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sie ihn ohne deren Vermittelung auch nicht erreichen würden, hier dagegen setzen sie auf dem einen Wege ihren Willen nicht durch, und verzichten doch darauf den andern noch unversuchten zu betreten. Schon aus diesen Gründen also muss ich mich gegen Rubino 3o) erklären, wenn er auf Grund eines dieser Beispiele 3) behauptet, die Tribunen hätten bis zur Zeit des C. Gracchus das Recht, den Senat zu berufen, nicht gehabt, sondern ihre Anträge nur durch die Consuln an denselben bringen können. Ich erinnere aber noch an die beiden oben angeführten Stellen des Livius, welche das ius consulendi senatum den Tribunen schon zu Anfang des zweiten Punischen Kriegs unzweideutig zuschreiben, und mache endlich eine andere Stelle 32) desselben Schriftstellers geltend, die mit

30) Rubino, de tribunitia potestate, p. 44.

31 Val. Max. III, 7, 3: Annonae caritate increbrescente, C. Curiatius, tribunus plebis, productos in concionem consules compellebat, ut de frumento emendo atque ad id negotium explicandum mittendis legatis in curiam referrent. Ausserdem beruft sich Rubino noch auf folgende Stelle aus den sogenannten Dodwell'schen Fragmenten der acta diurna vom Jahre 585: III Kal. Aprileis. Fasces penes Aemilium. Lapidibus pluit in Veienti. Postumius trib. pleb. viatorėm misit ad cos., quod is eo die senatum noluisset cogere. Intercessione Decimii trib. pleb. res est sublata. Diese Stelle wäre allerdings schwer zu beseitigen, und es liessen sich auch noch andere schöne Sachen aus diesen Fragmenten beweisen, wie z. B. der Zeitpunkt, wann zuerst die edicta perpetua entstanden sind. Indessen ist die Unächtheit dieser Fragmente schon von Wesseling, probabilium liber sing. c. 39 und von Ernesti in einem Excurs zu Suet. Caes. 20 so schlagend bewiesen, dass ein begründeter Zweifel dagegen nicht erhoben werden kann. Es ist hier nicht der Ort, auf diesen Gegenstand näher einzugehen, und namentlich die Gründe für die Aechtheit, welche Lieberkühn in seinem Buche, Vindiciae librorum iniuria suspectorum, Leipzig 1844, anführt, einer Prüfung zu unterwerfen; so viel kann ich aber versichern, dass seine Rechtfertigung der oben angeführten Stelle durchaus nichtssagend ist. Ueber den ganzen Gegenstand verweise ich auf die Abhandlung von Schmidt, das Staatszeitungswesen der Römer, in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, im 1sten Jahrgang p. 314.

32) Liv. XLII, 21.

Rubino's Ansicht schlechterdings nicht zu vereinen ist. Sie lautet so: Hoc consensu patrum accensi M. Marcius Sermo et Q. Marcius Scylla, tribuni plebis, et consulibus multam se dicturos nisi in provinciam exirent denuntiarunt, et rogationem, quam de Liguribus deditis promulgare in animo haberent, in senatu recitarunt. - - - Ex auctoritate deinde senatus eam rogationem promulgarunt. Die Consuln waren gegen den tribunicischen Gesetzentwurf, und hatten sich vorher entschieden geweigert, einen ähnlichen Antrag an den Senat zu bringen; auch jetzt also werden sie keinenfalls den Senat für die Tribunen berufen und noch weniger über den verhassten Gesetzentwurf referirt haben. Nun war aber darüber wirklich referirt worden, denn sonst hätte nicht darüber verhandelt und nicht von Livius gesagt werden können: ex auctoritate senatus eam rogationem promulgarunt; es müssen folglich die Tribunen in jener Zeit das ius referendi gehabt haben.

Somit bleibt es bei unserer Annahme, dass den Tribunen das ius referendi nicht zustand, so lange sie auf die angegebene Weise verfuhren. Leider findet sich nun aber davon kein jüngeres Beispiel als das angeführte vom Jahr 345, und ebensowenig von der Ausübung des ius referendi ein älteres als das vom Jahr 538. Noch immer sind es also fast 200 Jahre, in denen die in Rede stehende Veränderung eingetreten sein kann. Unsere Quellen verlassen uns, und wieder einmal sind wir darauf angewiesen, aus dem Ganzen der römischen Verfassung das fehlende Glied zu ergänzen.

Von den Consuln L. Valerius und M. Horatius, welche unmittelbar nach dem Sturz der Decemvirn im Jahre 305 das Amt verwalteten, erzählt Liv. III, 55: Omnium primum, cum veluti in controverso iure esset tenerenturne patres plebiscitis, legem centuriatis comitiis tulere, ut quod tributim plebes iussisset populum teneret; qua lege tribuniciis rogationibus telum acerrimum datum est.

Dies Gesetz wurde dann noch zweimal mit denselben Worten erneuert: zuerst vom Dictator Q. Publilius im Jahr 415 3), nachher im Jahr 468 vom Dictator Q. Hortensius 34). Ohne Zweifel hat eine solche Wiederholung für uns, die wir die Veranlassung dazu nicht kennen, etwas sehr Auffallendes; indessen unerhört ist sie in der römischen Geschichte keineswegs, da ganz dasselbe z. B. mit den Gesetzen über die Provocation unzweifelhaft geschah 35). Es würde also die Annahme einer einfachen Erneuerung des Gesetzes durchaus gerechtfertigt sein, so weit sie nur von diesen Stellen abhängt 36). Wollte man sich aber damit nicht zufrieden geben, so könnte man die Unterschiede der drei Gesetze doch nur in der irgendwie erweiterten Geltung der Plebisscite, oder etwa nach der Analogie der Porcischen Gesetze in der mehr und mehr verschärften Strafe für die Uebertreter suchen; denn nur bei einer von diesen Voraussetzungen würde es erklärlich sein, dass der Inhalt aller drei Gesetze mit ganz gleichen

33) Liv. VIII, 12: Tres leges secundissimas plebei, adversas nobilitati tulit: unam ut plebisscita omnes Quirites tenerent.

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34) Liv. epit. 11: Q. Hortensius dictator, cum plebs secessit in Janiculum, legem in Esculeto tulit, ut quod ea iussisset omnes Quirites teneret. Vgl. Plin. N. H. XVI, 10. Gell. XV, 27. 35) Cic. de rep. II, 31: Valerius Publicola legem ad populum tulit ne quis magistratus civem Romanum adversus provocationem necaret neve verberaret. L. Valerii Potiti et M. Horatii Barbati consularis lex sanxit, ne quis magistratus sine provocatione crearetur. Neque vero leges Porciae, quae tres sunt trium Porciorum, ut scitis, quicquam praeter sanctionem attulerunt novi. Liv. X, 9: M. Valerius consul de provocatione legem tulit diligentius sanctam. Tertia ea tum post reges exactos lata est, semper a familia eadem. Causam renovandae saepius haud aliam fuisse reor, quam quod plus paucorum opes quam libertas plebis poterant. Die übrigen Stellen findet man zusammengestellt in Baiters Index legum in der Orelli'schen Ausgabe des Cicero.

36) Peter, Epochen der röm. Verfassungsgeschichte p. 94 hält die lex Hortensia wirklich für eine blosse Wiederholung der lex Publilia; in Betreff der letztern theilt er aber Niebuhrs Ansicht.

Worten uns überliefert wird. Nähme man dagegen Niebuhrs Ansicht an 37), wornach die Plebisscite, um Gesetzeskraft zu erlangen, nach dem Valerischen Gesetz eines Probuleuma des Senats und einer Bestätigung durch die Curien, nach dem Publilischen nur des erstern und nach dem Hortensischen auch dieses nicht mehr bedurften; so würde man schon in grosser Verlegenheit sein, nur die Vereinbarkeit dieser Annahme mit den Worten der Gesetze nachzuweisen, weil dann die alten Geschichtschreiber unbegreiflicherweise gerade das characteristische Merkmal der einzelnen Gesetze ausgelassen haben müssten, ganz ausser Stande aber würde man sein, einen Beweis für die Richtigkeit der Annahme in den Worten der Gesetze zu entdecken. Ich rede hier nur von dem Vorbeschluss des Senats, und nur insoweit bekämpfe ich Niebuhrs Ansicht, als sie die Nothwendigkeit einer solchen patrum auctoritas zur Gültigkeit der Plebisscite bis zur Zeit der lex Hortensia behauptet. Meine Ansicht geht nämlich dahin, dass die legislativen Plebisscite eines Probuleuma des Senats nicht bedurft haben, und dass sie dennoch seit der lex Valeria für alle Bürger verbindlich waren oder wenigstens es sein sollten. Natürlich kann ich auch in dieser Beschränkung meinen Satz an diesem Orte nicht erschöpfend beweisen, ohne von meinem Plane mehr, als zu rechtfertigen wäre, abzuweichen. Da es indessen nach. den Worten des Valerischen Gesetzes nicht wohl bezweifelt werden kann, dass rechtmässig zu Stande gekommene Plebisscite für alle Bürger jetzt Gesetzeskraft hatten, SO kann auch der erste Theil des Satzes, die Entbehrlichkeit der senatus auctoritas, ohne grosse Weitläufigkeit genügend begründet werden. Es wird dies nämlich geschehen sein, wenn keine Stelle vorkommt, welche die Nothwendigkeit der senatus auctoritas bei Plebissciten be

37) Niebuhr, röm. Gesch. II, p. 414 flgd.

hauptet, und sobald ein einziges Beispiel gefunden ist, dass ein Plebisscit der patrum auctoritas entbehrte, ohne darum an seiner Gültigkeit zu verlieren.

Was nun die erstere Anforderung betrifft, so hat zwar Niebuhr und noch mehr Walter 38) eine Menge Beispiele davon angeführt, dass die Tribunen einen Gesetzentwurf ex auctoritate senatus an die Plebs brachten; alle diese Beispiele beweisen aber nichts, denn niemand läugnet ja, dass es den Tribunen oft, ja in der Regel wünschenswerth sein musste, die gewichtige Beistimmung des Senats für ihren Antrag zu gewinnen. Die eigentliche Aufgabe, ein Beispiel zu finden, dass die Tribunen einen Antrag darum, weil er die patrum auctoritas nicht erhielt, wider ihren Willen aufgeben müssen, hat Niebuhr nicht erkannt, und erst Peter 39), der die Nothwendigkeit der senatus auctoritas sogar bis zum Jahr 654 bestehen lässt, hat sie zu lösen unternommen. Richtig unterscheidet er die Stellen, in welchen die senatus auctoritas als nothwendig sich zeigen soll, von denen, in welchen sie allerdings eingeholt wird, ohne dass es darum klar wird, ob es nicht auch ohne sie gegangen wäre. Unter den Stellen der erstern Art stellt er obenan die folgende des Plutarch im Leben des Marius c. 4: Ἐν τῇ δημαρχίᾳ νόμον τινὰ περὶ ψηφοφορίας γράφον τος τοῦ Μαρίου, - - - ἐνιτάμενος Κόττας ὁ ὕπατος συνέπεισε τὴν βουλὴν τῷ μὲν νόμῳ μάχεσθαι, τὸν δὲ Μάριον καλεῖν λόγον ὑφέξοντα. Καὶ τοῦ δόγματος τούτου γραφέντος, εἰσελ θὼν ἐκεῖνος - - - ἠπείλησε τὸν Κότταν ἀπάξειν εἰς τὸ δεσμω τήριον, εἰ μὴ διαγράψειε τὸ δόγμα. Wie diese Stelle aber für ihn sprechen soll, kann ich um so weniger begreifen, da ich, ehe mir sein Buch zu Gesicht kam, ebendiese für meine Ansicht anführen wollte. So wie ich nämlich die Stelle verstehe, brachte Marius seinen Gesetzentwurf ein

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38) Walter, röm. Rechtsgeschichte, p. 110 und 131.

39) Peter, a. a. O. p. 102 folgd.

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