Page images
PDF
EPUB

mit den Produkten des Bodens angehäuft, und gegen eine Familie die sich emporgeschwungen, 20 andere bey jeder nur kurzen Stockung dem Mangel und Elend preisgegeben habe; daß es ferner in manchen Gegenden zur Verminderung der Taglöhner, zu Vernachlässigung des Ackerbaus, so wie des Flachs- und Hanfbaus beyge= tragen, auf die körperliche Beschaffenheit und Gesundheit des Volks äußerst schädlich eingewirkt, in moralischer Beziehung aber Ueppigkeit und Kleiderpracht bey den årmern Classen vermehrt habe, für die häusliche Erziehung, Unterricht und Kinderzucht verderblich sey, indem die Kinder vom 7ten oder Sten Jahre an ihren Eltern entzogen wurden und außer dem Bauinwollspinnen gar nichts anders mehr lernten; endlich daß seit der starken Ausdehnung des Fabrikwesens eine offenbare Verweichlichung und entschiedne Abneigung gegen jede mit körperlicher Anstrengung verbundne Arbeit eingerissen sey, so daß man in den östlichen Gegenden der Schweiz oft Mangel an den nothwendigsten Handwerkern leide, oder sich mit lauter Ausländern habe behelfen müssen.

Da nun aber das Uebel einmal da ist, und für den Unterhalt so vieler mehr oder weniger nahrungslosen Menschen gesorgt werden muß, so äußert der Verfasser am Ende seine Gedanken wie gegen das ohnehin verfal lende Baumwollengewerb andere Verdienst- Quellen ers öffnet werden könnten, die nicht von der Laune der Mode noch von der Willkühr auswärtiger Regierungen und von der Konkurrenz begünstigter Nebenbuhler abhängen. Dahin gehören die möglichste Erweiterung und Vervoll

-

kommnung des Ackerbaus, die Beförderung des Erdåpfelbaus und der Sommerfrüchte im gebirgigten Appenzellerland, des Flachs- und Hanfbaus und die Verbes serung der Schafzucht, Vermehrung des Handwerk standes der in den meisten Orten sehr unvollständig und größtentheils mit Ausländern und Fremden besezt ist Fabrikation so vielerley zum Hausgebrauch nöthiger wollener, leinener, gemischter und anderer Zeuge, wie solches im Canton Bern geschehe Einführung der Seidenzucht in den milderen Gegenden der Schweiz, wozu eben die auswärtigen Verbote den größten Reiß geben. Ferner die sorgfältigere Benußung der Waldungen und des Bergbaus die Anlegung von Glashütten, an denen es der östlichen Schweiz gänzlich fehle, u. f. w. Weil aber diese Maasregeln, besonders Anfangs, nicht hinreichend seyn möchten, um jeder dringenden Noth Einhalt zu thun, so müsse freylich durch Allmosen und fluge Hülfsleistungen nachgeholfen werden. Habe die Schweiz unter den ungünstigsten Umstånden, unter der Stockung aller Gewerbe und aller Zufuhr von außen fremde Armeen Jahre lang erhalten können, so werde es wohl auch möglich seyn eine weit kleinere Last eine Zeit lang zu tragen, um sich allmählich aus der Verlegenheit zu reiffen. Endlich sey auch das obschon gezwungene Zurückkommen zu größerer Sparsamkeit, Mäßigkeit und Einfachheit als kein so unerträgliches Unglück zu betrachten, daß man darüber muthlos werden, oder sich zu Schritten verleiten lassen sollte, die noch größeres herbeyführen würden. Beyläufig wird auch das so leichtsinnig angenommene Vorurtheil widerlegt, daß die Schweiz nur die Hälfte oder 2/3 des benöthigten Korns baue, und aus

Thatsachen bewiesen, daß jede gehetkmitë Zufuhr am Ende zu unserem größten Nußen ausschlug. Die Ausländer mögen also nur sperren so viel sie wollen: fie schaden sich selbst, uns aber zwingen fie nur zu mehrerer Industrie und machen uns dadurch immer unabhängiger. Der unbekannte bescheidene Verfasser hat sich durch diese schöne Schrift gewiß ein wahres Verdienst um das Vaterland erworben. Er schließt mit der gol, denen Regel die unseren Våtern unüberwindliche Kraft gegen alle Schwierigkeiten gab: Genügsamkeit mit möglichst wenigem, Geschick zu möglichst vie lem, und Entschlossenheit zu allem.

Geschichte des Rheinthals, nebst einer topographisch-statistischen Beschreibung dieses Landes. Mit einer Karte und Prospekten. St. Gallen 1805. . 283. 8.

Die Geschichte eines Landes, welches nie einer eigenen Existenz genossen hatte, kann freylich weder thatenreich noch von großem Interesse seyn; sie muß sich natürlicher Weise nur auf die Erzählung von demjenigen beschränken, was sich in diesem Lande merkwürdiges zugetragen hat. Daher ist auch diese übrigens mit Kürze, Deutlichkeit und Bescheidenheit abgefaßte Schrift eis gentlich nur eine Art von Chronik, die aber dem schweizerschen Historiker um so angenehmer seyn wird, als bisher über das Rheinthal insbesondere noch nichts

erschienen war. Nach einer kurzen Einleitung über den Ursprung seiner Einwohner, welchen der Verfasser wie den der Rhåtier, von ausgewanderten Hetruskern. Herlcitet, zeigt er wie das Rheinthal 478 Jahr lang von den Römern besessen, dann im Jahr 493 von den OstGothen erobert worden, und im Jahr 523 unter fråntische Herrschaft gekommen, von welchem Zeitpunkt an fich die Einführung des Lehen-Systems datirt, welches dem Rheinhal seine eigenen im Lande selbst angesessenen oder doch nahe gelegenen Herren verschaffte, die bald ærblich und späterhin wegen der Fehden ihrer Häupter unabhängig wurden. Der Verfasser fällt hier in eine Art von Widerspruch, indem er diesem Lehen - System, nach der bisher üblichen Ansicht, die Herabwürdigung der Menschheit, die Einführung der Leibeigenschaft u. s. w. zuschreibt, und dann doch wieder gestehen muß, daß von dem nemlichen Zeitpunkt an der Wohlstand des Landes zugenommen habe, Reben gepflanzt wurden und immer mehr Leute sich auf den Höfen der Edlen (d. h. der freyen Land - Eigenthümer) ansiedelten, daß ferner immer mehr Leibeigene befreyt wurden und selbst die Anarchie unter den mächtigen Herren, den Stand der Bauern begünstigte. Die Leibeigenschaft war nichts anders als die Dienstbarkeit gegen Benußung eines zugestandenen Grundes und die Verbindlichkeit nicht ohne Einwilligung ihres Herrn aus dem Lande wegzugehen. Mißbrauch der Gewalt ist freylich oft damit verbunden gewesen, obgleich er durch die christliche Religion gemildert wurde, denn wo ist dieser Mißbrauch je von der Macht zu trennen? Aber werden die Rheinthaler et wa glücklicher und freyer gewesen seyn, als sie von römis

schen Präfekten, von geldgierigen Soldaten beherrschet und ausgesogen, und am Ende den Verheerungen jeder fremden Horde preisgegeben waren? Haben die römis schen großen Herren etwa weniger Sklaven und Leibeigene gehabt? Wird man die Bewohner des Landes weniger zu Frohndiensten angehalten, zum Bau des Landes gezwungen und zu Rekruten ausgehoben haben? Was glänzte dann in dem weiten römischen Reiche als das unermeßliche Rom, die Verschlingerin der Welt, und war nicht alles übrige in Dunkel gestellt und zu der hårtesten Dienstbarkeit bestimmt? Nein, laßt uns dem Gang der Natur danken, der durch Einführung des Lehen-Systems wieder so viele unabhängige Grund- Eigenthümer und väterliche Fürsten schuf. Auch zeugt es sehr für den Freyheits-Sinn der deutschen Völker, daß selbst die größeren Herren nicht unbeschränkt über ihre Vasallen herrschen wollten, sondern die einzelnen Edlen ihnen nur zu Kriegsdiensten verpflichtet waren. Ein jeder von diesen lehteren schüßte die Seinigen indem er sich selbst schüßte, das Geld floß nicht aus dem Lande, und so ist es begreiflich wie aus den Zeiten der greulichsten Verheerungen die Länder sich emporhe ben und überall schöne Städte und Dörfer sich bilden konnten.

Diese kurzen Bemerkungen mögen zur Berichtis gung eines noch sehr allgemeinen Vorurtheiles dienen, und nun sehen wir mit dem Verfasser den Faden der Rheinthalischen Geschichte fort. Nach den Grafen von Werdenberg, welche die ersten Besitzer des Landes waren, wechselte das Rheinthal theils durch Eroberung,

theils

« PreviousContinue »