Page images
PDF
EPUB

es handelt sich um ein Aussuchen aus mehren denkbaren Personen, also um den, der nach den Begriffen des Comparativs und Superlativs der Empfehlenswertheste ist (quid aequius, aequissimumve sit 48).

Man sieht, die Verleihung der bonorum possessio in diesen Gebieten, aus denen dann zunächst die bonorum possessio unde cognati 49) (und vielleicht auch bald unde vir et uxor) feste Gestaltung ange nommen hat, stand zu Cicero's Zeit noch unter einem gewissen freieren Arbitrium des Prätors. Dies arbitrium äußerte sich in einer auswählenden causae cognitio, über die sich abgeschlossene edictale Vorschriften noch nicht festgestellt hatten. Es mag erlaubt sein, diese nichttestamentarische und nichtlegitime bonorum possessio in ihrer ursprünglichen Gestalt mit der clausula generalis der in integrum restitutio zu vergleichen 5o) und auch in einer analogen Formulirung auszudrücken, obgleich ich natürlich keineswegs behaupten will, damit die wirklichen Edictsworte getroffen zu haben.

Wer in dieser Weise nach prätorischer Feststellung des aequius aequissimumve die bonorum possessio erhalten hatte, stand dem testamentarischen oder legiti men heres gegenüber ganz gleichartig, als wie wir bei Cicero die Stellung der gens Minucia, die die bonorum possessio nach tralaticischem Rechte erhalten ha ben müßte, gegenüber dem nicht zur bonorum possessio gelangten scriptus heres geschildert finden. Der ex testamento oder lege nicht zur bonorum posses

48) Vgl. auch Janssonius 1. c. p. 112. 113. 49) Cic. Or. part. §. 66: de aequitate vero sic: ut, sitne aequum amicos cognatis anteferre?

50) Aehnlich auch Alibrandi l. c. p. 7.

sio gefommene heres fann sicher gegen den sine testamento und sine lege zur bonorum possessio Admittirten lege agere 51).

51) Das lege agere gegen einen bonorum possessor fann übrigens, abgesehen von den im Text erwähnten regu= lären Gestaltungen, unter Vorausseßung eigenthümlicher Umstände noch besondere Gestaltungen annehmen. So namentlich bei Annahme der Umstände, an die sich für gewisse Fälle die Aufstellung der b. p. Carboniana geknüpft hat. Z. B. ein Vater seßt das von seiner vermuthlich schwangeren Frau zu erwartentende Kind zu Erben ein, und ernennt auf den Fall, daß dies Kind nicht erbt, einen Anderen als secundus heres. Die schwangere Wittwe kommt allerdings nieder, aber so, daß das Kind, wenn es vom Erblasser herrühren sollte, dreizehn Monate im Mutterleibe gewesen sein müßte. Der secundus heres bestreitet in Folge dessen die Legitimität des Kindes. Dies ist wohl der Fall, den Plinius hist. nat. 7. 4. erzählt, und von dem er meldet, daß der Prätor troß der Unwahrscheinlichkeit der Legitimität doch dem Kinde als institutus die bonorum possessio (nicht als gewöhnliche Carboniana b. p. sondern nach den Grundsäßen des fr. 1. §. 8. de Carbon. ed. 37. 10.) gegeben habe. Diese Verfügung war also zum Nachtheil des secundus heres (contra eum), vgl. fr. 12. de Carb. ed. „contra quem", indem dieser nun zur Klägerrolle ge= zwungen wurde. Masurius auctor est, L. Papirium Praetorem secundo herede lege agente, bonorum possessionem contra eum dedisse, cum mater partum se XIII mensibus diceret tulisse: quoniam nullum certum tempus pariendi statum videretur. Fa= bricius hat diese Stelle für seine Theorie von der Entstehung der bonorum possessio aus der Proceßregulirung benüßen wollen, wofür sie doch gar nichts beweist; s. unten Ziffer 34. A. 36. und Ziffer

Daß in solcher Art schon zu Cicero's Zeit die Cognaten zur bonorum possessio zugelassen worden sind (wenn sich auch noch nicht eine technische, edictal genau abgegränzte Klaffe: bonorum possessio unde cognati entwickelt hatte), läßt sich genau nachweisen.

Cic. pr. Cluent. 51a) c. 60: Obiectum est, C. Vibium Capacem ab hoc A. Cluentio veneno esse sublatum. Opportune adest homo summa fide, et omni virtute praeditus, L. Plaetorius, senátor, qui illius Capacis hospes fuit et familiaris; apud hunc ille Romae habitavit, apud hunc aegrotavit, huius domi mortuus est. At heres est Cluentius? Intestatum dico mortuum, possessionemque eius bonorum praetoris edicto huic illius sororis filio, adolescenti pudentissimo et inprimis honesto, equiti Romano, datam Numerio Cluentio, quem videtis.

Um darzuthun, daß der Aulus Cluentius nicht der Mörder des Capar sein könne, sagt Cicero, e8 ließe sich dies doch nur vorausseßen, wenn Aulus Cluentius den Capay beerbt hätte. Dies aber sei gar nicht der Fall. Capar sei nicht etwa mit Hinterlassung eines Testamentes sondern intestatus verstorben, und seine Güter seien durch Intestat: bonorum possessio an seinen [d. h. des Capar] 52) Schwestersohn, den Nu

36. A. 42. (Etwas anders, als im Vorstehenden, construirt Huschke Richt. Jahrb. V. S. 9. den in der Plinianischen Stelle vorausgesetzten factischen Fall.) 51a) Ueber eine andere Stelle pro Cluent. c. 15, auf die man sich ebenfalls als die bon. poss. unde cognati erwähnend berufen hat, aus der dies aber nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist, vgl. meine Bon. Poss. II. 1. S. 22.

52) Vgl. meine Bon. Poss. a. a. D.

merius Cluentius, gekommen. In der legitimen Klasse aber kann ein Schwestersohn ab intestato nicht zur bonorum possessio gelangen. Es ist also hiemit bes wiesen, daß zu Cicero's Zeit bereits ein Schwestersohn, offenbar als Cognat, zu der bonorum possessio quae sine testamento und sine lege datur, gelangte. Und zwar, wie Cicero ausdrücklich hervorhebt: ex edicto ge langte. Also diese bonorum possessio sine testamento und sine lege data ist nicht etwa so zu den fen, daß sie noch ganz ungeregelt den Decreten des Prätors überlassen gewesen wäre, welche Annahme sich mit jener Ciceronischen Stelle aus den Orat. partit. noch vereinigen ließe. Vielmehr muß irgend welche edic tale Festseßung, wenn auch nur in der vorher bemerkten Weise einer generalis clausula (auf welche jene negative Ciceronische Bezeichnung des Ganzen hindeutet), bereits existirt haben.

19. Wie nun noch im Genaueren die Stellung des sine testamento und sine lege zur bonorum possessio Admittirten gegenüber dem heres zu Cicero's Zeit war, darüber besigen wir eine lehrreiche Beweisstelle bei Valerius Maximus. Zum Verständniß derselben bedarf es einiger einleitender Worte.

Wenn wir aus der eben citirten Stelle pro Cluent. ersehen, daß ein Schwestersohn zu der bonorum possessio zugelassen wurde, für welchen der Aequitätsgrund seiner Admission offenbar seine Cognation war (f. 3iff. 18. A. 49.), so wird es schon von vorn herein fein Bedenken haben, daß auch ein Vater, für den lediglich die cognatische Ascendentenstellung in Betracht kam, auf Grund derselben Aequität zur bonorum possessio gelangen konnte. Solch ein rein cognatischer Vater

ist vorhanden, wenn wir uns denken, er habe sein Kind aus seiner Gewalt gegeben; und zwar ist, um auch noch die Möglichkeit der besonderen Rechtsstellung des parens manumissor und der darauf gebauten contra tabulas b. p. auszuschließen, weiter vorauszuseßen, daß der Vater sein Kind in Adoption gegeben hat. Soll dann dies Kind als ein zur Testamentserrichtung be fähigtes angenommen werden, so ist noch Weiteres zu fupponiren, z. B. daß der Adoptivvater schon wieder gestorben, also nun das Adoptivfind als selbständiges seinem natürlichen Vater gegenübersteht.

Solchem rein cognatischen Vater finden wir in der classischen Zeit nicht bloß die bonorum possessio unde cognati zugestanden, sondern es ist ihm auch materielles Notherbenrecht eingeräumt worden 53), dem: zufolge er, wenn er im Testamente seines Kindes sich ohne Grund präterirt oder exheredirt fand, nach vor: gängiger Agnition der bonorum possessio litis ordinandae gratia") die inofficiosi querela anstellen fonnte. Diese Inofficiositätsquerel hat sich insbesondere seit der Augusteischen Zeit zu einem vor den Centumvirn anzustellenden Rechtsmittel, dem man den juristischen Charakter der hereditatis petitio ab intestato beilegte, gestaltet. In dem zunächst ganz untechnischen Worte ,,querela" liegt aber gerade 55), daß sich hier zunächst ein gewisses factisches Material entwickelt hatte, demgemäß die öffentliche Meinung es billigte, daß man sich unter gewissen Vorausseßungen über die Lieblosigkeit

53) Fr. 30. pr. de inoff. test. 5. 2: Adversus testamentum filii in adoptionem dati pater naturalis recte de inofficioso testamento agere potest.

54) Fr. 6. §. 2. fr. 8. pr. de inoff. test. 5. 2. 55) Vgl. Gneist Formelle Vertr. (1845) S. 66 ff.

« PreviousContinue »