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Fassung schädlicher Beschlüsse verhindern zu können. So zeigt sich wenigstens ihre Stellung in einer Stelle des Plutarch Cato minor c. 18: Ἐκκλησίαν καὶ βουλὴν οὐδε μίαν παρῆκε (nämlich der Quästor Cato) δεδιὼς καὶ παραφυλάττων τοὺς ἑτοίμως καὶ πρὸς χάριν ὀφλημάτων καὶ τελῶν ἀνέσεις ἢ δόσεις, οἷς ἔτυχεν, ἐπιψηφιζομένους, und noch deutlicher in der folgenden des Auctor ad Herennium lib. I, c. 12: Cum L. Saturninus legem frumentariam de semissibus et trientibus laturus esset, Q. Caepio, qui id temporis quaestor urbanus erat, docuit senatum, aerarium pati non posse largitionem tantam. Senatus decrevit, si eam legem ad populum ferat, adversus rempublicam videri eum facere. War dies nun die Stellung der Magistrate, so kann es nicht mehr auffallen, dass sie, wie wir gesehen haben, ausser der Ordnung redeten; ob aber alle zu jeder Zeit und auch wider den Willen des Referenten reden durften oder nicht, dafür fehlt meines Wissens jede Andeutung bei den Alten. Nur das Verhältniss also, in welchem die Magistrate zu einander standen, kann uns darüber Aufschluss geben. Darnach aber scheint mir folgende Annahme das Meiste für sich zu haben: Diejenigen Magistrate, welche das unbedingte ius intercedendi hatten, wie die Tribunen, konnten zu jeder Zeit die Umfrage unterbrechen und durch ihre Rede die Stimmung der Senatoren zu ändern versuchen; denn der Referent konnte unmöglich denjenigen am Reden verhindern wollen, welcher jedenfalls seinen Antrag ganz erfolglos machen konnte. Diejenigen Magistrate dagegen, welche nur ein bedingtes ius intercedendi besassen, wie die Consuln und Prätoren, durften nur dann auch wider den Willen des Referenten sprechen, wenn dessen Gewalt nicht grösser war als die ihrige; war dieses aber der Fall, so durften sie es gleich den Magistraten, welche das ius intercedendi gar nicht besassen, nur dann, wenn es ihnen vom Referenten ausdrücklich gestattet wurde. Durch solche Be

stimmungen, glaube ich, ist das Recht der Magistrate, im Senat zu reden, beschränkt gewesen, nicht aber bei der sogenannten altercatio, sondern nur wenn die Umfrage bereits begonnen hatte; und auch dann wird der Referent schwerlich von seinem Rechte Gebrauch gemacht haben, da es jedenfalls nachtheiliger wirken musste, wenn er einem Magistrat das Wort verweigerte, als wenn dieser wirklich eine Rede gegen seinen Antrag hielt.

5. Die Tribunen im Senat.

Auch im Alterthume haben weise und für das Wohl der Menschheit begeisterte Männer alle ihre Geisteskraft darauf verwandt, eine Verfassung aufzufinden, welche der Natur des Menschen und der Idee der gesellschaftlichen Verbindung entsprechend, alle jene Leistungen aufs Beste erfüllte, die von einem wohleingerichteten Staate vernünftigerweise erwartet werden können. Alles Bestehende warfen sie um; kein Vorurtheil schien ihnen so mächtig, kein Recht so unantastbar, kein von der Natur selbst den Menschen eingepflanzter Trieb so heilig, dass sie nicht alles dies unbedenklich ihrem Ideal zum Opfer gebracht hätten. Eine solche Verfassung aber in irgend einem schon bestehenden Staate wirklich einzuführen, einen Baum zu pflanzen auf die Wurzeln eines andern, die sie nicht auszurotten im Stande waren, dazu waren jene Männer zu weise, und die Völker hüteten sich wohl, eine angebliche Wiedergeburt damit zu beginnen, dass sie alles verwarfen, was sie bereits besassen. Wohl mussten einzelne griechische Völkerschaften zuweilen, wenn innere Unruhen die ruhige Fortentwickelung der Verfassung hemmten, und die bestehenden Formen sich unkräftig erwiesen diesem Uebel Einhalt zu thun, einem hervorragenden Manne

das Schicksal ihres öffentlichen und selbst ihres Privatrechts anvertrauen; selbst dann aber war man weit entfernt, die Rücksicht auf die bestehenden Zustände auch nur einen Augenblick aus den Augen zu setzen. Weder Lykurg noch Solon betrachteten ihr Vaterland als ein Stück weiss Papier, worauf sie kritzeln könnten, was ihnen beliebte; als wahre Freunde ihres Vaterlandes und als weise Staatsmänner suchten sie vor allem die bestehenden Verhältnisse mit den Ansprüchen des fortschreitenden Lebens zu vereinigen, und Neuerungen liessen sie nur dann eintreten, wenn jenes Ziel nicht anders erreicht werden konnte. So war es schon bei den beweglichern Griechen; noch stetiger aber, noch mehr dem Gange der Natur entsprechend zeigt sich uns die Entwickelung der römischen Verfassung. Es ist ein besonderer Vorzug unserer Verfassung, pflegte der alte Cato zu sagen, dass sie nicht hervorgegangen ist aus dem Geiste eines Mannes, sondern aus der vereinten Einsicht vieler, dass sie nicht das Werk eines Menschenalters ist, sondern das vieler Jahrhunderte. Kein Volk hat jemals fester, als die Römer, an den Einrichtungen der Vorfahren gehalten, und dennoch hat niemals eins aufmerksamer den Forderungen der Zeit gelauscht und williger den Verbesserungen Eingang verstattet. Darum waren die Römer in dem, was sie in ihrem Staate besserten, nie gänzlich neu, und in dem, was sie beibehielten, nie gänzlich veraltet; darum blieb Einheit in ihrer Verfassung bei aller Verschiedenheit ihrer Theile; darum gelangte sie zu der Vollkommenheit und Festigkeit, welche sie die heftigsten Stürme siegreich bestehen liess, und die ihr noch lange das Scheinleben fristete, als längst schon der Geist erstorben war, der sie belebt hatte.

Anhänglichkeit an das Alte ohne Abneigung gegen Verbesserungen, dies zeigt sich als der hervorstechende Character des römischen Volks bei allen Veränderungen

seiner Verfassung, nirgends aber mehr als in der Entwickelung der tribunicischen Macht, jenes Repräsentanten des eigentlich bewegenden Princips in der römischen Geschichte. Vom unscheinbarsten Anfange, nur befugt den Standesgenossen vor Beamtenwillkühr zu schützen, selbst aber ohne allen Antheil an der Regierung, erhoben die Tribunen allmählig ihr Amt zu einer Macht, welche die aller übrigen Magistrate ganz in den Schatten stellte und in Wahrheit keine Grenzen hatte. Und alles dies wurde vollbracht ohne gewaltsame Umwälzungen, ohne eine durchgreifende Veränderung der Verfassung, ja ohne dass bestimmte Gesetze gegeben wären, welche neue Befugnisse ausdrücklich dem Tribunat übertragen hätten. Wie in den Schöpfungen der Natur die alte Hülle bleibt, indess die neue Zeit und Kraft zu ihrer Vollendung gewinnt; so schien der gesetzliche Wirkungskreis des Tribunats nirgend verändert, wenn längst schon thatsächlich die bedeutendste Erweiterung erfolgt war. Kaum ein neues Recht vermehrte die Macht der Tribunen, das nicht längst schon von ihnen ausgeübt worden wäre, ehe es als solches allgemein anerkannt wurde. Nicht nach Tagen

also, oder nach Jahren lassen sich die einzelnen Erweiterungen der tribunicischen Gewalt bestimmen; wenn die dem Amte inwohnende Kraft gezeigt, wenn die Umstände, welche die schlummernde weckten und ihrem Wirken die Richtung vorzeichneten, wohl beachtet, wenn die einzelnen Erwerbungen von den leisesten Anfängen bis zu ihrem Hervortreten in voller Kraft sorgsam verfolgt sind, dann ist alles geschehen, was von einer Geschichte des Tribunats füglich erwartet werden kann.

Das Folgende macht nicht darauf Anspruch, eine solche Geschichte zu sein; es berücksichtigt nur ein Recht unter den vielen, und nur wie dieses erworben und erweitert worden ist, will es zeigen. Auch in der Ausbildung dieser einen Befugniss aber verläugnet sich der

eigenthümliche Entwickelungsgang des Tribunats keinen Augenblick, und nichts trägt mehr dazu bei die Untersuchung zu erschweren, und die Ergebnisse weniger bestimmt erscheinen zu lassen. Allerdings lassen sich die einzelnen Stufen in der Entwickelung dieses Rechts ohne grosse Mühe und mit hinreichender Sicherheit unterscheiden; wann aber jede dieser Stufen erstiegen und wann sich angeschickt hat sie mit einer höhern zu vertauschen, dies kann man nur dann, und auch dann nur annähernd bestimmen, wenn man immer den jedesmaligen Zustand der ganzen römischen Verfassung unverrückt im Auge behält, und nie versäumt die Stellung sich zu vergegenwärtigen, welche in ihr die Tribunen einnahmen.

man

Wir legen unserer Untersuchung eine Stelle des Zonaras zu Grunde, die einzige, welche die Fortschritte des tribunicischen Rechts übersichtlich und, wie es scheint, vollständig zusammenstellt. Sie lautet folgendermassen '). Τὸ μὲν πρῶτον οὐκ εἰσῄεσαν εἰς τὸ βουλευτήριον, καθήμενοι δὲ ἐπὶ τῆς εἰσόδου τὰ ποιούμενα παρ ετήρουν καὶ, εἴ τι μὴ αὐτοῖς ἤρεσκε, παραχρῆμα ἀνθίςαντο· εἶτα καὶ εἰσεκαλοῦντο ἐντός. Εἰσέπειτα μέντοι καὶ μετέλαβον τῆς βουλείας οἱ δη μαρχήσαντες, καὶ τέλος κἀκ τῶν βουλευτῶν τινες ἠξίωσαν δημαρχεῖν, εἰ μή τις ευπατρίδης ἐτύγχα νεν· οὐ γὰρ ἐδέχετο τοὺς εὐπατρίδας ὁ ὅμιλος.

Zonaras unterscheidet also vier Stufen in der allmähligen Ausbildung dieses tribunicischen Rechts:

1) Anfänglich waren die Tribunen im Senat nicht zugegen, sondern sie sassen vor den Thüren der Curie, um das Intercessionsrecht zu üben.

2) Später wurde ihnen der Eintritt in die Curie ge

stattet.

1) Zonaras VII, 15.

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