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erreicht wurde. Es sollte vor allen Dingen auf der grossen Winterstation der Wolga-Zugstrasse (Tiefland von Talysch und Gilan) die ungeheuere Masse von 3000 Vogelbälgen) beschafft werden, um ein möglichst vollständiges Werk über die Ornis der Kaukasus-Länder zum Abschlusse zu bringen. Diese Collection liegt nun wohlerhalten in Tiflis, um in nächster Zeit sammt den im Museum vorhandenen, anderweitig gesammelten Vögeln bearbeitet zu werden. Im Ganzen besitze ich über 4500 kaukasische Vögel, und seit 1864 wurden über die verschiedenen Arten während meiner Reisen viele Notizen gebucht, so dass mit Benutzung der einschlagenden Literatur und vergleichbarer europäischer Materialien wohl eine recht vollständige Arbeit bald fertig werden dürfte. Die letzte Anregung aber, das zu thun, gab schon vor 2 Jahren Se. Kaiserl. Hoheit, der älteste Sohn des Statthalters vom Kaukasus, Grossfürst Nicolai Michailowitsch, und ermöglichte er auch die Ausführung durch freigiebige Ergänzung der Mittel für eine so grosse Reise, bei welcher Jäger, Präparator und Localsammler bezahlt und gefüttert sein wollten. Der junge Prinz ist bereits selbst naturhistorischer Autor. Während des letzten Krieges entdeckte er nahe bei Kars, und so zu sagen, unter dem Donner der Kanonen, eine ganz neue Noctuelide, welche nunmehr als Victrix Karsiana von ihm beschrieben wurde. Im Kaukasus wuchs er heran, und wenn einerseits für ihn der häufige Anblick der grossartigen Scenerien der Gebirgslandschaft nicht ohne Einfluss bleiben konnte und die Liebe zum Naturgenusse erzeugte, so gab andererseits eine sehr sorgfältige Erziehung dem. Studium schon frühzeitig die den Anlagen des Prinzen entsprechende Richtung. Schon als Knabe legte er Sammlungen naturhistorischer Objecte an, die jetzt sammt der Bibliothek bereits sehr umfangreich geworden sind.

Neben dem erwähnten Hauptzwecke dieser Expedition verfolgte ich aber noch einen zweiten. Schon 1866 hatte ich mich im Frühlinge einige Monate im Tieflande von Russisch-Talysch aufgehalten und ergänzend für die Nachrichten Ménétrie's und Hohenacker's arbeiten können. Später (1870) bereiste ich es im Vereine mit Dr. Sievers ebenfalls, und gingen wir damals, die Lenkoranka aufwärts verfolgend, bis in den Suant-Gau, um westlich dann durch die Täng-Schlucht in den Drych-Bezirk zu gelangen und

1) Wenn ich ohne Weiteres diese hohe Zahl erwähne, so sei zur Erklärung Folgendes gesagt: Als diese Expedition im Cabinette Sr. Kais. Hoheit des jungen Grossfürsten Nicolai Michailowitsch vereinbart wurde, äusserte ich gelegentlich, dass ich gewiss sei, 1000 Exemplare mitzubringen. Der Prinz hielt diese Ziffer für zu hoch gegriffen, worauf ich sie im Eifer verdoppelte. Ein ungläubiges Kopfschütteln erfolgte sofort seitens Sr. Kais. Hoheit, und ich, nun einmal gewissermaassen zu meiner Ehre engagirt, versäumte nicht, das dritte Tausend auch noch zu versprechen. Es ist mir wirklich gelungen, diese Zahl in meiner neuesten Sammlung zu erreichen.

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den Williasch-tschai abwärts zu steigen. Das südlicher gelegene Astara-Thal, zugleich die Grenze zwischen Russland und Persien bildend, blieb damals von uns ununtersucht. Flüchtig berührte ich das Küstengebiet im Hochsommer desselben Jahres, als ich auf Befehl Sr. Kais. Hoheit des Grossfürsten Constantin Nikolajewitsch denselben auf seiner Caspi-Rundreise begleitete.

Nunmehr, während der letzten Reise, nach Abschluss der Sammlungen im Tieflande, und nachdem Enseli und Rescht von mir besucht worden waren, nahm ich meine früheren Reisen im Talysch-Gebirge wieder auf, begab mich der Küste entlang nach Astara, stieg steil im gleichnamigen Thale bergan, erreichte die Randhöhe zuerst im SchindanKala, verfolgte diesen Rand des Aderbeidshan-Plateau's gegen N, immer die Ebene von Ardebil mit dem imponirenden Sawalan zur Linken habend und rechts in die jähen Abstürze gegen Osten schauend, wo die rapiden Wasserläufe der Talyscher Thäler hie und da aus waldbedeckter Gebirgslandschaft aufblinken und in weiter Ferne sich das schmale Uferland am Caspi hinzieht; bei klarem Himmel auch die Insel Sari in langgezogener Bogenform flach aus den blauen Meeresfluthen auftaucht, und das Ostende der berüchtigten Mugan sich in undeutlich verschwimmenden Linien zum Meere hin verliert. Unterbrochen wurde diese der Grenze entlang laufende Tour nur durch einen sehr lohnenden Abstecher nach Ardebil und den Besuch des Sawalan. Wer sehen will, was Persien einst an Architektur und Mosaikschmuck seiner kirchlichen Prachtbauten leistete, muss das Mausoleum am Scheich-Sefid und SchahIsmael (1330) in Ardebil besuchen; und wer neben dieser Pracht vergangener Zeiten das wildeste Treiben roher Nomaden auf den Alpenweiden kennen lernen will, hat von Ardebil nur eine Tagereise eifrig bergan an der Ostfront des Sawalan zu steigen, um bei den räuberischen Schachsewanzen (d. h. Lieblinge des Schahs) in reinster Alpenluft diese herumziehenden Hirten kennen zu lernen, und auf dem Kisil-bari im Bereiche der Schneeschmelze auch noch Ende Juni blühende Puschkinia und seltenes Bulbocodium zu sammeln; ja, wem das Glück lächelt, vermag vielleicht einen Trupp jener seltenen Wildschafe zu erspähen, die entweder dem Gmelin'schen Ovis orientalis oder dem von Tschichatscheff entdeckten Ovis anatolica angehören. Die russische Grenze wurde von mir, vom Sawalan kommend, wiederum bei den Weideplätzen Küs-jurdi, d. h. die Mädchen-Sommerfrischen, erreicht und nun bis zum Tieflande verfolgt. Aus der erquickenden hochalpinen Zone vom Sawalan stiegen wir nach und nach, die Weideplätze in 5-6000 Fuss Meereshöhe durchwandernd, verhältnissmässig rasch abwärts und kamen dem heissen Tieflande näher und näher, auf dem, gleich einer dichten Rauchhülle,

ein trockener, heisser Nebel lagerte, welcher die Mugan geradezu unerträglich machte und wo am Tage im Schatten die Reaumur'sche Scala bis auf 28° stieg. Nach Abschluss dieser Reise wurde der Aufenthalt im Tieflande nach Möglichkeit beschränkt. Am Tage war ich in Folge ausserordentlicher und anhaltender Hitze meistens zur Unthätigkeit verdammt. Das Packen der Sammlungen und Expediren derselben war bald besorgt und am 10./22. Juli konnte der Dampfer bestiegen werden, welcher mich über Baku nach Derbent brachte, von wo ich die Weiterreise zu Lande über Temir-chan-schura, Grosnoe nach Wladikawkas und dann über den Grossen Kaukasus nach Tiflis machen konnte.

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In Hinsicht nun darauf, dass das Nordwestende des Elburs Gebirgssystems mit seinen Abstürzen und Verflachungen zum Caspi immerhin noch wenig bekannt ist wenigstens entschieden nicht so oft geschildert wurde als Gilan und Massenderan, in denen seit der Regierung der Kadsharen die bequemeren Wege, welche zu ihrer Residenz Teheran geleiten, liegen und über welche namentlich Engländer schon seit dem Beginne des vorigen Jahrhunderts berichteten in Hinsicht endlich auch darauf, dass wir über das russische Talysch kein grösseres, einigermaassen erschöpfendes Werk besitzen, zumal über seine Naturerzeugnisse nur unvollkommene Berichte und Verzeichnisse vorliegen werde ich nun alle meine einschlagenden Materialien vereinigen und dieses reiche Land und seine Bewohner eingehend schildern, auch mit Hülfe von Specialforschern Alles zusammentragen, was wir bis jetzt aus diesen reich gestalteten, die schroffsten Gegensätze darbietenden Gegenden kennen lernten und das Alles möglichst bald dem Publicum vorlegen. Ich gebe hier aber in dieser weit verbreiteten Zeitschrift schon jetzt einen vorläufigen Bericht, denn, beschäftigt durch die Ornis caucasica und ein Werk, welches in russischer Sprache in mehreren Bänden erscheint und das grosse Russische Reich in Wort und Bild mehr literarisch als streng wissenschaftlich schildern soll, endlich auch durch die Umgestaltung des Kaukasischen Museums, dessen Räume jetzt um das Dreifache vergrössert wurden, sehr in Anspruch genommen, kann ich mir selbst keinen festen Termin für das Werk über Talysch setzen, hoffe aber, dass es in Jahresfrist in die Presse gelangt.

Unbedenklich nenne ich das russische Talysch den reichsten Winkel, den das Riesenreich Russlands an seiner gesammten Südgrenze besitzt, aber ich füge hinzu, dass es überdiess auch noch das Land der allerschärfsten Extreme in Hinsicht auf Klima und Naturformen ist. Bevor ich, von Tiflis kommend, mit meinen Lesern flüchtig die weiten Lande des Kura-Thales (im Herbste 1879) durchwandere, um von Salian direct südlich zu wenden und rasch die Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft II.

Mugan zu durcheilen, so endlich die reizende Landschaft von Talysch erreichend, will ich für jene eben gemachte Behauptung zunächst einige frappant in die Augen springende Beweise liefern. Ich greife keck mitten aus meinen in letzter Zeit gemachten Beobachtungen heraus. Es muss uns befremden, wenn wir im meteorologischen Tagebuche, dem ich auch die phänologischen Beobachtungen stets beifügte, Folgendes finden. Wir befinden uns nämlich, wie bekannt, unter dem 39° N. Br. in Lenkoran und es heisst in meinem Manuscripte:

Mittwoch 2./14. April 1880.

7 Uhr früh +7,0° R. Ost schwach, bezogen, regnerisch.

2 Uhr Nachmittags +3,75° R. NO frisch, Regen.

9 Uhr Abends +3,0° R. ONO stark, Sturm, Regen. Donnerstag 3./15. April.

7 Uhr früh +2,25° R. NO stark, Regen, seit gestern Abend Schnee. 2 Uhr Nachmittags +1,50° R. NNO mässig, 0,12 Zoll Regen.

9 Uhr Abends +0,75° R. NNO mässig. Von 9 Uhr früh bis Mittag Schneesturm.

Freitag 4./16. April.

7 Uhr früh +0,25° R. NW. mässig, überall gleichmässig bezogen. 2 Uhr Nachm. +0,75° R. NW mässig, es liegt 1/2 F. hoher Schnee. 9 Uhr Abends +0,75° R. NW mässig. Von 8 Uhr an fällt wieder Schnee, sehr grossflockig.

Alle Haus- und Uferschwalben (H. rustica und C. riparia) sind umgekommen. Man kann sie zu Hunderten im Graben am Leuchtthurme finden. Desgleichen ist Muscicapa luctuosa zum grössten Theil ein Opfer des schlechten Wetters geworden. Selbst grössere Stelzer, als Charadrius Morinellus und Ch. asiaticus, sowie Becassinen und Waldschnepfen, endlich auch die Wiedehopfe sind so ermattet von Hunger und Kälte, dass man sie mit der Hand ergreifen kann. Über Nacht stürmen eine Menge kleiner Vögel an die Fensterscheiben, ein Theil rettet sich in die Häuser. Auch die Samenfresser leiden sehr. Fringilla coelebs stirbt. Die Sperlinge lassen sich gar nicht sehen. Am 5./17. April liegt 1 Fuss hoher Schnee. Die erfrorenen Vögel, unter denen sich sogar Ibis Falcinellus und Numenius Phacopus befinden, werden über Nacht von den Schakalen gefressen. Am 5./17. April steigt um 2 Uhr Nachmittags die Temperatur bei schwacher NNW-Brise nicht über 6,75 R.

Trotz dieses Unwetters brüten schon Anser cinereus und Corvus cornix und es sind angekommen: Sterna anglica und St. hirundo, und schon am 3./15. April wurde Merops apiastes!! in der Ebene zum ersten Mal erlegt; ein ganz ausnahmsweises, gar zu zeitiges Erscheinen dieser Art in diesem Jahre.

Dennoch hatte schon die Märzsonne, welche um Mittagszeit nicht selten bis fast auf 12° R. im Schatten die Luft erwärmte, viele Pflanzen im Tieflande nicht nur geweckt, sondern auch zur Blüthe gebracht. Am 28. März/ 9. April notirte ich: Hyacinthen blühen im freien Lande, Lilium und Fritillaria im Garten / Fuss hoch, das Laub

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der Weiden 34 Zoll lang, die Blüthenkätzchen schieben sich hervor. Fraxinus sprengt die Blüthenhüllen. Cydonia treibt stark. Die Pfirsichknospen (Blüthen) und Apfelbaumblüthen zum Platzen reif. Caprifolium hat 1 Zoll lange Blätter. Die immergrünen Rosen haben in den letzten 3 Tagen 2-4 Zoll lange Triebe gemacht. Corylus Avellana stäubt. Primula veris blüht.

Stelle ich diesen Mittheilungen einige andere zur Seite, z. B. meine Notizen vom Ende November 1879. Ich schrieb am 20. November/2. December nieder:

7 Uhr früh +8,75 R. SW schwach, fast klar.

2 Uhr Nachmittags +13,75° R. still, fast klar.

9 Uhr Abends +10,25° R. SO schwach, leicht bezogen.

Die Rosen im Garten, sowohl die Monatsrosen als auch die Bourbons und Ranunkelrosen in voller Blüthe, ebenso Levkojen, welche hier mehrjährig werden und zolldicke Stämmchen von 1-2 F. Höhe bilden. Mittags schwärmen viele Insecten, namentlich auch Bienen, ferner die gemeinen Tagfalter, als diverse Vanessa sp. und auch Plusia gamma in Menge. Zahllose Staare singen um die Mittagszeit in den Pyramidenpappeln, welche zum Theil noch Laub tragen. Bis Ende des Monats, also nach neuem Style gerechnet fast bis Mitte December, hält sich Ricinus, welcher bis zu 20 Fuss Höhe, bei 3-4 Zoll dickem Stengel heranschoss, vollkommen frisch, und Arum antiquorum bewies, dass ihn bis dahin noch keine Spur von Nachtfrost getroffen hatte. Erst um diese Zeit schlug man die Georginen im freien Lande in Sand ein, und die Wälder der Ebene, vorwaltend aus Eichen, Rüstern und Parrotia bestehend, waren überall noch frisch im Grün. Ihres Laubes entkleidet sah ich damals nur die zarte Gleditschia caspica, Mimosa Julibrissin, Feigen und Wein gänzlich, dagegen Acer insigne Buhse und Populus pyramidalis nur zum Theil. Erst Ende December (22. Dec./3. Jan.) führe ich in meinem Tagebuche die Wälder der Ebene als total entlaubt an. Aber kaum ist hier die Ruhe eingetreten, so regt sich neues Leben schon am Boden, denn die ersten Blumen von Cyclamen coum wurden an eben diesem Tage gesammelt.

Rasch steigen gewöhnlich die Temperaturen im Mai. Der Frühling des Jahres 1880 war nicht normal. Das erwähnte andauernde Unwetter Anfangs April hatte mit dazu beigetragen, den Fortschritt der Vegetation im Mai wenigstens um 2-3 Wochen zu verzögern. Selbst Mitte Mai, nachdem im Schatten zur Mittagszeit selten weniger als 18-19° R. abgelesen wurden, trugen manche Arten, so namentlich Mimosa Julibrissin und Gleditschia noch kein fertiges Laub, sondern der erstere beider Bäume hatte am 15./27. Mai kaum die ersten Blattknospen gesprengt. Aber dennoch waren schon auf den Zwergdünen nahe dem Mee

resstrande einzelne Distelarten im Abtrocknen begriffen und liessen die steifen Pappussternchen bei stärkerem Winde fliegen. Nur mit Mühe waren dort noch die Spuren von Trigonella und kleine Medicago-Arten zu finden.

Nicht weniger schroff wie die Temperaturen stehen sich Windrichtungen und Niederschläge im Südwestwinkel des Caspi gegenüber. Die gesammten West-, Ost- und Nordufer des grossen Binnenmeeres schmachten vor Durst den grössten Theil des Jahres. Sein Südrand allein trinkt im Übermaasse, was die Oberfläche verdunstet. Dicht mit Wald bedeckt strebt dort, rasch aus schmaler Ufer- und Delta-Landschaft ansteigend, das Randgebirge heran zu dem Iranischen Plateau, aus welchem nahe vom Rande zwei mächtige Vulcankegel hervorwuchsen, deren östlicher im Demavend selbst den kaukasischen Elbrus noch überragt und dennoch sein Haupt nicht vergletscherte, weil innere Wärme und geringe Niederschläge ihm die beständige Schneelinie und damit die erste Bedingung zur Eisbildung versagen; der andere, geringere dieser beiden jetzt. todten Vulcane, steigt aus breit gezogener Basis unmittelbar im Westen von Ardebil als Sawalan empor und entsendet sein Schneewasser zum Aras. Man darf mit Gewissheit behaupten, dass dieses ausgedehnte trockene Plateau. Irans vom Caspi - Wasser so gut wie gar Nichts erhält. Das Meer nimmt sein eigenes Wasser durch eine sehr beträchtliche Anzahl von Wildbächen und Gebirgsflüsschen zurück, die alle oben am Rande entspringen und in engen, steil abstürzenden Querthälern abwärts in's Tiefland springen, hier träge hinschleichen, viel Detritus absetzen und fast stets an der Mündung gestaut werden durch Zwergdünenbildung, welche ihre Erzeugung und ihr langsames Heranwachsen den heftigen Nord- und Nordostwinden verdanken. Lägen hier nicht gerade die tiefsten Stellen des Caspi, so würde überall der Dünenaufbau rascher erfolgen. So ist das schon bei Enseli der Fall, wo einzelne Dünen die Höhe von 30-50 F. erreichen. Unter den obwaltenden Verhältnissen ergiessen die gestauten Bäche ihre Fluthen zu beiden Seiten in's Tiefland, und es bilden sich dort ausgedehnte Süsswasser - Lagunen - Landschaften, von breiten Binsen und Rohr tragenden Sümpfen umrandet, denen sich erst tiefer landeinwärts das Jongel-Gebiet und der Hochwald anschliessen.

Dass in der That nur der Nordabsturz der ElbursKette die Caspi - Wasser aufsaugt und niederschlägt, geht unter Anderem auch aus folgender Beobachtung hervor. So oft ich ostwärts schaute im Sommer, sei es vom Sawalan oder von der Ardebil-Ebene, selbst von dem hochgelegenen Suant-Gau; immer lagerten die massigen Nebelschichten, nicht selten schon zu geformten Wolken condensirt, nur im Osten der schmalen Kammlinie, welche durch die

äussersten Höhen des Randgebirges gebildet wird; ja, in den meisten Fällen zog diese Linie ihnen die allerschärfste Grenze. Es geschieht das in so ausgesprochener Weise, dass nicht allein der Florentypus im Allgemeinen, sondern auch die Culturmethoden diese Thatsache überall bestätigen. Denn wo wir auch immer ost- und westwärts von dieser schmalen Kammlinie hinschauen, so werden wir hier (ostwärts) üppigen Laubwald und prachtvolle Kräuterwiesen auf seinen Lichtungen erblicken, dort (westwärts) sehr bald die letzten vereinzelten Baum- und Strauchformen gänzlich vermissen und schon in 6000 F. Meereshöhe jenen interessanten Vegetationstypus entwickelt sehen, den vor Allem die stacheligen, ausdauernden, holzigen Astragaleen kennzeichnen, denen sich andere sonderbar bewaffnete Pflanzengestalten anschliessen. Auch verlangt das Weizen- und Gerstenfeld dieser Plateau-Landschaft in eben dieser Meereshöhe doch schon die mehrmalige Bewässerung im Verlaufe des kurzen Sommers, wenn die iranische Sonne ihm nicht schaden soll.

Noch will ich einige vorläufige Andeutungen über die Winde dieser Gegenden machen. Die Ventilationen hängen natürlich wesentlich von der gesammten Plastik des Gebietes ab. Verderblich wirkend und immer daran erinnernd, wie sich namentlich im Osten und Norden des Caspi die weit gedehnten europäisch-asiatischen Ebenen als Steppen und Wüsten hinziehen, sind es die Nordost- und Nord-, nicht selten auch Nordwestwinde, welche ungehindert, oft in Sturmform anhaltend einsetzen und wenigstens der unmittelbaren Küstenzone Schaden bringen. Ihre Macht wird im Urwalde des Tieflandes sehr bald gebrochen, und dadurch erklärt sich allein die Möglichkeit des kräftigen Gedeihens der Citrus-Arten und des Ölbaums an einzelnen Localitäten Gilans, da die dort geschützt liegenden Plätze der Extravaganzen des continentalen Winterklimas nicht in dem hohen Grade ausgesetzt sind wie die Uferzone.

Die Nord- und Nordostwinde kündigen sich vom November bis zum April fast immer im Voraus an. Wenn nach längerer Ruhe, fern hin gegen Osten auf dem Spiegel des Caspi, sich wie eine Mauer eine gleich hohe und nirgend getheilte Dunstmasse in Form der regelmässigsten Stratus-Wolke unbeweglich lagert, so kommt es endlich sicherlich zum Ausbruche eines von dort her wehenden Sturmes. Die Masse und Dichtigkeit dieser festlagernden Dunstschicht nimmt allmählich zu. Am ersten Tage erscheint sie niedrig, dünn, nicht ganz geschlossen. Sie wächst ganz langsam, dehnt sich immer weiter aus, das Auge erreicht nicht mehr ihre beiden Enden, aber sie bleibt niedrig am Horizonte stehen und färbt sich dunkler und dunkler bis zum Bleigrau. Oft braucht sie zu diesem förmlichen Heranreifen 3-4 Tage und dann folgt das

anhaltende Unwetter mit Regen und Schnee, mit Sturm und Kälte, dass man unwillkürlich an Sibirien denkt. Man vergisst in dieser Zeit, dass man unter dem 39° N. Br. in Lenkoran lebt, dass man sich überdiess noch 85 F. unter dem Niveau des Oceans befindet und in Gegenden, wo die Juli- und Augustsonne im Schatten die Temperatur gewöhnlich auf 25-27° R., ausnahmsweise auch auf 2830° R. treibt, wo im Tieflande der Reis die ergiebigsten Ernten liefert, die Feige überall verwildert existirt, der Königstiger und Panther in den Jongeln leben; ebenda, wo jetzt im Winter von den Tundren des Eismeeres die schönen Rothhalsgänse (Bernicla ruficollis, Pall) schaarenweise erscheinen und nicht weit vom colchischen Fasan den kurzen Rasen abweiden, oder gar auf dem Meere die hochnordische Schneegans (Anser hyperboreus, Pall.)1) neben der Eisente schwimmt und vom persischen Hochlande, verscheucht durch strengen Winter, die prachtvolle Erythrospiza rhodoptera, Licht., von den Dünengräsern des Tieflandes, die vergilbt aus dem Schnee hervorragen, die harten Samen sorgsamst absucht.

Aber auch diese in der Winterzeit nicht selten Statt habenden Wetterzustände werden bisweilen plötzlich unterbrochen. Ich führe hier aus meinem Journale abermals einige Details dafür an: Am 23. Nov./5. Dec.

7 Uhr früh +8,5° R. NO stark, Regen.
2 Uhr Nachm. +8° R. NW mässig, Regen
0,14 Zoll.

9 Uhr Abends +8° R. NNW schwach. Am 24. Nov./6. Dec. 7 Uhr früh +4° R. SW schwach, fast klar. 2 Uhr Nachm. +12° R. SO stark, fast klar. 9 Uhr Ab. +8,25° R. SW schwach, fast klar. Am 25. Nov./7. Dec. 7 Uhr früh +4,5° R. SW schwach, fast klar. 2 Uhr Nachm. +14,5° R. SO schwach, fast klar. 9 Uhr Ab. +10° R. SO schwach, fast klar.

Um 6 Uhr 40 Minuten Abends sehr starkes Erdbeben. Zwei hohe Wellen von W nach O (Sawalan! der als drittes Centrum der transkaukasischen Erdbebenzonen zu betrachten ist, während Erzerum und Schemacha die beiden anderen bilden). Die Dauer ist kurz, ich schätzte sie auf nur wenige Secunden, die Aufeinanderfolge unmittelbar, die Intensität sehr stark. Ich empfand die Hebung plötzlich, mir schien es, dass ich mindestens einen halben Fuss gehoben würde, und dass der Stoss von unten käme. Am 26. Nov./8. Dec. 7 Uhr früh +17,75° R. S und SSW. 2 Uhr Nachmittags +12° R. NNO stark. 9 Uhr Abends +9,75° R. ONO, Regen.

Sturm bringt die heisse Luft, setzt stossweise ein, die Luft ist ausserordentlich trocken. Im W und S der Horizont ganz klar. Der Sturm hält bis 9 Uhr früh an. Diese Stürme, aus S hervorbrausend, heissen Gärmidsh.

Man erwartete nun den abkühlenden Gegenwind. Die Bewohner wissen, dass er kommen muss. Um 2 Uhr tobte

1) Von mir für den Caspi als seltener Wintervogel neuerdings nachgewiesen.

schon kalter NNO. Abends aber ging er mehr nach Ost und von 3 Uhr Nachts an regnete es. Schon am nächsten Tage notirte ich 2 Uhr Nachmittags bei starkem NW und Regen nur +4,5° R.

Hierauf beschränke ich für diesen Bericht die meteorologischen Mittheilungen, gebe sie aber in extenso in dem oben angezeigten Werke und habe nun zunächst das Hauptsächlichste aus meiner Marsch route bis Lenkoran zu erzählen. Während der ganzen Reise waren selbstverständlich die Vögel die begehrtesten Beobachtungsobjecte.

Am 1./13. November verliess ich in Begleitung des Entomologen H. Leder und eines Präparators, der zugleich Jäger war, Tiflis und verfolgte die Poststrasse gegen Osten, welche über Akstafa nach Elisabethpol führt. Die ganze Strecke dieses Weges stellt mit nur geringen Unterbrechungen am Unterlaufe des Algetka- und des mächtigeren Chram - Flusses, die beide, aus dem trialetischen Gebirge kommend, von rechts her der Kura zufallen, eine elende, wasserarme, vornehmlich von niedrigen, ausdauernden Wermutharten spärlich bestandene Steppe dar, über welche hinschauend man in der Ferne hie und da den Spiegel der Kura verfolgen kann, und jenseits desselben sich die Südfronten des Grossen Kaukasus im Jora- und AlasanGebiete rasch aufbauen sieht. Das Gebiet ist im Sommer menschenarm, weil die hier überwinternden tatarischen Nomaden mit ihren Heerden in's Gebirge wandern. Der Strasse entlang begleiteten uns die Haubenlerchen, die, wenn aufgescheucht, den etwas klagenden kurzen Pfiff hören liessen.

Für die geographische Verbreitung der Corvus - Arten konnte ich auch jetzt die schon früher hier gemachten Beobachtungen bestätigen. Von den Krähen sind es namentlich Corvus corone und C. frugilegus, die sich in ihrem Vorkommen auf weite Strecken hin gegenseitig ausschliessen. Im gesammten Osttheile Transkaukasiens überwintert in Menge nur C. frugilegus, im centralen Theile dagegen ist C. corone herrschend. Die Saatkrähe, hier im Winter selten, erscheint erst im Frühlinge in Menge und zieht meistens weiter. Die Nebelkrähe aber gehört dem ganzen Kaukasus an und wird auch auf den Plateau-Ländern im Süden, sowohl den Iranischen als auch den Kleinasiatischen angetroffen, und zwar ebenso wohl in den Einsamkeiten basalalpiner Wiesen, oft fern von Ansiedelungen, als auch in den bevölkerten Tiefländern und am Meere, nirgends aber geschaart oder im Winter ein Stadtleben führend, wie sie es im Norden überall thut. Sporadisch kann ich nur die Dohle als Wintervogel aufführen. Bei Mingetschaur war sie sammt der Nebelkrähe geschaart und begab sich gleich den Wildgänsen mit Sonnenaufgang in grossen

Flügen, immer schreiend, auf die Saatfelder, namentlich auch auf das jetzt trockene Reisstoppelland. Was den Kolkraben endlich anbelangt, so fehlt auch er einzelnen Gebieten Transkaukasiens vollkommen. Nie sah ich ihn in Talysch, obschon reichlichst Nahrung ihm geboten wird, da während des ganzen Winters ungemein viel, den Jägern verloren gegangenes, angeschossenes Geflügel zu finden ist, dann bis zum Juli Fischabfälle im Strandgebiete im Übermaasse vorhanden sind und endlich später Nestjunge im Rohr die bequeme Nahrung dem Vogel bieten würden allein er fehlt hier im Tieflande ebenso wie im Gebirge vollständig und erst westlich von Derbent, in den Vorbergen von Dagestan, traf ich ihn vereinzelt an.

Wesentlich verändert sich die Landschaft im Osten von Akstafa nicht, nur entfernt sich die Strasse mehr und mehr vom tieferen Kura - Thale und führt über die Basis des Randgebirges, welche rasch ansteigt und hier schon überall waldarm ist. Rechts ab gegen Süden, im Thale der Akstafa, steigt die musterhafte Chaussee über Delijan oder Delishan, indem sie die Strasse nach Eriwan bildet, zum Goktschai-Plateau an, über welches ich in meinen früheren Berichten bereits sprach. Gegen Osten aber hat man auf gewöhnlichen Landwegen die Reise fortzusetzen und mehrere grössere Gebirgswasser ohne Brücken zu passiren, um die Gartenstadt der Tataren, Gandsha, den ehemaligen Sitz mächtiger Chane, das jetzige Elisabethpol zu erreichen. Jene Gebirgswasser fordern während der Schneeschmelze oder bei Platzregen und Wolkenbrüchen alljährlich ihre Opfer und zwingen bei Hochwasser die Reisenden zur Rast. Der Taus, Dsegam und Schamchor sind dadurch berüchtigt und gefürchtet.

An dem Unterlaufe des zuerst genannten liegt gegenwärtig die westlichste Verbreitungsgrenze des schönen Frankolin-Huhnes, des edelsten Wildpretes aus der Gruppe der Gallinaceen, welches von hier an gegen Osten, nur dem Kura-Thale folgend, in seiner Gesammtverbreitung ein schmales Band einnimmt, gebildet durch die halb verwilderte, zum Theil jongelreiche Gartenlandschaft zu beiden Ufern des Flusses, nicht ganz bis Salian. Ausführlich werde ich darüber in meiner Ornis berichten, hier nur so viel, dass dem schönen, edlen Vogel für's Erste ein allmähliches Zurücktreten gegen Osten schon jetzt geboten wurde, da Massenvernichtung alljährlich Statt findet, welche nicht allein durch die tatarischen Falkenjäger (stets mit Astur palumbarius, namentlich mit jüngeren Weibchen jagend), sondern auch durch die Tifliser Jäger in gewöhnlicher Weise, vor dem Hunde mit dem Gewehre, bewerkstelligt und die jedenfalls nach zwei Jahren, wenn die Locomotive die jetzt in Angriff genommene Poti-Baku - Bahn das Kura-Thal durchbrausen wird, noch schädlichere Dimensionen

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