Page images
PDF
EPUB

Weise umfassende, wirkliche,,theoretisch practische" Erläuterung gegeben werden, so muß sie auf der genauen historischen Untersuchung jener verschiedenen Phasen ruben,

Dies ist nicht dahin zu verstehen, daß hier eine Darstellung des Instituts in der Form einer Geschichte desselben zu geben wäre. Wohl aber erscheint es als unumgänglich nöthig, die der Specialdarstellung der einzelnen Theile in Anknüpfung an den Titel de bonorum possessionibus vorauszusendende allgemeine Zusammenstellung des Ganzen so einzurichten, daß die systematischen Grundgedanken, welche dieses Rechtsinstitut in seinen verschiedenen Wandelungen beberrscht haben, in ihrer geschichtlichen Reihenfolge vorgeführt wer den, Nur so läßt es sich zur Auschauung bringen, wie das im Corpus Juris Vereinigte aus den wesentlich sich unterscheidenden Grundgedanken sehr auseinanderliegender Zeiten seine Erklärung zu schöpfen hat.

Die bonorum possessio ist zuerst ein prätorisches Beneficium der Zutheilung des Erbrechtsbesiges gewesen, dann ist sie ein eigenes prätorisches Erbrecht geworden, und schließlich hat sie sich mit dem Civilerb: recht verschmolzen. Und doch ist dabei das Eigenthümliche, daß die Begriffserklärung, welche unsere Quellen von dem Institute geben, gleichmäßig für alle diese drei Phasen gilt. Die Aufgabe der allgemeinen systemati schen Darstellung der bonorum possessio besteht also darin, auf der Basis dieses Quellenbegriffs alle die Verzweigungen vorzuführen, die im ganzen Gebiete des Corpus Juris der Begriff in seiner ersten, zweiten und dritten Phase zurückgelassen hat.

Die Ausführung des Begriffs der bonorum

possessio bildet gleich den Anfang des Titels de bonorum possessionibus.

Fr. 1. h. t. (Ulpianus 1. 39. ad ed.): Bonorum possessio admissa commoda et incommoda hereditaria itemque dominium rerum, quae in his bonis sunt, tribuit: nam haec omnia bonis sunt coniuncta.

Fr. 2. eod. (Idem l. 14. ad ed.): In omnibus enim vice heredum bonorum possessores habentur.

Fr. 3. eod. (Idem 1. 39. ad ed.): Bona autem hic, ut plerumque solemus dicere, ita accipienda sunt universitatis cuiusque successionem, qua succeditur in ius demortui suscipiturque eius rei commodum et incommodum: nam sive solvendo sunt bona sive non sunt, sive damnum habent sive lucrum, sive in corporibus sunt sive in actionibus, in hoc loco proprie bona appellabuntur. §. 1. Hereditatis autem bonorumve possessio, ut Labeo scribit, non uti rerum possessio accipienda est: est enim iuris magis quam corporis possessio. denique etsi nihil corporale est in hereditate, attamen recte eius bonorum possessionem agnitam Labeo ait. §. 2. Bonorum igitur possessionem ita recte definiemus ius persequendi retinendique patrimonii sive rei, quae cuiusque cum moritur fuit.

Wir sehen aus dieser im Verlauf der Darstellung noch sehr eingehend zu prüfenden Stelle von vorn herein jedenfalls das Eine, daß der Kern der Sache nämlich die Bezeichnung der bonorum possessio nicht als eines bloßen Besiges der corpora, sondern als eines Besizes des ius an der universitas den Zeiten des Labeo beim Beginne der classischen

zu

Zeit, wie des Ulpian am Schlusse der classischen Zeit, wie endlich Justinian's, der die Stelle des Ulpian in den Pandekten sanctionirt, stets einer und derselbe gewesen ist. Und doch hat dieser selbe Begriff in diesen verschiedenen Zeiten eine so ganz verschiedene practische Bedeutung gehabt.

Die Römer bezeichnen die einzelnen Theile des ganzen Instituts zunächst dogmatisch nach der Stellung, die der bonorum possessor zum Willen des Erblassers einnimmnt, also als bonorum possessio contra tabulas, secundum tabulas und als ab intestato zuständige bonorum possessio.

Fr. 6. §. 1. h. t. (Paulus): Bonorum possessionis beneficium multiplex est: nam quaedam bonorum possessiones competunt contra voluntatem, quaedam secundum voluntatem defunctorum, nec non ab intestato habentibus ius legitimum vel non habentibus propter capitis deminutionem. quamvis enim iure civili deficiant liberi, qui propter capitis deminutionem desierunt sui heredes esse, propter aequitatem tamen rescindit eorum capitis deminutionem praetor. legum quoque tuendarum causa dat bonorum possessionem 1).

Die weitere Charakteristik des Instituts von Seiten der Römer stüßt sich auf die historische Stellung seiner einzelnen Theile zum Civilrecht.

Pr. J. h. t.: Jus bonorum possessionis introductum est a praetore emendandi veteris iuris gratia. nec solum in intestatorum hereditatibus vetus

1) Vgl. Ulpian. XXVIII (de possessionibus dandis) 1. Bonorum possessio datur aut contra tabulas testamenti, aut secundum tabulas, (aut) intestati,

ius eo modo praetor emendavit, sicut supra dictum est, sed in eorum quoque, qui testamento facto decesserint. . . . §. 1. Aliquando tamen neque emendandi neque impugnandi veteris iuris, sed magis confirmandi gratia pollicetur bonorum possessionem. §. 2... adhuc autem et alios complures gradus praetor fecit in bonorum possessionibus dandis, dum id agebat, ne quis sine successore moriatur: nam angustissimis finibus constitutum per legem duodecim tabularum ius percipiendarum hereditatum praetor ex bono et acquo dilatavit.

Diese drei Begriffe: daß der Prätor bei der bonorum possessio einerseits emendandi und impugnandi (øder corrigendi), andererseits confirmandi, und endlich zur Dilatirung des zu engen Civilrechts supplendi iuris civilis gratia verfahren sei, haben die Römer auch ganz allgemein zur Bezeichnung der Bedeutung des prätorischen Rechtes gegenüber dem Civilrechte verwendet 2). Aber dasjenige prätorische Institut, in welchem die einzelnen Theile nach diesen drei Gesichtspunkten genau auseinander gelegt worden sind, ist doch eben allein die bonorum possessio. Die Institutionen machen dabei offenbar noch einen gewissen Unterschied zwischen der Emendation und der Impugnation. Indem sie jedenfalls nicht sagen wollen, daß die impugnatorischen oder correctorischen Klassen der Anfang des Instituts gewesen seien, so kann man im Uebrigen noch immer darüber zweifeln, wie im Genaueren 2) Fr. 7. §. 1. de iust. et iure. 1. 1. (Papinian): Jus praetorium est, quod praetores introduxerunt adiuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia propter utilitatem publicam. quod et honorarium dicitur ad honorem praetorum sic nominatum.

ihr Ausspruch gemeint sei, daß die bonorum possessio zur Emendation des Civilrechts eingeführt worden sei. Es kann damit gesagt sein sollen, daß das ganze Institut unter einem zusammenfassenden Gesichtspunkte (also das ganze ius bonorum possessionis) als ein zur Emendation des Civilrechts eingeführtes zu bezeichnen sei; woran dann gleich die weitere Bemerkung geknüpft wird, daß von den einzelnen Theilen des Instituts speciell unter diese Bezeichnung der Emendation auch das falle, was vorher schon in der Intestaterblehre hervorgehoben worden war und was hier nun gleich noch (rücksichtlich der Instituirbarkeit der postumi) aus der testamentarischen Lehre angefügt wird 3). Man kann die Worte aber auch so deuten, daß sie (vielleicht gestüßt auf eine ältere Quellennotiz) sagen wollen: schon der ursprüngliche Einführungsgrund der bonorum possessio beruhte auf dem Zwecke der Emendation des Civilrechts, und dieses emendatorische Streben tritt auch noch weiter in einzelnen Theilen der Intestat und testamentarischen Succession hervor.

Wie man aber auch die Institutionenverfasser verstehen möge, jedenfalls ist die Stelle nicht dazu angethan, daß man sich bei diesem allgemeinen und zwei

3) Jedenfalls ist die Stelle nicht so zu verstehen, als wenn sie behauptete, die bonorum possessio sei zwecks Fest= stellung dieser erwähnten Punkte der Intestatsuccession und der Instituirbarkeit der Postumi eingeführt worden. Vielmehr sind es zwei selbständige Säße: 1) die bonorum possessio ist zwecks Emendation des Civilrechts eingeführt worden; 2) diese Emendation tritt auch bei ihren einzelnen Theilen speciell in der Intestaterblehre und bei der testamentarischen Succession hervor.

« PreviousContinue »