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Strasse ihr Ende erreicht, erweitert sie sich auf beiden Seiten bis zu 328 Fuss Breite, bildet auf diese Weise die beiden Arme eines Kreuzes, dessen Stamm der Weg ist, auf welchem wir hierher gelangten und dessen oberes Ende die Pyramide des Mondes bezeichnet. Das Ganze bildet

ein griechisches tau T. In dem Winkel, welchen einer

der Arme mit dem Stamme macht, befindet sich die verstümmelte Statue einer Göttin, welche vor Zeiten ihren Tempel auf der Spitze der Pyramide hatte.

In Front dieser Gruppen von Häusern, welche einst diese ganze Strasse zu beiden Seiten besetzten und alle etwas abseits der Strasse auf erhöhtem Grunde standen, sieht man noch vollkommen erhalten die Stufen der Treppen parallel mit der Achse der Strasse liegen. Auf diesen pfleg ten sich ohne Zweifel die Einwohner und die zahlreichen Gäste bei religiösen Ceremonien zu versammeln. Alles diess erinnert uns an die Amphitheater zu Chichen-Itza und Uxmal und wir sind geneigt, allen die gleiche Deutung zu geben.

Diese Mythen bedürfen keiner verwickelten Auslegung. Nach dem ersterwähnten Geschichtschreiber stellt der Riese die grosse Überschwemmung dar, welche hereingebrochen war und das Land verwüstet hatte. Die spitzen Nägel bezeichnen die versengenden Strahlen der Sonne, welche Alles zerstören, wenn sie nicht mit den anderen HauptElementen verbunden sind. Das schöne, weisse Kind aber ist der Frost, der die schwache Vegetation zerstörte, welche die vorhergehenden Trübsale überdauert hatte.

Was das tau Tanbelangt, welches die Grundform

dieser Ruinen ist, und welches wir in der grossen Strasse wiederholt sehen, so erzählen uns die Archäologen, dass alle Völker der Erde dieses Symbol für ein heiliges, voll tiefer Mysterien gehalten haben. Die Priester hielten diese Mysterien geheim und offenbarten sie nur den Geweihten des ersten Grades. Das tau, welches ein Kreuz bildet, hat, mit leichtem Unterschied in der Form, als symbolisches Zeichen bei den ältesten Nationen bestanden, sowohl in Hindostan, als Palenque, in Ägypten, wie in Teotihuacan. Die Nationen haben, eine nach der anderen, es angenommen, aber ohne zu wissen, welche Bedeutung ihm von den Priestern in der Kindheit des Menschengeschlechts beigelegt worden war. In Benares, Madras und in allen alten Städten Indiens waren die Tempel in Kreuzesform erbaut. als berühmte Tenochtitlan (Mexico) war in vier Theile getheilt, welche ein St. Andreas-Kreuz bildeten, wie man im Codex Mendoza auf Tafel I nachsehen kann. Das Symbol des

Diese Kunststrasse wurde der Sage nach von den Tolteken der,,Weg der Todten" genannt. Die Tolteken erscheinen in den mexicanischen Sagen überall, und wenn sie auch nicht Teotihuacan gegründet haben, so wohnten sie doch dort. Aber zu welcher Zeit? Zu einer Zeit, das Schicksal sie verfolgte. Denn nach einer Sage, welche uns Mendoza berichtet, kamen sie zu diesem heiligen Orte, um die Götter anzurufen, das Elend abzuwenden, welches über sie hereingebrochen war. Aber es trug sich zu, dass während sie mitten im Tanz und in den religiösen Ceremonien begriffen waren, plötzlich im Amphitheater ein Riese unter den Tanzenden erschien und alle, welche er berührte, waren sofort des Todes. Am nächsten Morgen zeigte er sich wieder; seine Finger waren jetzt sehr lang und spitz. Und wieder kam er zwischen die Reihen der Tanzenden und verwundete sie derart mit seinen scharfen Nägeln, dass während der beiden Tage zahllose Leichen den Boden bedeckten. Am dritten Tage erschien auf der Spitze des hohen Berges Hueitepetl, der im Westen der Pyramiden gelegen ist, ein Kindlein, weiss und schön zu schauen, das einen tödtlichen Geruch von sich gab. Erfüllt mit Schrecken über so viel Jammer und über die grosse Sterblichkeit, welche sie decimirte, beschlossen die überlebenden Tolteken, zurück in ihre Hauptstadt Tula oder Tollan zu gehen und ihren Mitbürgern den Verlauf ihrer Expedition zu erzählen. Darauf trugen ihnen ihre Priester auf, das Land für immer zu verlassen. So erzählt Torquemada; Veytia aber, vertrauter als er mit den Hieroglyphen und den Sagen des Landes, giebt einen genaueren Bericht über die Unglücksfälle, welche die Tolteken vor ihrem Untergange betrafen.

Das

Kreuzes war allen Nationen des alten und des neuen Continentes wohlbekannt und wenn wir wissen wollen, welche Bedeutung die Priester ihm beilegten, welche in den alten. Zeiten die Verwahrer der Wissenschaft waren, so brauchen wir nur die ägyptischen Hieroglyphen zu befragen und sie werden uns sagen, dass es eine Darstellung der vier Elemente war. Es stellte das Feuer dar, die Seele der Welt; das Wasser, welches reinigt und nach christlichem Glauben die Todsünde vertilgt; die Erde, welche die Quelle alles Guten in sich trägt und nach dem Tode uns wieder aufnimmt, während wir neue Verwandlungen erwarten; endlich die Luft, in welcher wir leben und wirken.

Die Mond-Pyramide ist nur 150 Fuss hoch, aber das Panorama, welches sich, von ihrer Spitze aus betrachtet, vor uns ausbreitet, ist gleich grossartig. Gegen Norden sehen. wir Trümmer von Gebäuden, welche von der anderen Pyramide aus nicht sichtbar sind. Die Schriftsteller schätzen die Wohnungen in der Stadt auf 27 000, die Tempel nicht einbegriffen. Teotihuacan muss also eine sehr grosse Stadt gewesen sein.

Ehe man den Fuss der Esplanade vor der Mond-Pyramide erreicht, gewahrt man zur Linken eine Öffnung, welche

neuerdings in die Seite eines Grabhügels gemacht wurde. Vor dieser Öffnung bemerkt man eine übergrosse Statue im Style aller mexicanischen Statuen, die nur wegen ihrer ausserordentlichen Grösse bemerkenswerth ist. Von der Spitze eines Hügels, auf dem sie früher gestanden hatte, war sie herabgestürzt und lag kopfüber auf dem Boden, als Maximilian sie wieder aufrichten liess.

Was diese gigantische Statue betrifft, so stellt sie irgend eine von den Erbauern Teotihuacans verehrte, uns unbekannte Gottheit dar. Sie besteht aus einem sehr roh behauenen Trachytblock in der Form eines Parallelepipedums, dessen Höhe 10 Fuss, die Grundfläche 64 Zoll im Quadrat misst und dessen Gewicht auf 36 000 Pfund geschätzt wird.

Gehen wir weiter nördlich, so finden wir auch hier wie allerwärts Spuren von cementirten Strassen zwischen den Trümmern dahinziehen. Auch finden wir Ruinen von Häusern, welche von den ersten Spaniern errichtet wurden, welche sich nach der Eroberung des Landes hier ansiedelten. Die Ankömmlinge ahmten die Bauart der Eingeborenen nach. Das Material, welches sie verwandten, war ein Conglomerat von Steinen und Schlamm, das sie mit einer Lage Cement überkleideten. In den Höfen und in den inneren Räumen dieser Häuser haben die heutigen Indianer ihre Hütten (jacales) erbaut, schmutzige Höhlen aus Strauchwerk und Trümmern, in die man nur in gebückter Stellung gelangen und in denen man nicht aufrecht stehen kann. Hier schlafen die Indianer zusammengepfercht bei einander, im Sommer fast erstickt von der Hitze, im Winter erstarrt von der Kälte. Ihre einzige Nahrung besteht in wenigen schwarzen Bohnen, die mit Piment gewürzt werden, und in tortillas von Mais. Oft, sehr oft gehen ihnen, wie sie versicherten, selbst diese Nahrungsmittel aus.

Der Name,,Toltec". Mit den Tolteken geht es wie mit den Griechen, deren Abkömmlinge wir im artistischen Sinne sind, gerade sowie es die Römer waren, welche uns Vorausgingen. Alle heutigen Nationen würden Griechen sein, wollten wir nur gewisse Denkmale in Betracht ziehen. Wenn die Tolteken die Gründer der Denkmale NordAmerika's und, wie die Tradition meldet, auch jener Central-Amerika's waren, so müssen sie ein vielseitiges Genie besessen haben, um Gebäude aufzuführen, welche ebenso verschiedenartig im Material wie in der Bauart sind. Das Material, welches im oberen Mexico benutzt wurde, ist adobe; in einigen Provinzen ein Gemisch von Steinen und Schlamm; in Hochicalco und Teotihuacan ein Gemisch von vulcanischen Steinen und Schlamm, bedeckt mit einer Lage Cement oder Kalk und dann polirt; in Oaxaca bestand es aus Steinen und Mörtel und hier und da aus mit Bildwerk versehenen Steintafeln; in Palenque bestand es aus Stein

und Mörtel, überdeckt mit Cement, der in Basreliefs geformt war; zu Palenque befinden sich auch behauene Steine mit Inschriften; in Yucatan giebt es Pyramiden und andere Denkmale aus Stein und Mörtel.

Man wird zugeben müssen, dass jedes Volk nur die Materialien verwenden kann, welche ihm gerade zur Hand sind, und dass die Tolteken ihre Arbeiten der Verschiedenheit des Ortes und des Materials, das ihnen gerade zur Verfügung stand, anpassen mussten. Es ist aber nicht weniger logisch anzunehmen, dass die Tolteken, welche das künstlerische und bildende Volk par excellence waren, von denen nachgeahmt wurden, welche nach ihnen kamen, und dass sie in Folge dessen ihren Namen jeder Civilisation gaben, welche Ähnlichkeit mit der ihrigen hatte. Auf diese Weise mögen manche dunkle Punkte ihre Aufklärung finden.

Der Gebrauch oder Instinct, Schätze zu vergraben, ist wesentlich verschieden von dem Gebrauche oder Instincte, dieselben zusammenzuscharren. Der Geizhals geniesst gewissermaassen seinen Schatz; er kann ihn sehen, zählen und berühren. Schätze, welche vergraben sind, nützen weder dem, der sie vergräbt, noch irgend einem Anderen. Beispiele dieses Instinctes findet man in Mexico; wir begegneten denselben in früherer Zeit in dem Thale von Oaxaca, wo, wie man annimmt, über 400 Millionen Dollars vergraben sein sollen.

Hier liegen Capitalien, welche dem Verkehre entzogen sind und nicht einmal demjenigen nützen, der sie vergraben hat. Der Indianer hat durchaus keine Freude daran, er kann das Geld weder sehen, noch zählen, noch berühren, sein einziger Trost ist der, dass es sein eigen, und dass es da ist. Woher kommt nun dieser Instinct, der unseren modernen Gewohnheiten so sehr widerspricht? Zur Zeit der Verfolgung, welche auf die Eroberung folgte, wurden die Eingeborenen natürlich misstrauisch, und in diesem Misstrauen müssen wir die Ursache suchen, dass sie noch jetzt ihre Werthsachen vergraben. Zu jenen Zeiten vergrub der Indianer seine Kostbarkeiten, um arm zu erscheinen, heute handelt der Indianer in Übereinstimmung mit dem erblichen Instinct; er verbirgt sein Eigenthum, ohne recht zu wissen warum. Finden wir nicht denselben Instinct bei allen besiegten und verfolgten Völkerschaften?

Bei dem Indianer ist der Instinct, Schätze zu sammeln, bis zum Fanatismus gestiegen. Ich habe selbst zu Oaxaca Beispiele gesehen, dass Männer, welche heute hunderte von Dollars für Goldklumpen oder Cochenille erhielten, am nächsten Tage nicht einen Piaster in der Tasche hatten.

Der Indianer, welcher verborgene Schätze findet, deckt sie wieder sorgsam zu und rührt sie nicht an; und der Indianer, welcher das Geheimniss eines verborgenen Schatzes durch denjenigen weiss, welcher ihn verborgen hat, würde

lieber Hungers sterben, alle Beschwerlichkeiten ertragen und alle Arten von Verfolgungen ausstehen, als das Vertrauen verrathen, das in ihn gesetzt wurde.

Folgende Geschichte, welche mir Herr de Garay mittheilte, ist ein trefflicher Beweis für diese Seite des indianischen Charakters. Ein reicher Indianer, welcher in der Nähe Mexico's wohnte, verheirathete seine Tochter mit einem Franzosen, der sie aus Speculation zum Weibe genommen und seines Schwiegervaters Vermögen zu erben hoffte, das sich, wie man allgemein glaubte, auf 100 000 Dollars belaufen müsse. Er starb, wie alle Indianer, ohne ein Testament gemacht zu haben. Nach seinem Tode suchte man überall nach seinem Geld, ohne dasselbe zu finden; sein kleines Haus und ein Gärtchen waren die ganze Hinterlassenschaft. Dieser Indianer hatte einen intimen Freund, dem er alle seine Geheimnisse mittheilte und der eben so arm als der Alte reich war. Alles wurde versucht, diesen zu der Aussage zu bewegen, wo das Geld verborgen sei. Man bot ihm ein Viertel, ja sogar die Hälfte des Schatzes an, doch vergebens. Später machte man ihn betrunken, und ein betrunkener Indianer ist sehr mittheilsam. Seine Zunge wurde gelöst und der Erbe, des guten Erfolges seiner List sicher, notirte sorgsam ein jedes Wort; aber bei dem kritischen Momente, als er bei dem Punkte angekommen schien, Alles zu verrathen, hielt der Mann plötzlich inne. Mit einem entsetzlichen Blick, als ob der Geist des Verstorbenen plötzlich vor ihn getreten sei, stand er auf und lief weg, als ob die Furien ihn verfolgten.

Ein Tigerkopf im Besitze des Señor Chavero. Ich habe den Abguss eines Tigerkopfes genommen, der zu Mitla gefunden wurde. Er ist 50 cm breit und 40 cm hoch, in dem Style eines classischen Ornamentes gehalten und könnte überall für ein europäisches Kunstwerk gelten. Derselbe ist in der That äusserst kunstvoll und versetzt den Beobachter

in grosse Zweifel. Wenn dieser Kopf von einem Indianer

modellirt wurde, so bestand in dem alten Mexico eine Kunst, die frei von allen Fesseln und gänzlich verschieden von der hieratischen Kunst war, von welch' letzterer wir vielleicht nur das Allergeringste bis jetzt kennen. Ich will sowohl diesen Tigerkopf wie auch den wunderbar schönen Kopf eines Mannes von Yucatan photographiren. Der letztere, obschon beschädigt, würde in seiner Modellirung und vollendeten Ausführung einen Vergleich mit den Werken der alten Griechen aushalten. Man ist in hohem Grade erstaunt, solch' erhabene Typen künstlerischen Schaffens neben grotesken Figuren zu treffen, wie sie uns allerwärts entgegentreten.

Der Gegensatz zwischen hieratischer und profaner Kunst, welche beide in Mexico augenscheinlich neben einander bestanden, ist ein auffälliger. Alle Producte der hieratischen

Kunst sind nicht nur scheusslich, sondern auch roh und grotesk; sie zeigen, welcher Art der Einfluss ist, den Religionen manchmal auf den menschlichen Geist ausüben. Ähnliche Einwirkungen religiöser Ideen werden auch bei anderen Völkerschaften beobachtet. Die profane Kunst der Mexicaner aber, mit ihrem unaufhörlichen Bestreben sich zu vervollkommnen, hat einige höchst hervorragende Werke geliefert, und nach diesen, nicht nach den Bildnissen ihrer Götter und Priester, müssen wir die Cultur dieses alten Volkes beurtheilen. Die Religion hatte von dem ganzen Wesen dieses Volkes Besitz ergriffen, und es scheint, als ob ein Kunstwerk nur verstohlener Weise gefertigt werden konnte. Expedition nach Amecameca und an den Popocatepetl. Ich übergehe die Vorfälle meiner Reise auf der Eisenbahn nach Amecameca. Beinahe 25 Jahre sind vergangen, seit ich zum ersten Mal verschiedene Vasen und Schmucksachen im Sande am Fusse des Popocatepetl ausgegraben babe. Zu jener Zeit war die amerikanische und mexicanische Archäologie so wenig en vogue und von Allen vernachlässigt, dass ich selbst wenig Gewicht auf die Entdeckung legte, die mich nun nach jenen Gegenden zurückführt. Mein Todtenfeld ist heute vielleicht so verändert, dass man es nicht wieder erkennt, oder sogar gänzlich zerstört, denn die Indianer, welche mich die Gefässe wegtragen sahen, mögen nun ihrerseits den Boden durchwühlt und meine Schätze geplündert haben.

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Wir verliessen Amecameca am 5. Juli um 7 Uhr Morgens und erreichten nach 4 Stunden den rancho von Tlamacas. Derselbe liegt 12596 Fuss über dem Meere, und die Nächte sind daselbst sehr kalt. Meine Ahnungen hatten mich nicht betrogen: die Indianer hatten hier gegraben und eine grosse Masse zerbrochener Gefässe weggeführt; die Stätte war kaum mehr zu erkennen. Ich werde Einschnitte machen und Schachte abteufen müssen. Früh am Morgen begab ich mich mit den fünf Arbeitern, welche ich mitgebracht hatte, auf das Todtenfeld. Der Kegel des Popocatepetl erglänzte in den Strahlen der aufgehenden Sonne wie eine mächtige Masse Gold, und wir erblickten von hier oben das Thal von Puebla in all' seinen Einzelheiten. Malinche, Orizaba und die lange Sierra, welche den Horizont nach Osten hin begrenzt, bilden zusammen ein Panorama von ungeheuerer Ausdehnung und wunderbarer Schönheit.

Finden wir auch nur Gefässscherben, so sind diese dennoch von hohem Interesse, da sie Zeugniss ablegen von dem Vorhandensein eines indianischen Begräbnissplatzes auf einer Höhe von 12 800 Fuss über dem Meere und mehr als 425 Fuss über der Waldzone. Die Arbeiten des ersten Tages waren nicht im Stande, uns für die Mühe zu belohnen, in einer sehr verdünnten Atmosphäre eine steile Höhe von über 820 Fuss erklommen zu haben.

Am 8. Juli fanden wir sechs Gräber. In dem ersten trafen wir die Überreste einer Frau oder eines Mädchens, ein Gefäss von höchst sonderbarer Form und zwei andere kleinere Gefässe. Es war mir nicht möglich, mehr als einen Theil des Schädels zu retten, der Rest des Skelettes war so weit verwest, dass die Knochen bei der leisesten Berührung zerbröckelten. Den Körper hatte man so begraben, dass die Arme und die Beine zusammengeschlagen waren und der Kopf auf den Knien ruhte; Hände und Füsse konnten nicht aufgefundeu werden.

Das zweite Grab enthielt ebenfalls Gefässe, wenig verschieden von denen im ersten Grabe. Von den mensch

lichen Überresten kann ich nur den oberen Theil des Schädels aufbewahren.

Das dritte war ein Doppelgrab. Ich habe den Schädel des Mannes denn ich vermuthe, das Grab umschloss Mann und Frau herausgenommen, sorgfältig gereinigt und getrocknet und mit anderen Theilen des Skelettes aufbewahrt.

Das vierte muss das Grab eines Häuptlings gewesen sein, da sich keine Spur eines Skelettes vorfand. Es herrschte bei dieser Bevölkerung der Gebrauch, die Leichname ihrer Kaziken zu verbrennen und ihre Asche nebst ihren Waffen zu begraben. In diesem Grabe fand ich eine Anzahl Gegenstände, welche aus chalchihuitl verfertigt waren. Der chalchihuit ist ein harter Stein von grüner Farbe, der eine sehr hohe Politur annimmt. Ich fand auch mehrere Pfeilspitzen von Obsidian, eine grosse Anzahl Halsperlen, die theils aus harten Steinen, theils aus Terracotta verfertigt waren, und einige kleine Götzenbilder, theils aus Thon geformt, theils aus hartem Stein gearbeitet und von hohem Werthe. Höchst merkwürdig ist die Thatsache, dass diese Schmuckgegenstände von Serpentin, Granit und Porphyr, sei es nun, dass sie aus einer sehr alten Zeit stammen, sei es, dass sie in einem Boden begraben lagen, der eine ganz eigenthümliche chemische Zersetzung auf sie ausübte, grösstentheils verwittert sind.

Das fünfte und sechste Grab enthielten jedes eine Leiche nebst zahlreichen Gefässen verschiedener Form und zwei Leuchter. Der letztere Fund ist sehr wichtig, wenn es wahr sein soll, dass die Azteken kein anderes künstliches Licht kannten als das von ocote (Stücke eines harzigen Holzes). Es war unmöglich, irgend einen Theil der Skelette zu retten.

Ich werfe hier die Fragen auf: Woher kommen diese Leichen? Weshalb dieser Begräbnissplatz 4000 m über dem Meere, 150 m über der Waldgrenze? Zur Zeit der Eroberung sowohl wie jetzt befand sich keine Ansiedelung innerhalb 4-5 Leguas von diesem Platze. Ausserdem hatten die Indianer eine tödtliche Furcht vor dem Vulcane Popo

catepetl (rauchender Berg), und als die Gefährten des Cortes den Krater erstiegen, um dort Schwefel zu holen, folgte ihnen eine Anzahl Indianer, welche sich über ihre Kühnheit wunderten, aber weit von der Schneegrenze entfernt schon Halt machten. Als ich diesen Begräbnissplatz entdeckte, nahm ich an, er sei eine Art Zufluchtsstätte gewesen, wo die besiegten Indianer ihre Todten begruben, um sie vor Entweihung durch die Spanier zu retten. Später hielt ich dafür, dass diese Überreste einer weit älteren Zeit angehört haben müssen. Die grosse Ähnlichkeit aber zwischen den Gefässen, Schmuckgegenständen und anderen Sachen, die hier gefunden wurden, und denen von aztekischem, chichimekischem oder totonakischem Ursprung machen die Annahme eines hohen Alters zu nichte.

Täglich lohnen sich unsere Arbeiten durch das Auffinden von mehr oder weniger interessanten Gegenständen. Von zehn Gräbern, welche am 9. Juli geöffnet wurden, waren fünf vorher durch die Indianer gestört worden, die übrigen ergaben ungefähr sechzig Fundstücke, von denen einige höchst merkwürdig sind, während eines fast einzig in seiner Art dasteht und von hohem Werthe ist. Es ist diess eine dreibeinige Terracotta-Schale, 8 cm hoch, 5 cm tief und 18 cm im Durchmesser breit. Diese Schale ist innen und aussen mit sehr schönen, in den prächtigsten Farben gemalten Figuren bedeckt; weisse, gelbe, blaue, grüne und rothe Töne sind in vollendeter Harmonie miteinander verschmolzen. Ich fand noch eine andere Schale, die etwas kleiner, aber gleich schön ist, nur war sie von Wasser durchdrungen und mit Erdflecken bedeckt.

Ich setzte meine zwei Schätze in die Sonne, um sie zu trocknen, entdeckte aber bald zu meinem grössten Schrecken, dass die Ornamente der einen abbröckelten, während die prächtigen Farben der anderen erblassten. Ich verlor keine Zeit, sie zu photographiren.

Ein anderer Gegenstand, den ich gefunden habe, beweist vollgültig, dass diese Begräbnissstätte auch noch während der unruhigen Zeiten gleich nach der Eroberung benutzt wurde. Es ist diess die Terracotta - Figur eines Mönchs mit seiner Kapuze und Tonsur; er ist in seiner Ordenstracht, Skapulier und Gewand, in seiner rechten Hand hält er ein Kreuz.

Am 10. Juli fanden wir über hundert Gegenstände verschiedener Art und einige höchst interessante. Darunter befand sich auch noch eine jener gemalten Schalen, aber wie bei den anderen erblassten auch ihre Farben, als sie dem Lichte ausgesetzt wurde, und die Ornamente lösten sich ab. Die Urnen, Gefässe, Schalen, Teller und andere Thongefässe, welche wir in diesem Begräbnissplatze gefunden haben, sind grösstentheils Kunstwerke im besten Sinne des Wortes. Die Götzenbilder aber, obschon sie in den

selben Gräbern vorkommen, sind äusserst roh gearbeitet und scheusslich in ihrer Hässlichkeit.

Es ist seltsam, dass wir in keinem der Gräber auch nur eine Haarlocke gefunden haben, obschon das Haar gewöhnlich lange Zeit der Verwesung widersteht.

Möge es mir gestattet sein, hier einige Bemerkungen über die Lebensbedingungen in höheren Regionen einzuschalten. Einige Schriftsteller behaupten, dass Menschen, welche über 12 000 Fuss Höhe wohnen, ihr Leben mindestens um die Hälfte verkürzen. Zu Tlamacas nun, wo ich mich unter den Indianern befand, welche den Schwefel aus dem Popocatepetl holen, d. h. unter Leuten, welche auf einer Höhe von beinahe 20 000 Fuss leben, schien sich doch Jeder einer guten Gesundheit zu erfreuen. Der Werkführer oder volcanero, wie er genannt wird, hat 27 Jahre in dem Vulcan gearbeitet, sein Bruder 32 Jahre und sie sind beide stark und gesund. Andere haben 15 bis 18 Jahre daselbst zugebracht, ohne üble Folgen davon verspürt zu haben, und nur die, welche sich dem Trunke ergaben, kürzten ihr Leben. Hier muss ich wieder der Ansicht derjenigen Autoren gegenüber treten, welche behaupten, dass auf grossen Höhen geistige Getränke besonders schädlich seien. Das Übermaass bringt Verderben, jeder Arbeiter im Vulcan jedoch nimmt Morgens und Abends, zuweilen auch Mittags einen guten Schluck mezcal oder habanero, und sie behaupten, dass sie ohne ihren Grog weder das Klima noch die Strapazen ertragen könnten. Nichtsdestoweniger würde ihre dreifache Ration Branntwein bei jedem Fremden ein mässiges Quantum weit übersteigen.

Die Expedition nach der Barranca von Mispayantla. Eine Barranca ist ein zwischen Bergen gelegenes tiefes Thal mit steilen Wänden; die Barranca von Mispayantla ist eins der malerischsten von allen. Bei Friars Peak, am Fusse des Popocatepetl beginnend, läuft es westlich, bis es in die Ebene von Ameca ausmündet. Als ich früher diese Gegend besuchte, brachten mir die Indianer allerlei Gegenstände von Terracotta, welche angeblich aus dieser Barranca kommen sollten, auch sprachen sie damals von Höhlen oder Grotten, die ich nun näher zu untersuchen beschloss.

Am 13. Juli besuchte ich die Barranca in Begleitung eines Führers und dreier indianischer Arbeiter. Die Grotten liegen in einer Höhe von 230 Fuss von dem Boden, und meine Indianer mussten in den Fels und den Lehm, aus welchen die Wand besteht, Stufen hauen, damit ich hinauf gelangen konnte.

Die Wirkung des ersten Anblicks war eine traurige Enttäuschung, denn die Höhlen sind einfach nur höhlenartige Zufluchtsstätten. In die grösste derselben, welche eine Öffnung von 140 Fuss Länge hat, kann man, auf

Händen und Füssen kriechend, etwa 40 bis 50 Schritt weit gelangen; der Ort ist des durchsickernden Wassers wegen gänzlich unbewohnbar. Eine Anzahl von Löchern und Schmutzhaufen beweisen, dass uns andere Sucher lange schon zuvorgekommen waren. Die Höhlen machten den Eindruck, als wären sie entweder nur zu zeitweisem Aufenthalt oder als Begräbnissstätten benutzt worden.

Zerbrochene Zierrathen aus Thon und Schädelüberreste lagen zerstreut umher, doch befand sich Nichts darunter, das ich werth erachtet hätte, mitzunehmen. Zwei hölzerne Kreuze zeigten, dass die Indianer ihre Vorfahren in gutem Andenken behielten. Die beiden kleineren Höhlen konnten höchstens nur Schutz gegen den Regen gewähren. Wir fanden unter Anderem die Stiele von Brühepfännchen von verschiedener Grösse und aus verschiedenen Sorten Thon gebrannt, einige derselben höchst niedlich, andere sehr primitiv geformt. Dann fanden wir Bruchstücke von rothen

irdenen Vasen mit schöner Glasur und mit schwarzen Streifen versehen, ein unvollendetes, den Tlaloc vorstellendes Götzenbild, eine Röhre mit eingebohrten Löchern, die wohl als Flöte gedient haben mag. Aller Wahrscheinlichkeit

nach wurden diese Höhlen von den Indianern nach der Zeit der Eroberung als Zufluchtsorte benutzt, um darin den Verfolgungen der Spanier und der harten Arbeit in den Bergwerken zu entgehen. Hier lebten sie im Elend und hier begruben sie ihre Todten. Die Höhlen liegen 10400 Fuss über dem Meere.

Ein sehr intelligenter Indianer gab mir über die Grabstätten (Tenenepanco) am Popocatepetl eine Erklärung, die ich nirgends bei den Geschichtschreibern der Eroberung erwähnt finde. Diese erzählen uns nur, dass, obschon die Indianer manchmal ihre Todten hoch oben auf den Bergen beerdigten, sie dieselben doch gewöhnlich in ihren Häusern, in ihren Gärten oder in der unmittelbaren Nähe ihrer Wohnstätten beisetzten. Nach der Mittheilung meines Indianers verehrte die ganze Ackerbau treibende Bevölkerung rings um den Popocatepetl hauptsächlich Tlaloc, den Gott des Regens. Er war ihr höchster Gott und von ihm kamen gute wie schlechte Ernten, Überfluss und Hungersnoth. Diese ländliche Bevölkerung hatte nicht nur sich selbst dem Dienste dieses Gottes gewidmet, sondern sie weihte ihm auch ihre Todten, in der Hoffnung, dadurch seine Gunst zu erringen. Da sie annahm, dass Tlaloc die höchsten Orte und hauptsächlich den Vulcan bewohne, von dem aus die Stürme auf die Niederungen herabfuhren, so trugen sie ihre Todten in seine Nähe, auf die Höhen der Berge. Die grosse Anzahl von Götzenbildern und die vielen sein Bildniss tragenden Vasen, welche von uns auf der Begräbnissstätte gefunden wurden, scheinen diese Tradition zu bestätigen.

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