Page images
PDF
EPUB

Erftes Kapitel.

Vom Eigenthum.

Inst. II. 1. de rerum divisione §. 11-47; Dig. XLI. 1. de acquirendo rerum dominio. Westphal, Arten der Sachen S. 261 fgg.; Gesterding, ausführliche Darstellung der Lehre vom Eigenthum und solchen Rechten, die ihm nahe kommen. Greifsw. 1817. S. 1-405; Pütter, die Lehre vom Eigenthum nach deutschen Rechten. Berlin 1831; Schmid, Handbuch des gem. deutschen bürgerl. Rechts. Bes. Theil. Bd. I. S. 1 fgg.; Sell, röm. Lehre der dingl. Rechte oder Sachenrechte; Bd. I. röm. Lehre des Eigenthums. Bonn 1852; Pellat, sur la proprieté. Par. 1853; Pagenstecher, die röm. Lehre vom Eigenthum in ihrer modernen Anwendbarkeit, Abth. I. (Begriff und geseyl. Beschränkungen). Heidelberg 1857, Abth. II. (Erwerb und Verlust des Eigenth.) 1858, Abth. III. (Rechtsschutz des Eigenthums) 1859. Vgl. auch Leist, über die Natur des Eigenthums (Zivilistische Studien auf dem Gebiete dogmat. Analyse. Heft 3). Jena 1859.

I. Rechtliche Natur des Eigenthums.

A. Begriff.

S. 295.

Paul. 1. 25. pr. de V. S.: Recte dicimus, eum fundum totum nostrum esse, etiam quum ususfructus alienus est, quia ususfructus non dominii pars, sed servitutis est, ut via et iter; nec falso dici, totum meum esse, cujus non potest ulla pars dici alterius esse; hoc et Julianus, et est verius.

[ocr errors]

Anm. 1. Früherhin war es sehr gewöhnlich, die Rechte des Eigenthums in Proprietäts- und in Nußungs - Nechte einzutheilen, und die Veranlassung hierzu lag freilich in den Geseßen selbst, indem da das Eigenthum nach Abzug des Ususfruktus unter dem Namen der nuda proprietas im Gegensaß der plena proprietas vorkommt, §. 4. J. de usufr. (2, 4), 1. 2. pr. quib. mod. usufr. (7, 4), aber zu mißbilligen ist es, wenn man hiermit auch den weitern Gedanken verband, daß die s. g. Proprietäts-Nechte auch den wesentlichen Begriff des Eigenthums ausmachten, während die s. g. Nußungsrechte unbeschadet dieses Begriffs fehlen könnten; s. dagegen auch v. Löhr in seinem Magazin III. S. 483 fgg. Man muß vielmehr offenbar davon ausgehen, daß keins der materiellen Rechte des Eigenthums das Necht, auf die Substanz der Sache einzuwirken, nicht ausgenommen zum Begriff des dominium in der Art wesentlich ist, daß dieselben zu jeder Zeit vorhanden sein müßten, denn jedes derselben kann temporär fehlen, ohne daß man aufhört, Eigenthümer zu sein; sondern das dominium besteht nur in der rechtlichen Möglichkeit, alle an einer körperlichen Sache denkbaren Befugnisse auszuüben, im Falle keine besonderen Schranken gesezt sind. Es ist also an sich unbeschränkt, und besteht in der Totalität aller an einer Sache denkbaren Befugnisse; aber es duldet Beschränkungen, und es ist, wenn dieselben auch noch so weit gehn, immer noch Eigenthum, wenn nur die rechtliche Möglichkeit bleibt, daß jene Unbeschränktheit von selbst wieder eintritt, sofern die gezogenen Schranken hinwegfallen; ein Gedanke, den man alleufalls auch mit Wirth, Beiträge zur Systematik des röm. Zivilr. Erl. 1856. S. 28 fgg. so ausdrücken kann, daß das Wesen des Eigenthums nicht sowohl in der Herrschaft über die Sache, als vielmehr in einem rechtlichen Pertinenz-Verhältniß der Sache bestehe, und die totale Herrschaft über die Sache nur ein naturale dominii sei, welches auch einmal fehlen kann, ohne daß das Wesen des Eigenthums dadurch verlegt wird; vgl. auch Böcking, Pand. II. §. 134, Arndts §. 130, Pagenstecher a. a. D. S. 3 fgg., Girtanner in Jhering's Jahrbb. III. S. 67 fgg. 83 fgg. (dessen neue Begriffsbestimmung: „Eigenthum ist das Necht an der Bestimmung der Sache“ freilich Wenige befriedigen dürfte), Leist a. a. D. S. 52 fgg., Windscheid, Lehrb. des PandektenRechts. Bd. I. Düsseld. 1862. §. 167. Aus dem Gesagten ergibt sich leicht der Unterschied zwischen dominium und jus in re aliena. Das leptere ist seinem Begriffe nach beschränkt, der Inhaber hat immer nur einzelne bestimmte Befug= nisse; und mögen diese auch noch so ausgedehnt sein, so kann doch sein Recht nie und unter keiner Voraussetzung unbegrenzt werden, wenn es sich nicht in Eigenthum umwandeln soll. Das dominium dagegen ist seinem Begriffe nach unbeschränkt, und wenn die materiellen Befugnisse des Inhabers auch noch so sehr begrenzt sind, so sind diese Grenzen doch immer nur temporär, und es bleibt stets die Möglichkeit, daß die ursprüngliche Unbeschränktheit wiederkehrt.

Anm. 2. Wenn auch das in bonis esse (oder, wie die Neuern gewöhnlich, auf die Auktorität des Theophilus, sagen: das bonitarische Eigenthum), im Gegensatz des dominium ex jure Quiritium, in der Justinianischen Gesetzgebung nicht mehr vorkommt, so ist doch die Kenntniß davon für die Einsicht in das

römische Recht so wichtig, daß dasselbe auch in dogmatischen Vorlesungen nicht ganz übergangen werden darf.

1) Was das eigentliche Wesen desselben anbelangt, so hat insbesondere Zimmern in einer eigenen Abhandlung im Rhein. Mus. III. No. 19, den Eigenthums-Charakter desselben ganz geleugnet, indem er darin nur einen geschüßten Besit sehen will. Die Römer hätten zwar allerdings ein duplex dominium anerkannt, aber diese Unterscheidung sei nicht auf bonitarisches und quiritarisches Eigenthum gegangen, sondern auf das nudum jus Quiritium und das dominium ex utroque jure. Alles dieses sell nun theils aus Gai. I. 54. und II. 40. hervorgehen, theils daraus, daß sich bei den klassischen Juristen da, wo erweislich nur ein in bonis entstanden sei, nie die Ausdrücke: meum, nostrum, ejus est fänden. Offenbar sprechen jedoch die von Zimmern für fich angeführten Stellen geradezu gegen seine Meinung, und wenn es namentlich in der ersteren heißt: ita demum servum in potestate domini esse dicemus, si in ejus bonis sit, so wird ja hier so bestimmt, wie nur möglich gerade der, welcher blos das in bonis über den Sklaven hat, dominus genannt. Eben so nennt ihn Justinian in 1. un. C. de nudo jure Quirit. toll. (7, 25) und Theophilus ad §. ult. J. de libert. spricht ganz bestimmt von einer φυσικη δεσποτεία από einem δεσποτης βονιτάριος; υgί. and nod) 1. 26. §. 6. i. f. de noxal. act. (9, 4), l. 1. de bon. poss. (37, 1), l. 7. §. 1. de usufr. (7, 1), l. 15. §. 16. 17. 33. de damno inf. (39, 2), in welchen Stellen sehr bestimmt der Ausdruck dominus und dominium in Verhältnissen gebraucht wird, in denen, wie gleich näher zu zeigen ist, nur das in bonis entstand. Bei solchen klaren Quellen-Aussprüchen würde der negative Beweis, den Zimmern zu führen sucht, jeden Falls unbedeutend sein, aber er fällt ganz zusammen, da Gaius, wie Ulpian an mehreren Stellen von dem bonitarischen Eigenthümer die Ausdrücke: meum, tuum, nostrum gebrauchen, Gai. I. 167, II. 41; Ulp. XXII. 8; vgl. Mayer, über das duplex dominium des römischen Rechts; in Zeitschrift für gesch. Nw. VIII. S. 2 fgg.; Unterholzner im Rhein. Mus. V. S. 1 fgg., meine Schrift über die Lat. Jun. S. 70 fgg. Gewiß also war das in bonis wahres Eigenthum, und zwar wohl ohne Zweifel peregrinisches, d. h. aus dem jus gentium entlehntes Eigenthum, im Gegensaß des quiritarischen, welches nur bei Römern, oder solchen Richtrömern, denen das commercium ertheilt war, vorkam. Die abweichenden Ansichten von Unterholzner, Verjährungslehre I. S. 106 fgg., wornach auch bei den Peregrinen allgemein quiritarisches Eigenthum vorgekommen sei, und von Reinhardt, die usuc. und praescr. des röm. Rechts. S. 40, wornach umgekehrt bei Peregrinen auch nicht einmal das bonitarische Eigenthum habe vorkommen können, sind ganz grundlos, und bedürfen keiner Widerlegung, vgl. meine angef. Schrift S. 72 fgg

2) Es charakterisirt sich nun aber dieses, wohl erst gegen Ende der Republik denn früher gab es unter den Römern nur ein Eigenthum, nämlich das dominium ex jure Quiritium, Gai. II. 40. — aus dem jus gentium auch bei den Römern rezipirte Eigenthum im Wesentlichen dadurch, daß der Inhaber desselben den Genuß aller materiellen Gerechtsame des vollen Eigenthums, namentlich das vollste jus utendi et fruendi, so wie die Befugniß hat, über die

Substanz der Sache zu verfügen, und dieselbe durch Usukapion in sein volles quiritarisches Eigenthum zu bringen, Gai. II. 41. 204. In Beziehung auf Sklaven hat namentlich der bonitarische Eigenthümer allein die Potestas, Gai. I54. und das davon abhängende Necht des vollen Erwerbes von Allem, was der Sflave erwirbt, Gai. II. 88. vgl. mit III. 166; Ulp. XIX. 20. Ferner aber kann sich auch der, welchem das in bonis zusteht, gegen die rechtlich allerdings gegründete vindicatio dessen, welcher das nudum jus Quiritium hat, theils vermittelst der aktiv und passiv in rem gehenden exceptio rei venditae et traditae, rgl. Michelsen, de exc. rei vend. et trad. Berol. 1824, besonders pag. 21 fgg., und Zimmern a. a. D. S. 325 fgg., mit Mayer a. a. D. S. 35 fgg., theils vermittelst der exceptio doli schüßen, Gai. II. 129. Will er selbst klagen, so kann er zwar ohne Zweifel die actio Publiciana eben so wie der bonae fidei possessor gebrauchen ; aber daß diese Klage recht eigentlich für den bonitarischen Eigenthümer eingeführt worden sei, und dieser nur dieselbe und keine andere habe gebrauchen können, wie z. B. Michelsen p. 32 sqq., Zimmern S. 330 fgg., Puchta, Kurs. der Institut. II. §. 236. S. 600 fgg., Leist, bonor. poss. I. S. 278 fgg. und viele Andere annehmen, läßt sich gewiß nicht behaupten, denn dagegen spricht, abgesehen von anderen Gründen, schon die Fassung des, die Klage einführenden prätorischen Edikts, 1. 1. pr. de Publ. act. (6, 1), vgl. unten §. 335. Tert 1. Gewiß daz Wahrscheinlichste ist vielmehr, worauf Hugo schon in der 9ten Ng. S. 438 hindeutete (vgl. auch 10te Ausg. S. 480, 11te Ausg. S. 525.), daß der bonitarische Eigenthümer mit einer wahren vindicatio habe auftreten können, zwar gewiß nicht per legis actionem und per sponsionem, denn beide Arten find nur auf das dominium ex jure Quir. gerichtet, Gai. IV. 16. 93., aber wohl mit der formula petitoria, denn hier brauchte die intentio blos auf: res mea est, ohne den Zusaß ex jur. Quir. gerichtet zu werden, wie aus Gai. IV. 92. hervorgeht, und was auch nicht durch Gai. IV. 41. a. E. und Cic. in Verr. II. 12. widerlegt wird, denn, wenn hier Beispiele der formula petitoria mit dem Zusaß ex jure Quir. vorkommen, so beweist dies nur, daß eine solche Konzeption auch möglich, keineswegs aber, daß sie nothwendig war, vgl. bes. Mayer a. a. D. S. 15 fgg. Die vorzüglichsten Beschränkungen des bonitarischen Eigenthums aber sind, daß der Inhaber nicht per vindicationem legiren konnte, Gai. II. 196, Ulp. XXIV. 7, daß er durch Manumission den Sklaven nur zum Latinen, nicht zum römischen Bürger machte, und daß selbst dann, wenn durch gleichzeitige oder nachfolgende Manumission von Seiten des blos quiritarischen Eigenthümers der Sklave die Zivität erhielt, zwar wohl die reellen Vortheile des Patronats, nämlich die Beerbung, ihm zukamen, Gai. I. 167, nicht aber auch die Tutel, welche vielmehr nach ausdrücklicher Bestimmung der lex Junia an den vormaligen quiritarischen Eigenthümer fiel, Gai. cit., Ulp. XI. 19.

3) Was endlich die Entstehungsgründe des bonitarischen Eigenthums anbelangt, so fängt man h. z. T., gewiß mit vollem Rechte, immer mehr an, die Unhaltbarkeit der früher allgemein herrschenden Ansicht einzusehen, daß der Hauptunterschied zwischen den acquisitiones dominii civiles und naturales eben nur darin bestanden habe, daß blos die ersteren das quiritarische, die leßteren aber das bonitarische Eigenthum hervorgebracht hätten, vgl. darüber unten

« PreviousContinue »