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Der Marsch, auf welchem wir den NO-SW verlaufenden G. Targali zu unserer Linken hatten, dauerte nur 5 Stunden; halbwegs kamen wir durch das Dorf Timbasi, liessen dann G. Bickeri und Zandi, 600-700 F. über die Ebene steil emporsteigende Hügel, aus denen einzelne graue Felsmassen aus den die Berge bedeckenden Wäldern kühn emporstrebten, zur Rechten und schlugen hart neben dem Dorfe Sarefiah mitten zwischen Hügeln, die uns in einem Halbkreise umgaben, unser Lager auf.

Noch immer durch Wald, mit Bambus und vielen Acacien, ging es dann 6 Stunden weiter; nach 1 Stunde hatten wir einen Bergpass erstiegen, von welchem wir G. Keschĭmă zur Linken hatten und ca 12 miles entfernt in NNW G. Masoro erkennen konnten. Die Ebene, in welcher sich viele ausgetrocknete Sümpfe befinden, scheint sich nach NO zu neigen. Alle Arten Wild waren sehr zahlreich, unsere Träger erlegten zu Aller Freude zwei Büffel, von denen der eine 13 Kugeln bekam, bevor er fiel; auch Giraffen kamen in Sehweite, eine wurde von meiner Kugel getroffen, aber es war schon zu spät, um die Spur zu verfolgen. In dieser Jahreszeit ist längs des Weges nur wenig Wasser zu finden, so dass es eine ziemliche Weile dauerte, bis nach Errichtung des Lagers geeigneter Wasservorrath entdeckt wurde; inzwischen waren unsere durstigen Träger schon zum Theil über den Schlamm einer halbtrockenen Pfütze hergefallen, um nur die Lippen ein wenig anzufeuchten.

Ein Hügel, den wir 2 Stunden nach unserem Aufbruche am 17. December erstiegen, gewährte uns nach allen Seiten einen prächtigen Umblick über die Gegend, nach N und O erstreckte sich ein ununterbrochenes Waldmeer, nach S und SW boten die dunkelgrauen Umrisse der entfernten Gebirge einen angenehmen Gegensatz gegen die einförmigeren Wälder. Nach 1/4 mile erhob sich hart neben dem Wege eine niedrige Masse plutonischen Gesteines, in deren Mitte eine merkwürdig geformte Spalte fast den Eindruck eines Kraters von einem erloschenen Vulcan machte; sie ist 40-50 F. tief, hat ausgehöhlte Seitenflächen und am Grunde befindet sich ein Teich mit klarem Wasser. Hier mussten wir längere Zeit Halt machen, da unsere Träger das Tags zuvor erbeutete Fleisch braten wollten. Als dieses Geschäft endlich besorgt war, neigte sich der Tag schon seinem Ende, so dass wir nur noch einen 2stündigen Marsch zurücklegen konnten und dann an den Ufern eines kleinen Baches, der uns reichlich mit gutem Wasser versorgte, lagerten. Von Dem Suleiman aus pflegen die Neger nicht mehr die kleinen runden Hütten zu bauen, wie sie weiter im Süden Mode sind, sondern sie errichten grössere, vollkommen quadratische Hütten, welche natürlich viel geräumiger und daher bequemer sind. Es ist ein VerPetermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft III.

gnügen zuzusehen, wie schnell das Lager hergerichtet wird, nach 1/2 Stunde bereits sind die Feuer im Kreise in Brand, Schildwachen sind ausgestellt, die Hütten aufgeführt und Alles fix und fertig für die Nacht; an Ruhe ist aber noch nicht zu denken, denn nun fängt das Singen und Tanzen der Neger an, was bis in die Morgenstunden anhält. Wann die Neger eigentlich schlafen, ist mir unklar, aber in der Nacht scheinen sie erst recht aufzuwachen, den Tag allerdings verschlafen sie am liebsten ganz und gar. Für Europäer ist diess freilich nicht gerade angenehm, aber man gewöhnt sich schliesslich an Alles.

Der Grund und Boden, auf dem wir lagern, muss, wie untrügliche Zeichen nachweisen, in der Regenzeit ein ungeheuerer Sumpf sein; nach allen Richtungen kreuz und quer laufen Wildspuren, was das Einhalten des richtigen Weges sehr erschwert, besonders da die Elephanten sich ein specielles Vergnügen daraus zu machen scheinen, die schmalen Pfade in jeder Weise zu zerstören. Aus diesem Grunde, wie auch aus Furcht vor Löwen, wagen die Träger nicht, während der Nacht, die übrigens auch durch den starken Thaufall sehr unangenehm sein würde, zu marschiren.

Da die Träger am nächsten Tage den Weg bis zum Bahr-el-Arab als übermässig weit schilderten, so lagerten wir nach 6stündigem Marsche bei Atraha, in dessen Nähe sich ein grosser Teich befindet. Überall gab es viel Antilopen. Schon nach 2stündigem Marsche aber erreichten wir Tags darauf auf schlechtem Wege den Fluss, welcher in der Regenzeit ein schöner Strom sein muss und meilenweit beide Ufer überschwemmt, während er im Sommer fast ganz und gar in seinem sandigen Bette versiegt. Als wir ihn passirten, war er 120 Yards breit und seine Ufer erhoben sich 15 F. über dem Wasserspiegel. Einige wenige Palmen standen am Wege, und wir bekamen einmal 20 bis 30 grosse Affen zu sehen. Nachdem wir den Fluss passirt hatten, mussten wir den Rest des Tages und den nächstfolgenden am linken Ufer auf Ochsen warten, welche uns und unser Gepäck nach Kalaka bringen sollten. Wir benutzten diese Gelegenheit, um im Flusse ein erfrischendes Bad zu nehmen; kaum war diess aber im Lager bekannt geworden, als ein Haufen Männer und Weiber herzueilte, um uns zuzuschauen und ihre Spässe über unsere

weisse Hautfarbe zu machen.

Als wir am 21. Decbr. unseren Marsch fortsetzten, begegneten wir 2 Stunden vom Lager den erwarteten Ochsen, schönen kräftigen Thieren, welche grosse Graspolster auf dem Rücken trugen, auf denen die Lasten festgebunden wurden. Der Treiber, welcher mit einem breiten Speere bewaffnet ist, sitzt zwischen den Gepäckstücken. Ein gut genährter Ochse trägt ausser dem Treiber 500 Pfund 5 bis

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6 Tage lang, die Marschgeschwindigkeit ist 2-2 miles per Stunde.

Bis zu unserem Nachtquartier, dem arabischen Dorfe Alugür, welches ein wenig nach Westen vom Wege abliegt, waren wir 62 Stunden unterwegs. Schon bald nachdem wir den Bahr-el-Arab hinter uns gelassen hatten, nimmt die Vegetation einen wesentlich anderen Charakter an, jetzt kamen nur noch Acacien, Palmen und kleine Dornen vor; der Boden besteht aus Sand, welcher mit verdorrtem Grase bedeckt ist, oder aus trockenen Sümpfen. Die Stämme der Gummiacacien-Bäume sind hier von glänzend rother Farbe, wodurch die Landschaft ein merkwürdiges Aussehen gewinnt. Elephanten kommen im N des Bahr-el-Arab nicht mehr vor, dagegen zahlreiche Heerden von Antilopen. Die Tsetse-Fliege ist hier auch nicht mehr zu Hause, denn Rindvieh und Pferde gedeihen. In der Nähe der arabischen Dörfer wird ziemlich viel Baumwolle gezogen, woraus die Bewohner ein gutes starkes Garn spinnen, welches ihnen zur Anfertigung eines groben Zeuges zu Kleidungsstücken dient. Nachdem man so lange nur mit nackten Negern zu thun gehabt hat, macht es fast einen wunderlichen Eindruck, sich wieder inmitten von, wenn auch noch so dürftig bekleideten Leuten zu sehen. Das Korn, welches überall gebaut wird, ist Duchn (Penicillaria glauca), längs des Weges waren grosse Vorräthe davon aufgespeichert.

Mit dem Wasser geht die Bevölkerung sehr sparsam um; sie giebt dem Reisenden willig zu trinken, aber, so lange sie es vermeiden kann, zeigt sie Niemandem den Brunnen. In Alugur bekamen wir zum Abendessen sehr gute Wassermelonen, deren Saft von der Bevölkerung zum Ersatz des Wassers verwendet wird sowohl zum Kochen als auch zum Waschen; selbst Rinder und Esel erhalten kaum etwas Anderes zu trinken. Die Hütten der Araber sind durchweg sehr mangelhaft aus Matten oder Stroh erbaut. Diese ganze Gegend, welche tiefer liegt als die Ufer des Bahr-el-Arab unser Lager in Alugür z. B. 60 F. —, ist in der Regenzeit ein Sumpf; sie ist reich an Wild wie an Geflügel.

Der nächste 7stündige Marsch brachte uns, nachdem wir eine Reihe arabischer Dörfer passirt hatten, in denen man uns auf unsere Bitten bereitwillig Wasser, Milch und Feuer für unsere Pfeifen brachte, bis zur Station Kalaka, einem traurigen Haufen halb verfallener Hütten. In Elar

kale, wo wir Mittagsruhe machten, brachte man uns sogar eine schöne Ziege, welche sofort zubereitet wurde, Kisrah und ganze Schüsseln voll süsser und saurer Milch. Als wir noch ca 2 miles von Kalaka entfernt waren, kamen auf prächtigen, gut geschulten Rossen 6 bis 7 Reiter, ihre Speere schwingend, auf uns losgesprengt, um sich nach unserem Befinden zu erkundigen und uns zu bewillkommnen; unter Aufführen eines Scheingefechtes geleiteten sie uns bis zur Station. Ein jeder hatte drei Speere, zwei kleinere und einen grösseren. Das Wasser war auf dem ganzen Wege schlecht, es gab allerdings einige wenige Brunnen, sie enthielten aber meist schmutziges Sumpfwasser.

Von Kalaka bis Dara waren wir 6 Tage oder 24 Reisestunden unterwegs; während wir selbst zu Pferde sassen, wurde unser Gepäck von Ochsen und Kameelen getragen. Der Weg führte unverändert über Sandboden, welcher mit dornigem Gebüsch bewachsen war; einige wenige Affenbrotbäume (Adansonia digitata) wuchsen auf der letzten Strecke zwischen Saril und Dara. Auf der ganzen Ebene lagen viele arabische Dörfer zerstreut, wo sowohl Getreidebau als auch Viehzucht in bedeutendem Maasse getrieben wurde. Nachdem Sigela hinter uns lag, hob sich das Terrain durch eine Reihe Terrassen von je 30 Fuss Höhe um ca 250 Fuss. Die Nächte waren hier sehr kalt; um 4h a. m. zeigte mein Thermometer einmal nur 8° C.; Tag und Nacht wehte anhaltend ein kalter Nordwind. Auf der ganzen Strecke war das Wasser kärglich und das wenige noch dazu schlammig; alle Flussbetten sind jetzt gänzlich trocken.

Zwei Stunden, bevor wir in Dara einzogen, kam uns der Gouverneur Slatin Bey mit einer grossen Gesellschaft zu Pferd entgegen, um uns zu empfangen; dass wir froh waren, wieder in europäischer Gesellschaft uns zu befinden, brauche ich nicht erst zu versichern. Dara ist eine grosse Stadt, welche einen bedeutenden Flächenraum einnimmt, da sie sich aus einzeln stehenden, von Gras gebauten Seriben zusammensetzt; nur das Gouvernementsgebäude ist aus gebrannten Ziegeln gebaut.

Unser ganzer Weg von Ladó bis Dara betrug 1200 miles und wurde von uns in 51 Tagen zurückgelegt. Zum Schluss müssen wir noch unser Bedauern darüber aussprechen, dass wir bei Ermangelung der erforderlichen Instrumente keine astronomischen Ortsbestimmungen vornehmen konnten.

Die Pampas des südlichen Argentinien. (Begleitworte zu Tafel 5.)

In der neueren Entdeckungsgeschichte wiederholt sich fast überall die Thatsache, dass aus der Berührung der Culturvölker mit einem kraftvollen, aber rohen Naturvolke allmählich ein Conflict sich entwickelt, welcher, wenn auch die Urbevölkerung längere Zeit im Stande ist, die Aufschliessung des Landes, die Entwickelung und den Fortschritt neuer Staatenbildung zu hemmen, schliesslich doch ihren Untergang in einer mehr oder weniger tragischen Form herbeiführt, und zwar um so schleuniger, je mehr diese wilden Stämme sich gegen die Annahme der Civilisation sträuben und gewaltsam deren Ausbreitung und Fortschritte zu hemmen suchen. In neuester Zeit hat dieses Schicksal auch die das nördliche Patagonien und die südlichen Theile von Argentinien bewohnenden PampasIndianer ereilt. Seit Gründung der spanischen Colonie an den Ufern des La Plata ist hier der Kampf zwischen der vordringenden Civilisation und der einheimischen Bevölkerung fortgesetzt worden, bis derselbe im Jahre 1879 endlich durch die definitive Niederwerfung der Indianer sein Ende gefunden hat.

Die Entwickelung und die Colonisation der südlichen Gebiete der Argentinischen Conföderation war bisher wesentlich durch die Gefahren, welche die Nachbarschaft der wilden Pampas-Indianer mit sich brachte, gehemmt worden, trotzdem in den westlichen Staaten Mendoza und San Luis der ungeheuere Reichthum an Metallen, im Osten im Staate Buenos Aires der fruchtbare, besonders zur Viehzucht höchst brauchbare Pampas-Boden wohl geeignet war, Ansiedler herbeizulocken. Wenn auch einzelne kühne Colonisten das Unternehmen wagten, sich weit landeinwärts niederzulassen, so blieb doch die Besiedelung im Allgemeinen nur auf die nächsten Umgebungen der festen Plätze beschränkt, welche die Spanier im Laufe der Zeit zum Schutze der Strassen und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft anlegten. Besonders im Staate Buenos Aires, WO die als Haupterwerbszweig betriebene Viehzucht eine Ansiedelung in geschlossenen Plätzen nicht begünstigte und die gegenseitige Unterstützung der Bewohner erschwerte, machte die Colonisation erst dann Fortschritte, nachdem die Gewalthaber in der Hauptstadt durch ausserordentliche Maassregeln den Colonisten eine gewisse Sicherheit für ihr Leben und ihre Habe bieten konnten. Man sah sich gezwungen, durch ein weitläufiges System von Befestigungen das Landgebiet gegen die fortgesetzten Einfälle der Indianer zu schützen. Diese zu Anfang des 18. Jahrhunderts gegründete befestigte Grenzlinie umschloss anfänglich nur

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die nächste Umgebung der Hauptstadt, sie wurde aber im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte fünf Mal vorgeschoben, bis sie in einer Länge von 1237 km in einem weiten Bogen von Bahia Blanca, nördlich vom Colorado, ausgehend den sämmtlichen südlichen Provinzen vom Atlantischen Oceane bis zur Höhe der Cordilleren einen mehr oder minder wirksamen Schutz verlieh. In zahlreichen kleineren und grösseren Erdschanzen, sog. Fortins, Guardias, Postas militares, welche in verschiedenen Entfernungen an leicht passirbaren Furten, an vereinzelten Quellen und an deren wichtigen Positionen errichtet waren, lag eine Truppenmacht von ca 6000 Mann dislocirt, denen die Vertheidigung dieser ausgedehnten Grenzlinie anvertraut war, und welche besonders die Indianer an dem Durchbrechen derselben verhindern sollten. Die Linie war jedoch eine zu ausgedehnte, die einzelnen Befestigungen zu weit von einander entfernt und die Besatzung zu gering, als dass den Ansiedlern grosse Sicherheit geboten wurde, nur zu oft wussten die Indianer in der Stille der Nacht die bestehenden Lücken zu durchbrechen, um mordend und plündernd über die nächsten Wohnungen herzufallen und ihren Rückzug in die ihnen sicheren Schutz gewährenden Pampas und Wüsten zu bewerkstelligen, wobei sie die erbeuteten Heerden vor sich hertrieben, Weiber und Kinder als Gefangene mitschleppten, während die Männer ihrer Mordlust zum Opfer fielen. Wohl gelang es hin und wieder auf einem kühnen Streifzuge ein Lager dieser wilden Indianerhorden, besonders der gefürchteten Ranqueles oder Röhrichtsleute, zu überraschen und den Stamm für viele Frevelthaten zu züchtigen, im Allgemeinen zog es die Regierung aber vor, durch bestimmte Lieferungen von Proviant, Tabak, Spirituosen, Pferden &c. die Gegner bei guter Laune zu erhalten und von Plünderungszügen abzuhalten, obne jedoch den gewünschten Erfolg zu erzielen. Nur zu häufig wanderten die ausgesetzten Summen in die Taschen unredlicher Lieferanten, wofür sich die betrogenen Indianer durch weithin ausgedehnte Überschreitungen der Grenzlinie rächten, deren in den letzten Jahren noch alljährlich mehrere hundert erfolgten. Ganz besonders unwirksam aber war der Schutz, den diese befestigte Grenzlinie bieten sollte, wenn bei den nur zu häufig wiederkehrenden politischen Unruhen im Lande ein grösserer Theil dieses stehenden Heeres abberufen wurde, um irgend einer Partei als Werkzeug zu dienen.

Diese verhältnissmässig geringe Sicherheit wurde durch ganz bedeutende Kosten erkauft, welche für die Erhaltung

und Instandsetzung der einzelnen Werke, Unterhaltung und Sold der Truppen, Tribut an die mächtigsten Häuptlinge erforderlich waren und dem Lande alljährlich grosse Lasten auferlegte. Schon Ende des 18. Jahrhunderts tauchte daher der Plan auf, die Grenze bis an ein natürliches Hinderniss, an eine leichter zu vertheidigende, kürzere Linie vorzuschieben. Als solche boten sich die beiden Flussläufe des Rio Colorado und des Rio Negro dar, von denen der erstere nur wenige Vertheidiger fand, da er im Sommer einen zu geringen Wasserstand hat und von den Indianern zu Pferde an vielen Punkten leicht passirt werden kann. Anders der Rio Negro, welcher während des ganzen Jahres wasserreich ist und nur an wenigen Punkten leicht passirbare Furten bietet. Schon Villarino, welcher zuerst den Fluss bis an den Fuss der Cordilleren befahren hatte, suchte nach seiner Rückkehr von dieser Forschungsreise 1783 die Vorschiebung der Grenze bis an denselben bei dem Vicekönige durchzusetzen, indem er geltend machte, welch' ungeheueres Terrain durch das Zurückdrängen der Indianer über diesen Fluss der Bewirthschaftung erschlossen werden würde. Obschon dieser Plan wiederholt im Principe gebilligt wurde, unterblieb seine Ausführung bis in die neueste Zeit. Nur Manuel Rosas, der langjährige Dictator der Argentinischen Republik, hatte 1833 den Ver-. such gemacht, dieses Project in seiner vollen Ausdehnung durchzuführen. Wenn auch dieser Plan an dem Umstande scheiterte, dass mehrere Generale, die mit ihm gemeinsam operiren sollten, es vorzogen, sich gar nicht in Bewegung zu setzen und der General Aldao mit seiner ganzen Heeresabtheilung von dem Stamme der Ranqueles vernichtet wurde, so hatte Rosas durch den glücklichen Feldzug seiner Colonne den Indianerstämmen einen heilsamen Schrecken eingeflösst und für lange Jahre den südlichen Provinzen des Landes Ruhe verschafft; mehrere Tausend Indianer hatte er zum Theil in grausamster Weise niedermetzeln lassen, viele hundert gefangene Weiber und Kinder befreit und zahlreiche indianische Familien in die nördlichen Provinzen verpflanzt, so dass die verschiedenen Stämme, so lange Rosas die Regierung in Argentinien in der Hand hatte, keinen einzigen Plünderungszug zu unternehmen wagten.

Erst der neuesten Zeit blieb es vorbehalten, das Land für immer von der allgemeinen Plage zu befreien. Nach vielfachen Beschlüssen des Congresses, die nie zur Ausführung gekommen waren, unternahm 1879 der damalige Kriegsminister und jetzige Präsident der Republik, General Roca, die allseitig ersehnte Lösung des Problems, die Indianer aus dem ungeheueren Territorium nördlich vom Rio Negro zu vertreiben und die Südgrenze des Landes an das linke Ufer dieses Flusses und seines Quellflusses Rio

Neuquen zu verlegen. Während General Roca die Operationen von der Provinz Buenos Aires an den Colorado und Rio Negro bis zum Zusammenflusse seiner Quellflüsse Limay und Neuquen leitete, trieben zwei andere Heeresabtheilungen, die Centralpampa-Armee vom Fort Sarmiento Nuevo, die Cordilleren-Armee vom Fort General San Martin aus, die Indianer in blutigen Kämpfen vor sich her. Der grösste Theil der kampffähigen Männer wurde in diesem Feldzuge aufgerieben, nur wenige entkamen über den Rio Negro, während der Rest mit Weibern und Kindern in Gefangenschaft gerieth und im Innern von Argentinien als Hirten, Soldaten &c. angesiedelt wurden.

Nicht zufrieden mit diesem Erfolge wird bereits eine weitere Ausdehnung der unmittelbaren argentinischen Herrschaft über den Neuquen hinaus bis an den Limay beabsichtigt, um die Streifzüge der chilenischen Araukaner, welche bisher mit den Pampas-Indianern gemeinsame Sache machten und deren Plünderungszüge unterstützten, leichter abwehren zu können und dadurch den Tehuelchen, Huiliches und anderen Stämmen Patagoniens diese Hülfe zu nehmen. Ausserdem bildet der Limay als der wasserreichere Quellfluss eine leichter zu vertheidigende Grenzlinie als der Neuquen. Längs des linken Ufers der beiden Flüsse ist in verschiedenen Forts, welche besonders zum Schutze der ohne grosse Schwierigkeit passirbaren Stellen angelegt worden sind, die argentinische Grenzarmee, welche in Folge der leichter abzuwehrenden Grenzüberschreitungen auf ca. 1500 Mann reducirt werden konnte, vertheilt worden. Ein Theil des Uferlandes wird für Militärcolonien reservirt, während der Rest an freie Ansiedler vergeben werden soll. Der Boden ist allerdings sehr fruchtbar und zum Ackerbau sehr geeignet, ob aber eine Colonisation überhaupt möglich ist, scheint noch nicht festgestellt zu sein, denn alljährlich brechen zwei Mal verwüstende Überschwemmungen herein, welche nur die höchsten Stellen der durchschnittlich 5-10 km breiten Thalebene unberührt lassen. Die beiden Schwellzeiten finden in den Monaten October bis December Statt, wenn im Quellgebiete des Limay und Neuquen an den Abhängen der Cordilleren die Schneemassen zu thauen beginnen, und vom Juni bis August in der Zeit der Winterregen. Ganz besonders gefährlich werden diese Überschwemmungen durch den Umstand, dass sie äusserst plötzlich eintreten und in wenigen Stunden um mehrere Meter ansteigen, um dann ebenso plötzlich, wie sie gekommen, wieder zu verschwinden. Eine Heeresabtheilung, welche vom Fort der vierten Division am oberen Neuquen nach dem Zusammenfluss des Limay und Neuquen, Las Juntas genannt, gezogen war, entkam in der Nacht nach ihrer Ankunft daselbst am 24. Juli 1879 nur mit Mühe der Gefahr, in den Wellen des plötzlich austre

tenden Flusses den Untergang zu finden. Auch die kaum gegründeten Militärcolonien am Rio Negro wurden bereits vor Ende des Jahres durch eine Überschwemmung gänzlich vernichtet. Ob es möglich sein wird, durch Abdämmungen diese Gefahren zu beseitigen, muss erst die Zukunft lehren. In der Nähe der Mündung besteht schon seit Jahren in der Umgebung von Carmen de Patagones, der Hauptstadt des Territoriums, eine aufblühende Colonie, in welcher durch künstliche Bewässerungsarbeiten gutes Culturland geschaffen worden ist.

Der Rio Negro entspringt in den beiden Quellflüssen Limay und Neuquen an den östlichen Abhängen der Cordilleren. Die Hauptquelle des Limay liegt in dem See Nahuel-Huapi, an dessen Ufern von Chile herübergekommene Jesuitenmissionare gegen Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts 30 Jahre lang sich den fruchtlosen Bestrebungen hingaben, die wilden Stämme der Patagonier zum Christenthum zu bekehren, und hier einer nach dem anderen theils durch offene Gewalt, theils durch Gift aus dem Wege geräumt wurden. Der Thätigkeit dieser Missionare verdanken wahrscheinlich die ausgedehnten Haine wilder Apfelbäume, welche sich an beiden Ufern des Limay ausdehnen, die Manzaneros, ihre Entstehung, das Eldorado der Indianer, in denen sie mit Vorliebe ihre Winterquartiere aufschlagen. Seit dieser Zeit ist der Nahuel-Huapi nur selten von Europäern besucht worden. Villarino, welcher zuerst den Rio Negro weit aufwärts befuhr, gelangte nur bis zur Mündung des Cata-Pulliche, wo Stromschnellen die Weiterfahrt auf dem Hauptflusse unmöglich machten, weshalb er den Nebenfluss bis zur Mündung des Chimehuin verfolgte. Von den späteren Erforschern des Rio Negro ist keiner wieder so weit vorgedrungen. Cox, welcher 1862 von der Provinz Llanquihue aus die Anden überstieg und nachdem er den Nahuel-Huapi überfahren hatte, den Versuch machte, den Limay stromabwärts bis zur Ostküste zu gelangen, musste ungefähr unter 40° S. Br., da sein Fahrzeug scheiterte, sich zur Umkehr entschliessen. Auch Capt. Musters konnte auf seiner berühmten Forschungsreise durch Patagonien seinen Plan, den Limay und Rio Negro in ihrer ganzen Ausdehnung stromabwärts zu befahren, nicht zur Ausführung bringen, dagegen konnte 1872 Major Bejarano, welcher von der Regierung behufs Verhandlungen mit verschiedenen Kaziken ausgesandt worden war, die Ufer des Rio Negro und Limay zu Pferde bis nach Las Manzanas bereisen, jedoch ohne dass die Geographie wesentliche Bereicherungen durch seinen Erfolg erfahren hätte. Der Lauf des Rio Negro wie auch des Limay sind bisher noch nach den Aufnahmen von Villarino in den Karten niedergelegt. In neuester Zeit hat der Ingenieur - Major Host, welcher an dem Feldzuge der Cordilleren-Armee Theil nahm, eine

Reihe von Positionsbestimmungen am Neuquen bis zu seinem Zusammenfluss mit dem Limay gemacht 1), wodurch eine bedeutende Verschiebung beider Flussläufe erfolgen wird; die seit länger in Aussicht gestellte Karte ist bisher aber noch nicht publicirt worden. Die argentinische Regierung beabsichtigt jetzt eine Forschungsexpedition unter dem Lieut. Rohde auszusenden, welche nicht allein den Limay und den Nahuel-Huapi auf seine Schiffbarkeit untersuchen, sondern auch einen leicht passirbaren Pass Barilochy über die Cordillere, den der Jesuitenpater Guillelmo 1715-1717 entdeckt hatte, wieder aufsuchen soll.

Der Neuquen hat seinen Ursprung in zahlreichen kleinen Bächen, welche die reichen Niederschläge in den Cordilleren aufnehmen. Zur Zeit hohen Wasserstandes ist der Fluss bis zum Fort der vierten Division für Dampfer von 4-5 F. Tiefgang befahrbar, wie durch die Fahrt des Oberst Guerrico mit dem Kanonenboote,,Uruguay" 1879 nachgewiesen wurde; bei niedrigem Wasserstande, März bis Mai, ist die Schifffahrt nur bis zur Confluenz der beiden Quellflüsse möglich. Hier hat der Neuquen eine Breite von 230 m, der Limay von 190 m, während der Rio Negro 1 km stromabwärts eine Breite von 380 m hat. In dem oberen Laufe des Neuquen ist das Thal sehr eng und bietet nur an den Mündungen der Nebenflüsse erweiterte Öffnungen, welche anbaufähiges Terrain enthalten; abwärts von dem kleinen Fort Nido del Condor, welches eine besonders von Araukanern früher viel benutzte Furt deckt, dehnt sich an beiden Ufern eine 1-2 km breite Ebene aus, welche von vorzüglichem, zum Anbau von Gemüsen, Getreide und anderen Gewächsen der gemässigten Zone geeignetem Boden gebildet wird und auch als Viehweide zu verwerthen ist. Bewachsen sind die Ufer ebenso wie die des Rio Negro vielfach mit dornigem Gestrüpp und Weidenbüschen, welche höchstens als Brennholz Verwerthung finden können; Bauholz und andere nutzbare Hölzer liefern nur die üppigen Waldungen an den Abhängen der Cordilleren.

Das Thal des Rio Colorado ist in vielen Beziehungen dem des Rio Negro ähnlich, auch er entspringt in zahlreichen Bächen an den Abhängen der Cordilleren und eilt, nachdem er aus dem Gebirge herausgetreten, in schnellem Laufe, ohne einen weiteren Zufluss aufzunehmen, dem Oceane zu. Nur in besonders regenreichen Jahren soll der Colorado nach Aussagen der Indianer Wassermassen aus der Lagune Urre Lavquen erhalten, welche die Gewässer der salzigen Steppenflüsse Rio Atuel und Rio Salado aufnimmt. Wie der Rio Negro hat auch der Colorado sich in den Sandsteinmassen, welche die Hauptformation der

1) Petermann's Mitth. 1880, S. 278.

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