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falls Rudorff 11) aufmerksam macht, noch bei Paulus (rec. sent. V. 9. 2.) die bei der Klage per sponsionem vorkommende stipulatio pro praede litis vindiciarum bei den vom bonorum possessor zu leistenden Cautionen vorgetragen wird.

29. Eine von diesem sicheren Punkte ganz zu unterscheidende Frage ist die, ob gerade aus irgend einem Moment der Erbproceßregulirung der Ursprung der bonorum possessio abzuleiten sei.

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In dieser Hinsicht wird es rücksichtlich der früheren Fabricius'schen Ansicht, welche die bonorum possessio aus der Vindicienertheilung erklärt, feiner neuen widerlegenden - Ausführung mehr bedürfen (15). Wohl aber muß in dieser Hinsicht auf die neue an einen anderen Punkt der Proceßregulirung anknüpfende Theorie von Hingst genauer eingegangen werden, wobei indeß das hiegegen Vorzubringende zu einem großen Theil mittelbar auch zugleich die Ansicht von Fabricius und den mit kleinen Abweichungen sich ihm Anschließenden trifft.

Hingst (p. 110 ff.) sagt Folgendes som mine

1) Der Unterschied zwischen Existenz und Nichtexistenz des Instituts der bonorum possessio ist in dem von Cicero mitgetheilten Fall der, daß die gens Minucia (abgesehen von den Verrinischen Veränderungen), wenn sie mit dem Interdictum quorum bonorum gesiegt habe, die Besigerin und Beklagte im Erbschaftsstreite gewesen sein würde, während sie beim Nichtvor

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14) Rechtsgeschichte II. 37. A. 9. i.

15) Huschke Richter'sche Jahrb. 1839 H. 1. Meine Bon.

Poss. I. S. 126. Hingst p. 62 ff. Ad. Schmidt
Form. Recht der Notherb. S. 65. A. 1.

handensein des Instituts immer hätte Klägerin sein müssen. Es sollte also, das war der Zweck des Instituts, in Rom nicht gleich de iure certirt wer den, sondern ein Besißstreit vorausgehen. Die bonorum possessio und das Interdictum quorum bonorum hatte also denselben Zweck, den im Eigenthum die Interdicta retinendae possessionis ausfüllten 16). Beide stehen auch darin gleich, daß sie nicht jeden Besig comprobiren: Ich besige einen fundus, an dem ich mein Eigenthum nur nicht nachweisen kann. Hat mir ein Anderer denselben gewaltsam entriffen, fo würde ich, wenn ich die rei vindicatio anstellen wollte, unterliegen; und weil eben der Prätor es für unbillig ansieht, daß hier der Räuber über mich den Sieg davon trage, bloß weil er eben im Besig ist, nimmt er demselben (im Int. uti poss.) den Besig und restituirt ihn mir dem dominus 16a). Dasselbe bewirkt nach Hingst im Erbrechte die bonorum possessio. Sie wird demjenigen gegeben, der possessorem esse oportet. Also offenbar dem heres, der nur nicht gleich sein Erbrecht nachzuweisen braucht. Und nachdem dieser

16) Ebenso sagt auch Alibrandi l. c. p. 11:,,Ego contra puto, interdictum quorum bonorum et dationem bonorum possessionis (quae necessario interdictum praeibat) idem praestitisse in petitione hereditatis, quod in rei vindicatione efficiebant interdicta uti possidetis et utrubi.“

16a) Hingst scheint hiernach vorauszusetzen, daß beim Int. uti poss. als Kläger der Eigenthümer supponirt werde, der nur, weil er sein Eigenthum nicht beweisen kann, mit einer anderen aushülflichen Klage versehen werde. Aber der siegende Kläger kann ja seinerseits selbst wieder Räuber von einem Dritten her sein.

(die gens Minucia) so in den Besit mittelst des Interdictum quorum bonorum gelangt ist, können dann eben (das ist der Vortheil des tralaticischen Instituts) solche Leute wie der amicus des Verres, die mit der hereditatis petitio nicht zu siegen vermögen, gegen den bonorum possessor nichts ausrichten. Dagegen nach der Verrinischen Redaction würde der im factischen Besit Befindliche amicus Verris, wenn nicht die gens Minucia sondern er die bonorum possessio erhält, durch Chikane dem heres gegenüber, der sein Erbrecht vielleicht nicht beweisen kann, obtiniren können.

2) Die Interdicta retinendae possessionis haben, ebenso wie die ihnen parallel stehende bonorum possessio mit Int, quorum bonorum, nichts mit der Vindicienertheilung des dinglichen Processes ge mein und seien nicht daraus hervorgegangen. Denn da die Vindicienertheilung der vierte Act des ganzen Proceßverfahrens sei, und weil schon im ersten Act der Kläger constituirt werde (denn der Kläger vins dicire), so sei es klar, daß mit der Vindicienertheilung nicht die Kläger und Beklagtenrolle vertheilt worden sei. Und da nun eben Vindicienertheilung und Fest= stellung der Parteirolle zwei verschiedene Dinge seien, so folge, daß der Prätor bei beiden nicht ganz dieselben Regeln habe befolgen können. Ueber die Vindicienertheilung seien nie bestimmte Regeln festgestellt wor den; der Prätor habe hier nach einem freieren Ermessen verfahren, z. B. je nachdem der Eine der Streitenden sich als einen diligentior paterfamilias ausweise u. dergl. Also die Interdicta retin. poss. einerseits und das Int. quor. bon. andererseits hängen mit den manus consertae und der deductio quae moribus fit zusammen. Die Vindicien seien etwas ganz Anderes;

der, dem sie zugetheilt würden, sei mehr mit einem Se quester zu vergleichen.

3) Troß dieses Parallelismus zwischen dem Interdictum uti poss. und utrubi auf der einen Seite, und dem Quor. bon. auf der anderen, sind nun aber nach Hingst doch allerlei Unterschiede zwischen beiden. Jene find retinendae, dieses ist adipiscendae possessionis. Das aber erkläre sich aus der verschiedenen Natur von Erbrecht und Eigenthum. Denn wer Erbe werde, habe angefangen zu adipisci. Ferner das Int. quor. bon. ist simplex, jene sind duplicia. Aber das Int. quor. bon. als adipiscendae sei restitutorisch und als restitutorium sei es simplex. Dagegen die Interdicta uti poss. und utrubi seien prohibitorisch, und diese fönnten duplicia sein. Bei den Interdicta retin. poss. behaupte Jeder, Besißer zu sein, und Jeder behaupte, daß ihm vom Gegner vis illata fei, und läugne, daß er dem Gegner vim fecisse. Beim Interdictum quorum bonorum dagegen läugne allerdings der Kläger nicht, daß der Gegner besize, aber er behaupte, daß er selbst besigen müsse (possidere oportere), und deßhalb, müsse er der Kläger sein. Demgemäß heiße es auch in der Interdictsformel: quod de his bonis pro herede aut pro possessore possides possideresve si etc. Also haben im Anfang das Interdictum quorum bonorum und die Interdicta retinendae possessionis im Allgemeinen dieselbe Natur, und wo sie sich von einander unterscheiden, da lassen sich diese Unterschiede auf die Verschiedenheit von Eigenthum und Erbrecht zurückführen.

4) Der Prätor habe seine bonorum possessio zuerst nur den civilrechtlichen Klassen gegeben, aber nicht Allen in diesen Klassen. Aus der testamentarischen Klasse

nur dem, der tabulas signatas vorbringen könne, also die Einführung der bonorum possessio hänge mit der Einführung der tabulae signatae zusammen. Im Uebri gen aber beabsichtigte der Prätor die möglichste Ausschließung des Proherede-Usucapienten, und habe danach hinter der bonorum possessio secundum tabulas überhaupt den legitimi die bonorum possessio gege= ben. Nach Civilrecht konnte Jeder die Erbschaft occu piren, so daß er damit die Beklagtenrolle gewann und danach leicht als Sieger aus dem Proceß hervorging. Der Prätor bestimmte nun, daß der Erbschaftsbesig nicht mehr vom Zufall abhängen 17), sondern auf Grund eines bestimmten titulus (signatae tabulae und Jutestaterbrecht) erworben werden solle. Also ganz ebenso wie nach der Stinging'schen Ansicht bona fides und iustus titulus nicht von Anfang an Requisite der Usucapion gewesen, sondern erst durch den Prätor allmälig in das Civilrecht eingeführt worden seien, so habe auch der Prätor zuerst angefangen, für den Erbschaftsbesig den titulus als Requisit aufzustellen. Dies bestätige ausdrücklich Isidor (Or. V. 25.):,,bonorum possessio est ius possessionis certo ordine certoque titulo acquisitum."

17) Indem der Erbschaftsbesig so vom Prätor zugetheilt wird, ist das etwas der hereditatis vindicatio Vorausgehendes und doch genau mit ihr Zusammenhängendes; und gerade dies bedeuten nach Hingst die Edictsworte: si de hereditate ambigitur, für deren Erklärung er sich an Huschke anschließt. Dieser von Niemand außer Fabricius und seinen Anhängern bisher beachtete Umstand bestätige also gerade, da die Fabricius'sche Ansicht sich im Uebrigen als unhaltbar erwiesen, die Hingst'sche Theorie vom Ursprung der bonorum possessio.

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