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Vorrede.

Obwohl der Inhalt vorliegender Schrift den Hauptsachen nach Manchen noch neu erscheinen mag, so hatte doch der Verfasser derselben keineswegs die Absicht, etwas gerade Neues zu sagen, im Gegentheil bescheidet er sich sehr gern damit, wenn er in der wissenschaftlichen Erörterung des Alten und längst Bekannten, zuweilen aber ausser Acht Gekommenen glücklich gewesen ist. Wäre es doch auch ein sehr sonderbares Unterfangen, abweichend von der uralten Ueberlieferung des immer von Neuem sich erzeugenden sittlichen Urtheils etwas Neues aufstellen zu wollen, oder nur zu versuchen den bisherigen Bestand durch neue Zuthaten zu erweitern. Die endgültigen Entscheidungen über gut und böse gehören nun einmal nicht zu den veränderlichen, sondern zu den ewig sich gleichbleibenden Elementen humaner Bildung. Ebenso dürfte es nicht gerade ein sehr günstiges Vorurtheil für eine wissenschaftliche Bearbeitung der Ethik erwecken, wenn sie über das, worauf sich die mannichfachen Urtheile von gut und böse beziehen, also über die eigentlichen Subjecte zu den in verschiedenen Ausdrücken auftretenden Prädicaten des absoluten Beifalls oder Missfallens, ganz etwas Neues zu sagen sich unterfangen wollte. Das hiesse gerade soviel, als ob vor

dem Niemand, weder im Ganzen noch auch im Einzelnen, eine richtige Vorstellung davon gehabt hätte. Zwar sind die bisher aufgetretenen Theorien über das Gute und Schöne keineswegs soweit unter einander einig, dass man die eine durch die andere nur zu ergänzen hätte, um eine vollständige Einsicht in die betreffenden Verhältnisse zu gewinnen; manche sind sogar von der Art, dass das eigenthümliche Wesen des Ethischen dabei völlig verkannt wird: immerhin aber würde es von einer grossen sachlichen Unkenntniss und einer ungebührlichen Selbstüberhebung zeugen, wenn Jemand die bisherigen Bemühungen so vieler ausgezeichneter Geister auf diesem Gebiete so gering anschlagen wollte. Dass nun aber der Verfasser vorliegender Schrift sich eng an die von Herbart schon zu Anfang dieses Jahrhunderts aufgestellte Theorie anschliesst, möchte vielleicht Manchem als eine zu grosse Selbstbeschränkung vorkommen. Derselbe kann aber dergleichen wohlmeinenden Besorgnissen gegenüber versichern, dass er sich dabei in seiner Freiheit nicht mehr beschränkt gefühlt hat, als dies bei jeder anderen wissenschaftlichen Untersuchung der Fall ist, wenn sich von irgend welcher Seite her erwünschte Aufhellungen darbieten. Jener Anschluss ist nicht etwa die rasche Entscheidung einer durch geistige Grösse leicht imponirten Jugend, sondern das Resultat derjenigen Ueberzeugungssicherheit, welche eine langjährige Beschäftigung mit den betreffenden Gegenständen und eine vielfältige Vergleichung der begrifflich festgestellten Theorie, sowohl mit den Erscheinungen des sittlichen Lebens, wie sie die tägliche Erfahrung und die Geschichte darbietet, als auch mit den abweichenden Ansichten Anderer, zur Folge hat. Möge es sich auch später herausstellen, dass vielleicht in dem einen oder anderen Punkte

eine Abweichung von den Ansichten Herbart's vorgenommen werden muss, so viel hat doch die seitherige Erfahrung zur Genüge dargethan, dass, wenn man sich an die Sache selbst hält und nicht an die verschiedenen darüber vorgebrachten Meinungen; jene genau ins Auge fasst und diesen nicht eine grössere Nachgiebigkeit erweist, als ihnen zukommt: die Folge davon ist, dass man sich den Herbart'schen Auffassungen viel mehr annähert, als sich von ihnen entfernt. Zum Andern, was damit zusammenhängt, dass ein wirklicher Fortschritt wissenschaftlicher Einsicht in ethische Verhältnisse so lange mindestens sehr zweifelhaft bleibt, als dabei nicht ein sorgfältiges Eingehen auf die Erörterungen jenes als Ethiker und als Metaphysiker und Psychologen gleich grossen Forschers stattgefunden hat. Wer an der Richtigkeit dieser Behauptung noch zweifelt, wird dagegen wohl nichts einzuwenden haben, wenn wir uns bescheiden in Betreff derselben ihn an die Ergebnisse der weiteren Zukunft zu verweisen, in der Voraussetzung, dass er für den wissenschaftlichen Gang der Dinge auch ein Auge habe. Aus diesen Gründen dürfte es nicht gerade für einen Schaden an Kraft und Zeit, oder auch an Verstand angesehen werden, wie das von der Beschäftigung mit gewissen Geistesproducten in entgegengesetzter Richtung bereits notorisch geworden ist, wenn sich Jemand die Mühe nimmt, mit der Herbart'schen Auffassung des Ethischen etwas näher bekannt zu machen. Wer dies mit der nöthigen Unbefangenheit und Ausdauer gethan hat, wird soviel wenigstens eingestehen müssen, dass sich ihm dadurch über manche sehr wichtige Verhältnisse, welche ihm vorher noch in einem gewissen Dunkel schwebten, ein sehr wohlthuendes Licht verbreitet hat, was gerade in den gegen

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