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jener Beweis für unzulänglich erklärt werden; er muss es aber um so mehr, da die genauern Angaben des Dio Cassius offenbar für die letztere Annahme sprechen. In der Geschichte des Jahres 736 erzählt dieser Schriftsteller LIV, 17: Τὰς ἀρχὰς ἅπασι τοῖς δέκα μυριάδων οὐσίαν ἔχουσι καὶ ἄρχειν ἐκ τῶν νόμων δυναμένοις ἐπαγγέλλειν ἐπέτρεψε· τοσούτων γὰρ τὸ βουλευτικών τίμημα την πρώτην εἶναι ἔταξεν, ἔπειτα καὶ ἐς πέντε καὶ εἴκοσι μυριάδας αὐτὸ роaye). In dieser Stelle berichtet Dio freilich nicht, dass Augustus zuerst einen senatorischen Census festgestellt hat; wohl aber sagt er, dass Augustus anfänglich einen geringern Census angesetzt und diesen von ihm selbst bestimmten allmählig erhöht hat. Augustus scheint also zuerst nur den ritterlichen Census verlangt, und dann erst einen besondern senatorischen Census eingerichtet zu haben, welcher anfänglich 800,000 Sestertien, später aber 1200000 oder nach Dio 1000000 Sestertien betrug.

Es hat sich demnach ergeben, dass diejenigen, welche das Dasein eines besondern senatorischen Census schon zur Zeit der Republik behaupten, keinen vollgültigen Beweis für ihre Ansicht beizubringen im Stande sind. Hierbei hat sich Göttling, wie es scheint, beruhigt, denn einen Beweis für seine eigne Ansicht suchen wir bei ihm vergebens. Indess scheint mir die Sache nicht von der Art zu sein, dass schon darum, weil die eine Auffassung nicht begründet werden kann, die ihr entgegengesetzte ohne Weiteres gültig wäre; denn nur dann, wenn das NichtVorhandensein eines senatorischen Census in der alten Zeit ganz ausser allem Zweifel wäre, würde aus der Unmöglichkeit, eine etwa eingetretene Veränderung genügend zu erweisen, unmittelbar die Beibehaltung der alten Einrichtung gefolgert werden können. Dieser Fall liegt hier aber nicht vor, und deshalb scheint es nicht unnütz zu sein,

4) Wesentlich dasselbe berichtet Dio auch LIV, 26.

selbst an die bekanntesten Sachen zu erinnern, wenn sie geschickt sind einen solchen Beweis abzugeben.

Wenn alle, welche senatorische Aemter bekleidet hatten, berechtigt waren in den Senat aufgenommen zu werden, so können nur diejenigen, welche den angeblichen senatorischen Census besassen, zu solchen Aemtern wählbar gewesen sein. Nun findet sich in der Servianischen Verfassung keine Bestimmung, dass die Wahlfähigkeit zu Aemtern auf Mitglieder auch nur der ersten Schatzungsklasse beschränkt sein sollte; im Gegentheil werden in den alten Zeiten viele Männer erwähnt, welche auch für die damaligen Vermögensverhältnisse arm zu nennen waren, dennoch aber die höchsten Ehrenstellen bekleideten 5). Für diese Zeit also, d. h. für die Zeit vor dem zweiten Punischen Krieg, kann nicht einmal der Census der ersten Klasse zur Aufnahme in den Senat gesetzlich erforderlich gewesen sein.

Für die späteren Zeiten mag sich das Verhältniss insofern geändert haben, als nun immer mehr nur reiche Leute sich im Senat befanden; dass dies aber nicht die Folge einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung war, werden die folgenden Stellen zeigen. Vom M. Fabius Buteo, welcher im Jahr 538 zum Dictator erwählt worden war, um statt der Censoren den Senat zu ergänzen, erzählt Livius in der oft erwähnten Stelle XXIII, 23: legit ex iis, qui magistratus non cepissent, qui spolia ex hoste fixa domi haberent aut civicam coronam accepissent. Diese tapfern Krieger sind doch sicherlich nicht alle reiche Leute gewesen; sie müssten es aber gewesen sein, wenn schon

5) Ich erinnere nur an den L. Tarquitius (Liv. III, 27: Dictator magistrum equitum dicit L. Tarquitium patriciae gentis, sed qui, cum stipendia pedibus propter paupertatem fecisset, bello tamen primus longe Romanae iuventutis habitus esset), an den Cincinnatus (Liv. III, 13. 26), den Fabricius (Dionys. frg. XVIII, 12 flgd.), und an die Männer, welche Valerius Maximus in dem Capitel de pauperlate laudata ihrer Armuth wegen preist.

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damals ein census senatorius bestanden hätte. Ferner berichtet Valerius Maximus IV, 4, 11 vom M. Scaurus, der im Jahre 639 Consul war: M. Scaurus quantulum a patre hereditatem acceperit, in primo libro eorum, quos de vita sua scripsit, refert. Ait enim, sibi decem sola mancipia totumque censum quinque atque triginta milium nummum relictum. In hac ille pecunia futurus senatus princeps nutritus est spiritus. Auch Scaurus also scheint nicht besonders reich gewesen zu sein, als er zuerst sich um ein senatorisches Amt bewarb. Endlich schreibt Cicero ad fam. XIII, 5 im Jahre 709 dem Valerius: C. Curtio ab ineunte aetate familiarissime sum usus. - - - Is habet in Volaterrano possessionem, cum in eam tamquam e naufragio reliquias contulisset. Hoc autem tempore eum Caesar in senatum legit, quem ordinem ille ista possessione amissa tueri vix potest. Gravissimum autem est, cum superior factus sit ordine, inferiorem esse fortuna; minimeque convenit ex eo agro, qui Caesaris iussu dividatur, eum moveri qui Caesaris beneficio senutor sit. Curtius würde also Senator geblieben sein, auch wenn er das Grundstück verloren hätte, er würde dann aber nicht standesgemäss haben leben können; folglich kann ein ausreichendes Vermögen noch unter Cäsars Dictatur nicht eine nothwendige Bedingung zur Erwerbung und Behauptung der Senatorwürde gewesen sein.

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Wir kommen nun zu der zweiten Anforderung, die an jeden gemacht wurde, der zum Senat zugelassen werden wollte. Es ist diese das gesetzlich erforderliche Alter, die aetas senatoria.

Wenn die Verwaltung der Quästur zur Aufnahme in den Senat berechtigte, so muss das zur Erlangung jenes Amtes erforderliche Alter auch für die Erwerbung dieser Würde massgebend gewesen sein, und es ist durchaus kein Grund zu der Annahme vorhanden, dass etwa für

diejenigen, welche ausnahmsweise, ohne Aemter bekleidet zu haben, in den Senat aufgenommen wurden, ein geringeres oder ein höheres Alter festgesetzt gewesen sei. Unsere Aufgabe ist also, das zur Erlangung der Quästur erforderliche Alter zu finden, und diese führt uns zu der vielfach und zum Theil sehr gründlich behandelten lex Villia annalis vom Jahr 574 6). Nicht alle Bestimmungen dieses Gesetzes aber werden Gegenstand unserer Betrachtung sein; es wird vielmehr der Zweck dieser Abhandlung vollkommen erfüllt, wenn folgende drei Fragen eine genügende Erledigung finden: 1) welches war der in der fraglichen Beziehung geltende Brauch in der Zeit vor der lex Villia? 2) war in diesem Gesetz auch für die Bewerbung um die Quästur ein bestimmtes Lebensalter festgesetzt? und 3) welches war dieses Alter?

Was nun die erste Frage betrifft, so hat sie Wex 1) und nach ihm Becker ) mit Recht dahin beantwortet, dass vor der lex Villia ein bestimmtes Alter für die Bewerbung um Staatsämter gesetzlich nicht erforderlich gewesen sei. Freilich haben sie sich dabei genöthigt gesehen, in Livius Bericht) über des ältern Scipio Bewerbung um die Aedilität einen Anachronismus anzunehmen; sie sind aber dazu vollkommen berechtigt durch die Stelle des Tacitus Ann. XI, 22: Apud maiores virtutis id praemium fuerat cunctisque civium, si bonis artibus fiderent, licitum petere magistratus; ac ne aetas quidem distinguebatur, quin prima iuventa consulatum ac dictaturas inirent; und nicht

6) Die wichtigsten Abhandlungen über diesen Gegenstand sind: Schott, de lege Villia annali, in seinen Opusc. iuridicis; ferner Wex, über die leges annales der Römer, im Rhein. Mus. für Phil. 1845. p. 276; endlich Becker in seinem Handbuch der röm. Alterth. II, 2, p. 15 folgd.

7) A. a. O. p. 284.

8) A. a. O. p. 16.

9) Liv. XXV, 2.

weniger durch Ciceros Worte in der fünften Philippica c. 17: Legibus annalibus cum grandiorem aetatem ad consulatum constituebant, adolescentiae temeritatem verebantur. C. Caesar ineunte aetate docuit, ab excellenti eximiaque virtute progressum aetatis expectari non oportere. Itaque maiores nostri, veteres illi, admodum antiqui, leges annales non habebant, quas multis post annis attulit ambitio, ut gradus essent petitionis inter aequales. Wir können also füglich auf die Beantwortung unserer zweiten Frage übergehen.

Cicero sagt in der Rede für das Manilische Gesetz im 21sten Capitel vom Pompejus: Quid tam singulare, quam ut ex senatusconsulto legibus solutus consul ante fieret, quam ullum alium magistratum per leges capere licuisset? Nun stand Pompejus beim Antritt des Consulats im 36sten Jahre, und eben dieses war das für die Bewerbung um die Aedilität erforderliche Alter. Es scheint also Manutius mit Recht anzunehmen, dass die lex annalis nur für die curulischen Aemter Altersbestimmungen enthalten habe. Hierzu kommt noch, was Wex überzeugend nachgewiesen hat 10), dass der Ausdruck suo anno petere sich nicht auf das Lebensalter des Bewerbers, sondern vielmehr auf die gesetzliche Frist bezieht, welche nach der Verwaltung eines niedern Amtes verflossen sein musste, ehe jemand das nächst höhere erlangen konnte. Indessen die Worte des Livius XL, 44: rogatio primum lata est ab L. Villio tribuno plebis, quot annos nati quemque magistratum peterent caperentque, und die oben angeführte Stelle des Cicero V Phil. 17 zeigen deutlich, dass auch das Jahr angegeben war, in welchem man am frühesten jedes Amt bekleiden konnte. Mit Recht nimmt daher Wex an, dass beide Bestimmungen in das Gesetz aufgenommen waren in der Weise, dass in Einklang mit

10) A. a. O. p. 276 - 278.

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