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herauskommt: Wer ein Testament vorbringt, das Ein Siegel weniger hat, als geseßlich nöthig ist, wird nach tralaticischem wie Verrinischem Edict abgewiesen; wer gar kein Testament vorbringt, aber doch arbitratur et dicit testamento se heredem esse, war nach bisheri gem Recht nur auf die hereditatis petitio angewiesen, von Verres wird er zur bonorum possessio zuge laffen. Dies ist die eigentliche Spige der Ciceronischen Anklage, denn nun geht er gleich in die Exclamationen quid nunc dicam u. s. w. über. Also ist der Gedanke ganz zu verbannen, daß Verres außer dieser Einschiebung des sich auf ein nichtexistirendes Testament Be rufenden auch noch wegen Wegräumung der altherge brachten b. p. unde legitimi angeklagt werde.

Das Verrinische Edict wird demnach etwa folgendermaßen gelautet haben:

Si de hereditate ambigitur... si possessor sponsionem non faciet.

Si de hereditate ambigitur et tabulae testamenti obsignatae non minus multis signis, quam e lege oportet ad me proferentur, secundum tabulas testamenti potissimum possessionem dabo.

si tabulae testamenti non proferentur, secundum eum dabo possessionem, qui dicet testamentum factum (oder: se testamento heredem) esse.

si nulla ex testamento petetur possessio, tum uti quemque potissimum heredem esse oporteret, si is intestatus mortuus esset, ita secundum eum possessionem dabo.

17. Cicero geht nuu schließlich auf die Edictalcomposition des Verres in Sicilien über, um dadurch besonders seine eigentliche Anklage, daß Verres die ganze

Aenderung des Urbanaledicts in Folge vorher empfangenen Geldes vorgenommen habe, in helles Licht zu setzen.

Item ut illo edicto, de quo ante dixi, in Sicilia de hereditatum possessionibus dandis edixit idem, quod omnes Romae praeter istum. Ex EDICTO SICILIENSI. SI DE HEREDITATE AMBIGITUR. XLVI. 118. Ac per deos immortales, quid est, quod de hoc dici possit? Iterum enim iam quaero abs te, sicut modo in illo capite Anniano de mulierum hereditatibus, nunc in hoc de hereditatum possessionibus: cur ea capita in edictum provinciale transferre nolueris? Utrum digniores homines existimasti eos, qui habitant in provincia, quam nos, qui aequo iure uterentur? an aliud Romae aequum est, aliud in Sicilia? Non enim hoc potest hoc loco dici, multa esse in provincia aliter edicenda: non de hereditatum quidem possessionibus, non de mulierum hereditatibus. Nam in utroque genere video non modo ceteros, sed te ipsum totidem verbis edixisse quot verbis edici Romae solet. Quae Romae magna cum infamia pretio accepto edixeras, ea sola te, ne gratis in provincia male audires, ex edicto Siciliensi sustulisse video. 119. Et cum edictum totum eorum arbitratu, quamdiu fuit designatus, componeret, qui ab isto ius ad utilitatem suam nundinarentur: tum vero in magistratu contra illud ipsum edictum suum sine ulla religione decernebat. (Cicero geht nun auf andere Sachen ein).

Aus diesen Worten ist nur noch besonders das Zeugniß Cicero's hervorzuheben, daß Verres in Sicilien genau wörtlich (totidem verbis), wie es in Rom

herkömmlich war, das caput de hereditatum possessionibus edicirt hat; eine Sache, aus der noch mehrfache nothwendig sich ergebende Schlußfolgerungen, die man bisher unbeachtet gelassen hat, werden zu ziehen sein.

Von vorn herein wird man hiernach auch annehmen dürfen, daß rücksichtlich des caput de hereditatum possessionibus [welche Frage, wie Cicero ad Att. 1. c. (3iff. 11) fagt, nicht wohl ohne edictale Feststellung bleiben konnte] die Edicte der Statthalter auch in anderen Provinzen, wo nicht ganz besondere Gegengründe vorlagen, im Ganzen dem Urbanaledict gleichlautend gewesen sein werden.

18. Die zweite viel kürzere, aber doch noch als Hauptstelle Cicero's über das Institut der hereditatis possessio zu bezeichnende, ist die, welche wir in den Orat. part. §. 98. finden.

Atque eius quidem generis finis est aequitas; quae non simpliciter spectatur, sed ex comparatione nonnunquam: ut cum de verissimo accusatore disceptatur, aut cum hereditatis sine lege aut sine testamento petitur possessio: in quibus causis quid aequius aequissimumve sit, quaeritur.

Es ist kein Zweifel möglich, daß Cicero denjenigen Theil des caput de hereditatum possessionibus, den wir eben aus der Verrinischen Stelle ermittelt haben, hier als die hereditas possessio ex testamento und ex lege bezeichnet, und daß dies die Bestandtheile sind, welche man später gewöhnlich als b. p. secundum tabulas und unde legitimi bezeichnete. Indem er diese, also überhaupt die auf die civilrechtlichen Klassen gebaute bonorum possessio (in denen, um mit Cicero's Worten zu reden, quis testamento aut lege se he

redem esse arbitratur) ausschließt, charakterisirt er das übrige Gebiet der hereditatis possessio in höchst eigenthümlicher Weise.

In der Verrinischen Stelle bezeichnet Cicero in dreimaliger Hervorhebung als den Grund der bonorum possessio die aequitas. Quare hoc sit aequissimum facile est docere, sagt er von der b. p. unde legitimi; von der b. p. ex testamento sagt er, daß für Rom wie für die Provinzen, und insbesondere Si cilien, die gleiche aequitas vorliege; und daß Verres das Urbanaledict verändert habe, bezeichnet er mit den Worten: ius, consuetudinem, aequitatem, edicta omnium negligit.

Die nicht-testamentarische und nicht-legitime hereditatis possessio reducirt nun Cicero ebenfalls auf aequitas 44), aber doch in deutlicher Scheidung. Jene civilrechtlichen Klassen stüßen sich auf eine absolute aequitas, bei ihnen kommt es darauf an, utrum possessorem esse oporteat, also hier ist die civilrechtliche Erbberechtigung die Basis des Anspruchs auf bonorum possessio. Nicht darin, daß diese Personen in Betracht kommen, liegt die aequitas, sondern darin, daß ihnen der Prätor den Schuß seines imperium 45), als ein besonderes beneficium noch außer dem gewöhn lichen Schuße der iurisdictio, gewährt; daß er die Einrichtung trifft, diese Leute nicht lediglich auf ihr Recht und bei etwaiger Verlegung auf das lege agere oder

44) §. 2. J. de b. p. 3. 9.: nam angustissimis finibus constitutum per legem duodecim tabularum ius percipiendarum hereditatum praetor ex bono et aequo dilatavit.

45) Fr. 26 pr. ad municip. 50. 1; fr. 3 de iurisdict. 2. 1.

sponsionem facere, also überhaupt auf das de hereditate certare zu verweisen, sondern daß er auch ohne ein in Aussicht stehendes de hereditate certate dem civilrechtlich Berechtigten gleich durch seine magistratische Machtvollkommenheit die possessio der hereditas dat 46), wobei es also eine zunächst nicht weiter in Betracht kommende Sache ist, ob hinterdrein noch ein Erbschaftsproceß stattfinden wird oder nicht.

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Dagegen für die nicht civilrechtlichen Aspiranten auf hereditatis possessio (die also nicht se heredes esse arbitrantur) kommt nach Cicero eine andere Art von aequitas, eine relativ-abwägende, in Betracht. Hier steht nicht bloß in Frage, was der Prätor thut, sondern wem er sein beneficium gewährt 47). Welche Personen zur hereditatis possessio zugelassen werden sollen, ist hier der besonders hervorstechende nach aequitas zu beantwortende Punkt. Höchst charakteristisch ist dabei der andere Fall, mit dem Cicero die Zutheilung der bonorum possessio in Parallelismus stellt; man hat eine ebensolche aequitas walten zu lassen, als wenn man unter Mehren den verissimus accusator aus: wählt. Es handelt sich hier nicht in Betreff ein für allemal feststehender Personen um ein quid, welches positiv aequum ist (wie bei den Civilklassen), sondern

46) Der Ausdruck (für einen zunächst als berechtigt Angenommenen): nec petitionem (Rechtsschuß) nec possessionem (Besißesschuß des Berechtigten, nicht jedes Besizers) dabo bezeichnet, als Ausnahme für einen besonderen Fall, sehr prägnant umgekehrt die Regel. Verr. II. 1. §. 113. (oben Ziff. 11).

47) Fr. 1. pr. unde cogn. 38. 8: haec bonorum possessio nudam habet Praetoris indulgentiam, neque ex iure civili originem habet.

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