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dem Europäer als ein junger, unbedeutender Mensch. Wir wurden ceremoniell und mit allen Ehren empfangen. Die Mutter des Chans schickte allerlei persische Confitüren und auch frische Gurken, welche zu dieser Zeit auf dem Hochlande noch selten sind.

Nach mehrstündigem Aufenthalte und eingenommenem Gastmahle konnte ich die Reise zum Küs-jurdi antreten und erreichte die dort stationirten Kibitken am Abend. Hier nun wurde der Sonntag dazu verwendet, eine recht eindringliche Untersuchung der steilen Abstürze des Gebirges gegen Osten zu bewerkstelligen. Die Jäger begleiteten mich und waren in der That so glücklich, vier der grossen persischen Königshühner (Megaloperdia caspica, Gml. = M. Raddei Br. et Bl.) anzutreffen, von denen eines angeschossen, aber leider im unzugänglichen Felsenchaos, wohin es sich geflüchtet, nicht gefunden wurde. Ausser Accenter alpinus und modularis wurde hier eine dritte Flühevogelart erlegt, welche ich auch später am Sawalan wiederfand. Die Vegetation bot verhältnissmässig wenig und vor allen Dingen mir nichts Neues. Diese Gegenden sind für Seltenheiten. doch noch zu niedrig und die tiefer gelegenen Wiesen, wo sie nicht abgeweidet waren, trugen zwar kräftige Narbe, aber immer nur die gewöhnlichen Kräuter, welche man in 5-7000 Fuss Meereshöhe überall in Transkaukasien finden kann. Vom Küs-jurdi aus zeichnete ich mein erstes Bild des Sawalan, dessen gesammte Ostfront mit der breiten, die ganze Westseite der Ebene von Ardebil einfassenden Basis sich am frühen Morgen in wunderbarer Klarheit präsentirte.

Gegen 9 Uhr brachen wir auf, um gegen SW dem Thale des Ambarani abwärts folgend, in die Ebene von Ardebil zu gelangen und womöglich noch an demselben Abend die Stadt gleichen Namens, im SW-Winkel gelegen, zu erreichen. Dieses ist selbst in dem Falle möglich, wenn man bei den, nur im guten Schritte gehenden Packpferden bleibt, was Jedermann gerathen werden muss, weil hier überall Diebe und Räuber anzutreffen sind, welche die käuflichen persischen Autoritäten wenig fürchten und ihr Wesen ziemlich unbehindert treiben. Ich darf also die Strecke vom Küs-jurdi bis zur Stadt auf kaum mehr als 7 deutsche Meilen veranschlagen, da ich sie, ohne zu eilen, in 10 Stunden zurücklegte. Für den Botaniker wird auf dieser Strecke der langsam auslaufende Westfuss des Randgebirges gewiss von besonderem Interesse sein. Hier kommt er, trotz der Meereshöhe von über 5000 Fuss doch schon in die heisse Zone (Sommerzeit, Plateau, trockene, dünne Luft) und findet viele jener eigenthümlichen, stacheligen und behaarten, ausdauernden Gewächse, welche den Hochländern Vorderasiens ein so sonderbares Pflanzenkleid verleihen. Ist dasselbe auch keinesweges üppig, mangelt ihm vor allen Dingen das saftige Grün und meistens auch die breit entwickelte Blatt

form, so ist es dagegen im höchsten Grade originell; ebensowohl in Gestalt, wie in der Färbung und im Einzelnen betrachtet, bietet es ebenso barocke als auch schöne Gestalten. In dieser Zone machte ich auf dem Rückwege Halt und sammelte hier die besten Pflanzenproben während meiner diessjährigen Reise.

Zum grossen Theile ist das südliche Drittheil der Ebene von Ardebil ziemlich stark von Salzen durchdrungen. Zwar sah ich nirgends die weissen Incrustationen und stehenden Salzlachen, allein die grosse Verbreitung verschiedener Statice-Arten und einiger ächten Halophyten bestätigen doch meine Ansicht. An solchen Plätzen fehlt denn auch die Cerealien-Cultur, welche hier, überall wo es nur möglich, ebensowohl in der Ebene, als auch im Gebirge in grossem Maassstabe Statt findet und zwar mit Hülfe der Bewässerung. Der gesammte Ostfuss des Sawalan, hinauf bis über 7000 Fuss Meereshöhe, zeigt uns vornämlich ein gut bearbeitetes und sorgsamst bewässertes Ackerfeld, auf wel chem der Weizen und die Gerste in unglaublicher Dichtigkeit und Reinheit wächst. Mit dem Eintritte in die Ebene von Ardebil sind denn auch die allerletzten Spuren der wildwachsenden Gebüsche verschwunden. Auch der gesammte Sawalan besitzt nur Juniperus communis in krüppeliger, niederliegender Form, und nur an einer einzigen Stelle fand ich die allerdürftigste Zwergform von Cotoneaster. In der Ebene ist es nur die angepflanzte Weide, welche alle Ortschaften umsteht, doch besitzt Ardebil auch grosse und gut gehaltene Obstgärten, in denen zumal verschiedene Apfelsorten gut gedeihen, die Rebe aber ungedeckt, wie ich mich überzeugte, sehr gelitten hatte und erst jetzt, Ende Juni (alten Styls) dürftig auszuschlagen begann. An Stelle aber der für den Heuschlag so ergiebigen basal-alpinen Wiese, tritt nun im heisseren Gebiete der Ebene überall die Cultur der Esparsette und Luzerne auf, welche beide aber auch nur bei genügendem Wasser üppig gedeihen und jetzt zum zweiten Male mit der Sichel geschnitten wird. Noch muss bemerkt werden, dass die Bewohner der Ardebil-Ebene weder persischer noch türkischer Abkunft sind, sondern vielmehr als aus Talysch eingewanderte Mohammedaner betrachtet werden.

Auf das Allerangenehmste wurde ich in Ardebil überrascht, als wir endlich, nach langem Ritte durch die engen Strassen, an deren beiden Seiten hohe, fensterlose Lehmwände emporstreben, vor einer ziemlich unansehnlichen. Pforte standen, und nachdem ich, eintretend, einen kurzen und schmalen gepflasterten Weg zurückgelegt hatte, in einen sauber gehaltenen Garten schaute, an dessen einer Seite am Ende das Wohnhaus meines mir bis dahin ganz unbekannten Wirthes stand. Dieser war der reiche, armenische Kaufmann Paron - Chaschatur-Melkowitsch, dessen südper

sische, getrocknete Früchte und Rosinen alljährlich auf dem Jahrmarkte von Nischne-Nowgorod en gros verkauft und von dort oft bis weit in's Herz von Sibirien transportirt werden. Es giebt in Ardebil noch 5 andere, armenische Kaufleute, welche diesen Handel mit getrockneten Früchten in Händen haben. Mein Wirth ist weit und breit im Lande als ein höchst wohlwollender und nobler Mensch bekannt. Noch im vergangenen, so harten Winter hat er sich sehr hervorgethan, denn, als die Hungersnoth auch den Gau von Ardebil heimsuchte und mit dem alltäglichsten Nahrungsmittel des armen Mannes hiesiger Gegend, mit dem Gerstenmehle abscheulicher Wucher getrieben wurde, eröffnete er sechs Magazine, welche Mehl zum früheren, mässigen Einkaufspreise dem hungernden Volke überliessen. Bald erschien er und gewährte mir auf das Zuvorkommendste die Gastfreundschaft in einer so freigiebigen Art, wie sie nur der Orient kennt.

Ardebil selbst hat ein ärmliches Ansehen. Die Bazare sind zwar gross, aber ausser den alltäglichsten Lebensmitteln findet man in ihnen doch nur wenig werthvolle Waaren, das Meiste ist wahrer Plunderkram. Die Bäder sind ebenfalls schlecht. Alles geräth in Verfall, so auch die Gouvernements-Gebäude, in denen ein Onkel des Schah, der Enkel Feth-Ali-schah's: Chadshi seif-ud-dowlet, residirt, den ich bei officieller Visite als einen durchaus einfachen, alten Herrn kennen lernte, welcher mich im prunklosen Sommergemache empfing. Auch die vom Franzosen Gardanne zu Anfang dieses Jahrhunderts erbauten Festungswerke mit doppeltem Graben an der Südseite der Stadt in der Nähe des Balyk-tschai-Baches gelegen, fand ich gänzlich verfallen und verwachsen.

Die Krone aber von Ardebil ist und bleibt das Mausoleum des Scheikh-Sefi, des Stifters der Secte gleichen Namens, welcher als erster der Sefiden Schah-Ismail entstammte, der wie jener, als Heiliger verehrte Scheikh, hier begraben liegt. Über 500 Jahre alt ist dieser Prachtbau, und staunend betrachtet das Auge des Europäers dessen mehr und mehr in Verfall kommende Reste, dabei an die einstige Grösse Persiens den richtigen Maassstab legend. Leider kann über Nacht diesen Prachtresten ein plötzliches Ende gemacht werden. Man vergesse nicht, dass der Sawalan als drittes Hauptcentrum der Erdbeben Transkaukasiens zu betrachten ist, und dass von hier aus zu wiederholten Malen auch in neuerer Zeit sehr heftige Erderschütterungen erfolgten. Das langgestreckte Hauptgewölbe, gleich in der kirchenartigen, grossen Vorhalle des Mausoleums, zeigt einen mehrere Zoll breiten, durchgehenden Längenriss, und an vielen anderen Stellen bemerkt man sehr wesentliche Beschädigungen, welche nur als Folgen der Erdbeben zu betrachten sind.

Ehedem führten zu diesem berühmten Kirchenbau zwei grosse Vorhöfe. Neuerdings stürzte auf dem vorderen dieser beiden das hintere Prachtportal ein, und dem Haupteingangsthore mit seinen Nischen, Architecturen und wundervollen Mosaiken steht ein gleiches Schicksal sicherlich bevor. Bereits fehlen Stücke in den leibdicken, türkisblauen, in gewundener Thauform gebildeten Hauptsäulen und Bogen, welche die Mosaike zum festen Abschlusse bringen, und von diesen letzteren, die, bei unglaublicher Mannigfaltigkeit der Zeichnung und Farbe, dennoch den schönsten altpersischen Blumentypus rein erhalten zeigen, fehlen schon sehr viele. Quer durch den inneren Thorraum ist eine Kette gespannt und wer sich jenseits derselben im Innern des Hofes befindet, ist geschützt. Ihn kann Niemand, selbst der allmächtige Arm des Schah's nicht erreichen. Erst im zweiten gleichgestalteten Hofraum waltet Ruhe, da der vordere im Verlaufe der Zeit profanirt und zu einem Marktplatze verwandelt wurde. Es wäre wohl geboten, die noch vorhandenen Reste dieser schönen persischen Architectur und Ornamentation der Nachwelt im treuen Bilde zu erhalten. Ein halbes Jahr würde zwei tüchtigen Zeichnern genügen, um namentlich die vorzüglichen Mosaike zu copiren, sie sind sich wohl untereinander ähnlich, aber alle doch verschieden. Dem Mausoleum nahe sieht man dicht nebeneinander viele Grabsteine.

Viel zu

An der Hauptthüre angekommen, muss der Europäer das Fusszeug ablegen, obgleich das Innere des Heiligthums durch die Mohammedaner, sowohl Wallfahrer, als auch Wächter, entweiht wird. Ich fand sie dort ganz gemüthlich beim Thee und zwar bei dem russischen Samawar, der sich also doch als höchst praktisch in dem Sanctuarium unbehelligt festgesetzt hat, trotz des Fanatismus der Perser. weit würde es führen, ausführlicher an diesem Orte über die beiden Grabstätten zu berichten. Die beiden grossen Sarkophage sind auf's Feinste geschnitzt und zeigen das Beste, was Perlmuttermosaik schaffen kann. Sie sollen in Indien gemacht worden sein. An der kleineren Grabstätte Ismail's kann man auch jene seltenen Kacheln sehen, die unter dem schönsten Lasurblau goldschimmerndes Muster besitzen.

Besondere Erwähnung verdient aber ein grosser Anbau, dessen hohe Wände überall die zierlich in- und übereinander geformten Zwergnischen besitzen. In diesem Anbau, der mit schön geschwungener Kuppel zum Abschluss kommt, wurde bis 1829 die werthvolle Bibliothek des Scheikhs und seiner Nachkommen aufbewahrt, zu welcher Zeit aber fast alles Werthvolle davon nach St. Petersburg geschickt und später durch den berühmten Akademiker Frähn der gelehrten Welt bekannt gemacht wurde. Hier nun, in diesem grossen Saale, wo zolldick (wörtlich) der Staub

lagerte und die kostbaren Gewebe, mit denen die Wände bekleidet waren, schon in Fetzen herabhingen, war der ganze Fussboden dicht mit den prachtvollsten, altpersischen, indischen und chinesischen Porzelanen und Fayencen bestellt. Da sah man viele grosse, flache, dünne und ganz durchsichtige Schalen, hell-milchweiss, mit dunkelblauer, verwaschener Zeichnung, dann wieder vasenartige, massive Gefässe, auch flaschenförmige, breitbauchige, seitlich zusammengedrückte mit Drachenzeichnungen. Auch lagen hier in einigen Schalen sehr schöne geschnittene Steine, namentlich Jaspis. Das alles würde, da es, wenn nicht nach Tausenden von Exemplaren, so doch nach vielen Hunderten zählt, einen vortrefflichen Bestand für ein Museum bilden, und wie viel reicher muss diese Sammlung gewesen sein, wenn man bedenkt, dass Vieles davon der Zeit und den Erdbeben verfiel und auch Ardebil zu Anfange dieses Jahrhunderts mehrmals geplündert wurde. Einst hatte dieses Etablissement, welches nicht allein die Grabstätte des Scheikhs Sefi, sondern auch seine Wohnung, seine Medsched und Schule enthielt, eine jährliche Einnahme von 18000 Ducaten. Jetzt leben die mohammedanischen Wächter von den Einnahmen, welche die wenigen schaulustigen Fremden und die Wallfahrer schenken. Wie gesagt, es ist Alles dem gänzlichen Verfalle ganz nahe.

Was mich in Ardebil interessiren konnte, hatte ich Alles bis zum 19. Juni in Augenschein genommen, mehrmals auch den Bazar besucht, um originelle ethnographische Objecte zu erhandeln, und so konnte ich denn früh Morgens am erwähnten Tage, noch begleitet von einem persischen Gensd'armen zum Sawalan mit meinen Leuten aufbrechen. Sein volles Bild lag direct gegen Westen vor uns. Langsam ging es in der Ebene vorwärts. Das Dorf Achmian wurde bald erreicht, aber erst in Chaladshich, hart am Fusse des Gebirges gelegen, machten wir Halt und ruhten bis 1 Uhr. Hier ist die ansteigende Ebene sehr steinig und ernährt, wo sie nicht bewässert wird, vorwaltend die Arten der sterilen Steppe, namentlich auch Euphorbia Garardiana und Peganum Harmala. Sehr bald aber änderte sich das. Beständig stiegen wir nun bergan und erreichten bald recht saftig grüne, aber total abgeweidete Wiesen, in denen zwei Kleearten vorwalteten. Hoch vor uns lagen nun einige Schneeschrammen des die Ostseite des Sawalan umgürtenden Kisil-bari, welcher bis in die hochalpine Vegetationszone ansteigt und jetzt noch zum grössten Theile schneebedeckt war. Dorthin hatten wir zunächst zu wandern.

Bei den Sommerfrischen der Dshihachanumlinzen machten wir kurzen Halt und erquickten uns an vorzüglichem Airam. Dieses sind friedlich gesinnte Schach-sewanzen, welche ihre Weideplätze nahe bei den berühmten Schwefelquellen, die Sardaba genannt werden, besitzen. Die Quellen

sind im Sommer stark besucht, und lagerten auch jetzt dort mehrere Reisegesellschaften, Gross und Klein, Mann und Weib, alles badet dort beisammen, aber nur, wenn es Orientalen, zumal Perser sind; das unerwartete Erscheinen eines Christen in dieser Gesellschaft würde sicherlich Tumult veranlassen. Höher am Kisil-bari entspringen noch mehrere heisse Quellen, welche gelegentlich ebenfalls benutzt werden. Es sind diess die Wasser vom Gotur-su, von Schah-bil und von Mo-ul.

Von grossen Schwierigkeiten bei dem weiteren Vordringen habe ich hier Nichts erlebt. Selbst mit schwerem Gepäcke und nur sehr mittelmässigen Pferden kamen wir überall leidlich durch, natürlich nur im Schritte. Die Weiden wurden immer üppiger, und der Klee blieb dominirend, aber an vielen Stellen bemerkte ich hier die schmalen und gelben Blätter einer Bulbocodium-Species, die ich am folgenden Tage auch nahe der Schneeschmelze blühend sammelte; sie ist giftig und wird dem Vieh oft tödtlich, wenn solches zu viel davon frisst. Bis dahin hatte ich aber im Talyscher Gebirge von dieser Art Nichts bemerkt, wohl aber die viel breiteren und höheren Blätter des im Herbste schön blü henden Colchicum speciosum wahrgenommen, welches hier förmlich das basal-alpine Veratrum zu ersetzen scheint, da ich letzteres nirgends beobachtete.

Wir durchschritten das Weidegebiet der Risabeglinzen und höher noch das der Begbaglinzen, welche alljährlich einen Theil ihrer Weiden an russische Unterthanen vom Araxes und aus Talysch vermiethen. Sodann, in einer Höhe von wohl schon 9000 Fuss über dem Meere, waren die übel berüchtigten Ekalinzen stationirt, welche als Räuber und Mörder verschrien sind und ihr sauberes Handwerk auch während unseres Aufenthaltes in ihrer Nähe trieben. Höher als diese noch, wohl schon über 9500 Fuss stiessen wir auf die friedlichen und zahlreichen Larlinzen, welche im Rufe grösserer Gesittung stehen, und blieben bei ihnen. Sie stellten uns eine Kibitka ausserhalb des Lagers auf und wir richteten uns nach Möglichkeit ein. Welche Bewandtniss es aber mit dieser sogenannten Gesittung bei den Schach-sewanzen,,den Lieblingen des Schah's" hat, konnten wir schon während unseres kaum zweitägigen Aufenthaltes vielfach erfahren. In der ersten Nacht stahl man im Lager vier Schafe und den angesehensten Ältesten, einen Chadshi, prügelte sein eigener Sohn erbärmlich durch. Höher nun noch am Kisil-bari, dem östlichen Gürtel des Sawalan, leben im Sommer die Alibabinzen.

Bis in diese hochgelegenen Gebiete traf ich die gewöhnliche Feldlerche hier als Sommerbewohner an. Ihre Verbreitung in dieser südwestlichen Caspi-Gegend als Brutvogel ist sehr interessant. Sie sind durch zwei Ursachen bedingt, die eine ist orographischer, die andere klimatischer Natur.

Alauda arvensis fehlt vollkommen im gesammten Tieflande von Talysch und Gilan, es ist ihr hier im Sommer zu nass und nur im Winter und gegen das Frühjahr hin traf ich dort kleine Völker dieser Art an, im Sommer fehlt sie absolut, überspringt dann auch das gesammte Waldgebiet und tritt erst unmittelbar westlich vom Randgebirge als gemeiner Brutvogel auf dem persischen Hochplateau auf.

Am Freitage dem 20. Juni/2. Juli wurde die Ostfront des Sawalan betreten und bis zur äussersten Höhe des schon öfters erwähnten Kisil-bari verfolgt. Dieser Gürtel, vulcanischer Natur, behält an einigen Stellen seiner Kammhöhe im wilden Chaos der Felsen Schneespuren auch im Hochsommer, jetzt aber fand in 10-11 000 Fuss Meereshöhe überall die Schneeschmelze Statt und wir wanderten in seiner Kammregion meistens in erweichtem Schnee. Dieses Gebirge tritt der Ostspitze des Sawalan, welche eine stumpfkonische Form besitzt, ganz nahe und ist mit ihr durch eine nur geringe Einsattelung verbunden, so dass man, wenn es Zeit und Zweck der Reise bedingen, auch von hier zur Höhe der östlichen Hälfte klettern kann. Eben von dieser, von mir erstiegenen Stelle zieht es sich der gesammten NW-Seite des Riesen entlang laufend und allmählich mehr und mehr gegen Norden gerichtet, weit hin und entsendet eine grosse Menge nackter Rippen zum mittleren Karasu-Laufe. Das von ihm und dem Sawalan eingeschlossene Thal wird schlechtweg als Sawalan-Golü benannt.

um

Langsam stiegen wir in Begleitung mehrerer Schachsewanzen bergan, zunächst wendeten wir uns südlich, in das Karatschai-Thal zu gelangen, und in diesem ging es nun ohne besondere Eile fort, weil Alles, was die alpine Flora bot, gesammelt werden sollte. Es war nicht viel. Wo nur immer die Vegetation abweidbar war, fanden wir sie bereits auch in diesen Höhen benagt. Nur das Bulbocodium, die Ranunkel, Puschkinia, mehrere Gagen und Ornithogalum Sp. munden den Schafen nicht und prangten in voller Blüthe. Auch der Kamm des Kisil-bari-Zuges hat seine Köpfe, welche meistens gegen Ost und Nord steil abgebrochen erscheinen. Als wir uns in dem wilden Felsenmeere eines dieser Köpfe bewegten, scheuchten wir 4 Wölfe auf, die hier in circa 11 000 Fuss Meereshöhe am Tage ruheten, um in der Nacht die Schafe der Schachsewanzen zu rauben. Der Wolf folgt nämlich aus den Tiefländern den wandernden Heerden; ganz so thut er das in verticaler Richtung der Beute wegen, wie es die Edelfalken, welche am Eismeere im Sommer den Gänsen und Enten nachstellen, zum Winter es in der Horizontalrichtung vollbringen und die vielen Hunderte von Meilen, welche die nordische Tundra vom Südufer des Caspi trennen, zurücklegen, um sich am Ziele ihrer Wanderungen reichlich zu ernähren.

Auf der höchsten Stelle des Kisil-bari angelangt, befand ich mich unmittelbar vor der höchsten Ostfront des Sawalan. Es gab in dieser Höhe jetzt keine einzige Pflanze. Selbst der tiefer auf den Schneefeldern überall jubelnde Anthus aquaticus und sein Begleiter im Sommer in der alpinen Zone, Phileremos alpestris (v. larvata) fehlten. Die Schneeschmelze war in vollem Gange, ein heftiger Ostwind wehete. Ich zeichnete daher nur das Bild des Berges und wir stiegen dann zum tiefen Thale des Sawalan-Golü herab, um viel weiter gegen Norden abermals den Kisil-bari zu übersteigen und so zu unserer Kibitka bei den Larlinzen gegen Abend zurückzukehren.

Je weiter wir nun gegen N und NW vordrangen, um so klarer enthüllte sich vor uns das gesammte Bild des Sawalan. Sehr bald schon trat der westliche Gipfel in's Gesichtsfeld, dessen steile, zerrissene Ostwand den einstigen hier Statt gefundenen Einsturz augenscheinlich bestätigte. Zwischen beiden Gipfelhöhen liegt nun die geräumige Tiefe, zu welcher man von NW kommend, leicht gelangen kann und wohin die Wallfahrer gemeinlich gehen. Denn dort, höher postirt, ruht auch unter nachlässigem Holzüberbau der Heilige des Berges, dem die Wallfahrt, Andacht und das Opfer gilt. Man soll das Skelet eines Menschen dort sehen können, und nicht weit davon befindet sich das Bassin mit dem heiligen, köstlichen Wasser.

Am 21. Juni wurde während der Rückkehr vom Sawalan gejagt und herbarisirt. Auch hier stiessen wir an Steilfelsen auf kleine Brutcolonien der gewöhnlichen Hausschwalben (H. urbica), welche in ganz Transkaukasien nur sporadisch an einzelnen Localitäten, die meistens über 4000 F. Meereshöhe haben, vorkommt und nur an einer Stelle (Derbent) bis zum Meeresufer herabsteigt. Erst Abends erreichten wir Ardebil.

Am 25. Juni/7. Juli kam ich Nachmittags wieder zu den Weideplätzen am Küs-jurdi, nachdem vorher am mittleren Ambarani eine sehr reiche botanische Ausbeute gemacht worden war. Nur eine kurze Ruhe hielten wir hier und reisten dann weiter. Ich befand mich nun an dem von allen anderen am tiefsten in das Plateau gegen W einschneidenden Quellarm der Lenkoranka und dieser ist von allen anderen der bei weitem interessanteste. Es zwingen nämlich zwei mächtige Gebirgsstöcke deren einer vom erwähnten Küs-jurdi gegen NNW, der andere von der Wasserscheide im über 8000 Fuss hohen Kemür-Kui sich gegen Osten abtrennen und bei ihrem endlichen, stumpfwinkligen Zusammenstosse den Eingang in die sogenannte Täng-Schlucht herstellen sämmtliche nördliche Quellwasser der Lenkoranka sich in einem verhältnissmässig tiefgelegenen Kesselthale zu sammeln und dann als schon recht

bedeutender Bach die Täng-Schlucht gegen Osten zu durchbrechen.

In mehrfacher Hinsicht wird dieses grosse QuellKesselthal, welches Suant-Gau benannt ist, interessant; zunächst in klimatischer. Denn, zog bis zum Küs-jurdi die Wasserscheide, d. h. die Höhe des Randgebirges, zwischen Karasu und den Zuflüssen des Caspi in der That in Bezug namentlich auf die wässerigen Niederschläge eine sehr scharfe Grenze, so ist das hier im Suant-Gau nicht mehr der Fall. Das ganze Gebiet vom Küs-jurdi gegen NW der Grenze entlang, welche durch die Quellen des Williasch-tschai gezwungen wird, so tief landeinwärts einzuschneiden, hat trotz seiner hohen Lage bereits das trockene Klima des Plateau's. Die erwähnte Abzweigung vom Küsjurdi und ein gegen NW der Grenze parallel laufender, aber subordinirter Höhenzug fangen die Caspi-Ausdünstungen mit ihren Oberflächen auf, wie sich das durch scharfe Abgrenzung der Laubwälder sehr deutlich in diesem Gebiete zu erkennen giebt. Danach aber hat sich im Suant-Gau ebensowohl der Typus der Flora, wie auch der Modus der Ackerwirthschaft ausgebildet.

Ich vervollständigte während meines mehrtägigen Aufenthaltes im Suant-Gau meine hier schon 1870 gemachten Herbarien und besuchte wiederum die steilen Abstürze des hohen Barnasar, begab mich auch tief abwärts in die TängSchlucht und brach erst am 28. von dem Dörfchen Mistan, wo ich bis dahin gelebt hatte, zum Dorfe Rasonow auf, um dann am 29. über den äussersten Quellzufluss der Lenkoranka, der Héledara steigend, Abends den Kemür-Kui zu erreichen, an welchem ich, da er über 8000 Fuss Meereshöhe besitzt, viel zu finden voraussetzte, worin ich mich vollkommen getäuscht sah. Auch hebt sich die eigentliche Kemür-Kui-Höhe kaum aus dem Massiv des Gebirges hervor. In der Nähe von ihr, im geschützten Thale, blieben wir und eilten am 30. weiter. Die Gegend ist öde, in den Thalsohlen salzig, sonnenverbrannt, heiss. Die Kosakenwachtposten stehen hier näher, in 10-15 Werst Entfernung von einander. Wir blieben immer in der Nähe des wenig markirten, kahlen Grenzgebirges auf russischer Seite und umgingen die äussersten Quellen des Williaschtschai. Wo diese nur spärlich gespeisten Quellen zusammensintern und in Folge dessen sofort die Vegetation dichter und kräftiger wird, so dass man allenfalls für kleine Strecken noch von Wiesen sprechen kann, da be

finden sich eben die festen Posten der Grenzkosaken, die hier 3-5 Jahre ohne abgelöst zu werden ihren Dienst zu besorgen haben.

Nur bei dem Germin'schen Grenzposten blieb ich längere Zeit, weil die Flora einladend war. Hier galt es abermals an der niedrig gelegenen Waldgrenze zu sammeln, die Eichen besonders zu beachten, deren Behaarung und Blattform so ausserordentlich variirt, und noch eine gute Nachlese in der basal-alpinen Zone zu veranstalten. So brachen wir erst am 1./13. Juli gegen Mittag auf und beeilten uns nun sehr, um nicht allein die äusserste Williasch-tschai-Quelle zu umwandern, sondern auch den bereits im Gebiete des Grenzflüsschens Basar-tschai gelegenen Kosakenposten Arussi zu erreichen und dort auszuruhen. Das Grenzgebirge verändert nunmehr seine Richtung total. Gerninsk liegt von allen Grenzposten am Weitesten gegen Westen, so recht im Winkel, den die beiden Schenkel des hohen Grenzge. birges bilden, von denen der erste, den wir bis jetzt kennen lernten, SO-NW, der zweite, dem wir nun folgen müssen, die Hauptrichtung W-O einhält. Zum grossen Theile ist dieses letztere Gebirge beschwerlich zu passiren. Wir hielten uns daher südlich von seinem Kamme und hatten dadurch noch den Vortheil, meistens von den Bäumen des Waldes beschattet zu werden.

Wir erreichten, obwohl spät Abends, unser Ziel und brachen schon früh am 2. wieder auf, jetzt das rechte Ufer des Grenzbächleins bis zum Schartirlinski'schen Posten verfolgend und dann über die östlichen Höhen steigend, um am Fusse derselben zum Rande der Mugan zu gelangen. Schon hier im Basar-tschai-Thale empfanden wir die Hitze der tiefer gelegenen Gebiete. Die Ernte war dort beendet, und die hochgeschossenen, zum Theile stacheligen und harten Steppenkräuter, unter denen sich auf weite Strecken hin Centaurea solstitialis, L., sehr bemerkbar machte, standen in voller Blüthe. In den Wäldern der Ostseite des niedrigen Gebirges lärmten am heissen Tage unzählige Cicaden und, als wir tiefer und tiefer gestiegen waren und die Hitze immer unerträglicher geworden, lag die unabsehbare Mugan, förmlich in Rauch gehüllt, vor uns. Nur undeutlich erhob sich aus ihr, gleich einer Bastion, der regelmässige Hügel, auf welchem einst der verwegene Stenke Rasin campirte; ein Schrecken den umwohnenden Muselmännern und der Vorbote russischer Macht am südlichen Caspi.

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