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Geologen als Fachmann der Expedition beizugesellen; die mineralogische Sammlung wurde in Folge dessen von unkundiger Hand angelegt und lieferte keinen klaren Beweis, dass die hochgespannten Hoffnungen sich realisiren lassen würden. Aus diesem Grunde ist denn auch bisher kein weiterer Versuch gemacht worden, die gewonnenen Resultate praktisch auszunutzen, zumal auch eine Bezwingung der räuberischen Maaseh-Beduinen erforderlich sein würde. Schon im Alterthume war der Name Midian nicht feststehend mit einer Landschaft verbunden, sondern schwankte sehr bedeutend je nach der Ausdehnung der Herrschaft; die jetzigen Bewohner bezeichnen mit Ars Madian den District von El Akaba bis Moilah und Wadi Surr, während sie für die Landschaft von hier bis zum Wadi Hamz, der Südgrenze der ägyptischen Herrschaft und der Nordgrenze der Landschaft El-Hedjas, keinen einheitlichen Namen haben. Burton selbst benennt den ganzen Antheil Ägyptens an Arabien Midian, was seiner Ansicht nach sich nicht allein aus politischen, sondern auch aus ethnologischen Gründen rechtfertigen lässt, da die jetzigen Bewohner, Nachfolger der alten Nabathäer, Einem Stamme angehören. Nach dieser Annahme würde Midian von N nach S eine Ausdehnung von mehr als 200 miles haben; in der Richtung von W nach O ist die Ausdehnung nur sehr gering; die ägyptische Herrschaft erstreckt sich nominell nur über die Küstenebene, El-Tihama, bis an die Kammhöhe des Gebirges, im nördlichen Theile 24-35 miles, im südlichen 60-70 miles weit. In Wirklichkeit ist der ägyptische Einfluss nur auf die unmittelbare Nachbarschaft der Küste und der von Ägypten über Suez und Akaba nach Mekka führenden Pilgerstrasse, El-Hadj, welche durch einzelne Forts beschützt wird, beschränkt; namentlich die Maaseh-Beduinen erkennen die Oberhoheit Ägyptens in keiner Weise an.

Während der vom 19. December bis zum 13. Februar dauernden Excursion nach N, auf welcher besonders die Umgebungen der Wadis Aynuneh, Afál mit der einstmaligen Hauptstadt Madiama, dem jetzigen Maghair Shúayb und Wadi Makna mit dem gleichnamigen Hafenorte, einer sorgfältigen Durchforschung unterzogen wurden, konnten an acht verschiedenen Stellen Spuren früherer Metallausbeutung und bergmännischer Thätigkeit nachgewiesen werden; besonders wurde dieser Theil als reich an Silber- und Kupfererzen gefunden. Auf der Fahrt durch den Golf von Akaba, wie auch längs der Küste des Rothen Meeres konnte man die englischen Seekarten in vielen Punkten berichtigen. Der zweite vom 19. Februar bis 8. März währende Ausflug im centralen Theile von Midian sollte leider nicht den erwarteten Erfolg haben, denn die Maaseh verwehrten das Eindringen in die Hochebene, El-Hisma, und über diese

hinaus in die vulcanische Zone der Harrah. Auf dem Rückwege wurde im Wadi El-Azlam eine sehr bedeutende Ruinenstätte entdeckt und endlich der höchste Gipfel Midians, der Djebel Scharr, bis zu einer beträchtlichen Höhe erstiegen wo steile Abhänge einen weiteren Aufstieg verhinderten. Die letzten Tage vom 21. März bis 13. April wurden auf die Erforschung von Süd-Midian verwendet; gerade dieser Theil bot die interessantesten Entdeckungen, so dass Burton bedauerte, nicht hier seine Entdeckungsreise begonnen zu haben und längere Zeit diesem Gebiete widmen zu können. Nicht allein mehrten sich hier die Beweise für den Metallreichthum des Landes, sondern auch Fauna und Flora lieferten eine ungeahnte Ausbeute. Während der nördliche Theil in alten Zeiten namentlich auf Kupfer und Schwefel, wie auch auf Silber ausgebeutet worden war und wichtige Gypslager aufwies, hatte im Süden ein kunstvoller Abbau von Gold- und Silbererzen Statt gefunden.

Das Küstengebirge besteht hauptsächlich aus Porphyr und Granit, welcher von starken, die edlen Metalle einschliessenden Quarzadern durchzogen ist; an einzelnen Punkten weisen Trachyte und Basalte auf frühere vulcanische Thätigkeit hin. An das Küstengebirge, Djebel-el-Schafah, schliesst sich im O die 1 bis 2 Tagereisen breite Hochebene der öden, vegetationslosen Hisma an, welche aus

schliesslich aus rothem Sandstein besteht. Eine dritte Zone

wird gebildet von den vulcanischen Gesteinsmassen der Harrah, welche östlich von Damascus im N beginnt und sich weit in die südlichen Theile Arabiens erstreckt, an einzelnen Punkten sich tief in's Innere ausbreitend.

Besonders charakteristisch für Midian sind die zahllosen Wadis, welche das Tiefland, El-Tihama, und die Vorberge in allen Richtungen durchziehen; einige derselben haben ihren Ursprung in der Harrah und durchbrechen dann, nachdem sie die Hisma durchzogen haben, in tiefen Spalten die Hauptkette des Djebel - el - Schafah. Am ausgedehntesten ist das System des Wadi Hamz, welches die Südgrenze des ägyptischen Gebietes bildet; nach den Erkundigungen, welche Burton über dasselbe einzog, soll es 15 Tagereisen weit in's Innere führen und noch östlich von Medina entstehen. Wallin bezeichnet dasselbe irrthümlich als Wadi Nedsched. Durchzogen und in seiner ganzen Ausdehnung aufgenommen wurde es bisher noch nicht; auch die Pilgerkarawane des Vicekönigs Said-Pascha, welcher 1860 von El-Wedsch (el-Wijh), dem einzigen mit Ausnahme der Forts beständig bewohnten Orte von Midian, eine Wallfahrt nach Medina antrat, überschritt dieses Wadi und erreichte sein Ziel auf einer lange unbekannt gebliebenen Route 1). Nahe der Mündung der Wadi Hamz fand Burton

1) Erst 1877 erschien die Karte dieser Pilgerreise in einem ägyptischen Militär- Kalender und im Mai 1880 ein dazu gehöriger Bericht

die berühmten Ruinen eines römischen aus Alabaster erbauten Tempels.

Für den Ethnographen von Interesse sind die längeren Excurse, welche Burton über die jetzigen Bewohner des Landes seinem Werke einverleibt hat. Ausser den MaasehBeduinen, welche hauptsächlich bereits auf türkischem Gebiete hausen, mit Vorliebe aber in ägyptisches Territorium einbrechen und die Pilgerstrasse unsicher machen, ist der nördliche Theil der Aufenthalt der Stämme der Howeitat, der Maknawi und der Beni Ukbah, welche wahrscheinlich aus Ägypten stammen, obwohl sie sich selbst zu den edelsten arabischen Stämmen rechnen. Unzweifelhaft steht diese Abstammung fest von den Balijj oder Beli, den Bewohnern Süd-Midians bis zum Wadi Hamz, welche, wie ihre Vorfahren, wenn auch in viel geringerem Maasse, eine bergmännische Thätigkeit betreiben. Zwischen diesen Stämmen zerstreut wohnen die verachteten Huteim, welche eine ähnliche Stellung wie die Zigeuner in Ägypten einnehmen; es ist eine Pariatribus von unbekannter Herkunft, mit welchem die Beduinen keine Zwischenheirathen schliessen. Die Zahl der Bewohner auch nur annähernd festzustellen, stiess auf unüberwindliche Schwierigkeit, indem die Beduinen, um sich einen Schein von Macht zu geben, ihre Stärke stets um das Zehn- und Zwanzigfache übertrieben.

3. Ch. McDoughty's Reise in West- und CentralArabien, 1876-78 1).

Wenn wir oben erwähnten, dass seit Guarmani's Besuche von Haïl bis 1879 kein weiterer Versuch gemacht worden war, Central-Arabien zu erforschen, so hat diese Behauptung nur insofern Berechtigung, als bis zur Veröffentlichung von Blunt's erstem Berichte fast Nichts von den ausgedehnten Reisen Ch. McDoughty's bekannt geworden war. Seitdem hat der Reisende selbst einen kurzen Bericht über seinen fast 2jährigen Aufenthalt unter den Beduinen erstattet, aber gerade seine Kürze lässt uns um so mehr bedauern, dass wir einer ausführlichen Darstellung der Resultate, welche der kühne Forscher heimgebracht hat, noch entbehren. Die Reise wurde ursprünglich nur zu dem Zwecke unternommen, um die in Felsen eingehauenen Wohnungen von Madjin Salih zu besuchen, erreichte jedoch eine unerwartet lange Ausdehnung, da günstige Umstände es gestatteten, auch tiefer in's Innere vorzudringen und Routen zurückzulegen, die bisher kein Europäer betreten hatte.

von Mohamed Sadik-Bey:,,Médine il y a vingt ans", im Bulletin de la Société Khédiviale de géographie No. 8.

1) A. Sprenger: Doughty's Forschungen im nördlichen Arabien. (Globus 1880, XXXVII, Nr. 13.) Ch. M. Doughty: Reisen in Arabien. (Globus, 1881, XXXIX, Nr. 1 und 2. Mit Karten.)

Schon der erste Theil der Route liegt zum grössten Theil auf jungfräulichem Boden. Von Damascus begab sich unser Reisende nach Mezarib, dem Sammelpunkte der syrischen Mekka-Pilger, und brach von hier am 13. November 1876 mit der Karawane nach S auf. Zwei Tagereisen führten über die wüste Ebene von Ramteh, die nächste Station wurde im Wadi Zerka aufgeschlagen, dann folgten Kelat Blat, Kelat el-Belka, Kelat Katran, Kelat Haessi, Aneise und Maan, von wo Palgrave 1862 seine Reise nach dem Wahabiten - Reiche angetreten hatte. Von Damascus aus führte der Weg beständig über ein allmählich ansteigendes Kalkstein-Hochplateau, welches nur mit einer dünnen Schicht culturfähigen Bodens bedeckt war; es ist der Weidebezirk der Howeitat-Beduinen, welche McDoughty, entgegen der Ansicht Burton's, für Nachkommen der alten Nabathäer hält, da sie sich durch grobe Körperbildung von den Arabern unterscheiden. Zwei fernere Tagereisen führten über das Hochplateau, dann begann bei Akaba der Abstieg in die Wüste, welche im Westen von den Sandsteinmassen der Hisma begrenzt wurde. Erst von Dhat-elHadj an begann das Terrain wieder zu steigen; über el-Kaa, Tebuk, wo Wallin's Route nach Djof gekreuzt wurde, Dar-el-Mughr, Kelaat-el-Akhdar, Birket Moattham im Wadi-es-Sani, Dar-el-Hamra und Mufarisch-er-Ruz wurde Madjin Salih (El-Hedscher) erreicht.

Hier trennte sich der Reisende, welcher, vertrauend auf die strengen Gesetze arabischer Gastfreundschaft, ohne eine muhammedanische Verkleidung anzunehmen, sich in die fanatische Pilgerkarawane gewagt hatte, von seinen Reisegefährten, um deren Rückkehr von Medina, wohin er selbst in der Zeit des auf's Höchste erregten religiösen Fanatismus sich nicht begeben konnte, zu erwarten. Die Zwischenzeit benutzte er vortrefflich zu eingehenden Erkundigungen über die hydrographischen Verhältnisse von West-Arabien und war dadurch in der Lage, den Ursprung jenes mächtigen Wadi-el-Hamz, welches Burton's Verwunderung erregte, festzustellen. Es entspringt in zwei Armen als Wadi Djizzl von N kommend aus den westlichen Abhängen der Harrah und den östlichen des Djebel-el-Schafah, als Wadi-el-Humd von S her, dessen Anfänge in der Gegend von Mekka liegen sollen. In Begleitung der Nomaden durchstreifte McDoughty dann das ganze Gebiet bis el-Teima und Djebel - Irnan. Von hier aus drang er endlich nach Djebel - Schammar vor, WO er, entgegen der gastlichen Aufnahme, welche das Blunt'sche Ehepaar 1) beim Emir Mohammed-Ibn-Raschid kurze Zeit später gefunden hat, unfreundlich empfangen wurde. Trotzdem hielt er sich, ge

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„Entdeckung eines neuen Handelsweges für Süd-Amerika durch Professor Carl Wiener".

schützt durch die Gastfreundschaft eines Vetters des Emirs, einen vollen Monat in Haïl auf und trat dann den Rückweg nach Khaibar an, wo ihn die fanatisirte Bevölkerung zum Rückzuge nach Haïl zwang. Auch hier ausgewiesen, gelang es ihm, in die Landschaft Kasim zu entkommen, er wurde aber in Bereyda ausgeraubt und entkam mit Mühe durch den hier kaum 6 miles breiten Ausläufer der Nefud nach Aneisi, von wo ihm nach Überstehen vielfacher Gefahren der Rückweg nach Djidda, dem Hafenorte Mekka's am Rothen Meere, ermöglicht wurde. Hier traf er in der Mitte des Jahres 1878 ein.

Dieser flüchtige Überblick über den Verlauf der McDoughty'schen Reise lässt erkennen, dass es ihm gelungen war, besonders den westlichen Theil Central Arabiens, welcher bisher nur nach arabischen Geographen und Erkundigungen bekannt war, in vielen Richtungen zu durchkreuzen, so dass wir wohl eine bedeutende Erweiterung unserer Kenntnisse durch ausführlichere Mittheilungen erwarten dürfen.

Schon jetzt giebt er einige wichtige Aufklärungen über die
Vertheilung der Harrah, jener vulcanischen Zone, welche
Burton vergebens zu erreichen bestrebte. Es sind alte Lava-
felder, die theils unmittelbar über die Grundlage der geo-
logischen Formation Arabiens, den Granit, theilweise über
die Sandsteinschicht sich ergossen, an einzelnen Stellen
auch durch die Kalksteinkruste hindurch sich Bahn ge-
brochen hatten. Von Damascus aus durchzieht so eine
allerdings nicht zusammenhängende, sondern häufig unter-
brochene, schmale vulcanische Zone die ganze Halbinsel bis zur
südlichen Hälfte des Rothen Meeres und findet in demselben
noch ihre Fortsetzung in den vulcanischen Inseln, welche
dem Festlande vorlagern. Obwohl noch in historischer Zeit
in der Ahrar - el - Medina ein vulcanischer Ausbruch Statt
gefunden hat, so wissen die Nomaden Nichts von feuer-
speienden Bergen, auch Erdbeben sind ihnen nur dem Namen
nach bekannt.
H. Wichmann.

„Entdeckung eines neuen Handelsweges für Süd-Amerika durch Prof. Carl Wiener".

Diese Überschrift trägt eine Mittheilung in Nr. 11 des ,,Export" vom 15. März 1881, deren Inhalt der französischen geographischen Zeitschrift,,L'Exploration" entnommen ist.

Aus diesem Aufsatze, sowie aus vielen anderen Referaten, welche durch Fachschriften und Zeitungen die weiteste Verbreitung gefunden, geht hervor, dass Mr. Charles Wiener das Verdienst für sich in Anspruch nimmt, nicht nur für die Schiffbarkeit des Rio Napo eine bisher wünschenswerth gebliebene Bestätigung geben zu können, sondern auch einen näheren Weg von Quito über die Cordillere nach dem Napo aufgefunden zu haben.

Der Vortheil, welcher dem französischen Handel aus diesem Erfolge der Expedition erwachsen soll, wird so scharf betont, dass der deutsche Berichterstatter des „Export" wohl mit Recht die Frage aufwerfen konnte:

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letzten Jahrzehnt

so der kleine peruanische Dampfer ,,Pastaza" - den Beweis dafür geliefert, gleichzeitig aber auch in Erfahrung bringen müssen, dass der Rio Napo der Schifffahrt alle die Schwierigkeiten bietet, welche den übrigen mächtigen Zuflüssen des Amazonas eigen sind.

Was die Geschichte der Schifffahrt auf dem Rio Napo anbelangt, so ist es ja genügend bekannt, dass der Lauf seiner Gewässer zur eigentlichen Entdeckung des grössten Flusssystemes der Welt führte. Genau den gleichen Weg, wie Mr. Wiener, von Quito ausgehend, schlug Orellana bereits im Jahre 1540 ein und entdeckte den mächtigen Strom, welchem der mythische Name ,,Amazonas" beigelegt wurde. Schon im Jahre 1637, einem gleichfalls noch weit zurückliegenden Datum, unternahm es Pedro de Teixeira von Pará aus mit zahlreichen Begleitern, den Rio Amazonas und Napo stromaufwärts verfolgend, nach Quito zu ziehen. Die Reise nahm ein volles Jahr in Anspruch. Auf dem gleichen Wege kehrte er, begleitet von den Jesuiten d'Artieda und d'Acuña, im folgenden Jahre nach seinem Ausgangspunkte zurück. Bekannt ist es auch, dass die Missionen am oberen Amazonenstrome meist von Quito aus, via Napo, begründet und verwaltet wurden. Der Pater Fritz, der am Ende des 17. Jahrhunderts zur Kenntniss dieses Gebietes so wesentlich beitrug, wusste recht wohl, welche Bedeutung der Rio Napo für das ecuatorianische Hochland und dieses selbst für die katholischen Missionen im tropischen Urwald habe. Nicht weniger kannte der um die

„Entdeckung eines neuen Handelsweges für Süd-Amerika durch Professor Carl Wiener".

Kartographie der ,,Provincia de Quito" hochverdiente Maldonado, der seine Reisen im Anfang des 18. Jahrhunderts unternahm, den rauhen Pfad, welcher über die ungastliche östliche Cordillere nach den „Embarcaderos" oder „Puertos", den Einschiffungsplätzen des Rio Napo, führte.

Die französischen Akademiker La Condamine, Godin und Bouguer, welche 7 Jahre lang (1735-1742) mit der Gradmessung im ecuatorianischen Hochlande beschäftigt gewesen waren, vermieden absichtlich, für ihre Rückreise den Rio Napo zu wählen, da sie seinen Lauf für hinlänglich erforscht hielten. Sie zogen es vor, die bisher unbekannter gebliebenen Ströme, den Rio Pastaza und den Marañon zur Erweiterung der hydrographischen Kenntniss zu befahren.

Seit jener Zeit ist die Reise von Quito nach dem Napo und von seiner Mündung flussabwärts zur Küste, oder den Marañon aufwärts nach Perú, häufig genug ausgeführt worden, ja, man kann sagen, unzählig oft, wenn man zu den Pionieren auch die Abenteurer rechnet, welche ausgingen, Minen zu suchen oder fabelhafte Schätze,,,riquezas", zu entdecken, wie sie noch heutigen Tages die Phantasie der spanischen Abkömmlinge in die düsteren Wälder des NapoGebietes verlegt. Viele gingen zu Grunde, Andere knüpften kleine Handelsbeziehungen an, welche stets auf die ungerechteste Ausbeutung der beklagenswerthen Indianer hinausliefen.

Indianer und Weisse haben als Cascarilleros bei dem Suchen nach den spärlich durch den Wald vertheilten Chinchona-Bäumen, welche das werthvolle Handelsproduct der China-Rinde liefern, die unglaublich unwegsamen Abhänge der Cordillere in allen Richtungen durchstreift.

Ein grosses Contingent von Napo-Reisenden stellten auch die zahlreichen Revolutionen des ecuatorianischen Hochlandes, theils an Flüchtlingen, theils an solchen, welche als Verbannte diesen Weg wandern mussten. Auch für nicht politische Verbrecher ist der Napo stets eine erwünschte und sichere Zufluchtsstätte gewesen.

Zu den vielen, welche sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu einer Reise nach der des Fiebers wegen gefürchteten,,Montaña del Oriente" bestimmen liessen, zählen auch einige Naturforscher und fleissige Sammler. So besuchte der englische Arzt und Botaniker, Dr. Jameson, der lange Jahre in Quito ansässig war, das Napo-Gebiet zu wiederholten Malen.

In dem gleichen Verhältniss wie die Aussicht auf eine Zunahme von Handel und Verkehr nach Freigebung der Schifffahrt auf dem unteren Amazonenstrome (1867) für Brasilien wuchs, steigerten sich auch in dem Hochlande von Ecuador, als die Nachricht dahin drang, die Illusionen, welche man mit dem Rio Napo als neuen Communicationsweg zu verbinden sich längst gewöhnt hatte. Wer es verstand,

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als Ausländer und vermeintlicher Ingenieur, dieses Traumbild in den richtigen Farben zu beleben, sicherte sich in Quito den, allerdings zweifelhaften, Ruhm eines grossen Sachverständigen und erntete den ungetheilten Beifall der gerade an der Spitze der Regierung stehenden Persönlichkeiten.

Solchen traditionellen Anschauungen traten begreiflicherweise auch die meisten der Gutachten nicht schroff entgegen, welche Ingenieure von Fach, die nach Ecuador verschlagen, ihr Glück zu machen suchten, der Regierung oft genug zur Realisirung des Wegprojectes, aufgefordert und unaufgefordert, unterbreiteten.

Die letzte ausführliche Beschreibung dieses vermeintlich von Mr. Charles Wiener neu entdeckten Handelsweges 1) verdankt man dem Amerikaner James Orton, welcher 1867 als Chef einer, von der Smithsonian Institution ausgesendeten, wissenschaftlichen Expedition diesen Weg einschlug und dessen Aufzeichnungen den Eindruck grosser Wahrheitsliebe und Gewissenhaftigkeit machen.

In den letzten Jahren der Regierung des Präsidenten Garcia Moreno war die Verwaltung des Napo-Gebietes in die Hände der Jesuiten gelegt und ihrer Intelligenz es ganz anheim gegeben, den Handel, wenn möglich, zu heben, die ⚫ Communicationswege zu verbessern und die Indianer, ohne welche der Weisse in diesen Gegenden vorläufig nicht existiren kann, systematisch zur Arbeit anzuhalten. Ob diese Maassnahme ihren Zweck erreicht haben würde, ob sie zum Vortheil und zum Schutz der armen Indianer, gegenüber dem früheren Verwaltungssysteme, wo es dem Gobernador überlassen war, zum Besten seines eigenen Vortheiles den geringen Handel zu monopolisiren, ausgefallen wäre, dürfte schwer zu entscheiden sein; nur ist es höchst wahrscheinlich, dass Garcia Moreno diesen Systemwechsel mit dem Leben bezahlen musste. Ein früherer Gobernador des Napo war es, welcher im Jahre 1875 dem Präsidenten das Messer meuchlings durch die Brust stiess, weil ihm die Erlaubniss, für Handelszwecke nach dem Napo zurückzukehren, nachdem die Jesuiten von den Missionen daselbst auf's Neue Besitz genommen, verweigert worden war.

Die Anführung dieser wenigen, aus der Geschichte herausgegriffenen Thatsachen wird genügen, um zu zeigen,

1),,L'Exploration" Tome XI, No. 213, 17. Février 1881, p. 409. ,,Aidé de ces braves compagnons, Mr. Charles Wiener, arrivé le 6 octobre au Pará, à l'embouchure de l'Amazone, avait en six mois mené à bonne fin un travail qui n'avait jamais été entrepris. Il avait parcouru et mesuré l'Amérique méridionale dans sa plus grande largeur; il avait complété l'immense voie commerciale naturelle tracée par le plus grand fleuve du monde. Entreprenant sur le Napo une expédition que les gens du pays jugeaient entièrement impracticable, il a hissé avant tout autre le drapeau français sur ces eaux, dont la prise de possession idéale était jusqu'alors inscrite seulement dans les chartes et constitutions politiques".

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,,Entdeckung eines neuen Handelsweges für Süd-Amerika durch Professor Carl Wiener".

dass es der Expedition des Mr. Charles Wiener kaum bedurft haben würde, um den Nachweis zu liefern, dass der Rio Napo unter Umständen als Handelsstrasse dienen könnte. Dagegen fragt es sich, ob auch in anderer Hinsicht die Bedingungen erfüllt sind, um diese zu einer vortheilhaften zu gestalten.

Seit Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Amazonenstrome ist die Dauer der Reise allerdings wesentlich abgekürzt worden; in einer geringeren Zahl von Wochen, als die der Monate, welche man früher gebrauchte, könnte man die 2500 engl. Meilen zurücklegen und von Pará nach Santa Rosa, dem äussersten Punkte, bis zu welchem vielleicht zeitweilig kleine Dampfer auf dem Rio Napo vorzudringen vermögen, gelangen.

Nicht weniger kommt aber auch die Communicationsfähigkeit desjenigen Terrains in Betracht, welches zwischen dem Ausschiffungspunkte Santa Rosa und dem Bestimmungsorte der Waaren, Quito, gelegen ist. Die Beschaffenheit dieses Weges würde demnach, wenn das Hochland von Ecuador überhaupt einen Import oder Export besässe, der für den europäischen Markt von grösserer Bedeutung wäre, den Ausschlag geben. Erst dann würde der Zeitpunkt gekommen sein, zu entscheiden, ob der Rio Napo zu einer Handelsstrasse werden könne, ob das Bedürfniss, ob die Möglichkeit, ihn dazu zu machen, gegenwärtig mehr gegeben sei, als es bisher der Fall gewesen, wo es nicht geschehen.

Diese Frage müssen wir den Angaben und bestechenden Andeutungen des Mr. Wiener entgegen, entschieden verneinen, sofern es nämlich Mr. Paul Pellegrin, als Berichterstatter, gelungen ist, den ihm von dem Ersteren zugegangenen Mittheilungen den richtigen Ausdruck zu geben.

Hinsichtlich der anzuwendenden Transportmittel zerfällt der zwischen Santa Rosa und Quito noch verbleibende Weg, dessen Länge auf mindestens 300 km veranschlagt werden muss, die in etwa 18 Tagen (aber nicht in 4 Tagen, wie Mr. Paul Pellegrin aus den Angaben des Mr. Charles Wiener geschlossen hat 1)), zurückgelegt werden können, in drei Theile, von welchen jeder einzelne eine Summe ungewöhnlich grosser Hemmnisse für die Communication bietet.

Von Santa Rosa nach dem Dorfe Napo (450 m über dem Meere), von wo der Landweg beginnt, muss das Fortkommen durch Canoes vermittelt werden. Diese Reise nimmt, da die Strömung eine sehr reissende ist und meh

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7 Tage in Anspruch, stromabwärts dagegen nur 6-7 Stunden.

Der zweite Theil des Weges, von Napo nach Papallacta, durchschneidet ein Urwaldgebiet, in welchem ausserordentliche Terrainschwierigkeiten in Verbindung mit den ungünstigsten Witterungsverhältnissen es bis jetzt nicht ermöglicht haben wie durch Mr. Charles Wiener selbst hervorgehoben worden ist, auch nur einen Saumpfad für Reit- und Lastthiere zu bahnen. Acht beschwerliche Tagemärsche gehören dazu, diesen Weg zurückzulegen.

Alle Waaren müssten demnach in wasserdichter Verpackung auf den Rücken der Indianer befördert werden.

Dass dieser bisher übliche Transport, der schon für die geringe Bagage vereinzelter Reisenden oft kaum zu ermöglichen ist, für Waaren ein sehr kostspieliger und gewagter sein würde, liegt auf der Hand. Er wird aber auch fast zur Unmöglichkeit dadurch, dass an den sich immermehr entvölkernden Ufern der Zuflüsse des Rio Napo eine grössere Zahl von Lastträgern gar nicht aufzubringen wäre und der Versuch, diess durch Gewalt zu thun, den kleinen Rest der Indianer nur bestimmen würde, die Heimath mit einer anderen weniger beunruhigten zu vertauschen. Am meisten fällt jedoch in's Gewicht, dass dieser Weg überhaupt nur 6 Monate im Jahre November bis April begangen werden kann. In der übrigen Zeit sind die wilden Gebirgsbäche, deren Überbrückung selbst in Europa die kostspieligsten Kunstbauten bedingen würden, unpassirbar und bringen den Reisenden, der zwischen zwei plötzlich zu Flüssen anschwellenden Bächen vielleicht auf Wochen eingeschlossen wird, in die Gefahr des Verhungerns.

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Von der Beschaffenheit eines solchen Pfades und dem mühseligen Fortkommen, das in einem fast ununterbrochenen Steigen, Klettern und Versinken besteht, kann sich nur derjenige eine richtige Vorstellung machen, welcher den tropischen Urwald, in einer fast permanenten Regensaison, selbst betreten hat.

In diesem Falle handelt es sich auch nicht um einen ebenen Uferwald, vielmehr gilt es gleichzeitig eine beträchtliche Steigung, einen Niveau-Unterschied von 2800 m für eine Horizontal-Entfernung von etwa 170 km, in wilder mit dichter Vegetation bedeckter Gebirgslandschaft, zu überwinden, bevor man bei Papallacta die obere Waldgrenze, noch nicht aber den Gebirgskamm, überschreitet.

Den ersten beiden Abschnitten des Weges entsprechend, entbehrt nun auch der dritte und letzte Theil der Hindernisse und Gefahren nicht.

Es lässt sich der Weg von dem kleinen in 3156 m Höhe gelegenen Dorfe Papallacta bis zu dem bewohnten Chillo-Thale (circa 2400 m) in 2 Tagen, und von da bis Quito in einem Tage zurücklegen. Das nahe Ziel verbirgt

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