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Du in ihr machen würdest, wenn Du darin als Wettläufer auftråtest. Lieber Gott, wie unendlich klein wåren meine Anlagen ohne die Ver= besserungen des Fleißes! Sobald Du von der blinden Gerechtigkeit den Kläger und den Beklag= ten auf ihrer Rathswaage zu wågen gelernt und sobald die Fastenzeit der Seele (durch die Erlernung der Jurisprudenz) zu Ende gekommen, feiere das Osterfest wie die ersten Christen, die an demselben allen Rechtssachen den Abschied gaben, oder wie die griechischen Christen, die am Sonnabend vorher in der Kirche alle alten Lichter auslöschen und eine neue Wach & Ferze, die cerea paschalis anzünden. Wenigstens wollt' ich, daß Du dann den Statuen der Thebanischen Richter ähnlich würdest, die ohne Hånde waren; ich meine, daß Deiner Jurisprudenz höchstens noch Dein Kopf, aber nicht Deine Hånde dienten. Bielmehr könnte die Jurisprudenz Deinem Wige dienen. Und warum dies alles? Weil Du zu Hause, so bald Du in dem Besig aller Deiner Wünsche, Deiner Güter, Deiner nothwendigsten Kenntnisse bist, ein neues und schwerer zu erreichendes Ziel Dir stecken mußt, um dem unerträglichen Zustand auszuweichen, in den uns die gänzliche Befriedigung aller Wünsche stürzt. Nicht das Ziel, sondern die Bahn macht uns glücklich; III. 17

auf dieser begleitet uns Hoffnung, aber an jenem erwartet uns Müdigkeit und Ekel; daher prallen wir immer, gleich den Kugeln auf der Ke= gelbahn, vom erreichten Ziele zu einer neuen Laufbahn zurück und prånumeriren auf neues Glück durch Ekel am alten. Hierin bist Du obendrein glücklicher als ich; Du kannst an einem einzigen Bändchen viele Jahre lang arbeiten, jedem Fehler Nagenpulver streuen und die Schönheit, in allen Künsten zu gefallen, unterrichten. Die Menschen, sagt Baco, leben am långsten, die am langsamsten gewachsen; die Aloe schießt nicht, wie die Schwämme, nach einem Regen auf, allein ihre Blüte, die vierzig Jahre im Kloster (d. i. in der Knospe) lebt, bricht dann mit Regenbogenpracht hervor. Wollte Gott! ich dürfte nicht vom Leben meiner Kinder leben und nicht das ihrige verkürzen, um das meinige zu verlångern *)."

Den 5ten August.

,,Da ich vom Golde rede, will ich auch noch vom

*) Dies verhinderte fein Schicksal oder die Ungunst desfelben, welche ihm nach dem Erscheinen der Grönländischen Prozesse, wie wir in der Folge sehen werden, keinen Verleger zu seinem Satyrenvorrath finden ließ.

Ich

Silber reden, das Du mir im legten Brief geschickt. Nur frankirt håtte er nicht sein sollen: denn dies heißt einem Kapital und Zinsen auf einmal leihen. danke Dir, daß Du das errathen, was ich Dir nicht sagen mochte, da meine Schuld schon auf 12 Thlr. und etliche Groschen gestiegen war, ehe sie noch um zwei Konvenzionsthaler vergrößert wurde."

Die lehte Seite Deines Briefs war für mich rührend und wår' es noch mehr gewesen, wenn Du nicht durch die nassen Augen, die alles vergrößern, auch mich vergrößert erblickt hättest. Wie gut ist Dein Anerbieten, das Du mir schon einmal mündlich gemacht! Es verdient einen Dank ohne die Schamrdthe der gefühlten Verbindlichkeit! Aber werd' ich je= mals bei Dir immer leben können? In dem Falle nicht, wenn ich unglücklich bin; dann würd' ich Dich oft sehen, aber nicht bei Dir leben. Wenn mein Misgeschick, das mir vielleicht jest unsichtbar ist, weil es unter meinen Füßen an der verderbenden Mine gråbt, meine ohnehin kleine Begierde, gegen dasselbe zu kẩmpfen, ermüdet; wenn alle Anstrengung meiner geistigen Kräfte mir die einzigen Vergnügungen unmöglich machte, die das Glück selbst nicht hat; wenn ich arm, dumm, trostlos und verzweiflend wåre dann sollte ich zu Dir kommen und Dich für Deine Wohlthaten

mit dem schlechten Ueberrest eines Elenden belohnen ? Nein! dann würde ich keinen andern Freund suchen als den Tod; und wenn dieser kalt umarmende Freund mich glücklich gemacht hätte: so würde er mir auch. den Freund zuführen, mit dem ich in der Jugend glücklich war, mit dem ich es in der ewigen Jugend sein werde. Was ich thue, wenn ich in dieser Welt glücklich bin, errathe Du; denn ich mag es nicht sa= gen, um meine schwermüthige Laune nicht zu unterbrechen, der ich auf dem abendlichen Spaziergang, den ich jest mache, weiter nachhången will.“

XVIII. Zweiter Liebes - Blik. Vorübung in der Liebes- Briefstellerei.

Fand Paul in Hof, als er dahin nach dem Erscheinen von dem ersten Bändchen der Grönländischen Prozesse reisete, nicht die zuversichtlich gehoffte und verdiente allgemeinere Anerkennung seines und des Werths seines Buchs: so gewährte sein Schick

sal einige Entschädigung durch ein erfreuliches Liebesabenteuer, wobei er der Geliebten etwas mehr darreichte, als in Jodiz zur Hofthüre hinaus Zuckermandeln und Rosinen und etwas Besseres überschickte als Rußzeichnungen einiger Könige *), nämlich ganze Bånde seiner Auszüge aus den neuesten Schriften und noch dazu Briefe, die mit gemäßigtem Feuer geschrieben waren und die Abnahme und das Erlöschen einer kühlen Liebe darstellen und nur nebenbei in das bei deren Beginn etwas auflodernde und flackernde Flåmmlein blicken lassen.

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Am 22ften August schrieb Paul an Sophie

(so hieß die Geliebte):

"

1

Der, welchen Sie um 10 Meilen entfernt glauben, wird von Ihnen immer noch nur durch vier Stunden getrennt und der Brief, den Sie jezt lesen, kommt nicht von Leipzig, sondern von Hof. Meinen festen Entschluß, am vergangenen Montag abzureisen,

*) S. Wahrheit ic. Heftlein 1, N. 70 und 94, p. 37 und 118.

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