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vertretungen (Provinzialtag u. dgl.), und in Spezialvolksvertretungen (das Laienelement neben dem gouvernementalen Element in verschiedenen Richtungen des Staatszwecks thätig);

3. die rechtlichen Normen der Ersehung des Staatshaupts in der Herrschaftsausübung: die autonome Korporation; die sich selbst verwaltenden Gemeinwesen; die Viceherrschaft;

4. die Objekte der Herrschaft und die rechtlichen Schranken der Herrschaft in Bezug auf die Objekte:

a) Personen, insbesondere Unterthanen des Staates 1), deren verfassungsmäßigen Rechte; die Gemeinden und das Gemeinderecht ; b) Sachen, insbesondere das Staatsgebiet.

5. die rechtlichen Garantien der Verfassung.

Mit der Betrachtung und rechtlichen Begrenzung der Thätigkeit der Staatsorgane beschäftigt sich das Verfassungsrecht in seinem Gegen. saße zum Verwaltungsrecht 2) nicht; aber der herrschende Sprach- und doktrinelle Gebrauch ist anders: der eine Teil der Staatsthätigkeit, die Gesetzgebung, wird im Verfassungsrechte rechtlich erörtert; es umfaßt das Verfassungsrecht (Staatsrecht im engeren Sinne) heutigem Gebrauche nach in der Betrachtung der Aufgaben der Organe die eine der Aufgabengruppen, nämlich die Gesezgebung - die Erklärung von Interessen des Staates als Rechtsgut mittels ausgesprochenen Rechtsgebots oder -verbots des näheren unter Feststellung der Requisiten des Gesezes; die Rechtsnormen für die andere Aufgabengruppe die Verwaltung im weitesten Sinne

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gehören dem Staatsrechte nur insoweit an, als sie zur Unterscheidung der Organe der Verwaltung gegenüber denen der Gesetzgebung und unter sich notwendig sind, oder Schranken im Interesse der verfassungsmäßigen Rechte von Personen bilden 3).

§ 45.
Das Verwaltungsrecht.

Die gesamte staatliche Thätigkeit wird, wie erwähnt 1), in Geseßgebung und Verwaltung unterschieden; beide Gruppen der Thätigkeit stehen unter der Herrschaft von Rechtsnormen; die für die Gesetzgebung bestehenden

1) Über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit mußten überall Rechtsnormen entscheiden, vgl. Emil Szanto, Das griechische Bürgerrecht, Freiburg i. B. 1892. Ueber deutsche Reichsangehörigkeit s. Reichsgeseze vom 1. Juni 1870 und 16. August 1896. (G.E.A. I, 1 [16]); 3orn, St.R., §§ 11-13.

2) S. oben § 14, G. 56, § 38, S. 133 ff, f. auch § 45 unten.

3) Vgl. Georg Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, S$ 1, 2. A. von Kirchenheim, Einführung in das Verwaltungsrecht, 1885, S. 3, 21 u. a. 4) Seite 133 ff., 144, 145.

Rechtsnormen werden, wie am Schlusse des vorigen § erwähnt ist, zum Verfassungsrechte gerechnet; das Verwaltungsrecht besteht demnach aus allen übrigen für die Staatsthätigkeit maßgebenden im öffentlichen Interesse gegebenen Rechtsnormen. Es sind diejenigen Rechtsnormen, welche sich nicht auf die Erklärung von Staatsinteressen als Rechtsinteressen unter Normenschuh, sondern auf die thatsächliche Durchführung der Interessen des Staates und des Volks in ihm beziehen.

In diesem Sinne umfaßt das Verwaltungsrecht die Rechtsnormen für die Durchführung eines jeden Staatshoheitsrechts, der Justizhoheit wie der Militärhoheit, der Finanzhoheit wie der Repräsentations- und Polizeihoheit. Übrigens muß hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Verwaltung des einzelnen Hoheitsrechts keineswegs nur von Rechtsnormen abhängt; nicht einmal die Justizhoheit wird rein nach Rechtsnormen gehandhabt, vielfach auch nach Zweckmäßigkeitserwägungen, technischen Erwägungen u. s. w. Lehtere wiegen vor in den übrigen Zweigen der Verwaltung 1). Dieser Umstand mag als mitmaßgebend für die Unterscheidung zwischen

a) Rechtspflege uud

b) Verwaltung im engeren Sinne die Durchführung der Staatshoheit außerhalb der Rechtspflege angesehen werden; wobei noch eine Verwaltung im engsten Sinne („innere Verwaltung“) die Durchfüh rung der sog. Polizei. und Verwaltungshoheit 2) allein unterschieden

werden kann.

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Das Verwaltungsrecht im Gegensaße zum Gesetzgebungsrecht ist der Inbegriff der Rechtsnormen, durch welche das staatliche Interesse an der thatsächlichen Vertretung der als dem Staate zustehend erkannten oder überhaupt von ihm zu fördernden Interessen, das staatliche AktionsHerrschaftsinteresse (abgesehen von der Gesetzgebung), rechtlich umgrenzt und dadurch geschüßt, gesichert, auch beschränkt wird. Die Schranken dieses Interesses sinden sich zum Teil im Verfassungsrecht in den ver fassungsmäßig garantierten Rechten der Staatsangehörigen insbesondere 3). 1) So kommen in der inneren Verwaltung (f. unten Anm. 3) namentlich die von der praktischen Nationalökonomie Volkswirthschaftspolitik aufgestellten Regeln

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sowohl gesetzgeberisch als erekutivisch zur Anwendung.

2) Soben § 37 B, 3iff. 4, S. 132.

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3) Statt weiterer Ausführungen über den Begriff „Verwaltung“ und „,Verwaltungsrecht" genüge an dieser Stelle die Verweisung auf eine propädeutische Schrift: A. v. Kirchenheim, Einführung in das Verwaltungsrecht. Nebst Grundriß. Stuttgart 1885. (Lehrreich für die Umgrenzung der hier erörterten Begriffe ist auch A. v. Kirchenheim's ,,Verwaltungsrechtspraktikum". Stuttgart 1883.) Die Verwaltungslehre s. in G. Schönberg's Handbuch der politischen Oekonomie, Bd. II, Tübingen 1882. Jnsbesondere dritter Theil: Verwaltungslehre“. Von Gustav Rümelin, Georg Meyer, Ludw. Jolly, Edgar Löning. 2. v. Stein, Die Verwaltungslehre, 1867-1869. Derselbe: Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1876. v. Inama-Sternegg, Verwaltungslehre in Umrissen, Jansbruck 1870.

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III. Kapitel.

Die Objekte der Staatsthätigkeit.

§ 46.

Staatshoheit und Staatsinteressen.

Die dem Staate charakteristische Thätigkeit ist das rechtlich unabhängige Herrschen; das Objekt dieser Thätigkeit ist die Vertretung der Staatsinteressen, durch welche die Erreichung des Staatszweckes im allgemeinen und der besonderen Staatszwecke angestrebt wird.

Die Staatsinteressen sind in den Elementen des öffentlichen Rechts (s. oben § 37 B. S. 132, 133) gegeben: der Staatszweck zeigt, daß jeder Staat ein Repräsentations-, ein Rechts., Wehr., Verwaltungs- und Finanz. interesse hat; damit sind die direkt auf die Erfüllung der Staatszwecke gerichteten Interessen genannt; indirekt dienen denselben Zwecken die Herrschaftsinteressen an dem Staatsbestande: das Gebiets-, Volks,, Sach. und Vertretungsinteresse (s. oben § 37 A. S. 131 ff.).

Die charakteristische Eigenschaft des staatlichen Herrschens ist die rechtliche Unabhängigkeit, die Staatshoheit. Mit dieser vertritt der Staat jedes seiner Zwecks- oder Hauptinteressen und jedes seiner Bestands- oder Hilfsinteressen und somit entspricht jedem dieser Interessen eine Staatshoheit: man spricht von Justizhoheit, Finanzhoheit u. s. w., von Gebietshoheit, Amtshoheit u. s. w.

In allen diesen Richtungen wird der Staat als Machtwesen, als thatsächlich herrschend aufgefaßt: der Staat ist aber zugleich ein Rechts. wesen), seine Herrschaft ist eine rechtliche: dies will zweierlei sagen: der Staat schränkt seinen eigenen Willen ein durch die Anerkennung der Rechtsidee und: der Staat benußt die Rechtsidee, um seinen Willen in der Herrschaft durchzusehen. In der ersteren Beziehung resultiert die Eingeschränktheit des staatlichen Wollens gegenüber den verfassungsmäßig anerkannten Interessen Anderer: durch diese Anerkennung von Interessen Anderer begrenzt sich der Staatswille, die Staatshoheit, auf ein rechtlich cirkumskribiertes Gebiet, seine Willkür wird aber dadurch selbst zum Recht

in derselben Weise, wie das Recht überhaupt (s. oben § 5 S. 16 ff.) und das Privatrecht insbesondere (j. oben § 15 S. 60) entsteht sie wird aus der Hoheit“ zum „Hoheitsrecht", man spricht z. B. von Finanz. hoheitsrecht und hat sich darunter die mit Rechtsschranken umgebene, durch

1) Das Rechtsbedürfnis und das Grundprinzip des menschlichen Denkens macht sich auch hier praktisch geltend, s. oben § 2 insbes. S. 2 und 3.

diese aber auch geschüßte Finanzhoheit des Staates zu denken. Die Rechts. schranken sind, wie überall, durch Gebote und Verbote aufgerichtet; solcher bedient sich aber auch der Staat, um seine Hoheit und seine Hoheiten praktisch durchzusehen, und so ist auch in der aktiven Richtung gegen andere Willenswesen und Interessenträger die Staatsherrschaft eine rechtliche.

§ 47.

Die staatsrechtlich geschüßten Haupt- und Hilfsintereffen des Staates im einzelnen.

Die staatsrechtlich geschüßten, d. H. die um des öffentlichen Gemeinwesens und seiner Herrschaft willen durch Gebote und Verbote umhegten Interessen des Staates sind:

A. Die Bestands. oder Hilfsinteressen:

1. Das Interesse an der Gebietsbeherrschung das Territorial. hoheitsrecht. Dieses Interesse wird als Hilfsinteresse bezeichnet und als solches rechtlich garantiert, um dem Staate die Ausübung der übrigen, insbesondere der Haupthoheitsrechte räumlich auf seinem Territorium unter Ausschließung aller fremdstaatlichen Eingriffe rechtlich zu er möglichen. Zum Zwecke der Beherrschung wird das Staatsgebiet in Teile (Provinzen, Kreise und dergl.) eingeteilt 1), zum Zwecke der Ausschließung fremder Mächte mit deutlich wahrnehmbaren, zum Teil befestigten Grenzen umzogen 2).

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das Hoheitsrecht

2. Das Interesse an der Personenbeherrschung der Volksbeherrschung; das Interesse der Leutebeherrschung besteht nicht bloß in Bezug auf die „Staatsangehörigen“, deren Eigenschaft als solche nach Erwerbs- und Verlustgründen rechtlich genau festzustellen ist3) und von denen die „Staatsbürger" einen Teil bilden, sondern auch in Bezug auf die nur in gewissen einzelnen Beziehungen mit dem Staate in rechtliche Berührung kommenden,,subditi secundum quid" genannten Ausländer (Forensen, dann die sich im Staatsgebiete nur aufhaltenden Fremden, soweit sie nicht völkerrechtlich eximiert sind, dann die de facto Unterthanen“ und die Schußgenossen). Kraft dieses Personenbeherrschungsinteresses, welches rechtlich garantiert das Hoheitsrecht der Volksbeherrschung

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1) Über geschichtlich begründete Gebietseinteilungen f. oben § 7, S. 32, Anm. 6. Über die Bedeutung der Hauptstadt vgl. Gareis, Allgem. Staatsrecht S. 139.

2) Man denke z. B. an die gewaltige Abgrenzung des Römerreichs gegen Germanien durch den limes.

3) Über Erwerbung und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit s. Reichsgeseze vom 1. Juni 1870 und vom 16. August 1896 (G.E.A. I, 1, 1a [16]).

ist, verlangt der Staat rechtlich die Erfüllung von Pflichten, die Leistung von Gehorsam insbesondere; leßterer hat sich vor allem auf die Erfüllung der geseßlichen Dienstpflichten1), unter welchen die Wehrpflicht 2) oben ansteht, zu erstrecken, dann aber auch auf die geseßlichen Lieferungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten 3). Aber der Rechtsidee, welcher auch das herrschende Gemeinwesen zu huldigen hat1), entspricht die Begrenzung aller jener Pflichten und damit die Begrenzung der Personenbeherrschungshoheit des Staates durchaus in der Richtung, daß die verpflichteten Personen als Träger eigener Interessen anerkannt und geschäßt werden auch von dem sie beherrschenden Staate: die rechtlich anerkannten Interessen der Unterthanen sind sowohl die privatrechtlichen Befugnisse derselben (s. oben §§ 17-36), als auch die sog. öffentlichen oder politischen Rechte des Einzelnen, Befugnisse, welche diesen um des Gemeinwesensinteresse willen vom Gemeinwesen gewährt und rechtlich garantiert sind, so die Amtsrechte, die öffentlichen Stimm- und Wahlrechte, auch die sog. Grund. oder Menschenrechte. In der Anerkennung einer Rechtssphäre eines eigene Interessen besißenden Wesens neben dem herr. schenden Gemeinwesen, in der Anerkennung der Persönlichkeit3) innerhalb des Staates und neben demselben — sei es die Persönlichkeit eines Einzelnen 6), einer privilegierten (z. B. adeligen) oder einer nicht privilegierten, sei es die Persönlichkeit eines Gemeinwesens, innerhalb des Staates, des Fiskus 7), der Kirchen 8), der Gemeinden 9), der Stiftungen 10) liegt das Wesentliche der rechtlichen Beschränkung des Staatswillens und die Möglichkeit der Auffassung des Staates als eines rechtlich herrschenden Gemeinwesens.

3. Das Interesse an der Güterbeherrschung das Hoheitsrecht über die Sachen. In die Ausübung dieses nicht mit der Finanzhoheit zu

1) Vgl. Gareis, Allg. Staatsrecht a. a. D. § 55.

2) Vgl. z. B. die deutschen Reichsgesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 19. November 1867 (G.E.A. VI, 1 [19]), vom 2. Mai 1874, 6. Mai 1880 (G E. A. I, 2 [44/51]), vom 11. März 1887 (G.C.A. I, 2a [44/51]), vom 11. Februar 1888 (G.E A. I, 10 [71]), vom 16. August 1896 (G.E.A. I, 2a [44/52]) u. f. w.

3) Gareis, Allg. Staatsrecht S. 149, 150.

4) S. unten § 48, insbes. S. 155 und die dort angeführten Verweisungen auf vorhergehende Stellen dieser Rechtsencyklopädie, und S. 159.

5) S. oben § 15, . 60-61.

6) Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896 § 1, durch welchen jede Art von Sklaverei ausgeschlossen ist.

7) S. oben § 15, S. 62.

8) S. oben S. 63 und unten § 57.

9) S. oben § 7, S. 31, auch § 15, S. 62.
10) S. oben § 15, S. 63.

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