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deutigen Ausdrucke beruhigen könnte. Vielmehr bedarf es der genauesten Untersuchung des gesammten uns von den Quellen gebotenen Materials, um bei diesem Institute wo möglich seinen ursprünglichen Kern und das im Verlaufe der Zeiten dazu Hinzugetretene auseinander zu legen.

3. Das Bedürfniß, auf historischem Wege das Verständniß des Instituts zu gewinnen, ist erst in der neueren Zeit, hier nun aber um so lebendiger hervorge treten. Die ältere Literatur unserer Lehre darf in dieser Hinsicht im großen Ganzen als werthlos bezeichnet werden, und die Charakterisirung und Benußung dieser älteren Literatur muß daher, abgesehen von dem gleich folgenden Ueberblicke, für einen späteren Ort, wo nach einer anderen Richtung hin ihre auch für die Gegenwart noch vorhandene Bedeutung darzulegen sein wird, aufgespart werden. Wie nothwendig es für die Wissenschaft sei, sich an dem Problem" der geschichtlichen Durchleuchtung unseres Instituts zu versuchen 4), dafür lie

4) Keller, Pandekten §. 458:,,So zuverlässig diese Be= deutung des Gegensatzes zwischen hereditas und bonorum possessio sich nun aber auch in den Schriften der classischen Juristen, wo wir denselben auf dem Gipfel seiner Entwicklung erblicken, abspiegelt, so irrig ist es dagegen, wenn man aus diesem Gedanken meistens nicht allein den Erfolg der bonorum possessio begrei= fen, sondern auch den Ursprung und die Veranlassung derselben ableiten wollte. Es ist dies historisch eben so falsch, als von dem Gesichtspunkte der Rechtsbildung unbegreiflich. Wir müssen vielmehr offen anerkennen, daß die Frage im Bisherigen noch ganz unbeantwortet sei, wie die Römer und ihre Prätoren dazu kamen, dieses Nad der bonorum possessio in das Getriebe ihres Erbrechts hinein zu bringen und gerade auf die

fert gerade diese ältere Literatur den sprechendsten Beweis. Die bonorum possessio ist in der Justinianeischen Compilation in einer Fülle des Materials zusammengetragen worden, welches, man mögte fast sagen: in allen Zeilen, die Ueberbleibsel vergangener Zeiten mit sich führt. Die Frage drängt sich also auf, wie alles dies früher in anderem Sinne Geschriebene vom Standpunkte des Justinianeischen Rechts aus zu verstehen sei, und dies ist wieder die Vorfrage dafür, wie das im Corpus Juris sich Vorfindende in der neueren deutschen Rechtshandhabung zu verwenden sei. Danach hat die historische Untersuchung der verschiedenen Stadien, die die bonorum possessio durchlaufen hat, nicht bloß das Interesse, welches die Entwicklung eines jeden großen Rechtsinstituts bei einem in Rechtsangelegenheiten so vorzugsweise begabten Volk, wie es die Römer waren, unter allen Umständen in Anspruch nimmt. Sie hat vielmehr die Bedeutung, daß nur auf ihrem Wege mit Sicherheit die Ausscheidung des schließlich nicht mehr Anwendbaren, und die Uminterpretirung des gegenwärtig in einem ans deren Sinn, als den es früher hatte, zu Verstehenden sich vollziehen läßt. Diese ausscheidende und uminters pretirende Thätigkeit ist also doch eine unerläßliche auf practische Resultate gerichtete Arbeit; sie ist, auch wenn sie zunächst große Umwege zu gehen scheint, der einzig wirklich zum Ziel führende Weg wissenschaftlicher Unterfuchung. Und gerade die Ausscheidung und Umdeutung des überwiegenden Materials ist in der Lehre von der bonorum possessio die Hauptsache, um die kleinere

sem Wege die Ausbildung des letteren zu suchen und zu den beschriebenen Resultaten zu führen . . . . Die Grundzüge dieser Lösung des Problems find folgende“ u. s. w.

Maffe des Materials als sicheres practisches Endresultat

nachweisen zu können.

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Daß sich dieses Endresultat nicht ohne den Umweg der historischen Untersuchung erreichen läßt, das beweisen. eben, wie bemerkt, die Arbeiten der älteren Literatur. Sie bieten, meist nur mit trockener Wiederholung der Quellenworte, und mit unmotivirter Bevorzugung einzelner einmal Mode gewordener - Controverspunkte, Erörterungen, bei denen man vollkommen im Dunkel bleibt, was eigentlich von dem ganzen System im Rechtsleben noch anwendbar sei oder nicht. Danach ist es denn auch bei dem herrschenden mehr oder weniger klaren Gefühl, daß jedenfalls nicht Alles so wie man es buchstäblich in den Pandekten liest, gelten könne, nicht zu verwundern, wie manche Schriftsteller einfach in das wiederum ganz unbefriedigende Extrem verfallen, das Ganze, das doch in so unlöslicher Weise mit dem gesammten römischen Erbrecht verwachsen ist, ohne Weiteres für völlig unanwendbar zu erklären, ja auch einfach als werthlos zu überspringen. Folgende Uebersicht, wie die hervortretendsten Schriftsteller (insbesondere in Deutschland) im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, bis zum Beginne der Arbeiten der historischen Schule, die Lehre von der bonorum possessio behandelt haben, wird zur Rechtfertigung des richtigen dem Institute gegenüber einzunehmenden Standpunktes hier genügen.

4. In Betreff der Erkenntniß des Wesens der bonorum possessio bringen es die Schriftsteller der vorigen Jahrhunderte 5) nicht über eine dürftige Zu

5) Vgl. Joh. Schneidewini († 1568) in Institut. Com

sammenstellung der in den Quellen dargebotenen Definitionen und Eintheilungen. Ein wirkliches Verständniß fehlt gänzlich.

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ment. (ein nach dem Tode des Wittenberger Professors herausgegebenes weitverbreitetes Collegienheft, das sich noch wesentlich an die Italiener anlehnt; zuerst 1573 v. Wesenbeck, 1596 v. Dion. Gothofredus herausgegeben.) Ausg. v. 1652 p. 794-806. Hub. Giphanii († 1604) Explanat. in Inst. ad. tit. de b. p. (1630 Argent.) Arn. Vinnii († 1657) Comment. in Institut. Ausg. v. Heinecc. 1761 p. 635-645. — Ulr. Huberi († 1694) Praelect. iur. civ. Ausg. 4. v. 1749. p. 266. (ad Inst. 3. 9), p. 1372-1388 (ad Dig. 1. 37. 38). Joh. Brunnemanni († 1672) Commentar. in Codic. Ausg. v. 1672. Lips. p. 673 687. Commentar. in Pand. Ausg. v. 1731. Wittenb. p. 1056 1089. Wolfg. Ad. Lauterbach († 1678) Colleg. theor. pract. Ausg. v. 1706. Tubing. II p. 1200-1301. Quirin. Schacher Collegium practicum. Ausg. v. Chr. Hartm. Schacher 1685 Lips. p. 328-346. Geo. Ad. Struvii († 1692) Syntagma iur. civ. Ausg. v. 1682. Jen. II p. 394 -464. Petr. Mülleri († 1696) Additiones ad Struv. Synt. 1698. Francof. et Lips. II p. 978-1040.Joh. Voet († 1714) Comment. ad Pand. Ausg. v. 1734. Hag. II. p. 543-578. - Joh. Schilteri († 1705) Praxis iur. Rom. Ausg. v. Chr. Thomas. 1733. Francof. II p. 30 s. p. 43-50. p. 584-609. Joa. Joach. Schoepfferi Synopsis iuris privati Rom. et for. Ausg. v. Richter 1749 Ratisb. p. 491 -504. Joh. Kleinii Annotationes ad Schoepfferi Synops. Ausg. v. Müller 1706 Rostoch. et Lips. p. 500-518. Sam. Strykii († 1710) Usus modernus Pandect. Ausg. v. Joh. Sam. Stryk. 1713. Hal. III p. 1074-1175.- Joh. Henr. de Berger († 1732) Oeconomia iuris ad us. hod. acc.

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Man sagte mit höchst geringen Variationen: Die bonorum possessio ist das ius persequendi retinendique patrimonii sive rei quae cuiusque cum moritur fuit. Sie ist, obgleich der Prätor heredem facere non potest in effectu, nichts Anderes wie die hereditas, eine successio in universum ius. Sie ist nicht, wie die possessio, eine res facti, sondern sie consistirt in mero iure, ein Beneficium des Prätors gegeben zur Erlangung des Vermögens des Verstorbenen. Danach gewährt sie, gerade wie die hereditas die civilis hereditatis petitio erzeugt, mit gleichen Wirkungen die hereditatis petitio possessoria. Das ius universitatis der bonorum possessio ist weder als dominium zu bezeichnen noch als possessio, sondern ist eine eigene species des ius in re. Der Prätor fann fein quiritarisches Eigenthum verleihen, ja (nach Manchen) auch nicht einmal bonitarisches, und deßhalb hat er sein Institut mit dem Beiworte possessio versehen,

Ausg. v. 1794 Darmst. p. 351. s. Müller Promtuarium iuris novum (1785. Lips.) I p. 691-711. Bertochii Promtuarium iuris Ausg. v. Günther (1788. Lips.) I p. 182-188. — Joh. Gottl. Heineccii († 1741) Antiquitatum Rom. Syntagma. Ausg. v. Mühlenbruch p. 502-513. Wig. Xav. Al. v. Kreittmayr († 1790) Anmerkungen üb. d. Cod. Max. Bav. München 1763. III. p. 841. f., p. 867— 873, p. 875-878. Augustini Leyseri (†1752) Meditationes ad Pand. Ausg. v. 1778. Frankenth. VI. p. 1023-1133. Joh. Aug. Hellfeld († 1782) Jurispr. forens. h. t. L. J. Fr. Höpfner († 1797) Commentar üb. die Heinecc. Instit. Ausg. v. 1793. G. 585-591. Jos. Christ. Koch († 1808) Bonorum possessio. Liter. Testament nebst Commentar, Revision und Codicill. 1799.

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