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und 250 Kameele, von welchen letzteren 30 Mehari, d. h. Reitkameele, waren.

Mit Allem wohlversehen, brach Oberst Flatters am 3. März 1880 von Ourgla auf und erreichte ohne Schwierigkeit el-Menchu, wo Tuareg-Asger hausen, gelegen auf 26° N. Br., ca 750 km südlich von Ourgla und 250 km südlich von Temassinin. Er soll" dort sehr gut von den Asger aufgenommen worden sein, aber unter den daselbst angetroffenen Horden hätte sich kein einziger Schich befunden, der mit hinlänglicher Autorität ausgestattet gewesen wäre, um Verpflichtungen gegen die französische Regierung zu übernehmen. Der wirkliche Chef der Asger, der Schich Ichenuchen, fast 95 Jahre alt, bewohnt Rhat, wo er dem Einflusse der dort etablirten türkischen Regierung, die daselbst eine Garnison hält, untersteht.

Oberst Flatters hatte sich mit Ichenuchen in Verbindung gesetzt, aber als diese Unterhandlungen drohten, sich in die Länge zu ziehen, ausserdem der Weg nach Rhat ihn zu sehr von der ursprünglichen Richtung, auf Hogar zu, abgebracht hätte, so hielt Oberst Flatters, da ausserdem seine Lebensmittel anfingen auf die Neige zu gehen, es für gerathen, sich nach dem französischen Gebiete im Norden zurückzuziehen, mit der Absicht jedoch, im October desselben Jahres den Weg durch die Sahara nach dem Sudan wieder aufzunehmen. Am 2. Mai 1880 war Flatters wieder in Abiod, einem an der Strasse von Ain Ssala nach Rhadames gelegenen Brunnen, und bald darauf kehrte er über Algier nach Frankreich zurück 1).

So wie wir jetzt die Sache beurtheilen können, ist diese erste Mission Flatters als gescheitert zu betrachten, als nicht den Zweck erfüllend, und im Grunde genommen geben diess die Franzosen jetzt auch zu. Oberst Flatters selbst aber blieb voll der sanguinischsten Hoffnungen. Nach seiner Rückkehr nach Paris schrieb er an einen Freund 2): ,,Eine Eisenbahn ist südlich von Golea noch 200 km weiter möglich, d. h. bis zum 24° N. Br. (Flatters konnte das gar nicht mit Gewissheit sagen, da er, wie wir gesehen haben, nur den 26° N. Br. erreicht hatte). Um bis zum Sudan vorzudringen, hat man zahlreiche Etappen von 20 Tagemärschen zu durchmessen. Auf der 200 km südlich von Golea durchzogenen Strecke ist die Expedition nie mehr als 3 Tagemärsche ohne Wasser gewesen.

,,Man hat einen sehr fischreichen See und Grün entdeckt. Die Tamarisken erreichen in der Sahara einen Umfang bis zu 3 Meter (das ist jedenfalls eine grosse Ausnahme!). Der Wind springt Morgens aus Südost auf, dreht sich von links nach rechts, verstärkt sich bis 2 Uhr Nach

1) Exploration, Vol. X, livr. 177, p. 57. 2) Exploration, Vol. X, livr. 178, p. 91.

mittags und, durch Süd und Ost sich drehend, nimmt er ab an Heftigkeit, sobald er aus Nordwest kommt.

,,Der Sandboden ist fest, und während 80 km hat man einen harten vegetationslosen Kalkboden zu durchlaufen" &c. Der Rapport, den der Minister der öffentlichen Arbeiten über die Mission Flatters', Choisy's und Soleillet's an den Präsidenten der Republik richtete, enthält die bemerkenswerthe Stelle,,Sie (die Expedition Flatters) hat eine Sandgegend durchschnitten, welche sich von Ourgla bis Biodh erstreckt, und auf dem Rückweg hat sie, über Ain Taiba kommend, einen Weg entdeckt, der von einem Ende zum anderen, ohne Sand, eine feste Route bietet" &c. &c.

Derartige günstige Berichte, mehr noch der eigne Enthusiasmus Flatters' und der Enthusiast sieht ja immer bei seinen Unternehmungen und Plänen die günstigsten Seiten bewirkten denn auch, dass noch in demselben Jahre eine zweite Mission unter ihm von Algerien aufbrach.

Und hier, in dieser Colonie, welche ja auch am directesten bei dem Unternehmen interessirt ist, waren die Hoffnungen am höchsten gespannt. Jene perfiden Tuareg, welche im Verein mit den Schaamba und den Uled Bu Humo von Tidikelt es scheint mir fast gewiss, dass auch diese am Überfall Theil genommen haben - die Expedition vernichteten, pflegen von Zeit zu Zeit nach Algerien zu kommen, um sich auf Kosten der Franzosen satt zu essen, und um von der Regierung Geschenke zu erbetteln. Sie kehren nie mit leerem Magen und ungefüllten Taschen zurück. Anderen Vortheil hat Frankreich aber noch nie von diesen Besuchen gehabt.

Der mehr als komische Vertrag, den Oberst Mircher im Jahre 1862 am 22. Septbr. im Namen des Marschalls Pélissier mit den Tuareg-Schichs abschloss, hat nicht nur nichts Gutes gewirkt, sondern das grösste Unheil angestiftet.

Direct wurde durch diesen Vertrag der Tod der unglücklichen Alexine Tinne verursacht, indirect später die Ermordung von Dourneaux - Duperré, Joubert, Bouchart, Paulmier, Ménoret hervorgerufen. Ja, wenn das unglückliche Buch von Mircher nicht existirte, wenigstens jener kindische Vertrag nicht veröffentlicht worden wäre, dann hätte vielleicht Oberst Flatters unterlassen, in so grosser Vertrauensseligkeit seinen Zug südlich von Amadrhor aus

zuführen.

Aber der Leser urtheile selbst, ob Oberst Flatters, der neben seinen ausgezeichneten Eigenschaften und grossen Tugenden, auch die kleinen, aber oft sehr bedenkliche Folgen nach sich ziehenden Fehler der Franzosen besass, nämlich: Alles zu glauben, was von ihnen selbst gedruckt wird, und jede Schmeichelei der Eingeborenen für baare Münze

zu nehmen, ob eben Oberst Flatters nicht berechtigt war zu den kühnsten Hoffnungen.

Herr Mircher, dessen Buch man in Frankreich zu den ,,ernsten" Arbeiten rechnet oder was dasselbe ist, man sagt von ihm,,,c'est un homme sérieux" sagt wörtlich): ,,Diese so vervollständigte 2) Convention sichert unseren französischen und eingeborenen Kaufleuten vollkommene Sicherheit in der Ausdehnung des ganzen weiten Gebietes, wo die Tuareg-Asger herrschen. Von hier, um nach dem Sudan zu gelangen, bleibt noch das Land Air zu durchreisen (oder Asben, wie es die Neger nennen); aber die Tuareg haben sich formell verpflichtet, gestützt auf die freundschaftlichen Beziehungen, welche sie mit den Chefs dieses Landes unterhalten, unseren Karawanen den Durchgang zu erleichtern; und was mich anbetrifft, so habe ich, auf sicherem Wege, an diese Chefs geschrieben, um sie unserer friedlichen Absichten zu versichern, und sie über die Vortheile aufzuklären, welche sie ziehen könnten aus ihren Beziehungen mit uns".

Sollte Flatters die Berichte nicht gelesen haben? Sollte er in seinen aufs höchste gespannten Hoffnungen nicht eine Stütze darin gefunden haben? Wir vermuthen es. leider erwies sich für ihn diese Stütze ebenso trügerisch, wie sie sich für Alexine Tinne erwiesen hatte.

Aber

Aber auch an anderen schlecht fundirten Ermuthigungen fehlte es nicht, und was man wünscht und erhofft, das glaubt man:

So schrieb der Akhbar, das einflussreichste Journal der Colonie, kurz vor der Ankunft des Oberst:

,,Vor einigen Tagen zeigten wir an, dass die Regierung Maassregeln ergriffen hätte, um der von Oberst Flatters geleiteten Expedition eine Organisation zu geben, die sie in den Stand setzen würde, ihre Mission in Sicherheit zu vollziehen, und ohne etwas von den Eingeborenen befürchten zu müssen, welche sich dem Durchzug derselben entgegenstellen könnten.

,,Im Laufe dieses Monats (October) wird die Karawane aufbrechen und den transsaharischen Weg wieder aufnehmen, den sie im Monat Juni verliess.

,,Die Eingeborenen von Rhat, Rhadames, vom Lande der Asger, welche die Erfahrung gemacht haben (!), dass die französische Karawane ihnen gegenüber jeden Gedanken an Eroberung und Gewalt hat fallen lassen, sind jetzt vollkommen beruhigt durch diese Haltung, und erwarten mit Ungeduld die Zurückkunft der Franzosen, welche sie mit der grössten Herzlichkeit zu empfangen die Absicht haben.

1) Mission de Ghadames, rapports et documents officiels, Alger 1863. 2) Bei der Convention waren noch articles additionnels.

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,,Die Eingeborenen haben von der französischen Regierung die Erlaubniss erbeten, auf unserem Gebiet Handel zu treiben (und der Vertrag Mircher?), und sie haben vorgeschlagen, einen Handelsvertrag zwischen Frankreich und der Nation der Asger zu schliessen!!"

Ich bitte um Verzeihung, wenn ich statt eines Punktes zwei Ausrufungszeichen gesetzt habe. Abgesehen davon, dass die Asger keine Nation, sondern nur eine „Tribe" sind, so frage ich: Wo ist der Asger, der auch nur einen Begriff davon hat, was ein Handelsvertrag ist? Sollten wirklich die zehn Asger danach verlangt haben, mit Frankreich einen Handelsvertrag abzuschliessen? War ihnen nicht die Hauptsache, umsonst, d. h. auf Kosten der Regierung, Kuskussu zu essen? Jedem, der einigermaassen mit den ethnographischen Verhältnissen Nordafrika's bekannt ist, gebe ich anheim, unparteiisch zu antworten; ich glaube aber, Niemand wird sich für die Meinung des ,,Akhbar" entscheiden.

Solche Aufmunterungen, von so wenig competenter Seite sie auch kommen mochten, waren nur dazu angethan, den Oberst Flatters zu verleiten, in seinen Vorsichtsmaassregeln unvorsichtig zu sein, denn seiner Vertrauensseligkeit ist das Scheitern der hoffnungsvollen Expedition zuzuschreiben.

Die Expedition setzte sich das zweite Mal zusammen aus Oberst Flatters, dem Infanterie-Hauptmann Mason, den Ingenieuren Beringer und Santin, dem Geologen Roche, dem Arzt Guiard, dem Lieutenant Dianous, 83 eingeborenen Trägern, Treibern und Führern und 48 tirailleurs indigènes, welche sich freiwillig gemeldet hatten. Es mögen später noch einige Franzosen hinzugekommen sein, wie aus dem beklagenswerthen Tod des tapferen Pobéguin hervor. geht; aber im Ganzen war das europäische Element bei einer solchen gefahrvollen Expedition viel zu schwach, namentlich wenn man bedenkt, dass das Verhältniss später durch Hinzukommen targischer Elemente noch ungünstiger sich gestalten musste. Gegenüber so vielen engagirten Eingeborenen hätte Oberst Flatters mindestens 30 Europäer mitnehmen müssen, ja in weiser Voraussorge, dass es möglichenfalls mit den südlich von Algier nomadisirenden Tuareg zum Kampfe kommen könne, hätte er sich mit einer viel grösseren,,französischen" Macht umgeben müssen. Aber das Unglück wollte, dass Oberst Flatters in dem Wahn befangen war, die südlichen Sahariner wurden ihn mit

offenen Armen empfangen, ein Wahn der Frankreich schon so viele seiner besten Söhne gekostet hat.

Von Aghouat schrieb unter dem 4. Novbr. 1880 Oberst Flatters einen Brief) voller Hoffnung:

,,Ich musste schnell von Algier abreisen, wohin eine Tuareg-Deputation gekommen war, um mich abzuholen. Das heisst, die Resultate unserer ersten Expedition bestätigen sich vollkommen, und ohne unvorhergesehenen Fall wird uns der Durchzug offen stehen. Ich habe auch sehr günstig lautende Briefe vom Chef der Hogar, Ahitarhen, und vom Chef der Asger, Ichenuchen, bekommen. Voll Vertrauen brechen wir auf, in der Hoffnung, bis zum Wendekreis keine anderen Schwierigkeiten zu besiegen zu haben, als die der Beschwerden, welche eine solche Reise mit sich bringt. Jenseits, bei den Süd-Tuareg, hängt Alles von Umständen ab. Ich habe darüber nur un bestimmte Nachrichten, aber abgesehen von einigen Gefechten, welche nach Ahitarhen zwischen den Grenztriben des Sudan Statt gefunden haben sollen, hoffe ich schon ein Mittel zu finden, um passiren zu können. Auf alle Fälle soll es nicht an uns liegen, die Landkarte in dem einen oder anderen Sinne zu erweitern.

,,Ich habe die Absicht, von Ourgla südwestlich zu gehen, den 2. östlichen Meridian (von Paris) zu erreichen, und mit ihm gerade südlich mit dem Irharhar und über Tahohail nach dem Sebcha Amadrhor zu gehen. Bleiben die freundlichen Gesinnungen der Tuareg sich gleich, wie ich es zu hoffen wage, so explorire ich nach verschiedenen Richtungen. Das Gros der Karawane wird langsam seine Richtung verfolgen, während eine fliegende Colonne, abgelöst, und meist wohl von mir selbst geführt, auf Umwegen die anderen Wege erforscht. Unser Hauptweg hat den Vorzug, dass er von Ourgla aus noch nie von einem europäi schen Forscher begangen ist. Nur bei Missigen stossen wir auf die Route, welche G. Rohlfs verfolgte von Ain Ssala nach Rhadames, und welche senkrecht auf der steht, welche wir einschlagen" &c. &c.

Die Expedition verliess Ourgla am 4. December 1880, war am 18. December beim Brunnen Inifel und hatte bis dahin mit ernstlichen Schwierigkeiten nicht zu kämpfen gehabt. Aber schon Ende des Jahres 1880 hörte man in Algerien von verdächtigen Bewegungen der Uled Sidi Schich, jenen enfants terribles der Provinz Oran, sowie der Uled Bu Humo, jenen bigotten und fanatischen Bewohnern der südlichsten Provinz Tuats, Tidikelt. Indess erhielt man am 5. Januar 1881 beruhigende Nachrichten vom Hassi Missiggen. Unglücklicherweise stiess Oberst Flatters auf dem Wege nach dem Brunnen Missiggen mit einer Bande

1) Exploration, Vol. X, livr. 201, p. 861.

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Es kamen neue Briefe vom 19. Januar, von Amgid datirt, welches die Expedition am Tage vorher erreicht hatte. Amgid liegt auf dem 26° N. Br. und dem 3° Ö. L. von Paris. Man hatte also,,südöstlich" abweichen müssen von der ursprünglich geraden Süd-Richtung, hauptsächlich, um eine Zusammenkunft zu ermöglichen mit dem Hogar-Schich Ahitarhen. Auch hier hatte man für den Bau einer Eisenbahn keine unüberwindlichen Hindernisse gefunden und ohne Schwierigkeit wurde der Sebcha Amadrhor erreicht. Dieser grosse Salzsumpf liegt schon auf 25° 30' N. Br. Eine grosse Enttäuschung musste Oberst Flatters aber dadurch empfinden, dass der Targi-Chef Ahitarhen nicht zur Zusammenkunft gekommen war, sondern statt seiner einen Verwandten und Führer geschickt hatte. Von hier wollte die Expedition sich nach Assiu wenden, nördlich von Air gelegen. Man wurde also immer weiter nach Osten gedrängt! Wäre Oberst Flatters in der Richtung weiter gegangen, so würde er nach 100 km nicht mehr in der französischen oder algerischen Sahara gewesen sein, sondern hätte südlich von Tripolitanien gelegenes Gebiet erreicht. Es soll das hier nur beiläufig bemerkt sein, um hervorzuheben, dass der Weg von Tripolis nach Central-Afrika augenblicklich der einzig mögliche ist, während die Franzosen immer bis dahin behauptet hatten, es ständen der Route. von Algerien nach Central-Afrika gar keine Schwierigkeiten im Wege. Und so sehr täuschte man sich, verkannte man alle Thatsachen, dass man in Folge dieser Briefe, aus denen wir soeben den Inhalt angeführt haben, im März d. J. in einer der bekanntesten geographischen Zeitschrift drucken konnte 2):

,,Man kann die Durchquerung Hogars jetzt als eine vollendete Thatsache betrachten, der Hauptzweck der Expedition ist erreicht. Der Oberst hofft mit demselben Glück die zweite Hälfte seines Vorhabens ausführen zu können: den Nigerbogen bei Burum zu gewinnen".

Wie und WO war denn Hogar durchschnitten? Der Oberst Flatters hatte es umgangen, er hatte es, um Assiu zu erreichen, westlich liegen lassen, und im günstigsten

1) Exploration, Vol. XI, livr. 216, p. 546. *) Exploration, Vol. XI, livr. 216, p. 547.

Falle hätte er Air auch umgangen, d. h. er würde es westlich haben liegen lassen und in Bornu angekommen sein. Wenn die Thatsache, dass der Hogar-Chef dem Rendezvous fern blieb, schon zu doppelter Vorsicht mahnen musste, so ist es fast unbegreiflich, wie die Expedition vorgehen konnte nach Empfang eines Briefes von Ahitarhen. Dieser entschuldigte sich in seinem Schreiben bei Flatters, er wäre deshalb nicht gekommen, um nicht mit seinem grossen Gefolge die Subsistenzmittel der Expedition in's Spiel zu ziehen. Jedenfalls war das aber nur ein nichtiger Vorwand, um durch seine Abwesenheit dem längst gehegten und geschmiedeten Plane Seitens der Tuareg, Uled Bu Humo und Schaamba, die ganze Expedition zu vernichten und zu plündern, jeden, selbst scheinbaren Grund der Mitthäterschaft zu entziehen. Denn dass hervorragende Parteien jener drei grossen Räuberfamilien sicher schon bei der ersten Expedition einen solchen Plan in's Auge gefasst hatten, liegt auf der Hand.

Statt Ahitarhen kamen einige andere Tuareg zum Chef der Expedition, und einer von ihnen, ein gewisser Schikkat, wurde mit einem Briefe des Oberst und einem anderen von Ahitarhen an die Regierung von Ourgla geschickt. Dieser letztere Brief sollte den Gouverneur vorbereiten auf das nun bevorstehende entsetzliche Ende der Expedition, und zugleich von den Tuareg und Schaamba den Verdacht der Mitschuldigkeit ablenken. Nach der Exploration, livraison 217, p. 577, lautete er nach den üblichen Grüssen so: „Der Oberst, welcher uns geschickt hat, stiess auf Schikkat, hat ihn vorzüglich aufgenommen und ist während vier Tagen gemeinschaftlich mit ihm gereist. Er ist jetzt auf unserem Gebiet, in Hogar, befindet sich wohl, und ist schon wieder abgereist. Jenseits Hogar sind wir nicht mehr für seine Person verantwortlich, denn dort hört unser Einfluss auf. Wenn Sie unser Freund sind, zeigen Sie sich gütig gegen die Schaamba; diess bleibt unter uns. Gruss von Ahitarhen, von Schikkat und den Hogar".

Wem giebt dieser Brief nicht zu denken? Dutzende von Malen sind die Franzosen von jenen Stämmen betrogen worden, und doch hatte man es unterlassen, die natürlichste Vorsichtsmaassregel zu ergreifen, nämlich Geisseln zu nehmen von den Schaamba, Asger und Hogar. Die Hogar sind freilich nicht verantwortlich für die Stämme jenseits ihres Gebietes, aber man hätte sie verantwortlich dafür machen können. Es fehlte ihnen der gute Wille. Und wer waren die Mörder?

Als der vorstehende Brief in Ourgla ankam, war das Grässliche schon geschehen.

Am 2. April d. J. lief in Paris eine Depesche ein: „Die Mission Flatters ist ermordet".

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Es ist unnöthig und schmerzlich auf die nähere Beschreibung der entsetzlichen Catastrophe einzugehen. Wie feige und verrätherisch aber jene Tuareg und Schaamba handelten, das erhellt am besten daraus, dass, als sie die kleine Zahl der Franzosen durch ihre colossale Übermacht nicht gleich bewältigen konnten, sie zum Gift griffen, um die verhassten Glaubensfeinde zu tödten.

Der kühne Oberst Flatters, dessen Andenken die Entdeckungsgeschichte Afrika's stets hoch halten und ehren wird, wurde mit seinen Gefährten zwischen Assiu und Air ermordet, wahrscheinlich am 16. Februar 1881. Etwa einen Monat später erlag der letzte Officier Dianous, der zuerst noch vergiftet wurde, einer Kugel. Über die Einzelheiten des Kampfes mit den wilden Bestien, über den entsetzlichen Rückzug, und zuletzt über die Hungerperiode, welche der arme Pobéguin auszustehen hatte, werden nie vollkommen zuverlässige Aufklärungen kommen, denn wenn auch Einzelne von der Expedition gerettet werden konnten, so sind es Eingeborene, auf deren Aussagen nicht allzuviel Gewicht gelegt werden darf.

Wie in Frankreich, so rief in der ganzen Welt jener Massenmord eine ungeheuere Entrüstung hervor. Und jeder der darüber nachdachte, fragte sich: wird Frankreich jene Scharte auswetzen, wird es das Blut seiner Söhne rächen, wird es den der 'Civilisation von jenen barbarischen Horden angethanen Schimpf wettmachen? Wir hoffen es zuversichtlich. Ein junger französischer Officier, Léon Say, welcher sich schon ein Mal in der Sahara seine Sporen verdient hat, als er eine Reise nach Temassinin machte, hat der französischen Regierung das Anerbieten gemacht, eine Expedition zu organisiren, um die sterblichen Überreste der Mission Flatters zurückzuholen. Auch ein anderes Project, ein auf Mehari berittenes Regiment auszusenden, ist aufgetaucht; jedenfalls darf man erwarten, dass etwas geschieht. Ist überhaupt eine Expedition möglich? Ja! Aber vorher müssen die eignen Stämme in Algerien entwaffnet, die Uled Sidi Schich und Schaamba lahm gelegt, Figig, Ued Ssaura und Tuat einverleibt werden.

Ohne

diese Maassregeln wird Algerien nie beruhigt werden, denn die alljährlich wiederkehrenden Aufstände beweisen diess. Wie kann man aber nur daran denken, mit Feinden im Rücken, eine friedliche Expedition nach dem Sudan führen

zu wollen. Nur complete Entwaffnung der Eingeborenen und systematisches Vordringen nach dem Sudan sichert den Erfolg. Vor Allem aber hüte man sich vor Unterbandlungen" mit den Tuareg, für diese passt nur Blei!

Major Serpa Pinto's Reise durch Süd-Afrika, 1877-79.

Durch den glänzenden Erfolg, den Stanley durch seine Erforschung des Congo-Laufes davongetragen, ist das allgemeine Interesse an afrikanischen Entdeckungsreisen in hohem Grade geweckt worden, aber auch die Ansprüche, welche das Publicum seitdem an jeden Afrika-Forscher zu stellen pflegt, haben sich seitdem so bedeutend gesteigert, dass Erfolge, wenn es sich nicht um eine Reise quer durch den ,,Schwarzen Continent" handelt, fast als Bagatelle angesehen werden. Und doch ist dieser äusserliche Erfolg seit Stanley nur Einem Reisenden vergönnt gewesen, einem Manne, welcher von seiner Nation, die in der Entdeckungsgeschichte auf die ruhmvollste Vergangenheit zurückblicken konnte, nach einer Lethargie von Jahrhunderten als der erste ausgesandt worden war, um die Anschuldigungen, dass Portugal die Erforschung seiner eigenen Colonien Fremden überlasse, und dass die Misswirthschaft seiner Colonialverwaltung wesentlich unsere Unbekanntschaft mit dem Innern verschulde, zu entkräften. Die von so vielen Forschern versuchte Durchquerung des Continentes wurde von Major Serpa Pinto ausgeführt, und es ist daher begreiflich, dass derselbe, der erste erfolgreiche Entdeckungsreisende seiner Nation seit Jahrhunderten, bei seiner Rückkehr mit überschwänglichstem Enthusiasmus von seinen Mitbürgern gefeiert und neben, wenn nicht gar über die Koryphäen der jüngsten Vergangenheit, Livingstone und Stanley, gestellt wurde. Wenn nun auch diese Lobeserhebungen entschieden zu weit gehen, so ist doch anzuerkennen, dass wir dem unerschrockenen Forscher, welcher unter den ungünstigsten Verhältnissen, im Kampfe mit Fiebern und Entbehrungen, mit treulosen Begleitern und feindlichen Eingeborenen sich von der Ausführung seiner Pläne nicht abschrecken liess, eine nicht unwesentliche Bereicherung unserer Kenntnisse verdanken, indem seine Aufnahmen und Erkundigungen dazu beitragen, den weissen Fleck der Karten verschwinden zu lassen.

Nachdem wir bereits nach den ersten vorläufigen Berichten eine kurze Skizze von Serpa Pinto's Reise veröffentlicht hatten (1879, S. 297), können wir jetzt nach Erscheinen seines ausführlichen Reisewerkes 1) unsern Lesern einen Überblick über die geographischen Resultate derselben vorlegen. Gerade auf diesem Gebiete hat der Reisende seine besten Leistungen aufzuweisen; freimüthig gesteht er zu, dass seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse nur gering

1) In deutscher Ausgabe: Serpa Pinto's Wanderung quer durch Afrika vom Atlantischen zum Indischen Ocean durch bisher grösstentheils gänzlich unbekannte Länder, die Entdeckung der grossen Nebenflüsse des Zambesi. Nach des Reisenden eigenen Schilderungen frei übersetzt von H. v. Wobeser. 2 Bde. 8°. Mit vielen Karten. Leipzig, Ferd. Hirt, 1881. 27 M.

waren, weshalb denn auch seine Bemerkungen über Fauna und Flora der durchwanderten Bezirke kein grosses Vertrauen erwecken können. Auf ethnologische Beobachtungen hat Serpa Pinto sein Augenmerk ebenfalls nur wenig richten können, doch sind seine Notizen über Lebensweise, Sitten und Gebräuche der besuchten Volksstämme, wenn sie auch kein einheitliches Ganze bilden, nicht ohne Interesse.

In

Wie aus früheren Berichten bekannt ist, hatte das portugiesische Parlament im J. 1877 für Forschungszwecke in den afrikanischen Besitzungen eine Summe von 30 Contos de Reïs (ca 134 000 M.) bewilligt. Ursprünglich wurde. dieser Expedition, an welcher ausser Serpa Pinto noch Lieutenant Capello und Lieut. Ivens Theil nahmen, die weitgehende Aufgabe gestellt, die hydrographischen Beziehungen zwischen dem Becken des Congo und dem des Zambesi festzustellen, wie überhaupt das ganze Gebiet zwischen den westlichen und östlichen Colonien zu erforschen. Ein späterer Plan, welcher die Bestimmung des Quangound Congo-Laufes betonte und die Untersuchung des Quellgebietes der Flüsse Quanza, Cunene und Cubango, sowie die Aufnahme des Cunene in's Auge fasste, erlitt insofern eine Änderung, als die Erforschung des Congo gerade von Stanley ausgeführt worden war, während die portugiesischen Reisenden im Begriff standen, ihre Reise anzutreten. Folge dessen beschlossen diese, statt von Loanda aus weiter im S, von Benguella aus ihre Thätigkeit zu beginnen, und zwar von der Mündung des Cunene aufwärts bis nach Bihe vorzudringen und dann die Erforschung der anderen genannten Flüsse in Angriff zu nehmen. Aber auch dieser Plan liess sich nicht ausführen, denn in Benguëlla waren, selbst durch die Vermittelung des Gouverneurs, keine Träger zu erhalten, so dass sie, um nicht monatelang an der Küste liegen zu bleiben, am 12. November 1877 mit nur wenigen Leuten vorauseilten, während der alte Händler Silva Porto es übernahm, das Gepäck mit der nöthigen Zahl von Trägern nach Bihe zu schaffen. Unterwegs entschlossen sich Capello und Ivens, sich von ihrem bisherigen Gefährten zu trennen und von Bihe aus die Erforschung des Quanza und Quango allein fortzusetzen, während Serpa Pinto zu der Entscheidung kam, sich dem Mittellaufe des Zambesi zuzuwenden und von hier aus dem grossen Nebenflusse seines Unterlaufes Cafue oder Loengue zu folgen, um endlich von Zumbo aus längs des Zambesi selbst den Indischen Ocean bei Quillimane zu erreichen. Auch dieser Plan sollte nicht zur Ausführung kommen, denn am Zambesi in Catongo desertirten seine sämmtlichen Begleiter bis auf 3 Männer, 3 Knaben und 2 Frauen, und mit einer so geringen Karawane ohne Tauschgegenstände konnte selbst der Uner

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