen Antrag motivirenden Rede beginnen und auch die Vota der Einzelnen mit billigenden oder tadelnden Bemerkungen begleiten durfte 3), das ius sententiae dicendae über seinen eigenen Antrag und damit eine Befugniss besessen, welche seiner Stellung zum Senat ganz unangemessen war, und die überdies in vielen Angaben der Alten ihm deutlich genug abgesprochen wird. Wie streng nämlich die Rede des Referenten von den Gutachten der einzelnen Senatoren unterschieden wurde, zeigen unter andern die Worte des Cicero Phil. V, 1: Atque ut oratio consulum animum meum erexit: sic me perturbasset eius sententia qui primus rogatus est, ferner die des Consuls Plautius bei Liv. VIII, 20. Equidem, etsi meae partes exquirendae magis sententiae quam dundae sunt, tamen quam minimum irarum inter nos illosque relinqui velim, worauf es dann c. 21 wei

3) Liv. XXXIX, 39: Consul convocatis patribus, referre se ad eos dixit, quod nec iure ullo, nec exemplo tolerabili liberae civitati aedilis curulis designatus praeturam peteret, sibi, nisi quid aliud iis videretur, in animo esse, e lege comitia habere. Cic. X Phil. 8: Pansa praecepit oratione sua, quid decernere nos de Bruto, quid sentire oporteret. IX Phil. 4: Ut vero Pansae consulis accessit cohortatio gravior, quam aures Ser. Sulpicii ferre didicissent, tum vero denique filium meque seduxit, atque ita locutus est, ut auctoritatem vestram vitae suae se diceret anteferre. Endlich der Anfang des bellum civile von Cäsar, und die ganze vierte Catilinarische Rede des Cicero, an deren Unächtheit auch gelehrtere Männer, als ich bin, nicht glauben wollen.

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