Page images
PDF
EPUB

linien, welche das Hauptthal speisen, als steile, steinige Rinnen zur Tiefe, und die Contouren der Höhen bringen die Täuschung hervor, als laufe im Norden des Tapeng ein paralleler Rücken mit dem Thale. Die Forschungsreisenden, welche bisher die Gegend besuchten, blieben immer im Thale, und so kommt es, dass in der That in allen bestehenden Karten ein Parallelrücken eingezeichnet wurde, was zur Folge hatte, dass man den nördlich gelegenen Nebenflüssen des Irawadi einen Ost-Westlauf zumuthen musste. Ich war nun so glücklich, aus eigener Anschauung zu finden, dass ein solcher Parallelrücken nicht existirt und dass das Flussnetz sich ganz eigenthümlich darstellt. Schon im mittleren Laufe des Tapeng fiel es mir auf, dass sich die Wassermasse des Flusses in überraschender Weise vermehre. Ich concentrirte meine Aufmerksamkeit auf die unscheinbarsten Wasserrinnen, die in 15-30grädiger Böschung von dem vermeintlichen Gebirgsrücken im Norden herabstürzten, ohne irgendwie einen Anhaltspunkt zu finden, der mich zu der Annahme berechtigt hätte, das Wasser käme von weiter her, als von den scheinbaren Einsattelungen. Unsere Marschlinie lief bisher beständig am linken Ufer. Bei der Stadt Tsanta (auch Tschanta-tu genannt) übersetzten wir den bereits mächtigen und breiten Fluss. Ich las glücklicherweise am Uferrande den Stand des Barometers ab. Eine breite und wohl 8 km lange Alluvialebene trennte uns noch von der Stadt und wurde von rechts nach links durch niedere Hügelzüge abgeschlossen. Wie erstaunte ich, als ich vor der Stadt einen Fluss erblickte, dessen tiefes Wasser anscheinend stille stand. Ich blickte nach Norden und sah dieselbe steile, mit Geröll bedeckte Wasserrinne zur Höhe führen, wie vorher schon mehrere. „Sollte dieses Wasser ein Arm des Tapeng sein?", war meine erste Frage. „Aus diesem Risse kann doch nicht so viel Wasser herabfliessen? Wie käme aber ein Arm des Tapeng hierher? Das ist ja doch ein von beiden Seiten eingeschlossenes Thal!" Ich blickte auf das Aneroïd, richtig! wir sind um 100 Fuss höher als vorher am Tapeng! Das war kein Zweifel mehr, das grosse Wasser musste von Norden kommen. Kaum waren wir in der kleinen Stadt Tsanta angekommen, da berief ich die erfahrensten Diener des Hauses zu mir und erkundigte mich nach den Verhältnissen des Flusses. Und so erfuhr ich denn, dass dieser Nebenfluss Tsanta-ho heisse und sein Ursprung auf 12 Tagereisen Entfernung im Norden liege. Da ich in die Aussagen Zweifel setzte, so liess ich mir mit Holzstäbchen den Lauf des Flusses und die Lage der Ortschaften, auf welche man am 7., 10. und 12. Tage stosse, demonstriren. Meine Annahme, es müsse sich im Norden eine ausgedehnte Plateaulandschaft ausbreiten, erhielt die vollste Bestätigung, als wir nach Passirung noch

[ocr errors]

mehrerer ähnlicher Wasserlinien, die unseren weiteren Weg am rechten Ufer des Tapeng durchschnitten, uns von Manwyn in die nördlichen Berge wandten. Je näher wir, aus der breiten Thalebene kommend, uns den Bergfüssen näherten, desto deutlicher hörte ich ein gewisses Brausen aus der Schlucht des bei Manwyn mündenden Nebenflusses. Eine gute Stunde Steigung brachte uns zur Höhe und ich muss sagen, mir klopfte das Herz vor Freude, als ich meine Annahme gerechtfertigt erblickte, wir befanden uns auf einem Hochlande, 504 m über den 926 m hohen Tapeng-Thale, dessen steile Abfälle nach Süden bisher als die Hänge eines kantigen Gebirgszuges angenommen wurden.

[ocr errors]

Nicht allein diese Entdeckung in orographischer Bezie hung, sondern hauptsächlich die hydrographische Gliederung erschienen mir von einiger Bedeutung. Alle Flüsse und Bäche des Hochlandes haben eine durch die parallel streichenden und nur wenige 100 Fuss relativ höheren Berglinien streng vorgezeichnete, selbständige Laufrichtung von Norden nach Süden.

Wenn wir alle die Flüsse, vom oberen und theilweise mittleren Yang-tse-kiang angefangen, bis zum Irawadi beobachten, so fällt uns der gleiche Umstand in die Augen.

Der Ursprung des Irawadi. Diese sonderbare Eigenschaft und insbesondere die Thatsache, dass das Wassernetz jedes Hauptflusses sich nur auf eine geringe Breite entwickelt, lässt folgende Behauptung gerechtfertigt erscheinen: Die Quellen des Irawadi müssen bei dem Vergleiche der Wassermengen des Brahmaputra bei Sudyia mit jenen des ersteren bei Bamo in viel höheren Breiten liegen, als bisher angenommen wurde. Sie müssen, wenn der Irawadi nicht mit dem Sanpu in Tibet identisch sein kann und soll, weit im Norden des tibetanischen Hochlandes angenommen werden.

Wir erblickten das Thal des mächtigen Stromes Irawadi zum ersten Mal, als wir von dem bewaldeten Plateau, welches im Norden des Tapeng sich ausbreitet, herabstiegen. Wir befanden uns auf einer 1890 m hohen Rückfallkuppe, die glücklicherweise entholzt war. Es war ein überwältigender Anblick. So weit das Auge in der klaren Luft der untergehenden Sonne reichte, sahen wir lauter schmale, in derselben Formation von Süd nach Nord ansteigende, dicht bewaldete Gebirgsrücken, die in der weiten Ferne von den winzig erscheinenden Eiskuppen der Gletscher abgegrenzt werden.

Mamo, auf Birmanisch Sikao oder Minthit genannt, das erste Dorf in der Niederung, liegt nur um 23 m höher als das 220 m hohe Bamo (chinesisch: Sinke) am linken Ufer des Irawadi.

Der Strom hat in Folge der vielen Sandbänke, die sich bei normalem Wasserstand inselartig über den Wasser

spiegel erheben, bei Bamo eine Breite von 10 km und ist so tief, dass er noch von kleinen Dampfschiffen der Irawadi-Compagnie befahren wird, die alle Monate ein Mal hierher kommen.

Der Irawadi ist das grösste geographische Fragezeichen im grossen Asien. Wo mögen seine Quellen liegen? Wie

mag sein Ober- und Mittellauf beschaffen sein? Je mehr wir uns seinem Gebiete näherten, desto mehr wuchs mein Interesse für diese Fragen. Wo ich nur Gelegenheit fand, zog ich Erkundigungen über seinen Lauf ein. Nahezu alle Tibetaner die über ihr Land Auskunft ertheilen konnten, gaben mir auf die Frage, woher der Strom komme, zur Antwort: Von Lassa.

Einige Chinesen waren wieder der Ansicht, dass die durch ihre vorzüglichen Pferde berühmte Stadt Pomi am Talo-kiang oder Irawadi liege.

In Teng-yueh erblickte ich in dem Salon des chinesischen Generals eine Karte, welche dessen Dienstrayon darstellte, und von Teng-yueh bis Bamo reichte. Ich ruhte nicht früher, bevor ich die Karte zur Copirung in meinen Händen hatte. Eine kleine Beschreibung am Rande der Karte sagt:,,Der Irawadi kommt unter dem Namen Gau-dschu von Lassa. Hohe Schneeberge zu beiden Seiten begleiten das Thal, in welchem wilde Stämme jeden Fremdling plündern und umbringen. Ein anderer grosser Fluss, Namens Mongan - tschang, welcher bei Mong-küng-ti vorbeifliesst, der berühmten Stadt, wo der edle Yü gefunden wird, ergiesst sich vier Tagereisen im Norden von Sinke (Bamo) bei dem Dorfe Ta-lo-gi in den Ta-lo-kiang".

Nach chinesischen und tibetanischen Quellen wäre also der Irawadi doch nichts Anderes als der Unterlauf des tibetanischen Sanpu.

Nach den Aussagen des Missionars P. Josef Faure, der während unserer Anwesenheit aus seiner acht Tagereisen entfernten Station in den nördlichen Katschin-Bergen nach Bamo herabkam, verengt sich das Thal des Irawadi alsbald im Norden der Stadt zu dem sogenannten ersten Défilé, einer von mächtigen Felsabstürzen umrahmten Schlucht. Bei Uägi (drei Stationen von Bamo) erweitert sich das Thal, nimmt bei Katschion den Mougung-Fluss auf und verengt sich erst wieder bei der Theilung des Stromes in den Grossen und Kleinen Irawadi ungefähr in der nördlichen Breite von 25° 30'. Sowohl der Grosse als der Kleine Irawadi sollen nach der Aussage der Katschin-Stämme weit oben in Tibet ihre Quellen haben, doch keinesfalls in der Nähe der tibetanischen Landeshauptstadt vorbeifliessen. Die Namen und Lagen der am Irawadi verzeichneten Orte verdanke ich ebenfalls der Erfahrung des Missionars. Die Thalbegleitung des Irawadi bis auf 8 Tage nördliche Entfernung

[blocks in formation]

Klaproth sagt, dass der Sanpu unter dem Namen Pinlang-kiang durch West-Yünnan läuft und bei Bamo birmanisches Gebiet betritt.

Im Jahre 1827 überstiegen die englischen Officiere Wilcox und Burton die 12474 engl. Fuss hohe Wasserscheide zwischen dem Dihong und Irawadi. Sie erreichten dann, den Irawadi aufwärts reisend, die Breite von 27° 26' und gelangten schliesslich zu der Annahme, dass der Strom unmöglich mit dem Sanpu identisch sein könne.

Nach Capt. Hannay beträgt die Wassergeschwindigkeit des Stromes bei der Einmündung des Mougung - Flusses 2 engl. Meilen in der Stunde, die Tiefe des Wassers an den Ufern 2 Faden, in der Mitte 3 Faden, die Flussbreite an dieser Stelle nach der Beobachtung des Dr. Griffith 900-1000 Yards.

Wenn wir aus der Vergleichung der Wassermenge einen Schluss auf den Lauf eines Gewässers ziehen dürfen, so ergiebt sich für den Irawadi nahezu die doppelte Länge als für den Brahmaputra. Nach Wilcox beträgt die Wassermenge bei normalem Stande, welche der vereinigte Brahmaputra bei Goalpara in der Secunde ergiesst, 90 188 engl. Cubikfuss, die des Irawadi bei Prome 180 000 Cubikfuss.

Aus dem Gehörten einen richtigen Schluss über den oberen Lauf des Irawadi zu ziehen, fällt schwer. Die Ansichten nicht allein unter den Eingeborenen, sondern auch unter allen Geographen widersprechen sich sehr.

Wenn ich es nun wage, meine Ansicht dahin auszusprechen, dass ich mich den Aussagen des Paters Faure um so mehr zuneige, als die Forschungen des letzten Punditen, der den Sanpu bis zum 94. Längengrade verfolgte, ergaben, dass der genannte Fluss hier unter einem scharfen Bug nach Süden scheinbar direct dem Brahmaputra zufliesst, so lasse ich mich hauptsächlich von dem Beweggrunde leiten, dass bei der Schwierigkeit des Vordringens für jeden fremden Reisenden in dieser Richtung jene Stämme (hier die nördlichen Katschins), die dem Strome zunächst wohnen, am frühesten über die an ihr Land geknüpften Fragen eine annähernd richtige Aufklärung ertheilen können. Sie sagen, der Strom entspringt im weiten Norden Tibets. Sollte diese Aussage begründet sein, dann bleibt dem Geographen nichts anderes übrig, als die

Quellen der beiden Irawadi südlich vom Ursprunge des Lukiang zu verlegen 1).

[ocr errors]

Die Bewohner, Pa-yü. Es bleibt mir noch die Aufgabe, mit einigen Worten der Bevölkerung zu gedenken, welche das von uns bereiste Gebiet zwischen dem Lu-kiang und Irawadi bewohnen.

Mit dem Betreten des Lu-kiang-Thales bemerkt der von Osten kommende Reisende, dass die allerdings noch in chinesische Tracht gekleideten Bewohner keine Chinesen mehr sind. Weiter westlich gegen Teng-yueh wird auch die Tracht eine andere, besonders die der Weiber. Das Volk nennt sich selbst Pa-yü, der englische Oberst Yule giebt ihm den Namen Schan. Das Territorium, welches von ihm bewohnt wird, ist ein verhältnissmässig grosses und erstreckt sich bis weit nach Süden von Bamo. In Birma selbst haben sich die Pa-yü bereits so mit den Birmanen vermengt, dass ihre Sprache daselbst nahezu verwischt ist. Im Norden erstreckt sich diese Bevölkerung

1) Das Manuscript dieses Aufsatzes und der zugehörigen Karte war bereits in den Händen der Redaction, als das Londoner Athenaeum vom 14. Mai folgende Notiz brachte:,,Ein recht befriedigender Schritt zur Lösung des Problems von der Quelle des Irrawaddy ist vor Kurzem von einem eingeborenen Forscher geschehen, den Capt. J. E. Sandeman von der Indischen Landesvermessung angelernt hat. Dieser Reisende ging von Rangun den Irrawaddy hinauf und gelangte zu Anfang November 1879 nach Bamo. Von da fuhren er und seine Begleiter zu Boot den Fluss hinauf, zunächst nach dem Dorfe Hawka, in 25° 6' N. Br., und von da nach Katscho (25° 20'), das ca 1000 Fuss über dem Meere liegt. Von hier ging die Reise zu Land hinauf nach Mogungpun Maingkung, in 26° 8' N. Br., wo die Erforschungstour endete. Die birmanische Grenze wurde ca 16 engl. Meilen nördlich von Katscho erreicht, jenseits derselben wird das Land von Katschins oder Kansa-Katschins bewohnt, unter denen keine Schans anzutreffen sind. Zu Pouk-san-pun hatte man eine Aussicht auf die Vereinigung des östlichen und westlichen Irrawaddy - Armes. Der westliche Arm erwies sich bedeutend breiter und kam von Schneebergen her, während der östliche niedrig war und in einen 100 Schritt breiten Strom über grosse Felsen in Schnellen dahinfloss. Nach Angabe der Anwohner hat der östliche Arm zwei Hauptzuflüsse, einen von Osten und einen von Norden. Die Quellen des westlichen Arms sollen in dem Lande Kanti liegen, welches offenbar identisch mit Wilcox's,,Khanti" ist. Eine Vergleichung der Karte des letzteren Reisenden über seine Reise von 1825 mit der, welche Capt. Sandeman nach den Tagebüchern des eingeborenen Forschers compilirt hat, zeigt eine nahe Übereinstimmung der beiden Flüsse Malika und Mehka des Eingeborenen mit dem Milec und Nam Disang, deren Quellen Wilcox besuchte. Eine weitere Bestätigung giebt die Karte des Abbé Desgodins zur Illustration seiner neueren Untersuchungen gegen Westen, und so bleibt nach diesen drei Autoritäten wenig Zweifel, dass Wilcox's Anspruch, die Quellen des Irrawaddy entdeckt zu haben, vollkommen begründet war und die wilde Theorie von dem Zusammenhang dieses Flusses mit dem Sanpu Tibets für immer beseitigt ist".

Die Manuscriptzeichnung des Herrn Oberlieut. G. Kreitner, welcher die Nachrichten des Missionar Faure benutzte, stimmt mit diesen Angaben, nur lagen die Mündung des Mougung, der Ort Katschion (Katscho), der Zusammenfluss der beiden Irawadi - Arme um etwa 20′ südlicher. Mit seiner Zustimmung wurden dieselben, den Breitenbestimmungen des eingeborenen Forschers entsprechend, nordwärts verlegt. Herr Kreitner bemerkt dazu: Wilcox überstieg die Wasserscheide zwischen dem Brahmaputra und dem Mougung-Fluss in der Höhe von 12 474 Fuss, er war also auch in Mougung und legt die Stadt in ca 25° 30′ N. Br. Ebenso liegt die Stadt nach Hannay, der gleichfalls Mougung besuchte und die Vereinigung der beiden Irawadi-Arme unter 26° N. Br. verlegte. E. B.

noch auf den oberen Irawadi und nennt sich am linken Ufer Didschu, am rechten Telon.

Es scheint, dass, bevor die chinesischen Tartaren im 13. Jahrhundert den Yang-tse-kiang siegreich überschritten, das Pa-yü-Volk auch dort angesiedelt war. Jetzt sind sie bereits von den Chinesen bis zum Lu-kiang zurückgedrängt worden.

Die Gestalt der Pa-yü-Männer ist eher klein und zierlich zu nennen. Der Kopf ist edler und besser geformt als jener der Chinesen. Die dunklen Augen liegen nahezu horizontal, die Nase ist gerade, der Gesichtsausdruck überhaupt nähert sich der kaukasischen Race. Die Gesichter der Weiber sind feiner geschnitten, die braunen Augen gross und lebhaft, doch verliert der Glanz derselben bedeutend durch den Mangel an Brauen und Wimpern. Die Gesichtsfarbe ist lichtbraun. Höher gestellte Familien kennzeichnen sich durch eine lichtere Hautfarbe.

Die Tracht der Männer besteht aus kurzen, blauen Jacken mit Knöpfen aus Bernstein oder Silber, einer kurzen bis zu den Knieen reichenden, schlotternden Hose aus blauer Baumwolle, endlich aus gleichen Schuhen mit Ledersohlen. Im Sommer bedeckt ein grosser Strohhut das bezopfte Haupt der Bewohner des Tapeng-Thales, zu jeder anderen Zeit windet der Pa-yü einen blauen Turban um den Kopf.

Ich fand bei den Pa-yü-Männern als gewöhnliche Waffe nur die Luntengewehre der Chinesen, die bei der Mündung des Laufes mit zwei gekrümmten Hörnern in Scharniren versehen waren, um beim Gebrauch einen Stützpunkt für das sichere Ziel zu gewinnen.

Die Weiber zeigen gleichfalls eine besondere Vorliebe für die dunkelblaue Farbe ihrer Kleidung. Die Jacke reicht bis zu den Knieen, ebenso die Pantalons, die Kniee sind nackt und bis zum Beginn der Wade mit Ringen aus einem Schlinggewächse umwunden, die wie Drahtringe aussehen.

Bis zu den Knöcheln wird das Bein von gamaschenähn lichen, eng anschliessenden Bändern bedeckt. Schuhe fehlen fast gänzlich. Den merkwürdigsten Theil ihrer Kleidung bildet die Kopfbedeckung, bestehend aus einem langen, breiten, blauen Bande, das turbanartig um den Kopf gewunden wird, und in der fertigen Form vollkommen einem der Krämpe beraubten europäischen Herrncylinderhut gleicht. Die Jacke ist besonders bei vermögenden Leuten mit Silberplatten geschmückt. Die Ohrläppchen sind durchlöchert; ein massiver Silbercylinder oder Bambus-Röhrchen wird als Ohrschmuck durchgesteckt und getragen. Die Pa-yü-Weiber in China ersetzen diese Silbercylinder durch Cigarren aus Tabak und Stroh, welche sie mit Vorliebe rauchen.

Es fiel mir überhaupt bei dem Pa-yü-Volke auf, dass

nur die Weiber Tabak rauchen, ja niemals ohne Pfeife oder Cigarre gesehen werden, während die Männer diesen Genuss verschmähen und lieber zur Opiumpfeife greifen.

Das Pa-yü-Volk zeichnet sich durch seinen ernsten, ruhigen, offenen Charakter aus. Mehr zurückhaltend in Worten und Handlungen, ist es schwer, die Leute in ein längeres Gespräch zu ziehen. Der Umgang mit dem Volke leidet nicht an formaler Höflichkeit, im Gegentheil, die Lüge scheint verpönt zu sein. Während der wenigen Wochen, als wir das Land durchstreiften, machten wir wiederholt die Wahrnehmung, dass sich die Leute gern freundlicher und zuvorkommender gezeigt hätten, wäre es ihnen nicht von den Chinesen verboten worden.

Die Pa-yü-Stämme erbauen ihre Häuser im chinesischen Style und verzieren die Dächer mit schwungvollen Giebeln und verschnörkelten Drachengestalten.

Die Hauptbeschäftigung des Volkes ist der Ackerbau. Ausserdem beschäftigt sich ein grosser Theil der Bevölkerung mit Silberarbeiten, Strohflechterei und Weberei. Letztere fällt aber hauptsächlich den Frauen zu.

Die Nahrung besteht aus Fleisch und Feldfrüchten. Thee ist wie bei den Chinesen das Lieblingsgetränk.

Wenn auch das Sprichwort,,böse Menschen haben keine Lieder" in Asien wenig Anwendung findet, so bewährt es sich doch bei den Pa-yü. Sie singen bei der Feldarbeit, bei dem Marsche und accompagniren ihre wilden Weisen im Hause mit Bambus-Flöten und Saiteninstrumenten.

Die

Das Volk huldigt durchweg dem Buddhismus, doch erlitt die Religion durch die Übernahme der abergläubischen Doctrinen von den Chinesen vielfache entwürdigende Formen; Aberglaube und Zauberei treiben auch da ihr böses Spiel. Im Allgemeinen aber zeigt das Volk dieselbe Geichgiltigkeit gegen religiöse Sachen wie die Chinesen. Priester geniessen nicht das Ansehen wie die tibetanischen Lamas und kümmern sich auch weit weniger um ihren eigentlichen Beruf als um eine sorgenlose Existenz. Sie beschäftigen sich deshalb vielfach mit Nebenarbeiten. Die Tracht der Priester besteht aus einem gelben Turban, weisser Jacke, gelben Unterkleid, weissen Strümpfen und chinesischen Schuhen. Die Zähne sind wie die der verheiratheten Japanerinnen geschwärzt. Nach dem Tode werden die Priester verbrannt.

Die Pa-yü-Männer nehmen sich nur Eine rechtmässige Frau. Die Heirathen geschehen ohne kirchliche Ceremonie nur nach Übereinkunft der Eltern der Brautleute.

Die Verstorbenen werden in ähnlicher Weise wie bei den Chinesen begraben, und die Hinterbliebenen errichten neben dem Grabhügel einen Gedenkstein.

Das Volk im Tapeng-Thale besitzt eigene Fürsten, welche die Tracht chinesischer Mandarinen tragen und den Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft VII.

Befehlen des Statthalters von Yünnan blindlings folgen. Ihre Macht ist demnach nur eine formelle, indem sie der chinesischen Regierung für Land und Leute verantwortlich sind.

Die Katschin. Mit der Ankunft in Manwyn wurden wir mit einem anderen Volke, den Bergbewohnern oder, wie sie vorwiegend bei den Birmanen genannt werden, mit den Katschin, bekannt. Das Volk nennt sich selbst Tschingpos. Der Unterschied zwischen den beiden Volksstämmen ist schon bei dem ersten Anblicke besonders durch die Verschiedenheit der Tracht ein gewaltiger. Obwohl der Totaleindruck der Gestalten der Katschin kein imponirender ist, da sie kleine, schwächliche Leute sind, so spricht doch aus allen Augen ein trotziges Feuer, das mit dem scheuen Benehmen sonderbar contrastirt. Sowohl die Gesichter der Männer als die der Frauen können nicht un

schön genannt werden. Der Kopf ist oval und edel geformt, die Augen horizontal, die Nase stark und gerade, und die roth gefärbten Lippen fein geschnitten. Die Zähne sind vom Betelkauen schwarz. Die Männer haben keine besondere auffallende Tracht, ja der Schnitt der Kleidung stimmt vielfach mit dem der Pa-yü überein; nur der blaue Turban ist weiss gestreift, und ein Schwert im Gürtel darf nie fehlen.

Ausserdem führen die Männer noch folgende Waffen: lange Speere, die in Birma verfertigt werden, bestehend aus einem 2 m langen Bambusrohre und einer 0,3 m langen scharf geschliffenen Spitze; Luntengewehre, wie die der Chinesen, welche die Bergbewohner mit bewunderungswerther Geschicklichkeit zu handhaben verstehen; endlich Bogen und Pfeile. Die Spitzen der Pfeile werden häufig mit Aconitum vergiftet.

Die Haare werden vom Scheitel angefangen strahlenförmig über die Stirn gekämmt und oberhalb der Augenbrauen rund abgeschnitten. Desgleichen reichen die losen, mitunter gekräuselten und wellenförmigen, schwarzen oder braunen Haare nur bis zum Nacken.

Sowohl die Männer als die Weiber tragen in den Ohrlöchern die mannigfachsten Gegenstände, als Silbercylinder, deren Enden mit Edelsteinen oder Glasperlen geschmückt sind, so dass sie wie kleine Teleskope aussehen, europäi sche Glasperlen, endlich viereckige grössere Scheiben aus getriebenem Silberblech mit herabhängenden Silberketten, die um die Ohrmuscheln gewunden werden. Als Halsschmuck fehlen selten ein bis drei massive, glatte Silberringe im Durchmesser des Kopfes neben etlichen Glasperlenschnüren und einigen Ketten aneinander gefügter Venusmuscheln. An den Armgelenken reihen sich Armbänder aus Silberblech, Bernstein, Nephrit und Horn in bunter

32

Auswahl aneinander. Auch die Finger sind mit einer Anzahl Silberringen und kostbaren Edelsteinen geschmückt.

Die Frauen und Mädchen tragen am blossen Leibe eine bunte kurze Jacke aus Baumwolle, die nur den Oberkörper theilweise bedeckt, sodann um die Hüften gebunden ein bis oberhalb der Kniee reichendes Unterkleid. Beide Kleidungsstücke sind mit Muscheln geschmückt. Ebenso wird. das Unterkleid durch ein mit Muscheln bedecktes breites Band festgebunden. Roth auf dunklem Untergrunde ist die vorherrschende Farbe der Kleidung. Hin und wieder ist ein orangegelber Streifen, dann wieder ein rosarothes, mit eingewebten Blumen versehenes Stück Zeug europäischen oder persischen Ursprungs eingeflickt. Die Beine und Füsse sind bloss und wie bei den Pa-yü mit Schlinggewächsringen umwunden. Schmutzig sind sie alle.

Die ganze schwere Arbeit wird bei den Katschin nur von den Mädchen und Weibern ausgeführt. Wenn am Morgen die Männer noch der Ruhe pflegen, sind die Weiber bereits mit der Reinigung der Wohnung, des Stalles, der Küche und mit der Zubereitung des Reisfrühstückes beschäftigt.

er

Das Weib traut sich nicht einmal das Auge zu heben, wenn sie mit ihrem Herrn oder Gebieter spricht. Sie kümmert sich nicht um dessen Handlungen, Geschäfte und Unternehmungen, sie findet alles gut und unumstösslich, was er beschliesst und entscheidet. Die Unterordnung des Weibes geht so weit, dass deren Tod als pecuniärer Verlust beklagt wird, weil dadurch eine Arbeitskraft verloren ging. Darum wird auch eine Familie, die viele Töchter besitzt, als wohlhabend betrachtet.

Die weiblichen Hände arbeiten beständig, bald gilt es, einen Baumstamm zu fällen, das Holz zu zerstückeln und nach Hause zu transportiren, bald wieder einen Weg durch das Dickicht zu bahnen, die Heerden auf die Weide zu treiben, die Wohnung zu scheuern, die Mahlzeit zu bereiten und Stoffe für die Kleidung zu weben.

Die Männer aber verrichten keine Handarbeiten, höchstens, dass einer einmal sein nahes Feld besucht und dem Weibe in roher Weise demonstrirt, wie der Acker bebaut werden soll, damit die Baumwolle, der Reis und Tabak in genügender Menge gedeiht. Die Hauptbeschäftigung der Männer besteht im Besuche seiner Nachbarn, um dort Scheru (ein süsses Getränk aus Reis) zu trinken und Opium zu rauchen. Nur wenn die Noth schon bis zum Munde reicht, dann entschliessen sie sich, mit ihren Mauleseln und Weibern nach Bamo zu reisen, um ihnen dort Lasten, die nach China transportirt werden sollen, aufzubürden.

Bei der vorherrschenden Unmoral der Katschin sind die Heirathen der niederen Classe mehr Geschäftssache, wobei die Mitgift und die physische Stärke der Braut zuerst

erwogen werden. Bei der wohlhabenden Classe gehören Eheschliessungen jedoch zu den bedeutendsten Ereignissen und werden mit besonderen Gebräuchen und Ceremonien inscenirt.

Bei einem Todesfalle signalisiren die Hinterbliebenen die Trauerbotschaft ihren Nachbarn durch Flintenschüsse. Sind die Freunde versammelt, so geht ein Theil in die Urwälder, um den Sarg zu zimmern, während die anderen den Hausgöttern opfern.

Der Sarg wird an Ort und Stelle, wo der Stamm unter dem Abschlachten eines Huhnes gefällt wird, ausgehöhlt, und die Stelle, wo der Kopf zu liegen kommt, mit Kohle geschwärzt.

Der Leichnam wird gewaschen, in neue Kleider gehüllt und in den Sarg gelegt. Bevor der Sarg in das Grab gesenkt wird, geben die Angehörigen dem Verstorbenen ein Stück Silber in den Mund, damit der Geist bei der bevorstehenden Passage über einen grossen Strom die Überfahrt bezahlen könne. Die alten Kleider des Verstorbenen werden nebst einer Schüssel Reis auf den Grabbügel gelegt, und auf dem Heimwege von der Ruhestätte streuen die Freunde Reiskörner auf den Weg. Die Leidtragenden versammeln sich hierauf in dem Trauerhause und feiern das Ereigniss mit Singen, Tanzen und Trinken, so lange der Scheru währt.

Solche Leute aber, die durch das Schwert umkamen, werden so schnell als möglich in eine Strohmatte gehüllt und begraben. Neben dem Grabe bauen die Freunde eine Hütte für den ruhelosen Geist des Getödteten; das gleiche Verfahren findet Statt bei an Blattern gestorbenen oder solchen Frauen, die vor der Entbindung starben. Im letzten Falle glauben die Katschin, die Verstorbenen werden in böse Geister verwandelt, und darum ist die Furcht vor einem solchen Tode bei jungen Frauen eine unbeschreiblich grosse.

Wir sehen schon aus der Aufzählung dieser Sitten und Gebräuche bei Hochzeiten und Leichenbegängnissen, dass die Religion der Katschin mit dem Buddhismus Nichts gemein hat. Und so ist es auch. Ihre Religion umfasst zwar den Glauben an ein höchstes Wesen, das Alles erschaffen hat, ja sogar den Glauben an einen Himmel und eine Hölle, also an ein Fortleben nach dem Tode und ein Vergelten der guten und schlechten Thaten; doch die Ansichten der Einzelnen geben uns nicht die geringsten klaren Anhaltepunkte zur Definition ihres Glaubens. In einem Cultus aber stimmen alle Bergbewohner überein, und dieser besteht in der Verehrung der sogenannten Nats oder der Schutzgeister. Ausserdem glauben die Katschin, dass die Geister der Ermordeten unter dem Namen Munla die

« PreviousContinue »