Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

angesehen wird 1) hat sich hier ein väterliches Verwaltungsrecht gebildet, inhaltlich dessen der Hausvater das Vermögen eines Hausfindes bis zu dessen Emancipation zu verwalten befugt ist und zwar entweder soweit es sich um freies Sondergut des Kindes handelt 2) ohne Nießbrauchrecht des Vaters (über den Nießbrauch s. oben § 21 S. 91 f.), oder soweit es sich um sog. unfreies Vermögen handelt 3) — mit Nußnießungsrecht des Vaters.

§ 33.

3. Die vormundschaftliche Vermögensverwaltung.

[ocr errors]

3. Wie bereits erwähnt, ist unter den künstlichen Verwandschaftsverhältnissen die Vormundschaft im modernen Rechte ganz besonders in der Richtung auf die Vermögensverwaltung entwickelt (5. oben § 29 S. 114 und § 30 S. 117). Die Geseze unterscheiden eine Vormundschaft über Minderjährige 4), dann Vormundschaften über entmündigte Volljährige 5) und Pflegschaften über Personen, die, abgesehen von den Fällen der Vormundschaft, z. B. infolge geistiger oder förperlicher Gebrechen, einer besondern Unterstüßung und Vertretung in ihren Vermögensangelegenheiten bedürfen). Alle Vormundschaften und Pflegeschaften stehen unter der Aufsicht und Oberleitung der Staatsbehörden, in der Regel von Gerichten, den Vormundschaftsgerichten?), deren Thätigkeit als ein Stück der frei. willigen Gerichtsbarkeit 8) anzusehen ist. Dem Vormundschafsgerichte kommt die Bestellung des Vormundes, nötigenfalls auch eines Gegenvormundes 9) zu, die Abnahme der Vormundschaftsrechnung 1o) und die Genehmigung aller derjenigen Handlungen des Vormundes, welche von besonders weittragender Bedeutung für die Vermögenslage des Mündels 11) sind; überdies enthalten die Geseze selbst Grundsäße über die Art der Vermögensverwaltung und insbesondere der sicheren Anlage des Mündelguts, sogen. mündelsichere Kapitalanlage 12).

1) Stobbe, Deutsches Privatrecht, § 254, Bd. III, S. 343, 345. Litteratur s. auch Gareis, Grundriß, § 134, Anm. 1.

2) Vgl. B.G.B. §§ 1650, 1651.

3) B.G.B. § 1649.

4) B G.B. §§ 1773 ff.

5) B.G.B. §§ 1896 ff.

6) B.G.B. §§ 1909 ff.

[blocks in formation]

Bei der Beendigung der Vormundschaft hat der Vormund über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen und das verwaltete Vermögen herauszugeben, zur Kontrolle des Vormundes kann ein sogen. Gegenvormund zur Unterstüßung des Vormundschaftsgerichts ein Familienrat bestellt sein.

Die Vormundschaft über Minderjährige endigt selbstverständlich mit der Erreichung der Volljährigkeit d. i. der Vollendung des 21. Lebensjahres des Mündels, die über Volljährige dann, wenn ihr Grund, nämlich die Entmündigung, wegfällt.

Nach dem deutschen Reichsrechte kann ein Volljähriger entmündigt werden, wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Verschwendung und Trünksucht nach Maßgabe näherer Bestimmung der Geseze 1).

VI. Kapitel.

Das Erbrecht.

§ 34.

Das Erbrecht im allgemeinen 2).

Das Erbrecht ist der Inbegriff derjenigen Rechtsfäße, durch welche die Frage beantwortet wird: welchen Einfluß hat rechtlich der Tod einer physischen Person auf die von dieser bei Lebzeiten beherrschte Rechtssphäre ? 3)

Die nächste Folge des Todes, die einfache von keiner Rechtsordnung umzustoßende Antwort auf diese Frage ist die: Der Tote hört auf be rechtigt zu sein, nur der Lebende hat Recht 4); der Tote hat keine Interessen des Lebens mehr, daher auch keinen Rechtsschuß mehr nötig in Bezug auf seine äußern Beziehungen zu den Menschen und den Gemeinwesen. Hiernach wäre zu folgern: Das Eigentum (§ 20) des Toten ist herrenlos, res nullius, seine jura in re aliena (§ 21) sind subjektlos und daher hinfällig; seine Individualitätsrechte (§ 17, 18) sind ihm interesselos geworden, er kann sie nicht mehr gebrauchen; was er schuldete (§ 22 ff.), kann er nicht mehr erfüllen, was ihm geschuldet wird, kann ihm nicht mehr erfüllt werden, es fehlt ihm auch hieran das Interesse; seine Ehe (§§ 25, 31) ist beendet, keine Familiengewalt (§§ 27, 32) mehr kann er üben.

[blocks in formation]

5) Vgl. oben § 16a a. E. (S. 67, 68).

Salkowski Jnstitut. § 173 ff. Dahn,

4) Dem wirklichen Tode wird der vermutete Tod, der bei Todeserklärung (V.G.B. §§ 13-20) angenommen wird, bis zu einem gewissen Grade gleichgeachtet.

Gewiß sind diese Rechtsverneinungen Folgen des Ablebens, aber sie sind doch nicht so weitgehend, daß sie Geschehenes ungeschehen machen könnten; und so bleiben denn vor allem die familienrechtlichen Thatsachen: daß der Vater das Kind gezeugt, die Mutter es geboren, wahr, auch wenn der Tod eingegriffen hat; es bleibt die Familie und das Familienband wird auch durch den Tod nicht gelöst; diese Vorstellung reicht so weit, daß sogar die Wiederverheiratung des verwittweten Gatten als rechtswidrig angesehen wurde.

Das Verbot der bigamia successiva, die poenae secundarum nuptiarum, die Witwenverbrennung, im gewissen Sinne auch die altjüdische Pflichtehe_des Bruders des verheirateten Toten mögen als Erweise jener Vorstellung von der Fortdauer des Familienbandes gelten.

Mit diesen auf das Rechtsgebiet einwirkenden Vorstellungen, welche wesentlich von religiösen Ideen getragen sind, verbinden sich die uralten Vorstellungen vom Familieneigentume1), welche bewirken, daß das Eigentum, welches dem Verstorbenen bei Lebzeiten zustand, nach dessen Tode in der Familie verbleibt, von Rechtswegen an den nächsten Verwandten kommt, von diesem geerbt wird; so heißt das wichtigste Eigentum bei den Deutschen, das Grundeigentum, eben weil es ererbt ist und wieder vererbt wird, das Erbe, und man begegnet in den älteren deutschen Rechten der Vorstellung, daß das Erbe dem Rechtsnachfolger des Verstorbenen so zufällt und derart in dessen Besit gelangt, als hätte der Tote es ihm selbst und unmittelbar ohne des Nachfolgers Zuthun in die Hand gegeben (der Tote erbt den Lebendigen, le mort saisit le vif). Das Grundeigentum wird demnach nicht herrenlos durch den Tod seines bis. herigen Herrn, sondern geht an die Verwandten („,,es bleibt in der Familie“); fehlt es an einem Verwandten, so macht sich die noch ältere Vorstufe des Sondereigens, das Gemeindeeigentum2) geltend, das herrenlose Grundeigentum fällt zurück an das Gemeinwesen oder an dessen Haupt. Aber uralte Rechte gestatten schon, daß an Stelle der nicht vorhandenen wirklichen (natürlichen) Verwandten künstliche Verwandte" treten, Personen, deren Verwandtschaft durch einen Rechtsaft vor der Gemeinde oder deren Vertretern künstlich herbeigeführt und fingiert wird (deutschrechtlich: adoptio in hereditatem, römischrechtlich: die Testamentszeugen als Vertreter des römischen Volkes aufgefaßt). Dieser Rechtsakt, die künstliche Schaffung von Erben, wurde um so bedeutungsvoller und wichtiger, je mehr das Grundeigentum aufhörte, die Haupt- oder gar die alleinige Masse des Vermögens zu bilden, je mehr neben die Naturalwirtschaft die Geld- und Kreditwirtschaft trat; leztere war schlechterdings unmöglich, wenn der Tod

1) Vgl. oben § 20, S. 84, 88.

2) Vgl. oben § 20, S. 84 ff.

"

die Rückzahlungsverbindlichkeit und damit von vornherein jeden Kredit der von ihm stets bedrohten Menschen zerstörte oder den Gläubigeranspruch mit der Person des Gläubigers verschwinden ließ.

So kommt es, daß bei jedem Volke, welches bis zur Geld- und Kreditwirtschaft gelangt ist, die Vermögensintereffen des Verstorbenen diesen in ihrer juristischen Gestalt überleben: sie bleiben als rechtlich geschüßte Interessen bestehen und wechseln nur den Interessenten; es treten demnach die vorhin erwähnten Rechtsverneinungen nicht ein, sondern es gehen die Rechte, aber auch die Verbindlichkeiten des Verstorbenen über auf einen Rechtsnachfolger (neuen Interessenten, Successor), soweit diese Rechte und Verbindlichkeiten sich nicht geradezu an die von dem Tode entrissene Persönlichkeit des defunctus fnüpfen, wie z. B. höchst persönliche Klagerechte, oder Deliktschulden, die nicht in bloßem Ersaße von Vermögen, sondern in Strafschulden bestehen und dergl.

Von einer gewissen, spätestens mit der Kreditwirtschaft beginnenden Kulturhöhe an anerkennen und garantieren die Rechtsordnungen demnach ein Successionsinteresse, das Interesse des zur Nachfolge (Succession) in das Vermögen des Verstorbenen berufenen wirklichen Verwandten oder als Verwandten fingierten anderweiten - extraneus - Successors.

Zu dieser Anerkennung des Successionsinteresses gelangten die Rechtsordnungen von verschiedenen Standpunkten aus; bald ist es das anerkannte Familieninteresse1) (Nachwirkung des Familieneigentums), bald die Konsequenz eines auf Erhaltung des Rechtsfriedens gerichteten Gemeinwesensinteresse, welches dem Kampfe um herrenlose Güter widerstrebt 2), den Kredit über den Tod des Gläubigers und des Schuldners in Verkehrsobligationen zu sichern3) und den Erwerbstrieb sowie den Sparsinn aller Gemeinwesensmitglieder zu fördern bestrebt ist. In der Verwirklichung dieser Tendenzen liegt die kulturelle Bedeutung des Erbrechts, in der von sozia listischer) Seite angestrebten Aufhebung oder wesentlichen Einschränkung des Erbrechts aber liegt die Gefahr, von der mittels des Erbrechts erreichten Kulturhöhe wieder herabzusinken; damit ist nicht gesagt, daß nicht sowohl die natürliche Verwandtensuccession als auch die gewillkürte Erbfolge gesetzlichen Beschränkungen unterliegen könne und auch solle, erstere dem Grade nach, lettere der Masse nach. Die Einschränkung des Erbrechts der Masse nach wird zweckmäßig durch Erbschaftssteuern) bewirkt, welche das Interesse der Gemeinwesen ins Verhältnis zum Successionsinteresse seßen und ersteren in denjenigen Fällen prävalieren lassen, in denen der Gesetzgeber den Schuß des Successionsinteresses (namentlich eines extraneus successor) nicht mehr oder nicht mehr vollständig für nötig hält.

Das Successionsinteresse kann darauf gerichtet sein:

a) daß der Rechtsnachfolger Eigentümer einzelner Sachen des Verstorbenen, Inhaber einzelner Rechte, auch Träger einzelner Schulden desselben werde, daß mit anderen Worten nur einzelne Interessen, welche

[blocks in formation]

bisher zu gunsten des nun Toten geschüßt waren, von jezt an zu seinen, des Rechtsnachfolgers gunsten, geschüßt seien; oder

b) daß sämtliche (nicht rein persönliche) Interessen des Verstorbenen nun als Interessen des Rechtsnachfolgers dergestalt behandelt werden, als sei leßterer in die von dem ersteren verlassene ganze Rechtssphäre, wie sie ist, eingetreten und als seien alle Interessen des Toten nur ein einziges umfassendes Interesse, dieses aber nun Interesse des Rechtsnachfolgers geworden.

Dem ersteren Interesse (a) entspricht die Singularsuccession, successio in singulas res, Sondernachfolge, diese kann auch unter Lebenden vorkommen, ein Fall derselben ist dort z. B. die Cession (s. § 22 S. 97), auch die Tradition (f. § 20 S. 89). Das Successionsinteresse in dem zuletzt (unter b) erwähnten Sinne ist das Interesse an der Universal. succession, successio per universum jus defuncti, Gesamtnachfolge, ein echter (nach gemeinem in Deutschland geltenden Rechte der einzige) Fall einer Universalsuccession ist die Erbfolge in ein ganzes Vermögen, der erbrechtliche Eintritt in das gesamte Vermögen (Aktiv- und Passiv. vermögen) eines Verstorbenen,,,hereditas" 1); der Erbe, heres, tritt völlig ein in die durch den Tod leer gewordene Rechtssphäre (die höchst persön lichen Rechte und Pflichten des defunctus abgerechnet), er sett gewisser. maßen die Interessenträgerschaft des Verstorbenen fort, und wird dementsprechend Eigentümer der Sachen desselben, Gläubiger der Forderungen, Schuldner der Schulden des Toten. Dieser Erfolg tritt nach römischem Rechte (in der Regel) nicht schon dann ein, wenn die Erbschaft deferiert („angetragen“ und „übertragen“ aus einem der Delationsgründe) ist, sondern erst dann, wenn dieselbe nach der Delation angetreten", die hereditas delata durch aditio (d. i. Erbschaftsantritt) acquiriert wurde, während nach deutschen und französischen Rechten schon der Anfall, die Delation der Erbschaft - ohne die aditioden völligen Eintritt in die Rechtssphäre des Vorgängers zur Folge hat2).

[ocr errors]

1) 1. 37 D. de acq. v. om. hered. (29, 2) (Pomponius): Heres in omne jus mortui, non tam singularum rerum dominium succedit, quum et ea, quae in nominibus sunt, ad heredem transeant. 1. 62 D. de reg. jur. (50, 17) (Julian): Hereditas nihil aliud est, quam successio in universum jus, quod defunctus habuerit so sagt auch das Deutsche B.G.B., daß das Vermögen der verstorbenen Person (die Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) übergehe, B.G.B. § 1922.

2) Möglich ist nach den neueren wie nach den älteren Rechten ein Ausschlagen der deferierten Erbschaft (repudiatio, beneficium abstinendi), sowie auch ein nur bedingtes Antreten (beneficium inventarii); auch nach dem Deutschen B.G.B. (§ 1942) geht die Erbschaft ohne Erbschaftsantritt ohne weiteres mit dem Erbfall, d. i. dem Tode des Erblassers auf den berufenen Erben über, unbeschadet des Rechtes, sie auszuschlagen. Der Erbe kann aber die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist (6 Wochen in der Regel) verstrichen ist oder er die Erbschaft ausdrücklich angenommen hat.

« PreviousContinue »