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annehmen wird. Nicht anders wird es dem Fasan ergehen, nur ist dieser, obwohl von allen hühnerartigen Vögeln der dümmste und während der Hochzeit geradezu stupideste, doch gesicherter, da er auf passendem Terrain sich in über 2500 F. Meereshöhe noch findet und also eine viel grössere Verbreitung hat.

Von der Station Dsegam machte ich einen Abstecher südwärts in's Randgebirge, um den lange schon versprochenen Besuch der Kupferwerke der Gebrüder Siemens in Kedabeg endlich in Ausführung zu bringen. Es ist diess eine ebenso lohnende als belehrende Tour, die uns an eine einsam im wilden Gebirge liegende Hütte deutschen Fleisses und deutscher Industrie führt, weshalb wir einen kleinen Halt bei ihr machen wollen.

Es geht steil im kahlen Gebirge bergan. Der sogenannte Weg lässt gewiss sehr viel zu wünschen übrig. Obwohl gegen N gelegen, sind die unteren und vorderen Terrassen dieser Höhen fast kahl. Sie sind es aber nur in Folge von Waldvernichtung, denn der Buschwald gedeiht an manchen Abhängen noch ganz gut und alte verhackte Stämme findet man in ihm. Sehr bald verschwindet der lästige Paliurus, welcher die Basis des Gebirges vornehmlich besteht und sich stets guten, fetten Lehmboden sucht. Krüppelnde Ahorne (Ac. campestre, Loboelii und pseudoplatanus), sowie Lonicera, Evonymus und Ligustrum bilden höher das Laubholz, welches auch jetzt noch von tatarischen Nomaden unbarmherzig verhackt wird.

Die Höhe des vorderen Randes im Gebirge, welche als Juchara - Aiplinsk benannt ist und welche bei 4000 Fuss Meereshöhe das tief unten gegen N gelegene Kura-Bett um kaum 3000 F. überragen mag, wurde gegen Mittag erstrebt. Es war klar, und die dünne trockene Herbstluft gewährte dem Auge auf weite Distanz hin volle Freiheit. Das ganze gewaltige Panorama gegen N lag vor unseren erstaunten Blicken. Mehr als die Hälfte der Südseite des Grossen Kaukasus überblickt man von hier. Gegen NW hin strahlt der Kasbek mit stumpfer Eiskrone hoch dominirend aus der Firn- und Schneezone der Kammregion hervor. Ohne Mühe verfolgt das Auge den Verlauf der Ossetischen Alpen, und bei vortheilhafter Beleuchtung, wenn kein Wolkengebilde der Sonne den Weg verlegt und die Ostfronten das Licht voll auffangen, unterscheide ich im Suanischen Hochgebirge noch einzelne mir wohlbekannte Partien; ja es schimmert in fernster Ferne eine Masse weiss auf, die ich, wenn ich sie nicht dem Elbrus angehörend betrachte, der Ushba-Gruppe vindiciren muss. Und nun direct vor mir gegen Norden! Ich orientire mich rasch in den Chewsurischen Alpen, von denen der hohe Tebulos-mta, obwohl gegen N vortretend, nichtsdestoweniger immer als Centrum hier gilt, welchem sich die Gletscher der Kette des Tuschen

Landes anschliessen. Dann folgt östlicher der wilde zerrissene Dagestan, zuerst durch den isolirten Bogos-Stock gekennzeichnet. Überall liegt jetzt viel Schnee in diesen Höhen, und weiter und weiter östlich schauend überblicke ich noch die Höhen im Norden von Schemacha.

Vor diesem grossartigen Bilde zieht sich an der Südfronte der Kaukasischen Alpen die deutlich markirte Baumgrenze, meistens auf niedrigerer Vorkette liegend, vor welcher sich dann das Massiv jener mächtigen Gebirge lagert, die sich zunächst zwischen Alasan und Jora hinstrecken und alle stattliche Laubholzhochwaldung besitzen. Noch näher dem Auge entgegen treten nunmehr zwei vermittelnde, nackte, sonnenverbrannte Terrassen, deren vordere, zum Kura-Laufe steil abstürzend, hier von Tausenden paralleler Regenwasserrinnen zerschnitten und gefurcht erscheint und in dem sehr auffallenden Eldar-usch-Kegel immerhin noch die Höhe von 2000 F. über dem Meere erreicht. Nunmehr folgt, tief unter uns gelegen, das breite Kura-Thal in gelb und grau zur Winterzeit gemalt und gekennzeichnet durch hie und da aufblinkenden Wasserspiegel, dem entlang ein schmaler Waldrand folgt, dessen Gedeihen in heisser Gegend nur durch die beständige und unmittelbare Ausdünstung des Flusses zu erklären ist und wo die Zitter- und Schwarzpappel oft in Riesenform sich zur Eiche gesellen, die alle jetzt ihr Laub noch tragen. Weiterhin vom Flusse, zumal dem rechten Ufer entlang, dehnt sich ebene Steppe. Ab und zu wird ihr hellgelbes Colorit durch schwärzliche Flecken unterbrochen. Diess sind die Gärten der menschlichen Ansiedelungen. Ohne Mühe kann zu dieser Jahreszeit, welche im Kaukasus die vortheilhafteste für die Anschauung grosser Gebirgspanoramen ist, das Auge die Strassen und Pfade weithin verfolgen. Hier im Westen bewegt sich eine Karawane, von mehr denn 100 Kameelen gebildet, langsam fort, dort im Osten bemerkt man in offener Steppe den Tummelplatz einer Antilopenhetze.

Auf

Von dem bis dahin eingenommenen Ruheplatze setzten wir nun die Reise auf etwas besseren Wegen fort. etwa 5-6000 Fuss Meereshöhe muss man die nun folgende, hochgelegene Landschaft schätzen, die endlich im Atabeg-Passe ihren Abschluss gegen Süden findet, von welchem aus man, dorthin gewendet, ein ebenfalls grossartiges Gebirgspanorama überschauen kann. Jenes gegen

Norden ist lange schon durch die passirten Höhen dem Auge verdeckt, und auf der erwähnten hochhügeligen Landschaft, wo das grosse Duchoboren-Dorf Slawjanka steht, vergisst man wenigstens für kurze Zeit, dass man im Kaukasus ist und wird durch russische Sitte und Lebensverhältnisse angeheimelt. Der vorzügliche, schwere Boden liefert den Duchoboren oft ausgezeichnete Getreideernten und die

Höhe der Lage ihres Dorfes sichert auch in trockenen Jahren den Heuschlag. Sehr bald, wenn man von Slawjanka gegen Süden reist, wird das eben erwähnte Gebirgspanorama im Süden grösser und grösser. Es schiebt sich davon mehr und mehr am Horizonte ins Gesichtsfeld. Die nordöstlichen Ufergebirge des Goktschai mit ihrem Anschlusse an den Karabagher-Meridianstock sind es, die uns hier im hohen Katschgar-dagh, im Köpes-dagh und Murow-dagh entgegentreten. Sie erreichen bis zu 12 000 Fuss Höhe und lagen jetzt alle in tiefen Schnee gebettet da. Zu ihren Füssen im Norden dehnten sich die Quellgebirge des Schamchor, waldbedeckt und zum grossen Theile schon den Kedabeger Kupferwerken gehörend, deren Essen sie mit Holz und Kohlen speisen müssen. Steiler herabsteigend, und zwar an der linken hohen Thalwand des Kedabeg-Baches (links zum Schamchor), erblickt man sehr bald das grossartig angelegte Etablissement der Gebrüder Siemens, welches, anfänglich zwar mit grossen Schwierigkeiten kämpfend, nunmehr seit einer Reihe von Jahren die erfreulichsten Erfolge aufzuweisen hat und nur erst ganz neuerdings (im letzten Winter) theils durch die Nachwehen des Krieges, namentlich aber durch die in ganz Transkaukasien obwaltende Missernte, durch den Mangel hinreichender Transportmittel zu leiden hatte.

Für den Umfang dieses Berichtes würde es zu weit führen, wenn ich diese Stätte deutscher Arbeit eingehend schildern wollte. Es wird diess in dem in Aussicht genommenen Werke geschehen. Hier nur das Nöthigste. Zunächst sind es die schwefligsauren Dämpfe, den Rostplätzen der Erze entbunden, die dem Fremden wenn auch nicht gerade sehr lästig, doch unangenehm berühren. Die Bewohner gewöhnen sich daran bald und behaupten, dass diese Dämpfe nicht nur nicht schädlich, sondern, wenn nicht zu stark, der Gesundheit sogar förderlich seien. Sperling und Hausschwalbe, Krähe und Elster besorgen ihr Brutgeschäft in ihnen, wenn auch nicht ganz nahe bei den Rostplätzen, wo natürlich der Qualm unerträglich ist. Vom Herrenhause, welches höher als die anderen Gebäude auf linkem Kedabeg-Ufer gelegen ist, überblickt man das gesammte Etablissement. Gegen Westen liegen die umfangreichen Rostplätze und Öfen, sowie die Bassins für die Cementkupferbereitung. Hierher mündet auch die Schienenbahn, auf welcher die sortirten Erze in kleinen festgebauten Wagen heranrollen je mit einem Bremser versehen, da der Fall der Bahn vom erzführenden Gebirgsstocke in NW recht bedeutend ist. Die leeren Wagen werden durch Pferde wieder zur Grube geschleppt. Dort, vor den Rosthaufen sind auch die Schmelzöfen verschiedenster Construction erbaut (im Ganzen 34), um das Erz zu bearbeiten und endlich als Garkupfer in Barren von etwas mehr als 1 Pud

gegossen in das Magazin zu liefern, von wo sie dann nach Elisabethpol transportirt werden.

Unmittelbar vor dem Herrenhause und seitlich thalabwärts von ihm befinden sich die Verwaltungsgebäude und die Wohnungen für die Beamten und Arbeiter. Alle sind aus Stein erbaut und durchaus zweckmässig eingerichtet, auch mustergültig sauber gehalten. Das geräumige Hauptcomptoir enthält neben den Zimmern, welche speciell von der Buchhalterei und Cassenführung eingenommen werden, auch Säle für die Ingenieure, und gerade jetzt entwarf man hier die Pläne für eine etwa 4 deutsche Meilen lange Eisenbahn, welche die Ausnutzung der Wälder erleichtern und das Etablissement in seiner Productionsfähigkeit nicht mehr abhängig sein lassen soll von den Hunderten von Mauleseln und Transportpferden, welche ohne Unterbrechung die Feuerung zur Hütte schaffen müssen und deren Arbeit natürlich wiederum abhängig ist vom Wetter und Futter. Trotz der grossen Unkosten, welche durch die Erbauung dieser Eisenbahn dem berühmten Hause Siemens erwachsen, wird der Erfolg gewiss ein gesicherter, ja, a priori, ein doppelter sein, denn, wenn in Zukunft einerseits Holz und Kohle vom Walde per Dampf zu der Hütte gebracht werden, so können dieselben Locomotiven ja auch das Erz zum Walde bei ihrer Rückkehr schleppen. Eine sehr bedeutende Steigerung der Production, welche bis dahin 40 bis 50 000 Pud Garkupfer im Jahre betrug, ist also gewiss und um so mehr gesichert, als neuerdings im erzführenden Stollen Material erschlossen wurde, welches mit einem Procentsatze von 3-7 für eine lange Reihe von Jahren den Rohstoff bietet. Im Thale des Kedabeg-Baches beiderseits liegen auch sämmtliche Werkstätten, die unausgesetzt für die Hütte zu thun haben, so die Schmieden und Stellmachereien, Öfen zur Herstellung der feuerfesten Ziegeln, Quarzstampfen &c. Auch die grossen Ventilatoren, welche abwechselnd arbeiten und den Öfen die nöthige Luft zufüh ren, sowie 3 Locomobilen von 8 10 Pferdekräften zu anderen motorischen Zwecken sind hier placirt.

Bedenkt man, dass hierher auf demselben beschwerlichen Wege Alles geschleppt werden musste, den wir von der Station Dsegam kennen lernten, dass die Schiffsladungen mit Rohmaterial und Maschinen von der Themse via Gibraltar und Constantinopel nach Poti gelangen mussten, hier die Rionbarre das Umfrachten stets erzwang, sodann, nachdem das Zollamt seine Schuldigkeit gethan, die Poti-TiflisEisenbahn den Transport bis Tiflis vermittelte und von hier aus die schweren grusinischen, büffelbespannten, zweirädrigen Fuhren benutzt werden mussten; bedenkt man endlich, dass in den Bergen der Schamchor - Quellen im besten Falle nur die Intelligenz und der Fleiss eines herangewanderten Griechen zu finden war, im schlimmsten

aber der tatarische Räuber im Busche lauerte, dass in diesen Einöden also Alles geschaffen, herangebildet, mit grossen materiellen Opfern erkämpft und mit vorzüglicher Sach- und Ortskenntniss im Vereine von zähester Ausdauer errungen werden musste: so wird man nicht umhin können, dem ausländischen Capitale den endlichen Erfolg zu gönnen und dem, von gewisser Seite her so oft und so gern gemachten Ausspruche: dass der Ausländer nur komme, um Russlands Schätze auszubeuten und sich zu bereichern, die richtige Deutung geben. Eigene Unfähigkeit und blosser Neid dictiren solche Raisonnements, die man alltäglich bei jeder Gelegenheit hören kann. Man vergisst im vorliegenden Falle, dass mehr als 1500 Menschen ihr gutes Stück Brot essen, dass hier jeder strebsame und ordentliche Arbeiter mehr und leichter verdienen kann, als unter den gewöhnlichen Verhältnissen hier möglich, wo früher der Hirte sein müssiges Leben fristete, oder, wie schon gesagt, der Räuber den Versteck im Walde suchte.

Diese Hochwälder am Schamchor, welche ich während einer Tagesexcursion kennen lernte, boten mir sowohl in botanischer als auch in faunistischer Hinsicht ein durchaus mitteleuropäisches Bild. Erwähnt muss zunächst aber werden, dass hier die Coniferen schon gänzlich fehlen 1). An

1) d. h. die Abies- und Pinus-Arten. Juniperus oxycedrus und communis, sowie J. Sabina und Taxus baccata finden sich im Quelllande des Schamchor. Dagegen verbleibt die baumartige J. excelsa für diese Gegenden nur dem mittleren Akstafa-Thale in verhältnissmässig schmaler Zone.

den Quellen des Dsegam soll es noch einzelne Kiefern geben
und der Weihnachtsbaum für die Kedabeger Gesellschaft
wird von dorther geholt. Dabei wolle man sich daran
erinnern, dass schon in dem etwas westlicher gelegenen
Akstafa-Thale Pinus sylvestris nur sporadisch und nur in
geringer Individuen-Zahl angetroffen wird und die Linde
als Bauholz, namentlich als Diele, Planke, weil sie leicht
zu bearbeiten ist, an Stelle der Kiefer tritt. Es wird das
Verschwinden dieser Art gegen Osten insofern interessant,
als damit auch das Vorkommen des gewöhnlichen Kreuz-
schnabels zusammenhängt. Diese Art habe ich nur noch
ziemlich weit westlich von dem erwähnten Akstafa-Thale,
oben im Gebirge, nachweisen können, nämlich auf den äus-
sersten Höhen des Trialeti in der Randzone der Gebirge
von Borshom. Doch darüber speciell in meiner Ornis.

Hier am Schamchor tummelten sich Schwanz- und Blaumei-
sen sammt der Kohlmeise im Buschwalde. Von den Eichen
her erschallte der klagende, langgezogene Ruf des Schwarz-
spechtes, und den vorsichtigen Eichelhäher repräsentirte auch
hier die Var. melanocephala, Gené. Trotz der vorgerück-
ten Jahreszeit und der Meereshöhe (über 3000 Fuss) war
es fast sommerlich warm. Das Klima dieser Gegend ist
ausserordentlich gesund. Der Herbst hat auch hier eine
bis fast zu Neujahr ausgedehnte Dauer und ich sah jetzt
noch Nepeta Mussini und Leontodon blühen. Unter 12° R.
ist in Kedabeg, so lange es existirt, die Temperatur im
Winter nicht gefallen.
(Fortsetzung folgt.)

Désiré Charnay's Expedition nach den Ruinenstätten Central-Amerika's ').

Von Vera-Cruz nach Mexico. - Die Expedition, über deren Organisation und Aufgabe im Jahrgang 1880, S. 381 berichtet wurde, verliess im April 1880 die Vereinigten Staaten und landete vor Ende des Monats zu Vera-Cruz, das sie aber am 1. Mai wieder verliess, um sich zu Eisenbahn nach Mexico zu begeben. Nachdem wir während der Nacht eine der schönsten Partien des Weges durcheilt hatten, erreichten wir bei Tagesanbruch das Plateau von Orizaba und erfreuten uns dort eines prächtigen Anblicks. Auf allen Seiten stiegen Berge empor, alle Farben widerstrahlend im Lichte der aufgehenden Sonne, im Hintergrunde der Vulcan von Orizaba mit seinem weissen Schneekegel, der sie alle überragte. Dahin brauste der Zug durch Kaffeeplantagen und ungeheure Tabak- und Bananenfelder, bald rechts, bald links sich wendend, vorwärts über tiefe

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Schluchten und reissende Bergströme und bei jeder Wendung eine neue Überraschung bietend. In sanfter Steigung wand sich der Zug hinauf nach Maltrata, wo er eine zweite Locomotive zur Hülfe nahm und sich nun in grossen Curven und bedeutenden Steigungen durch die grossartigste Berglandschaft vorwärts arbeitete, bis wir nach drei Stunden das Plateau der tierra fria erreichten.

Der Aufstieg, welchen wir während dieser Zeit überwunden hatten, beträgt 4810 Fuss. Orizaba liegt 4810 und Esperanza, wo wir anhielten, 9620 Fuss über dem Meere. Unser Weg führte von hier ab über Ebenen so gross und staubig wie die arabische Wüste. Haciendas zeigen sich dort sehr vereinzelt und der verkrüppelte Mais, sowie die dünn stehenden Weizenfelder zeugten von der Trockenheit des Bodens. Die Gegend ist kläglich arm an jeder Vegetation, die ungeheure Ausdehnung der Ebene, die kühnen Linien der Berge, welche den Horizont begrenzen, die Bergspitzen, welche hin und wieder diese Einför

migkeit unterbrechen, die Staub wirbel, welche man von allen Seiten aufsteigen sieht, verleihen ihr einen fremdartigen Anblick und drücken ihr den Stempel starrer Trostlosigkeit auf.

Die Eisenbahn hat das frühere Aussehen des Plateau's

verändert und so zu sagen aus der Gegend eine Einöde gemacht. Wir sehen nicht mehr die langen Züge von Mauleseln, die ihren Weg von Vera-Cruz nach Mexico zu nehmen pflegten, die langsam dahin rollenden Wagen, die arrieros in ihren malerischen Trachten, und wir hören nicht Die kleinen mehr die silbernen Glocken der madrinas 1). Hütten längs des Weges, wo die Maulthiertreiber ihren Durst löschten und die grossen corales, oder Höfe, in welche die Maulthiere des Nachts eingesperrt wurden, sind verschwunden.

Von hier ab wendet sich die Bahn westlich, geht an Huamantla vorüber, lässt Puebla etwa zwanzig leguas zur Linken liegen, geht durch Apizaco und tritt nun in die Llanos von Apan ein. Dort befinden wir uns in dem Lande des pulque, den Hauptgegenden des Weinbaues in Mexico. Auf allen Seiten sehen wir maguey-(Agave-) Plantagen, und an jeder Station werden aus den Waggons Fässer des Getränkes geladen, welches die Indianer so sehr lieben. Diess nicht sehr einladend aussehende Getränk ähnelt an Farbe einem starken Aufguss von Orgeat und Wasser; es ist dick, zähe, faserig und hat einen starken lederartigen Beigeschmack. Es soll gesund sein und man gewöhnt sich leicht daran. In Mexico werden grosse Quantitäten davon verbraucht.

Unsere nächste Station ist La Palma, dann kommt Otumba, bekannt durch den Sieg des Cortes, und nachdem wir endlich die Pyramiden von San Juan de Teotihuacan zur Rechten gelassen haben, langen wir in der Hauptstadt an.

2. Mai. Mexico hat sich in den 22 Jahren seit meiner letzten Anwesenheit noch mehr als Vera-Cruz verändert. Die Grand Plaza, welche früher von aller Vegetation entblösst war, ist jetzt ein schöner Park von Eucalyptus-Bäumen, die, obgleich erst seit zwölf Jahren angepflanzt, doch schon eine Höhe von 100 Fuss erreicht haben. Hübsche Häuser mit neuen architektonischen Formen sind überall entstanden, neue Stadtviertel finden wir an den Stellen der zerstörten Klöster, hübsche freie Plätze überraschen jetzt den Reisenden an jeder Strassenkreuzung und die prachtvolle Promenade, welche von Maximilian angelegt wurde und jetzt bis nach Chapultepec weiter geführt werden soll, würde der stolzesten Hauptstadt zur Zierde gereichen.

1) Stuten, welche an der Spitze der Züge gingen und welchen die Maulthiere folgten.

8. Mai. Die geographische Gesellschaft hielt eine Sitzung ab, um mich über meine Mission zu vernehmen. Sie gab mir darauf durch ihren Secretär Altamirano ihre Absicht kund, mein Gesuch bei dem Minister befürworten zu wollen. Señor Altamirano ist ein Indianer reinsten Blutes aus Guerrero, begabt mit einem grossen Rednertalent; er ist der Danton Mexico's, ein Polyglot, Gelehrter, Politiker und Literat. Die indianische Race gelangt, nebenbei sei es bemerkt, in diesem Lande zu Macht. Überall, in den verschiedenen Zweigen der Regierung bemerkt man Indianer als Angestellte und hohe Beamte. Die Eroberer verlieren Boden

und die Stunde der Restitution naht rasch heran; sich selbst überlassen würde Mexico bald in die Hände der Eingeborenen fallen. In der Sitzung wurden einige Thongefässe vorgezeigt, die einzig in ihrer Art waren; sie stammten einem Grabe, das man bei den neuerdings in der Nähe von Querétaro entdeckten Ruinen gefunden hatte.

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12. Mai. Da Ausflug nach San Juan de Teotihuacan. ich auf die Erlaubniss des Congresses zu meinen Ausgrabungen warten musste, beschloss ich meine Zeit zu verwenden und den Ruinen von Teotihuacan einen vorläufigen Besuch abzustatten. Diese Ruinen liegen etwa 31 miles nordöstlich von Mexico an der nach Vera-Cruz führenden Eisenbahn. Von der Station San Juan aus gewahrt das Auge kaum etwas Anderes als die Umrisse der beiden grossen Pyramiden, aber im Süden, auf der anderen Seite der Eisenbahn, scheinen sich Ruinen bis zu den Matlacinga-Bergen zu erstrecken, welche die Grenze des Thales bilden. Im Norden dehnen sich die Ruinen aus bis zu dem zwei Meilen entfernten Dorfe von San Martin. Teotihuacan war also

eine Stadt von mehr als 9 leguas, oder 23 miles Umfang. Beim ersten Anblick kann man sich kein Bild von der Bei allen Ruinen, Grossartigkeit dieser Ruinen entwerfen. insonderheit bei denen, welche wie diese schon stark vom Zahne der Zeit benagt sind und zerfallen vor uns liegen, fühlen wir uns arg enttäuscht, wenn wir sie zum ersten Male besichtigen. Und erst, nachdem wir sie im Ganzen wie im Einzelnen durchmustert haben, lassen sie in uns den Eindruck ihrer ungeheuren Grösse zurück. Kein anderer Ort Amerika's kann meiner Meinung nach eine imposantere Masse Ruinen, noch irgend Etwas aufweisen, was sich mit dieser Götterstadt (teotihuacan bedeutet Stadt der Götter) vergleichen könnte.

Von der südlichen Grenze dieser alten Stadt ausgehend, nahm ich, geführt von einem Indianer, zuerst eine nördliche Richtung. Wir kamen an zahlreichen Hügeln vorüber, den Überresten zerstörter Gebäude, von denen Nichts übrig geblieben, als Haufen kleiner, poröser, mit Erde vermischter Steine. Ihre grosse Anzahl ist ein Beweis, dass einst eine starke Bevölkerung diese Stätte bewohnte. Un

sern Weg weiter nach Norden verfolgend, setzten wir über den Rio de San Juan, einen kleinen schlammigen Fluss, der während der Regenzeit zu einem wilden, reissenden Strome wird, und der in seinen Wassern Fragmente von Obsidian mit sich führt, von dem ich einige Proben einsammeln werde.

Seitdem die Stadt verlassen wurde, hat der Fluss einen tiefen Schlund eingewühlt, welcher ungefähr ein Drittel der Ruinen von den übrigen, nördlich gelegenen, trennt. Während der Blüthezeit der Stadt muss der Fluss canalisirt gewesen sein, und Brücken müssen eine Verbindung zwischen den beiden Theilen hergestellt haben. Wirklich fand ich, als ich dem nördlichen Ufer aufwärts folgte, chausséeartige Strassen, welche ebenso wie die Mauern der Häuser aus einem festen tetzontli') zusammengefügt und mit Cement überzogen waren. Die Oberfläche scheint mit einer Lage Kalk bedeckt gewesen zu sein, und an einigen Stellen gewahrt man Spuren von rother Farbe. Höchst befremdend ist es, dass man an verschiedenen Orten zwei, ja drei solcher Chausséen, nur durch Erdschichten von 2-3 Fuss voneinander getrennt, übereinander liegen sieht. Bei näherer Besichtigung zeigt es sich, dass erstlich die sie trennenden Schichten nicht aus Schutt, sondern aus Dammerde bestehen, und dass zweitens diese Strassen in gleich gut erhaltenem Zustande sind und der gleichen Epoche angehören müssen. Man fragt sich vergeblich, weshalb diese Strassen so angelegt wurden und sieht, dass man sich hier, wie bei allen amerikanischen Ruinen, vor einem Räthsel befindet.

Je weiter wir nordwärts gehen, desto grösser wird die Zahl der Schutthaufen; wir schreiten über Felder, die mit Hügeln begrenzt, mit Thonscherben aller Farben und mit Götzenbildchen jeder Form übersäet sind, und je mehr wir uns der Sonnen-Pyramide nähern, desto zahlreicher werden dieselben, so dass zuletzt der ganze Boden aus diesen Materialien zu bestehen scheint. Bald erreichen wir die genannte Pyramide, welche wie ein vulcanisches Gebilde aus der Ebene emporsteigt, ohne zu ihrer Basis eine Plattform oder Terrassen zu haben, wie man solche bei den Pyramiden in Yucatan stets findet. Die Grundfläche derselben misst 761, ihre Höhe beträgt 216 Fuss; ihre Seiten laufen genau nach den vier Weltgegenden. Sie zeigt auf ihrem Gipfel noch die Spuren von vier übereinander liegenden. Esplanaden. Andeutungen einer Treppe sind nicht sichtbar, der Aufgang geschah wohl über eine schiefe Ebene.

Der Kern der Pyramide besteht aus vulcanischen Trümmern, welche in Dammerde eingebettet sind; man findet an denselben keine Spur von Mörtel. Der Bau aber war mit

1) tetzontli ist ein poröser vulcanischer Stein. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft II.

Cement überzogen, von dem sich noch sehr gut erhaltene Tafeln vorfinden. Dieser Überzug von Cement war wieder mit weissem, fein polirtem Stucco bekleidet, wie diess auch bei allen Häusern der Fall war. Nun denke man sich einmal die grosse Stadt in all' ihrer früheren Pracht, mitten in der herrlichsten Ebene, und ihrem Kranze von blauen und röthlich farbenen Bergen, mit ihren zahllosen Strassen, welche sich über die ganze Stadt hin bis zu den entferntesten Vorstädten erstreckten, Pyramiden, öffentliche Gebäude und Privatwohnungen, Tempel und Monumente, umgeben von üppigem Grün der Gärten, von Blumen und Bäumen, und die weissen Wände glitzernd und flimmernd im Sonnenlicht, und darüber ausgebreitet den klaren blauen Himmel, dann wird man begreifen, welch' prachtvoller Anblick das Auge des erstaunten Spaniers begrüsste und wird die Beschreibung verstehen, welche Torquemada von jenem Orte giebt:

,,Alle diese Tempel und Paläste, und alle diese Häuser rings umher waren ganz von weissem, polirtem Kalkstein erbaut, so dass, wenn man sie von Weitem schaute, man endloses Vergnügen über deren Anblick empfand. Die Alleen, Strassen und Plätze waren von gemaltem und politem Cement, und so schön waren sie, so rein und so glänzend, dass es unmöglich schien, wie Hände der Sterblichen im Stande gewesen wären diess auszuführen, und dass ihre Füsse je wagen durften, sie zu betreten.

,,Und das ist so wahr, dass aller Übertreibung baar, meinem Berichte geglaubt werden kann, denn zu alle Dem, was Andere mir versicherten, habe ich selbst verschiedene Ruinen gesehen, welche Zeugniss ablegten für Alles, was ich gesagt habe, und zwischen diesen Tempeln waren Bäume und Blumen, prächtige Gärten und Beete voller Wohlgeruch, Alles zum Dienst und zur Verschönerung der Tempel".

Die Pyramide zu besteigen, ist ein mühevolles Unternehmen und der Abstieg selbst gefahrvoll. Nachdem man die freie Fläche oben erreicht hat, breitet sich ringsum ein grossartiges Panorama aus, zahllose Ruinen vor und hinter uns, dahinter die grosse Ebene, im Nordwesten das Dorf San Maltin, im Süden San Juan, im Südwesten Otumba, berühmt durch den Sieg des Cortes nach der grossen Niederlage der noche triste und rundum ein Kranz vulcanischer Berge.

Die Sonnen-Pyramide zur Rechten liegen lassend, verfolgten wir auf einer prächtigen breiten Strasse, an deren Rande sich kleine Steinhaufen, die Überreste von Häusergruppen befanden, eine nördliche Richtung bis zur Pyramide des Mondes. Dieser Weg, dessen Oberfläche an manchen Stellen noch mit Cement bedeckt liegt, ist etwa 4 miles lang und endet am Fusse der Mond- Pyramide. Ehe die

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