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Tam-tam einer grossen Nôgára (Kriegstrommel) begleitet. Ertönte dann noch das Wirbeln und Schmettern der Trommeln und Trompeten des Militärmusikcorps, welches in unserer nächsten Nähe postirt war, so gab diess, vermischt mit dem tactmässigen Geheul der auf- und abhüpfenden Weiber, dem Händeklatschen und dem Geläute von Glocken, welche einzelne der Tänzer an Arm oder Bein trugen, einen wahrhaft höllischen Lärm. Die Costümirung der Tänzer war ungleichförmig und bei keinem vollständig oder consequent durchgeführt. Der Einfluss der ägyptischen Herrschaft zeigt sich bei den Schwarzen hier hauptsächlich darin, dass sie ihre heimathlichen Sitten, Gebräuche und Trachten, wenn von letzteren bei diesen fast ganz nackt gehenden Menschen die Rede sein kann, ablegen und die der sie beherrschenden Araber theilweis annehmen, woraus dann ein alle Eigenthümlichkeit entbehrendes, unerquickliches Gemisch entsteht. Bei keinem der tanzenden oder zusehenden Schilluk konnte ich die von Dr. Schweinfurth beschriebene Frisur, die dem Schopf des Perlhuhnes nachgebildet ist, entdecken. Die Köpfe waren, wenn nicht ganz und gar rasirt, wie diess auch bei den Wüstenarabern der Brauch ist, nur von einem kurzen Haarwuchs bedeckt, über welchem mehrere das merkwürdige Ornament eines aus Giraffenschwanzhaaren gefertigten Kranzes trugen, welcher ihnen mitunter das Ansehen von mit Heiligenschein umzogenen Köpfen gab; es konnte diese sonderbare Kopftracht auch das Aussehen ganz bedeutend kriegerisch und martialisch gestalten, wenn die den Kranz einfassenden Haare lang, weich und schwarz in das dunkle Gesicht niederfallend, bei jeder der oft äusserst heftigen Bewegungen des kriegerischen Tanzes auf- und abflogen. Vielfach bedeckte jedoch ein alter schmutziger Tarbusch ohne Troddel das Haupt; kam dann noch ein anderes arabisches Kleidungsstück hinzu, so verlor das betreffende Individuum alle Originalität und machten seine Sprünge den Eindruck von Evolutionen eines toll gewordenen Nubiers.

Die richtige und vollständige Tracht der männlichen Schilluk besteht nun in folgendem: einem Schurz aus dem Fell einer Wildkatze mit anhängenden, bei jeder Bewegung zusammenschlagenden Eisenringen; dieser Schurz wird so getragen, dass er blos den rückwärtigen Körpertheil deckt, um die Hüften nur als schmaler Gürtel läuft und die Schamtheile frei lässt; als Schmuck kommt hierzu ein Collier, gebildet aus weissen, flachen, dicht aneinander gereihten Scheibchen, welche durch Abschleifen von Conchilien-Gehäusen gewonnen werden; die Sudanesen nennen diese Schnüre Saluk. Vom Ellenbogen hängt ein langer und starker Troddel Ross- oder Büffelhaare an einem Lederringe befestigt nieder; um den Oberarmmuskel wird ein breiter, dicker oder auch flacher Elfenbeinring gezogen;

gleiche Ringe schmücken die Füsse, wozu noch Metallringe, wenn möglich aus Messing, kommen, welche an Fuss- und Armknöcheln recht rahlreich übereinander gereiht werden und jeden Schritt und Tritt mit Klirren und Klappern begleiten. Solcher Ringe, die, wenn einmal am Arme oder Fusse, daselbst wohl für die Lebenszeit verbleiben, tragen die Schilluk-Weiber bis zu dreissig! Aus Nilpferdhaut gefertigte Schilde von halber Manneshöhe, eine lange schwere Lanze und eine Holzkeule, welche die Form eines riesigen Nagels hat, vervollständigen die Ausrüstung, zu welcher noch für gewöhnlich die grosse Pfeife kommt, die, wenn nicht im Gebrauch, mit der Keule hinter dem Schilde mit diesem und der Lanze in der linken Hand getragen wird. Dass einzelne Männer dieses Costüm noch mit einer oder mehreren an Arm oder Knie am Lederring getragenen Glocke bereichern, habe ich bereits erwähnt.

Der vorgeführte Tanz war seiner Natur nach die Darstellung eines Kampfes. Nachdem sämmtliche Mitwirkenden einen nie enden wollenden Rundlauf vollführt, der tactmässig mit Gesang begleitet wurde, theilten sie sich in zwei Gruppen, welche jede einen Führer nahm; nun ging es an Angriff, Vertheidigung, Flucht und Verfolgung. Hierbei executirten Manche so drollige Leibesverrenkungen, wie diess eben nur ein „Wilder" vermag, sodann wieder Rundlauf, worauf der Scheinkampf von Neuem aufgenommen wurde.

Unterdessen hatten sich auch die Schönen des Landes eingefunden, nahmen eine grosse, lang geformte Trommel in ihre Mitte und hüpften nun unermüdlich bis spät in die Nacht eng aneinander gedrängt um sie herum, die Hüften kräftigst bewegend, um den Mittelkörper in eine Art von continuirlicher Schwingung zu versetzen, eine Gymnastik, welche jedenfalls viel Übung voraussetzt, ehe sie mit der Unermüdlichkeit und leidenschaftlichen Verve ausgeführt werden kann, durch welche sich eine grosse Zahl der Tänzerinnen auszeichnete. Von Zeit zu Zeit brach die ganze Gesellschaft in das trillernde Freudengeschrei aus, welches, von den Arabern zagharit genannt, in ganz Ägypten und Nubien gebräuchlich ist, und daselbst bei jedem freudigen Familienereigniss oder öffentlichen Feste gehört wird. Ununterbrochenes Händeschlagen half den Lärm möglichst vermehren.

Der Fantasia wohnte auch Kaikún, der junge Mek der Schilluk, bei, der jedoch, da das ganze Land dem ägyptischen Scepter unterworfen ist, keinerlei Regierungsthätigkeit auszuüben hat, obwohl er bei seinem Stamme grosses Ansehen geniesst. Sein Vater, der letzte der alten Schilluk-Könige, wurde vom brutalen Sieger in das Gefängniss goworfen, woselbst er, Speise und Trank verschmähend und bis zum

letzten Augenblicke seine Würde aufrecht haltend, stoisch wie ein Römer starb.

Beim Einbruch der Dunkelheit nahmen wir vom Mudir, seinen Beamten und den Übrigen Abschied, und kehrten an Bord zurück, um uns hinter den Mosquito-Netzen vor den zahlreich schwirrenden Quälgeistern zu retten. In der Nacht wurde weiter gefahren. Der Nachmittag des folgenden Tages brachte uns nach der an der Mündung des Sobat-Flusses in den Nil gelegenen, gleichnamigen ägyptischen Militärstation. Der Sobat, dessen Oberlauf zur Stunde noch eins der Afrika - Räthsel ist, ergiesst seine trüben Wasser in einer ungefähren Breite von 150 m in den Nil, welcher hier eine tief olivengrüne, fast schwarze Farbe trägt. Der Aufenthalt am Sobat wurde durch nichts besonders Bemerkenswerthes ausgezeichnet; es zeigten sich viele Schilluk im allerursprünglichsten Costüm, das an Einfachheit selbst von paradiesischen Moden nicht überboten werden konnte, einzelne derselben waren am ganzen Körper durch Asche grau gefärbt; es wird diess zum Schutze vor den Mosquitos und anderem Ungeziefer angewendet, es soll auch in der That eine Schicht Asche von Kuhmistfladen ein Lager bieten, das unsere besten Mosquito-Courtains an schützender Wirksamkeit übertrifft. Doch wie sieht so ein Neger aus, mit den unheimlich aus dem grauen Gesichte herausleuchtenden Augen, welche gleich den Nasenlöchern und dem Munde von dunklen Rändern umzogen sind, dazu sind noch die Haare roth gefärbt! An beiden von Borassuspalmen bestandenen Ufern des Nils, zwischen Faschoda und Sobat, reiht sich ein Dorf an das andere, es ist diess wohl die bevölkertste Gegend des oberen Nils. Für den ausserordentlichen Fischreichthum dieses Flusses, sowie des Sobat, zeugen die in Schaaren von Tausenden sich herumtreibenden Pelikane, Ibisse, Taucher, Kraniche, Gänse und anderen Wasservögel. Fischfang bildet auch eine der Hauptbeschäftigungen der Uferbewohner, welche von ihren leichten Ambatschbooten mit grosser Unverdrossenheit die Wurfspeere schleudern.

Unsere weitere Reise von Sobat nach Ghaba-Schambeh war nichts weniger als angenehm. Durch hirnloses Gebahren des Capitäns kamen wir wiederholt in missliche Lagen, da wir plötzlich, in wald- und baumlosen Strecken mit unserem Holzvorrath zu Ende gekommen, uns jeder Möglichkeit, vorwärts oder selbst zurück zu gehen, beraubt sahen, und nur dadurch aus der Klemme herauskamen, dass unser kleines Boot, auf eine weite Entfernung ausgesandt, täglich ein wenig Holz brachte; was wir so nach 10-15tägigen Arbeiten angesammelt, reichte gerade hin, um uns eine drei- oder vierstündige Fahrt zu gestatten; trafen wir dann noch nicht auf Wald, so blieben wir von Neuem auf eine endlose Reihe von Tagen liegen. Die Unannehmlich

keit dieses Abwartens wurde durch die langweilig gleichförmige Landschaft, welche absolut gar Nichts bot, woran das Auge sich hätte erfreuen können, die erschreckliche Menge von Stechmücken, die Fieberluft der ausgedehnten Marschländer, welche uns umgaben und über welchen nun täglich die Schleussen des Himmels sich öffneten, noch wesentlich erhöht. Aus der gedrückten Stimmung erhoben einen die überaus prachtvollen Phänomene der Sonnenauf- und Untergänge, die hehre Schönheit des wundervollen tropischen Himmels mit seinen diamantenglänzenden Sternenbildern, der ruhige Glanz seiner Planeten. Ein grossartiges Schauspiel bot auch das ab und zu nach Sonnenuntergang spielende Wetterleuchten. Wahre Feuerströme strahlten vom Himmel aus, als erleuchte ein riesiger Brand die phantastischen Wolken formen, welche sich für Secunden vom hellen Grund abhoben, um sodann wieder im Dunkel der Nacht zu verschwinden; aus scheinbar flüssig gewordenem Feuer zuckten die Zickzacklinien der Blitze in blendender Helle nach allen Richtungen, zuweilen flammende Lichtsäulen bildend.

Am 25. September kamen wir in einer Entfernung von etwa 50 km von Schambeh an eine den Fluss in seiner ganzen Breite sperrende Pflanzenbarre, aus angestautem Papyrus, Gras und Schilf, vorzüglich aber aus Vossia procera gebildet, welche sich, so weit das Auge reichte, vor uns ausdehnte; dadurch war aber unserem Fortkommen ein neues, sehr ernstliches Hinderniss gesetzt. Da wir mit unseren Kräften eine Bahn für den Dampfer nicht schaffen konnten, wurde ein kleines Boot mit einiger Bemannung nach Schambeh gesandt, um von dort Succurs an Brennmaterial und Arbeitskräften zu holen, nach 7tägigem Warten wurde uns die erwünschte Hülfe zu Theil. Die Vegetationsbarre oder ,,sett" wurde, Dank der Pilotirung durch drei mitgekommene Kitsch-Neger, umfahren, und so langten wir endlich am 5. October in Ghaba-Schambeh an. Dieser kleine Ort, welcher nur als Holzdépôt für die den Bahr-elGebel befahrenden Schiffe Bedeutung hat, liegt hart am Nil, welcher sich in einer Meah seeartig vor ihm ausbreitet; zu dieser Zeit war Schambeh zum guten Theil überschwemmt.

Die Baulichkeiten bestehen aus niedrigen Strohtokuls mit konischen, spitz auslaufenden Dächern, zwischen denen ein Bananengarten durch sein schönes, gesättigtes Grün hervorsticht; die Hütten liegen zwischen sie allerseits umstehenden Bäumen, welche von einer kräftigen Dolebpalme (Borassus flabelliformis) überragt werden.

Nach der feierlichen Begrüssung und dem unvermeidlichen Kaffee und Scherbet wurden wir mit einem Flötenconcert regalirt. Die executirenden Künstler, vier an der Zahl und sämmtlich noch sehr jung, waren Angehörige des Dembo-Stammes vom Bahr-el-Ghazal, ihr Wohnsitz liegt

in der Nähe der Seriba Ali Amuri am Flusse Dembo, einem Tributär des Gazellenflusses; der Häuptling führt den Titel eines Sultans und wurde mir Dermâki, sein Vorgänger Batabor genannt. Die Musik der Dembo-Leute hat einen merkwürdig weichen, süssen Klang, besonders sind die tiefen Töne von ganz ausserordentlichem Reize. Ich hatte später Gelegenheit, ganz gleiche, doch sehr reich besetzte Concerte bei den Bombé, den östlichen Niam- niam in Kabajendi, oft zu hören. In Betreff der Eingeborenen von Schambeh, welche dem Stamme der Kitsch angehören, habe ich Folgendes erkundet: Sie bewohnen nur einen schmalen Streifen des rechten Nilufers, währenddem sich ihr Territorium am linken Ufer bis an den beiläufig 55 km von Schambeh westlich liegenden Bahr Lau, der Grenzscheide zwischen Kitsch und Atôt, erstreckt; in der Richtung von Nord nach Süd genommen beginnt das Kitsch-Gebiet an der Dolebe b'ta naḥle, 83 km flussaufwärts von Schambeh und geht bis zur Dolebe b'ta Aliab, 44 km flussabwärts von diesem Orte, demnach nehme das von diesen Negern bewohnte Land in runder Summe eine Fläche von 7000 qkm ein.

Die Kitsch scheinen in naher Verwandtschaft mit ihren südlichen Nachbarn, den Aliab, zu stehen, mit denen sie die Sprache gemein haben sollen; ob und in wie weit sie mit ihren unabhängigen regierungsfeindlichen westlichen Nachbarn, den übelberufenen Atôt, gleichen Stammes seien, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kitsch ein vorgeschobener Posten der grossen Dschangéh- oder Dinka - Familie sind, mit denen. sie manche Eigenthümlichkeit der äusseren Erscheinung und viele Gebräuche gemeinschaftlich haben. Es sind schlanke, nicht sehr muskelkräftige Männer, die ihrer Hautfarbe nach zu den schwärzesten, den oberen Nil bewohnenden Stämmen gehören. Ihre Körperlänge schwankt zwischen 170 und 195 cm, der Schädelindex der von mir vermessenen Individuen gab ein Mittel von 72,7, die Extreme bewegen sich von 62,8 zu 77,1 cm. Männer, Kinder und Mädchen gehen gänzlich unbekleidet, die Frauen tragen Schurze von Ziegenleder, welche mit Eisen- oder Kupferringen verziert werden, auch der Oberkörper wird von einem Felle bedeckt. Ich konnte nicht bemerken, dass die Kitsch, obwohl ich deren viele Hunderte sah, der Frisur ihres krausen, kurzen Wollhaares besondere Sorgfalt zuwenden, doch lieben sie es, einen Kopfschmuck aus schwarzen Straussenfedern oder eine mit Büffelhaaren verzierte Kappe zu tragen. Ihre Bewaffnung besteht aus Lanzen, Schild, Bogen mit vergifteten Pfeilen und Ebenholzkeulen aus dem Holze der hier häufig vorkommenden Dalbergia melanoxylon; gleich den Dinka haben auch sie zur Abwehr der Keulenschläge lange schmale Schilde, welche aus Büffelleder gefertigt werden. Die Kitsch treiben zum Theil Bodencultur,

vorwiegend Durrah - Anbau (Sorghum vulgare), zum guten Theil sind sie Fischerleute; unter den Nahrungsmitteln spielt auch der getrocknete und gleich der Durrah zubereitete Samen der Nymphaea lotus, von den Arabern beschenîn, den Sudanesen sitêb genannt, eine grosse Rolle. Von den einst wie,,gesch", Gras, zahlreichen Viehheerden sind nur kümmerliche Reste geblieben; haben doch die Elfenbein- und Sclavenhändler, die famosen Chartumer Kaufleute im Lande gehaust.

Zu Wasser bildet das Locomotionsmittel der Kitsch eine aus einem Baumstamm gezimmerte schmale Pirogue, wie in mehr oder minder ähnlicher Gestalt fast bei allen Anwohnern der Flüsse Mittel-Afrika's zu finden ist. Die Kitsch sind grosse Liebhaber des Tabaks, den sie nicht rauchen, sondern kauen. Gleich den anderen, den Nil vom 5. bis zum 10. Breitengrade bewohnenden Stämmen haben auch sie den Gebrauch, die Schneidezähne des Unterkiefers auszuziehen.

In den bescheidenen Gärten, welche wir in Schambeh sahen und die von der Überschwemmung stark mitgenommen waren, werden Bananen, Citronenbüsche, Bamien (Hibiscus esculentus), Tomaten, Kordofan-Bohnen, auch Mais, von den Arabern esch scherîf, Brot der Edeln genannt, gezogen. Im nahen Walde zeigen sich zwischen Akazien, Kigelien, Dalbergien auch viele Euphorbien; er ist wildreich und bietet dem Zoologen eine gute Ausbeute; Cynocephalus-Affen sind zahlreich und kommen selbst bis in die Seriba.

Nach einem dreitägigen Aufenthalt, welcher uns von den ägyptischen Beamten so angenehm als möglich gemacht wurde, dampften wir wieder weiter. Aus der Meah, an der Schambeh gelegen, fuhr der Dampfer in nördlicher Richtung zurück, bis wir an den Bahr-el-Gebel, der in einer Entfernung von 2 km von Schambeh eine östliche Biegung nimmt, kamen, und denselben nun flussaufwärts fuhren. Die Ufer des starke Krümmungen beschreibenden, 70-80 m breiten Flusses sind beiderseits von Papyrus, Gras und Schilf und hier und da einem Ambatschstrauche bestanden. Belebt sind Fluss und Ufer durch zahlreiche Reiher (Ardea alba und A. bubulcus), schwarzbäuchige Taucher (Plotus melanogaster), Eisvögel (Alcedo rudis), Rynchops, Pluvianus aegyptiacus, Parra africana, Schlangenhalsvögel und andere. Abends 7 Uhr passiren wir die Stelle des einstmaligen Heiligenkreuz, von den Arabern noch heute Kenisseh, die Kirche, benannt. Traurige Überreste des einstigen Missionsgartens, ein paar Dolebpalmen und Citronenbäume bezeichnen den Platz, an dem harte Arbeit und viel junges Leben meiner Landsleute verloren gegangen. Eine Stunde später begegnen wir dem Dampfschiff,,Schibbin", an dessen Bord sich der neu ernannte Gouverneur der ägyptischen Aqua

torial-Provinzen, Dr. Emin-Bey, befand. Nachdem wir uns demselben vorgestellt und einen sehr freundlichen Empfang genossen hatten, setzten wir die Fahrt, gefolgt von der ,,Schibbin", fort. Der nächste Tag brachte uns nach der am rechten Ufer gelegenen Regierungsstation Bohr, welche früher im Besitze Agad's, eine der Centralen des von den Dongolanern unter der Ägide des viel besprochenen AbuSaud lebhaft betriebenen Sclavenhandels war. Unsere weitere Reise nach Ladó wurde noch durch verschiedene Zwi

schenfälle in die Länge gezogen, so dass wir erst am 19. October Mittags nach 68tägiger Reise von Chartum daselbst eintrafen.

Ladó (5° 1′ 33′′ N. Br., 31° 49' 36" Ŏ. L. v. Gr.), der Sitz des Gouverneurs, von Gordon-Pascha vor wenigen Jahren gegründet, liegt einige Kilometer südöstlich vom Gebel Nyerkáni, auch Gebel Ladó genannt. Vom Schiffe aus gesehen erschien die Station recht hübsch, eine stattliche Seriba inmitten von reicher Vegetation mit dem Berge als Hintergrund, dessen dunkelviolette Farbe sich prächtig mit dem hellen Silbertone des Flusses und dem angenehmen vieltönigen Grün der Landschaft verband. Ladó liegt im Gebiete der Bari-Neger, welches sich vom 4° bis zum 5° 30' N. Br. zu beiden Seiten des Nils erstreckt, nach Westen bis nahe an den 31. Längengrad reichend und von den unbotmässigen, freiheitsliebenden Niambara begrenzt; nach Osten dehnen sich ihre Wohnsitze bis an das Latuka-Gebiet aus. Die Bari nehmen unter den Stämmen des oberen Nil einen hervorragenden Platz ein, sowohl durch ihre relativ bedeutende Bevölkerungszahl als durch ihre physischen und geistigen Eigenschaften. In ihrer Erscheinung stellen sich die Bari als hochgewachsene, kräftige Gestalten dar, bei denen das Missverhältniss zwischen der Länge des Torso und der Beine nicht den hohen Grad erreicht wie bei den Dinka, Nuër, Bohr, Schir, Aliab, die mit ihren unendlich langen Extremitäten, dem grossen platten Fuss und dem eigenthümlichen Gange eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit mit den hochstelzigen Sumpfvögeln zeigen, welche die von den erwähnten Stämmen bewohnten Länder so zahlreich bevölkern. Die Hautfarbe der Bari ist ein tiefes, mattes Bisterbraun, die Iris fast ausnahmslos ein mehr oder minder lebhaftes Braun, die Bindehaut schmutzig orangefarben, das Kopfhaar schwarz, matt, wollig kraus, in Büscheln (Haarinseln) wachsend, der Bartwuchs ein sehr spärlicher, die Muskelentwickelung eine gute, und wahrhaft herkulische Erscheinungen sind eben keine Seltenheit. Die Frauen sind schlank und im jugendlichen Alter wohlgeformt. Auf Schönheit in unserem Sinne haben die Bari-Weiber gewiss keinen Anspruch, der hohe, kahl rasirte Schädel nach oben gleichsam zugespitzt, die tiefliegenden, kaum geöffneten Augen, hohe und vortre

tende Backenknochen, die kurzen, wulstigen, fleischigen Lippen bilden ein nichts weniger als liebliches Ensemble; am unangenehmsten von allen diesen Eigenschaften berührt doch der nackte Kopf, es ist diess überhaupt ein zu unserer Sitte im Gegensatz stehender, bei fast allen Stämmen des mittleren Afrika angenommener Usus, dass nur die Männer das Kopfhaar pflegen und dasselbe in Frisuren arrangiren, welche bei einzelnen Tribus an Kunstfertigkeit mit den Erzeugnissen europäischer Friseurkunst und Erfindungsgabe wetteifern können. Tragen die Bari-Männer das wollige Haar nur kurz geschoren, so schmücken sie doch dasselbe durch einen Aufsatz von Straussenfedern, sowie sie dem bedeckten Kopfe durch Anhäufung von Hahnenfedern auf dem cylinderförmigen Strohhute ein imposantes Aussehen zu verleihen trachten. Die Frauen dagegen lassen das Haar nur als Zeichen der Trauer wachsen, oder wenn sie in unreinem Zustande sind, d. h. der landesüblichen Auffassung nach, eine Sitte, welche auch bei den Bewohnern des Landes südlich vom Somerset-Nil, den unter sich stammverwandten Wanyoro und Waganda herrscht.

In Bezug auf die Tracht kann ich Folgendes von den Bari mittheilen: Eigentlich kann der Ausdruck Tracht nur in Rücksicht auf das schwache Geschlecht gebraucht werden, denn der Herr der Schöpfung verschmäht daselbst jede künstliche Zuthat, welche die Reize, die ihm von der Mutter Natur verliehen wurden, dem bewundernden Auge seiner Mitmenschen entziehen könnte. Dem Bari-Neger gilt weibisch sein und sich bekleiden für äquivalent. Ein überzeugendes Beispiel liefert hierfür ihr Grosschech Loron von Gondokoro, derselbe, welcher Sir Samuel Baker durch seinen energischen Widerstand so viel zu schaffen machte. Dieser Häuptling, welcher sich eines nach mehreren Tausenden von Rindern zählenden Reichthums erfreut und nun schon seit Jahren mit den Ägyptern in ganz leidlichem Frieden und regem Verkehr lebt, konnte trotz der wiederholten Bemühung mehrerer Gouverneure und trotz vielfacher Geschenke an Kleidern nicht dazu gebracht werden, auch nur das geringste, dem Ausmaasse nach selbst nur das bescheidenste Kleidungsstück anzulegen. So wie er dem Schoosse seiner Mutter entsprungen, so zeigt er sich, stolz auf seinen athletischen Bau und die trotz seiner Jahre kraftstrotzenden Glieder. Das einzige äussere Abzeichen, welches er von der in sein Land gebrachten Civilisation annahm, ist ein Sonnenschirm, unter welchem er seinen zarten Teint gegen die Einwirkungen der tropischen Sonne schützt. Es gewährt einen ergötzlichen Anblick, diesen Neger splitternackt, gravitätischen Schrittes, seiner Würde sich bewusst, den ausgespannten Schirm hoch emporgehoben, aus seinem Dorfe in die Station Ladó kommen zu sehen.

Frauen und Mädchen der Bari dagegen bekleiden sich

und ist ihre Bekleidung eine eminent charakteristische, sie von den Weibern anderer Stämme sehr kenntlich unterscheidende. Die Mädchen, in den ersten Lebensjahren ganz unbekleidet, tragen bis ungefähr zum achten oder neunten Jahre einen Ledergürtel um die Hüften, an welchem vorne eine Reihe von 16-20 cm langer, 1 cm breiter, dünner Eisenstäbe befestigt ist, welche bei dem raschen, kurzen Gange, der den kleinen Mädchen eigenthümlich, mit starkem Klirren zusammenschlagen. Den Kinderjahren entwachsen legt die Jungfrau einen breiten Baumwollengurt an, welcher vorne ein reiches Behänge von Fransen und rückwärts eine mächtige, sehr volle Quaste, Barika genannt, trägt; letztere wird bei den mehr nach Westen ansässigen Bari-Mädchen durch zwei bis auf den Boden reichende Lederstreifen ersetzt. Diese Streifen oder die schön gearbeitete, oftmals mit Glasperlen gezierte Quaste ist das die Mädchen von den Frauen unterscheidende Abzeichen, denn die letzteren tragen ein in der Form unserem Bergmannsschurz ähnliches Ziegenleder, welches bis fast zur Kniehöhle herabreicht. Eine möglichst grosse Anzahl von Eisen-, Kupfer- oder Messingringen, welche an den Armen, Füssen und am Hals getragen werden, vervollständigen die Toilette der Bari-Schönheiten, indessen der Mann seine Brust mit einem Collier von Hundszähnen schmückt. Doch würde die Bari-Dame noch immer eines der unwiderstehlichsten Reize entbehren, wäre nicht auch der ganze Körper von Kopf zu Fuss, Hände und Gesicht nicht ausgenommen, schön roth geschminkt, nur dann ist sie wirklich schön, wenn sie in röthlich strahlendem Schimmer erglänzt. Hierzu dient rothe Thonerde, welche mit dem Fette einer ölreichen Bohne auf der murhaka zusammengerieben wird. Bei jeder festlichen Gelegenheit wird diese ausgiebige Schminke angewendet; roth erscheinen Mädchen und Weiber bei den grossen nächtlichen Tänzen, roth bei der Leichenfeier, roth tritt die Braut dem schwarzen Bräutigam entgegen und roth endlich kamen sie auch zu mir, als ich sie zum Photographiren einladen liess. Es kostete mich einige Mühe, es denselben begreiflich zu machen, dass sie für meine Zwecke schwarz besser seien als roth; sie waren recht erstaunt und missvergnügt über meine Zumuthung, sich die fetttriefende Bemalung wieder zu entfernen.

Die sehr kriegerischen, ihre Unabhängigkeit energisch vertheidigenden Bari, welche sich nur nach jahrelangen blutigen Kämpfen unter die ägyptische Oberhoheit fügten, sind mit Lanzen, Bogen und Pfeilen, Lederschild und Keulen bewaffnet. Sie fertigen ihre Waffen selbst an, und mit Recht geniessen die Bari - Schmiede den Ruf grosser Geschicklichkeit. Das in Form kleiner Schaufeln (Melot) importirte Eisen wird auf Stein mit Stein bearbeitet, und bei dieser so primitiven Bearbeitungsart verdient die Sauber

keit und Zierlichkeit ihrer mit raffinirter Grausamkeit erfundenen Pfeilspitzen, sowie der als Schmuck und zu Eisenschurzen verwendeten Eisenkettchen die vollste Anerkennung. Die industrielle Thätigkeit der Bari erstreckt sich ausser der Anfertigung von Waffen und den viel verlangten Schmuckgegenständen, eisernen, kupfernen und Messingringen, Colliers aus aneinander gereihten Hundszähnen, Armbändern, die ihrer Form nach ebenso gut eine Waffe als ein Zierrath bilden, auf die Erzeugung von Thongeschirren, weitbäuchigen Wasserbehältern, kleinen Pfeifenköpfen, Milchgefässen und dergl. mehr. Ausserdem wird die Erzeugung der aus Strausseneischalen oder den Gehäusen von Conchilien geschliffenen, kleinen, flachen Scheibchen als Gewerbe betrieben. Diese Scheibchen, deren ich bereits erwähnte, werden in Schnüren aneinander gereiht und dienen sowohl als unentbehrlicher Schmuck wie als Tauschobject; eine etwa 4 m lange Schnur hat den Werth einer Ziege.

Die Hauptsorge des Bari aber bilden neben dem Anbau von Durrah seine Rinderheerden, sein grösster Kummer gilt nicht seinen Weibern und nicht seinen Kindern, sondern seinen Kühen, er opfert selbst Weib und Kind um seine vielgeliebte Heerde, seinen höchsten Stolz vor der Habsucht seiner Feinde zu retten. Nie schlachtet der Bari ein Rind und wenn er deren Tausende besitzt; Milch, deren Verarbeitung zu Butter und Käse unbekannt ist, und von Zeit zu Zeit den kräftigsten Rindern abgezapftes Blut ist für gewöhnlich das ganze Erträgniss seiner Viehzucht. Fleisch liefert dem Bari ausser seiner Jagdbeute die Ziege, ausnahmsweise kommen noch die als Leichenopfer auf dem Grabe eines Häuptlings geschlachteten Kühe. Mit Kühen erkauft der werbende Jüngling seine Braut von ihrem Vater, mit 10, wenn dieser ein gewöhnlicher Stammesangehörige, mit bis zu 50 Kühen, wenn die Geliebte die Tochter eines Häuptlings ist; da Vielweiberei herrscht und jedes Mädchen sicher ist, ihren Mann zu finden, so ist die Geburt von vielen Mädchen ein wahrer Segen für einen Hausstand. Die Ehen werden für die Lebensdauer geschlossen, Ehescheidung findet nur Statt, wenn die Frau sich einen Ehebruch hat zu Schulden kommen lassen, dann wird sie ihrem Vater zurückgeschickt, welcher den gezahlten Preis zurückgeben muss, falls die Frau ihrem Manne keine Kinder geboren. Der Sohn erbt die Weiber seines Vaters mit Ausnahme der eigenen Mutter. Bei den Bari werden aber Schwestern oder Töchter nicht geehelicht, wie diess z. B. in Unyoro, Uganda, bei den Makraka, Bombé und anderen der Fall ist. So wie der Sohn den Harem seines Vaters, erbt er auch dessen Würde, wenn dieser einer der zahlreichen Häuptlinge war, welche sich in den Besitz und die Herrschaft des Landes theilen. Nie giebt

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