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Druď von E. Polz in Leipzig.

Vorrede.

Es ist eine weder leichte noch erfreuliche Pflicht für mich, dem gegenwärtigen Buche zu seiner Vertheidigung und Empfehlung die nöthigen Erklärungen mit auf den Weg in das Publikum zu geben, den es nun endlich gehen soll. Der Druck desselben hatte schon gegen Ende des Jahres 1837 begonnen; mehrmahls durch verschiedene Umstände unterbrochen wurde er zuleht besonders im vorigen Herbst durch die Krankheit und den Tod des damaligen Verlegers, A. Lehnhold, bedeutend verzögert; ich selbst hatte inzwischen im Mai 1838, als die ersten neun Bogen vollendet und von mir revidirt waren, mein Manuscript vollständig hinterlasssen und die wissenschaftliche Reise angetreten, auf welcher ich mich noch gegenwärtig befinde, um für die seit 6 Jahren von mir vorbereitete Bearbeitung der griechischen und lateinischen Kriegsschriftsteller das sehr weitschichtige, kritische Material zu sammeln. So haben Zeit, Raum und Studien mich durch eine gewaltige Kluft von der Arbeit getrennt, die jest fast wie eine dunkle Erinnerung vor mich tritt, ja, ich kann es nicht verschweigen, wie eine trübe Erinnerung an eine für mich unglückliche Zeit, deren Nachwehen noch nicht überwunden sind. Zu diesen Nachwehen gehörte auch der Gedanke an das gegenwärtige Buch, das

für mich, je ferner ich ihm rückte, immer mehr die trübe Gestalt der Widerwärtigkeiten annahm, mit denen seine Entstehung verbunden war; es sollte ja nicht, wie diese, allmählig in der Stille vergessen werden, sondern im Gegentheil es sollte frei heraustreten an das Licht der Welt und mit den Leistungen von Männern wetteifern, denen es vergónnt war, in glücklicher Muße mit ungebrochener Kraft langsam vorzubereiten und zur Reife gedeihen zu lassen, was der Zeit und ruhigen Pflege bedarf. In so beneidenswerther Lage mag man sich dann behaglich der Vollendung erfreuen und noch ganz voll von dem Gegenstande mit dem frischesten Interesse Rechenschaft ablegen über das, was man gewollt und nach Kräften geleistet hat. Wenn ich offen gestehe, mich nicht in diesem Falle zu befinden, so wird man, hoffe ich, wenigstens mir selbst nicht eine zu große Meinung von meiner Arbeit zuschreiben; dabei aber ist es keinesweges meine Absicht, persönliche Zustände in der Weise geltend zu machen, daß dadurch das Recht einer freien und ernsten Kritik beeinträchtigt würde. Will eine solche mir einen zuweilen viels leicht etwas gereizten, mißlaunigen, oft nachlåssigen Ton zu Gute halten, so ist das Alles, was ich von ihr wünschen kann, das Uebrige lasse ich gern ihrer Strenge anheimfallen, und wenn sie sich redlich an die Sache hålt, so wird mir auch die größte Strenge willkommen sein. Weit entfernt, mich dabei hinter dem Namen eines Verstorbenen zu verstecken, dessen Andenken mir theuer ist, erkläre ich vielmehr auf das Bestimmteste, daß ich nicht nur darauf gefaßt bin, sondern es von einem Jeden als mein Recht fordere und es gewissermaßen als die vertrauensvolle Bedingung betrachte, unter welcher ich dem Publikum das gegenwärtige Buch übergebe, daß die Verantwortlichkeit für Alles, was darin Tadel verdient, mir allein zur Last falle.

Es ist nicht Reisig selbst, der seine Vorlesungen hers ausgiebt; vielmehr hat er sogar bei dem Antritt der Reise,

von welcher er nicht zurückkehren sollte, ausdrücklich verboten, seine hinterlassenen Manuscripte bekannt zu machen, und wenn man zugeben muß, daß er selbst seine Vorlesungen offenbar nie in der gegenwärtigen Gestalt würde veröffentlicht haben, so thate man Unrecht, ihn auch nur für den geringsten darin enthaltenen Irrthum verantwortlich zu machen; es ist im Gegentheil recht und billig, in jedem Falle anzunehmen, daß er spåter das Richtige selbst würde gefunden haben. Unter der Voraussetzung, daß man mir diese gerechte Forderung nicht abs schlägt, habe ich nicht Unrecht zu thun geglaubt, Reisig's Vorlesungen über die lateinische Sprachwissenschaft herauszugeben, und ich hatte diese Absicht schon mehrere Jahre vorher, ehe ihre Ausführung durch besondere Veranlassungen beschleunigt wurde.

Es ist hier nicht der Ort, von Reisig's Verdiensten und Charakter im Allgemeinen zu reden; die Meinungen über ihn waren und sind nicht wenig verschieden; aber dies Eine, dünkt mich, kann in keiner Weise geleugnet werden, daß er als aka. demischer Lehrer einen eben so kräftigen als wohlthätigen Ein, fluß auf seine Schüler ausübte, und wenn je Einer, so verstand er es, nachhaltig anzuregen und durch sein eignes Beispiel zu frischer und freudiger Selbstthätigkeit hinzureißen. Es fehlte ihm nicht an der massenhaften Gelehrsamkeit, aber sie hatte für ihn nur einen untergeordneten. Werth, und er war weit ents fernt, seine Schüler auf dem langen, einförmigen Wege des leidenden Empfangens zu ihr zu führen; er besaß eine strenge Gründlichkeit, und war doch nicht pedantisch; er hielt auf das Einzelne und Kleine, und war doch nicht kleinlich; er entwickelte einen glänzenden Scharfinn, der ihn zuweilen von der einfachen Wahrheit abführte, und doch war er nicht eigentlich willkürlich, immer lehrreich, immer anziehend. Sein Vortrag hatte eine jugendliche Frische und Heiterkeit, ohne seiner Würde

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