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Quästor in Sardinien, und verliess im dritten Jahre diese Provinz wider den Befehl des Senats. In demselben Jahre hielten die Censoren Servilius und Cassius die senatus lectio; Gracchus als quaestorius hätte also von ihnen entweder in den Senat aufgenommen, oder übergangen und so notirt sein müssen. Dies Letztere ist aber nicht anzunehmen, weil Gracchus wegen des eigenmächtigen Abgangs aus der Provinz von den Censoren zur Verantwortung gezogen sich glänzend rechtfertigte 59). Die Anmassung des Gracchus kann folglich nicht darin gelegen haben, dass er die Senatorwürde beanspruchte 6o). Nun habe ich im vorhergehenden Abschnitt nachgewiesen, dass kein Magistrat bei der Verhandlung ein Gutachten abgab, welches zur Abstimmung hätte gebracht werden können. Dies that aber Gracchus, denn Plutarchs Worte können nur diesen Sinn haben:,,Gracchus besass eine Art von monarchischer Gewalt, so dass auch der Senat ihm gestatten musste, an den Verhandlungen als stimmberechtigtes Mitglied Antheil zu nehmen." Hierin lag

59) Plut. C. Gracchus 2: Κατηγορίας αὐτῷ γενομένης ἐπὶ τῶν τιμητῶν, αἰτησάμενος λόγον, οὕτω μετέστησε τὰς γνώμας τῶν ἀκουσάντων, ὥς ̓ ἀπελθεῖν ἠδικῆσθαι τὰ μέγιςα δόξας.

60) Man könnte nach den jener Stelle des Plutarch unmittelbar folgenden Worten: συνεβούλευε δ ̓ ἀεί τι τῶν ἐκείνῃ πρεπόντων εἰσηyouuevos, auf den Gedanken kommen, die Neuerung des Gracchus habe in der Ausübung des ius referendi bestanden; und dies scheint auch Rubino's Ansicht zu sein, wenn er a. a. O. p. 46 sagt: primum de C. Graccho legimus eum iure referendi usum esse, ut auctor est Plut. in vita c. 6. Indessen dies kann nicht sein, da die Tribunen jenes Recht schon lange besassen; und es liegt auch nicht nothwendig in Plutarchs Worten, da der Ausdruck eionyetoda auch von dem gebraucht werden konnte, welcher über eine Relation eine selbststän dige Meinung äusserte, wie dies z. B. bei demselben Schriftsteller im Leben des Ti. Gracchus c. 13. geschieht. Dort heisst es nämlich: Τῷ Τιβερίῳ αιτουμένῳ ἐκ δημοσίου σκηνὴν, ὅπως ἔχοι διανέμων τὴν χώραν, οὐ δόντες εἰσηγουμένου ταῦτα Ποπλίου Νασικᾶ. Ρ. Scipio Nasica war aber nur einfacher Senator, und gab als solcher über den Antrag des Tribunen sein Gutachten ab, welches dann durch Stimmenmehrheit zum Beschluss erhoben wurde.

also die Anmassung des Gracchus, und es ist dieses Beispiel ein neuer Beweis für meine Ansicht von der Stellung der Magistrate im Senat.

Wir kehren nach dieser Abschweifung auf den Weg zurück, welchen die Untersuchung einhalten muss, wenn sie das Ziel erreichen will. Zufolge des Grundsatzes, dass, so lange Tribunen, die nicht Senatoren sind, erwähnt werden, das Gesetz nicht gegeben sein kann, wird unser nächstes Geschäft sein müssen, dergleichen Erwähnungen in möglichst später Zeit aufzufinden, denn so wird sich uns der Zeitpunkt ergeben, von dem an der Erlass des Gesetzes erst möglich ist. Nun finden sich, abgesehen von der ältern Zeit, über welche kein Zweifel obwalten kann, folgende Erwähnungen dieser Art:

Im Jahr 538 werden alle gewesenen Tribunen in den Senat aufgenommen; sie waren folglich sämmtlich nicht Senatoren 1).

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Im Jahr 545 wurde L. Cäcilius Metellus von den Censoren bei der Auswahl der Senatoren übergangen 2). Derselbe war Quästor im Jahr 540 und Volkstribun das Jahr darauf gewesen 63), und konnte von den Censoren des Jahrs 540 nicht in den Senat aufgenommen worden sein, weil er von ihnen notirt worden war 64); folglich war er im Jahr 545 nicht Senator, und der Ausdruck praeterire bezeichnet in diesem Falle Nicht - Aufnahme des Exspectanten.

Die Censoren des Jahrs 584, C. Claudius Pulcher

61) Liv. XXIII, 23.

62) Liv. XXVII, 11: Inde alius lectus senatus, octo praeteritis, inter quos L. Caecilius Metellus, infamis auctor deserendae Italiae post Cannensem cladem.

63) Liv. XXIV, 43: Romae cum tribuni plebis novi magistratum inissent, extemplo censoribus a L. Metello, tribuno plebis, dies dicta ad populum est. Quaestorem cum proximo anno, adempto equo, tribu moverant atque aerarium fecerant.

64) Liv. XXIV, 18.

und Ti. Sempronius Gracchus waren vom Tribun P. Rutilius in Anklagezustand versetzt, von dem Volke aber frei gesprochen worden. Dafür bestraften sie den Tribun, als sie den Census abhielten. Censores, sagt Livius XLIV, 16, censum Idibus Dec. severius quam ante habuerunt: multis equi ademti, inter quos P. Rutilio, qui tribunus plebis eos violenter accusarat; tribu quoque is motus aerariusque factus. P. Rutilius war also nicht Senator; denn wäre er dies gewesen, so würden die Censoren nicht verfehlt haben, ihn auch aus dem Senat zu entfernen.

Denselben Censoren, als sie im folgenden Jahre um eine Verlängerung ihrer Amtszeit einkamen, widersetzte sich der Tribun Cn. Tremellius, weil er von ihnen nicht in den Senat aufgenommen worden war 5). Auch dieser also war als Tribun nicht Senator.

Im Jahr 650 wurde die lex Servilia Glauciae gegeben, aus deren Fragmenten, wie ich oben Seite 54-56 nachgewiesen habe, erhellt, dass damals die gewesenen Tribunen das ius sententiae dicendae nicht besassen. Es können also die Tribunen als solche nicht Senatoren gewesen sein, denn sonst würden sie es auch nach der Niederlegung ihres Amtes geblieben sein.

Dieses sind die Beispiele von Tribunen, welche nicht Senatoren waren, so viele ihrer der Erwähnung werth schienen; denn einige habe ich allerdings übergangen, theils weil sie nicht deutlich genug sind, theils weil sie der Zeit vor 650 angehören und so für unsere Beweisführung kein grosses Gewicht haben 66). Aus allen diesen Bei

65) Liv. XLV, 15.

66) Dergleichen Erwähnungen sind z. B. Plut. Ti. Gracch. 13: Ταῦτα τοῦ Τιβερίου διαπραξαμένου καθ ̓ ἡσυχίαν, μηδένος ἐνισταμένου, καὶ πρὸς τούτοις δήμαρχον ἀντικαταστήσαντος οὐδένα τῶν ἐπιφανῶν, ἀλλὰ Μούκιόν τινα πελάτην αὐτοῦ cet. und die Stellen über den L. Equitius, welcher sich im Jahr 654 mit L. Saturninus um das Tribunat bewarb: App. bell. civ. I, 33. Val. Max. IX, 7, 1; IX, 7, 2; IX, 15, 1. Cic. pro Rab. perd. 7 und pro Sext. 47.

spielen hat sich uns ergeben, dass vor dem Jahre 650 das Plebisscit nicht gegeben sein kann; um wie viele Zeit nachher es aber erlassen worden ist, dies zu entscheiden, bleibt der weiteren Untersuchung vorbehalten. Um bei dieser einen festen Ausgangspunkt zu gewinnen, beginnen wir mit einer Zeit, in welcher die durch das Atinische Plebisscit eingeführte Einrichtung unzweifelhaft bestand, und suchen dann rückwärts ihr Bestehen so weit als möglich nachzuweisen.

Dio Cassius LIV, 30 erzählt vom Jahr 742: Tùy òè δημαρχίαν ὀλίγων σφόδρα διὰ τὸ τὴν ἰσχὺν σφῶν καταλελύσθαι αὐτούντων, ἐνομοθέτησεν, ἐκ τῶν ἱππέων τῶν μὴ ἔλαττον πέντε καὶ εἴκοσι μυριάδας κεκτημένων προβάλλεσθαι τοὺς ἐν ταῖς ἀρχαῖς ἕνα ἕκαςον, κακ τούτων τὸ πλῆθος τοὺς ἐνδέοντας αἱρεῖσθαι σφίσιν, εἰ μὲν καὶ βουλεύειν μετὰ τοῦτ ̓ ἐθέλοιεν, εἰ δὲ μή, ἐς τὴν ἱππάδα αὖθις ἐπανιέναι ἐξεῖναι. Ganz dasselbe erzählt auch Sueton im Leben des Augustus c. 40: Comitiis tribunitiis si deessent candidati, senatores ex equitibus Romanis creavit, ita ut potestate transacta in utro vellent ordine manerent. Nach diesen Stellen ist es unzweifelhaft, dass unter der Alleinherrschaft des Augustus die Tribunen regelmässig aus den Senatoren gewählt wurden. Es war dies aber nicht eine von Augustus herrührende Einrichtung. Es berichtet nämlich Sueton Aug. 10 unter den Ereignissen des Jahres 710 auch dieses: In locum tribuni plebis forte demortui candidatum se ostendit Octavianus, quamquam patricius, necdum senator. Octavian verstiess also mit seiner Bewerbung in einer zwiefachen Rücksicht gegen die bestehenden Gesetze, einmal weil er Patricier und zweitens weil er noch nicht Senator war. Ich glaube, deutlicher kann es nicht ausgesprochen sein, dass damals die Candidaten des Tribunats Senatoren sein mussten. Dennoch hat sich Rubino

gegen diese Auffassung erklärt. Gestützt auf Appian, welcher in der Geschichte der Bürgerkriege III, 34 von

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demselben Ereigniss sagt: ὁ δῆμος οἰόμενος αὐτὸν ἐπιθυμούμενον τῆς ἀρχῆς διὰ τὸ νεώτερον τῆς ἡλικίας οὐ παραγ TEλλev, sucht er das Auffallende in Octavians Bewerbung nicht in der ihm abgehenden Senatorenwürde, sondern in dem noch nicht erreichten senatorischen Alter 7). Dann muss er aber dem Sueton nothwendig einen Irrthum Schuld geben, während bei der andern Auffassung der Sache beide Ueberlieferungen unangetastet bleiben. War Octavians Bewerbung deshalb ungesetzlich, weil er noch nicht Senator war, so konnte Appian zwar ungenau, aber immer doch richtig seine Jugend als Grund angeben; war sie es aber, weil Octavian zu jung war, so konnte Sueton nicht die fehlende Senatorwürde als solchen Grund bezeichnen, denn diese war nicht unbedingt mit dem höhern Alter verbunden, während sie unbedingt durch das geringere Alter ausgeschlossen war. Kann nun bei zwei gleich beglaubigten Ueberlieferungen, von denen keine an sich wahrscheinlicher als die andere ist, nur eine solche Darstellung der Sache die richtige sein, welche beide Ueberlieferungen gleicherweise in ihrer Gültigkeit erhält; so muss die Auffassung Rubino's verworfen werden, und die Stelle des Sueton ist uns ein vollgültiger Beweis, dass die in der Kaiserzeit bestehende Einrichtung auch schon im Jahr 710 vollkommen in Kraft war.

Verfolgen wir nun die Spuren von dem Bestehen dieser Einrichtung weiter, so scheinen zunächst zwei Stellen aus dem letzten Jahrzehnt des 7ten Jahrhunderts unsere Beachtung zu verdienen. Die eine aus Appian bell. civ. II, 12 gehört in das Jahr 695 und lautet so: Kal tobs νόμους ὁ Καῖσαρ ἐκύρωσε καὶ ἐπ ̓ αὐτοῖς τόν τε δῆμον ὥρ κωσεν ἐς ἀεὶ κυρίους νομιεῖν, καὶ τὴν βουλὴν ἐκέλευεν ὀμνῦ ναι. Ἐνισταμένων δὲ πολλῶν καὶ Κάτωνος, εἰσηγεῖτο μὲν ὁ Καίσαρ θάνατον τῷ μὴ ὀμόσαντι καὶ ὁ δῆμος ἐπεκύρου.

67) Dieselbe Ansicht hat schon Torrentius in der Anmerkung zu Suet. Aug. 10 aufgestellt.

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