Page images
PDF
EPUB

schon dasselbe mit andern Worten enthalte". So erklärt es sich denn freilich sehr natürlich, daß wirklich fast überall, wo ein ausgeführtes Lehrbuch zu Grunde gelegt wird, die wesentliche Thätigkeit des Lehrers nur darauf gerichtet ist, in aller Breite spezielle Auzführungen zu einzelnen Säßen dieses Lehrbuchs zu geben, namentlich), wenn dieselben bestritten sind; im Uebrigen aber, also gerade da, wo die Beihilfe des Lehrers ganz vorzüglich wünschenswerth wäre, wird der Zuhörer auf das Studium des Kompendiums verwiesen. So entsteht denn nicht sowohl eine Pandekten-Vorlesung, als vielmehr ein Vortrag über einzelne auserwählte Stücke der Pandekten, oder über jus civile controversum, ein Vortrag, der gewiß auch seinen Nußen hat, aber nur nicht den, welcher durch eine eigentliche Pandekten-Vorlesung erreicht werden soll.

In gewisser Weise muß ich daher die h. z. T、 sich immer mehr, namentlich auch unter jüngeren Dozenten, verbreitende Sitte, Vorträge nach einem blosen Grundrisse zu halten, für einen wahren Fortschritt in der Methode halten, denn nicht nur der Lehrer muß dann die Entwickelung des Ganzen zum wesentlichen Gegenstande der Vorlesung machen, sondern auch für die Zuhörer ist es ein un= abweisliches Bedürfniß, allen solchen Ausführungen mit vollster ungetheilter Aufmerksamkeit zu folgen. Sehr gewöhnlich fallen aber solche Vorträge in den umgekehrten Fehler, daß darin auch eben nichts weiter gegeben wird, als eine ziemlich allgemein gehaltene Entwicklung des Systems im Ganzen, wie es sich bei dem Lehrer gestaltet hat. Es muß aber eine Pandekten-Vorlesung, wenn sie ihren Zweck vollständig erreichen will, dem Zuhörer auch Untersuchungen vor Augen legen, die in das feinste Detail eingehen; denn dies wird nicht nur durch den numittelbaren praktischen Zweck einer solchen Vorlesung dringend erheischt, sondern es wird auch gerade durch solche Ausführungen ganz vorzüglich auf Erweckung und Belebung des juristischen Sinns der Zuhörer gewirkt, worauf um so mehr Rücksicht genommen werden muß, da man mit Recht die Pandekten-Vorlesung als die eigentliche Basis der juristischen Bildung betrachtet. Außerdem aber darf auch der Lehrer sich nicht blos auf die Entwickelung seiner individuellen Ansicht beschränken, sondern auch die abweichenden Meinungen Anderer haben Anspruch

auf Berücksichtigung. Eine detaillirte Dogmengeschichte in den Kreis der Pandekten-Vorlesung zu ziehen, ist freilich unmöglich; aber gewiß mit Recht wird an den, die Universität verlassenden, Juristen die Anforderung gemacht, daß er mit dem jezigen Stande der Wissenschaft vertraut, und ihm wenigstens die bedeutenderen Streitfragen unserer Zeit, nicht blos dem Namen, sondern auch ihren wesentlichen Gründen nach, nicht fremd seien.

Diesen lezteren Ansprüchen an eine Pandekten-Vorlesung genügt nun, wie gesagt, ein Vortrag nach einem blosen Grundrisse wohl niemals, und es ist dies freilich auch nicht anders möglich, wenn die einer akademischen Vorlesung angewiesenen Zeitgrenzen nicht weit überschritten werden sollen. Sehr passend wird nun meines Erachtens diesem Mangel dadurch begegnet, daß mit einem solchen Grundriß eine größere Zahl spezieller Ausführungen verbunden, und dabei auch namentlich auf die abweichenden Meinungen Anderer die entsprechende Rücksicht genommen wird. Zwar muß der Lehrer die meisten so besprochenen Punkte doch auch wieder in seinen mündlichen Vorträgen berühren; aber es fällt in die Augen, daß dieses in einer sehr viel weniger Zeit raubenden, und doch mehr geeigneten Weise geschehen kann, als wenn erst das ganze weitschichtige Material den Zuhörern punktenweise mitgetheilt werden müßte.

In diesem Sinne nun ist der vorliegende Grundriß ausgearbeitet, der sich von den bisherigen Hilfsmitteln für PandektenVorlesungen namentlich durch die sehr beträchtliche Anzahl mehr oder weniger ausführlicher Anmerkungen unterscheidet. Gerade diese wesentliche Verschiedenheit in der ganzen Anlage gab mir auch den Muth zur Veröffentlichung desselben; denn ich durfte mich der Hoffnung hingeben, daß ein Buch, nach diesem Plan ausgearbeitet, nicht blos meinen individuellen Bedürfnissen für meine Vorlesungen entsprechen, sondern auch in einem größeren Kreise nüßlich sein würde. Namentlich glaubte ich mir den Dank tüchtiger Praktiker zu verdienen, wenn ich ihnen in gedrängter Kürze eine kritische Darstellung neuerer Untersuchungen über eine bedeutende Zahl zivilistischer Rechtsfragen darböte.

Ob die Ausführung dieses Planes wirklich nicht ganz unge= nügend, und ob durch meine Arbeit auch die Wissenschaft gefördert

sei? darüber erwarte ich das Urtheil kompetenter Richter. Wenigstens beabsichtigte ich nicht Materialien blos zu kompiliren, sondern meine Aufgabe war es, dieselben auch kritisch zu sichten. Dadurch haben nun viele Ausführungen einen polemischen Anstrich erhalten, der Manchem für ein Buch, was hauptsächlich auch zum Gebrauche bei Vorlesungen bestimmt ist, nicht ganz passend erscheinen möchte. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Eine Polemik, wie sie hier allein vorkommt, die durchaus nur die Sache, nicht die Person in's Auge faßt, kann meines Erachtens niemals gehässig sein, und sie hat auch auf Studirende gewiß nur den erfreulichen Einfluß, daß sie dadurch zu eigenem schärferen Prüfen angeregt werden. Nur an einigen wenigen Stellen kommen scheinbar harte Aeußerungen vor; aber dieselben sind gegen einige neuere und neueste Erscheinungen der zivilistischen Literatur gerichtet, die mit der dünkelhaftesten Anmaßung eine so unglaubliche Absurdität verbinden, daß jeder Urtheilsfähige meine Aeußerungen darüber für höchst glimpflich und mäßig halten muß. Bei dergleichen Produkten kann gar nicht von einer wissen= schaftlichen Polemik, sondern nur davon die Rede sein, daß man sie, wie sie verdienen, öffentlich an den Pranger stelle.

Marburg, im August 1838.

Der Verfaffer.

Vorrede zur sechsten Auflage.

Die Die lange Zeit, die von dem Erscheinen der ersten Lieferungen dieses Werkes an bis zur gänzlichen Beendigung desselben verflossen ist, brachte es mit sich, daß schon vor dessen Vollendung mehrere neue Auflagen nöthig wurden. Wollte ich nicht die Beendigung des Ganzen in unbestimmte Ferne hinausrücken, so mußte ich während dieser Zeit auf eine neue Bearbeitung der früher erschienenen Theile verzichten, und so waren denn die neuen Auflagen nichts als blose Abdrücke, wie auch in den kurzen Bevorwortungen derselben bemerkt worden ist. Gewiß hat Niemand das Bedürfniß einer gründlichen Revision tiefer empfunden, als ich selbst, und nur der sehr natürliche und durch die Rücksicht auf meine Vorlesungen mir besonders nahe gelegte Wunsch, möglichst bald das ganze Werk zu vollenden, konnte mich dazu bestimmen, in die öfter wiederholte Veranstaltung solcher unveränderter Abdrücke einzuwilligen. Worauf ich bisher mit wahrem Leidwesen verzichten mußte, das habe ich nun in der gegenwärtigen Auflage, deren Anfang ich hier dem juristischen Publikum vorlege, mit redlichem Eifer nachgeholt, und ich darf dieselbe wohl mit vollster Berechtigung eine wesentlich verbesserte und vermehrte nennen. Wenn auch der Plan des Buchs im Ganzen völlig unverändert geblieben ist, so wird doch der flüchtigste Blick auf jedem einzelnen Blatte die bessernde und nachhelfende Hand leicht erkennen, nicht blos darin, daß zahlreiche neue Ausführungen hinzugekommen sind, sondern vorzüglich auch darin, daß wohl keine einzige aus den früheren Auflagen herübergenommene

Darstellung ohne mehr oder weniger wesentliche Vervollständigung und Berichtigung geblieben ist; und in welchem Umfange solche neue Zusätze gemacht sind, kann schon daraus ermessen werden, daß allein in dieser ersten Abtheilung des ersten Bandes die Seitenzahl von 300 auf 435 gestiegen ist. Wenn übrigens viele dieser Zusäße den Charakter der Abwehr gegen erhobenen Widerspruch an sich tragen, so wird der unpartheiische Beurtheiler darin gewiß keine eitle Rechthaberei erblicken; ich habe an zahlreichen Stellen dieser neuen Bearbeitung thatsächlich bewiesen, daß ich mich keiner bessern Einsicht eigensinnig verschließe, und daß ich begründeten Tadel wohl zu schätzen weiß; wo ich ihn abwehre, da ist dies lediglich der Ausdruck meiner wissenschaftlichen Ueberzeugung, welche aufzuopfern ich freilich selbst den Koryphäen unsrer Wissenschaft gegenüber nicht gesonnen bin. Heidelberg, im November 1850.

v. Vangerow.

« PreviousContinue »