Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

über Gegenstände, die er gerade studirte und bearbeitete oder die ihm zeitlich oder fortwährend

zu einer Lieblingsfache (z. B. Medizin, Meteorólogie u. s. w.) geworden waren. Er mußte sich aussprechen, und das überströmende Sprechen war ihm oft lieber als das Schreiben. Daher begnügte er sich zuweilen mit Zuhörern, die ihn nicht zu begreifen oder nicht Theil genug an seis nen Ansichten zu nehmen fähig waren, ja er suchte sie wol gar begieriger auf, als sie sich seine Geistes-Ueberlegenheit fürchtend auffinden ließen. Er wußte in der Regel und suchte daher auch durch seine Gespräche Andere zu erfreuen, wohlwollend und wohlthätig zu begeistern und zu erheben, weswegen er manchmal Alle für Einen oder Einen für Alle hielt und Manchen für theilnehmender ansah, als er es in der That war *).

--

*) Daher sagt er in seinem Vita: Buch: (f. Wahrheit 2tes Heftlein p. 78),,Mir ist am Ende die Gesellschaft ei= nerlei, vor der ich mich ausströme - was davon verloren geht, vergeffen, oder misverstanden wird. Ich will in mir mich durchleben und froh ausreden. “

So geschah es auch mit Pauls freimüthigen heterodoren Aeußerungen, die das Sprůchwort: wessen das Herz voll ist, davon geht der Mund über, bekräftigten; aber auch zum Theil zu einer Ursache wurden, daß der für ihn so rühmliche Ausgang der Disputazion nach der kleinstädtischen Meinung nicht, wie in den Augen der Mitschüler, ein Triumph, sondern eine schmähliche Niederlage war.

Der Freimüthige, der sich nicht ganz orthodor anstellte, hieß ein Atheist und war gehåssiger Geringschäßung, ja sogar Verfolgung › ausgesezt. Dieses Schicksal hatte Paul gerade in der unglücklichen Periode seines Lebens, aber er nicht allein, sondern auch die, welche mit ihm vertraut und jemehr sie dies, auch desto mehr dem Verdacht des Atheismus ausgesezt waren.

IV. Jugendfreunde.

Schulperiode von

1779 bis 1781.

Wir haben oben erwähnt, daß und wie im Verborgenen die langsam sich entwickelnden Keime einer Freundschaft entstanden, die lebenslänglich und bis zum Tode Jean Pauls fortdauerten und fortlebten in dem Einzigen seiner übrig gebliebenen drei Jugendfreunde.

Sonderbar ist es, daß auch hier jener im Vita-Buch *) angedeutete Schicksal - Dualismus in Erfüllung ging, an den Paul glaubte, weil er ihn seinen Lebenserfahrungen verdankte, wovon er freilich einige - wie er selbst ironisch scher

*) S. Wahrheit, Zweites Heftlein p. 95.

zend bemerkt

durch willkürliche Deutung herausbrachte, um fein Dualismus-Dogma zu bes kräftigen, dem gemäß sich gewöhnlich zwei åhnliche oder gleiche Begebenheiten zutragen im Ge= gensaß mit einer dritten unåhnlichen, die ihnen vorausgeht oder nachfolgt und die zugleich mit ihnen im Zusammenhange oder in Verwandtschaft stehet.

Zwei seiner Jugendfreunde starben und Einer blieb übrig.

Die Freundschaft, welche Paul mit jenen theils schon in der Schule, theils während des Universitátlebens und nach demselben gestiftet, dauerte bis zum frühzeitigen Tod beider und lebte bis zu seinem eigenen in seinem Gemüthe fort.

Der Eine davon war Johann Bernhard Hermann, der Sohn eines armen Zeuchmachers, dem der verspätete Besuch des Gymnafiums ungern verstattet wurde und der daher,

als wäre und bllebe er ein Handwerkslehrling, täglich eine vorgeschriebene Menge schafwollenen Garns abspulen und außerdem seine jüngern Geschwister warten und pflegen mußte, bevor er daran denken durfte, sich für die Lehrstunden vorzubereiten oder die aufgegebenen Ausarbeitun= gen zu machen oder selbst Unterricht zu ertheilen, um sich die zum Studiren unentbehrlichsten Hülfsmittel zu verschaffen.

Er war Paul'n an Genialität, obwol mehr in philosophisch - mathematischer als dichterischer Geistesrichtung gleich; aber ungleich in Rücksicht frühzeitiger Selberbildung und Belesenheit, wozu ihm zumal da ihn sein Genius den Naturwissenschaften entgegenführte die glückliche Gelegenheit, nämlich eine Büchersammlung und Gönner fehlten, die ihm deren Gebrauch so wohlwollend verstattet håtten als der Pfarrer Vogel den der seinigen dem unermüdeten Paul.

[ocr errors]

Dieser gedenkt feiner in einer Nacherinnerung

zu den Mumien.

Er wollte das, unter dem

« PreviousContinue »