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Beitritt unserer besten Köpfe entbehren muß, welche dem deutschen Geschmacke das Uebergewicht geben und dessen Kredit seine eigenen Muster beinahe eben so sehr als Ihre entgegengesezten zu schwächen scheinen. Dieses wußte ich und ich that doch meine Bitte. Allein so ist der Mensch um nur einige Augenblicke die schwarze Seite des Glückes nicht im Gesichte haben zu dürfen, flüch tet er sich hinter die Hoffnung, heftet das feige Auge nur auf sie und gehet so lange hinter ihr her bis sie verschwindet und er fich auf einmal vor den gefürchteten Schreckenbildern stehen siehet."

,,Es wåre für mich schmeichelhaft, wenn meiner fatyrischen Abhandlung nichts den Eingang in Ihr Journal versperrte als ihre Größe; denn man könnte fie sehr leicht in zwei Hälften zerfallen lassen, deren eine von der Tugend 'unserer Zunge und deren zweite von der Tugend unsers Gesichtes handelt. Das Schickfal, das meine Abhandlung in Ihrem Journal erfährt, sei wie es will und wenn sie darin geviertheilet wird : so will ich zufrieden sein; mein Wunsch ist nur, daß sie hineingelassen werde."

,,Der offenherzige Ton, deffen Sie mich würdigen, macht mir mehr Vergnügen als alles Lob, womit Sie

mich aufmuntern; denn es beweist, daß Sie nicht, wie man gewöhnlich thut, jedem, der oft mehr aus Nach= ahmerei als angeborner Neigung auf das Satyrisiren fich leget, ein zweideutiges Herz zutrauen. Wahrlich! könnte mich etwas meine geringe Geißel an die Wand zu hången bewegen: so wår' es dies, daß der, so fie führt, nur kaum von denen nicht verkannt wird, die ihn kannten, ehe er sie in die Hand nahm; von allen andern hingegen für ein Wesen gehalten wird, das Galle statt des Blutes hat.“

,,Ihrer Offenherzigkeit, die jezt so etwas seltenes ist, glaub' ich mich nur durch ihre Erwiederung würdig zu machen. Es stehe also denn da, was ich sonst keinem Menschen ohne Bemäntelung sagen würde. Ich bin arm; und bin es jegt, da mir so viele unreife Hoffnungen zu Grunde ge= gangen, mehr als jemals und als vermuthlich künftighin. Ich muß daher tros der Ueberwindung, mit der man sich dem Schein der Eigennügigkeit unterziehet, zu bitten wagen, daß Sie mir durch eine Anweisung so viel Lohn für meine Abhandlung möchten zukommen lassen als Ihr Geschmack, der Debit Ih= res Journals und andre Umstånde, die ich nicht weiß, dafür etwan bestimmen mögen. Ich wünsche mir nichts als eine Lage, die mir das zu sein erlaubte, von dem

mich die 'jezige das Gegentheil zu scheinen zwingt. Idy will Leipzig in acht Tagen verlas= sen; ich darf hoffen, Sie tragen dazu bei, daß ich es kann."

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Dahin war es nun gekommen, daß Paul auf einmal die schwarze Seite des Glücks und die gefürchteten Schreckbilder desselben vor sich sah, nachdem er drei Monate lang sich hinter die Hoffnung so oft geflüchtet als er Unterhandlungen mit Verlegern anzuknüpfen oder Gönner zu gewinnen gesucht, die ihm die Gunst eines Buchhändlers zuwenden sollten. Nach allem diesen Fehlschla= gen sah er sich aller Hülfsmittel beraubt, seiz nen Aufenthalt in Leipzig zu verlängern. Er mußte in der Stille auswandern mit Zurücklassung einiger unbedeutenden Schulden, die ihm jedoch als große erschienen und drückten und die er aus gutmüthiger Uebereilung drei- und mehrfach bezahlte; weil er, wenn er nur etwas erübrigen konnte, es den zudringlichen Gläubigern überschickte, voraussehend, daß sie es in

ehrliche Abrechnung bringen würden. Allein unter solcher Tilgung wuchsen die Anforderungen, bis durch Freundes Vermittelung diesem Spiel mit Pauls zutrauenvoller Gutmüthigkeit ein Ende gemacht wurde.

XXI. Andachtsbüchlein vom Jahre 1784.

Während sich Paul in der lezten Zeit seines Aufenthalts in Leipzig in dem geschilderten Zustande zwischen Hoffnung und Furcht befand und jene dieser immer mehr weichen mußte; während seine Lage so ward daß sie andere zu Verzweif= lung gebracht haben würde, schrieb er sich zu seiz ner Beruhigung und Selbstbekräftigung ein Büchlein nieder, welches er sein Andachtsbuch

nannte.

Folgendes ist ein Auszug daraus nach den

Ueberschriften welche Paul über die einzelnen Ab

theilungen geseht hat.

1) Schmerz.

Jedes Uebel ist eine Uebungsaufgabe und ein Lehrer der Standhaftigkeit.

Jede unangenehme Empfindung ist ein Zeichen, daß ich meinen Entschlüssen untreu werde.

Das Uebel verfliegt, wenn ich nach ihm nichts frage. Jedes, dem ich unaufhörlichkeit angedichtet, schloß sich mit Freuden.

Es wäre ein unmögliches Wunder, wenn dich keines anfiele; stelle dir daher seine Ankunft vor; jeden Tag mache dich auf viele gefaßt.

Man bereuet den vergeblichen Schmerz, wenn er gehoben ist.

Der Tod vernichtet die ganzen Leidenszenen.

Denke dir einen schlimmern Zustand als in dem du bist.

Nicht der Zufall, sondern ich verschulde meinen Schmerz.

Epiktet war nicht unglücklich.

Das Betrüben hilft nichts und ist gerade das eigentliche Uebel.

Denke dir die schlimmsten Folgen jedes Uebels: so wirst du dieses nicht fürchten, da du jene verachtest.

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