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Gestalt, als langgestreckte Depression des Terrains, als Terrainfalte, als ein vergrössertes Rinnsal nach Art des Belesoni. Seine Breite wechselte von 5000 bis zu 200 m und seine Tiefe zwischen 12 und 3 m. Das Wasser erscheint grünlich, ist klar und wohlschmeckend; an der Zusammenflussstelle mit dem Tana hebt es sich scharf von dessen durch Lehmtheile roth gefärbten Fluthen ab. Die flachen Seeufer sind wunderschön bewaldet; sie haben zuweilen ein parkartiges Ansehen bei ihren kurzgrasigen, schwellenden Wiesenflächen, reizenden Buschgruppen und köstlichen Durchblicken.

Mit dem Osi steht der Tana nur durch den Belesoni und sonst durch seine Fluthwasser in Verbindung; im Übrigen sind es zwei getrennte Ströme. Der Osi, so von den Küstenbewohnern und Wapokomo genannt, von den Wagalla dagegen wegen seines dunklen Wassers als ,,Galana guradja" (,,schwarzer Fluss") bezeichnet, hat ganz andere Stromverhältnisse als der Tana. Er entsteht, etwa eine Tagereise weit vom Belesoni, in der Niederung. Manche geben an, dass er aus dem kleinen See „Gambi" laufe; Andere wieder behaupten dasselbe vom Magagoni, der sich bei Kau (,,Odda ortis" der Wagalla) in den Osi ergiesst und dicht dabei den kleinen Tumembamba aufnimmt, welcher sich aus den Flüsschen Schungi, Kitoni und Kikoni zusammensetzt.

Mir ward gesagt, das Schungiwasser sei im Oberlaufe brackig. Leider erhielt ich diese Notiz zu spät und konnte mich nicht überzeugen; bezweifeln möchte ich sie nicht; denn auch in der Ebene rechts vom Tana, unweit von Tjarra, befinden sich Teiche, deren Wasser salzig ist, und im Gebiete Kinakombe steht am linken Tana-Ufer eine salzhaltige Bodenwelle an, die sich nach dem Osi hinzieht.

Breite und Tiefe des Osi zwischen Kipini und Kau stehen der des Tana bei Tjarra nicht nach, verringern sich dann aber ganz bedeutend; die Stromgeschwindigkeit beläuft sich auf 2-3 Seemeilen in der Stunde.

Die Meerfluth macht sich im Osi bis zum Belesoni bemerklich; im Tana dagegen nur bis halbwegs Tjarra.

Der Tana hat im Jahre zwei Fluthen: die erste oder grosse Fluth tritt Mitte oder Ende Mai ein und währt bis Mitte oder Ende September. Der das Land weit überschwemmende höchste Wasserstand fällt in den ersten Fluthmonat; von da an hält sich ein immer noch hoher Stand bis zum Ende des vierten Monats, nimmt dann aber schnell ab. Die zweite, kleine Fluth beginnt Mitte oder Ende October und hält sich günstigsten Falles drei Monate, ungünstigsten Falles nur einen Monat, hat also sich schon gegen Ende November oder im Januar verlaufen. Den niedrigsten Wasserstand zeigt der Tana von Ende Januar bis Mitte Mai. Die Fluthungen hängen mit den beiden Regenzeiten zusammen, welche in die Fluth monate fallen.

Das Land, in dem diese Ströme fliessen, bildet eine vom Juba bis zum Sabaki sich erstreckende Ebene mit geringen Schwellungen zwischen den einzelnen Strömen. Am Meere wird diese Ebene von Dünenzügen und Lehmhügeln begrenzt, welche auf Korallengebilden lagern; weiter nach dem Innern steigt sie allmählich an bis Ukambani, wo sie sich zu Hochebenen erhebt, welche mit einzelnen Bergen durchsetzt sind und sich als Vorlagen des Schneeberges Kenia darstellen. Ausläufer dieses Bergstock es erstrecken sich in den Hochebenen Ulu und Jata und im NdunguniHügelzuge bis zu den Oberläufen des Sabaki und, bei Ta'kaungu und Mombasa, zum Meere, dort diese grosse Ebene abschliessend.

Am Tana erfolgt die Steigung unmerklich: Massa wird in nicht mehr als 300 m Meereshöhe liegen; erst im Districte Ndera erheben sich die Tana-Ufer bis 2 und 3 m über den mittleren Wasserstand. Hier ist denn auch das Land an wenigen Stellen der Überschwemmung ausgesetzt.

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Der Ursprung des Tana, welchen die Küsten bewohner so nennen, die Wapokomo dagegen,,Tsana" und die Wagalla,,Galana marro" oder „Galana dima", ist im Keniabergstocke zu suchen. Das erscheint unzweifelhaft nach Krapf's Berichten, der ihn unweit des Kenia sah; und auch die Aussagen der Küstenbewohner und Eingeborenen ergeben diess. Bei Hameje werden die Tana-Ufer felsig; die Strömung braust und ist zu Kahnfahrten ungeeignet. Von jener Stelle an wird bergwärts der Fluss von den Suaheli ,,Gururuma" (vom Suaheliworte ,,Gurumo" Donner?), von den Wakamba ,,Kiloluma" genannt. Er soll aus einem See fallen, der salzhaltiges Wasser hat und, nach Einigen, „Taka Abajila" heisst. Der See liegt N und NO von einem sehr hohen Berge und zwischen hohen Bergen; an seinen Ufern waren vor Jahrhunderten Suaheli ansässig. Man sagt, verwilderte Cocos-Palmen hätten sich von ihren Pflanzungen erhalten und deren Stämme würden manchmal in den Tana geschwemmt. Noch andere Flüsse sollen vom Taka Abajila ausströmen: nach N zu einem kleineren und grösseren See (,,Lorian" und „,Samburu") und nach W zum Baringo.

Die Osi-Tana-Sabaki-Ebene scheint aus rothem Lehm zu bestehen mit grobkörnigem Quarzsande als Untergrund. An den Ufern des Tana zeigte sich die Lehmdecke bis zur Stärke von 3 m, doch war sie mit Humusschichten durchsetzt. Im Gebiete Ndera, bei Kosi, fiel diese Schichtung besonders auf. In der 21⁄2 m hohen Uferwand liegen drei mit Humus stark durchsetzte dunkle Schichten, etwa je 25-40 cm dick, fast wagerecht. Diess scheinen ehemals Oberdecken des Erdbodens gewesen zu sein. Durch Überschwemmungen ward Lehm auf die Pflan

zen- und Humusdecken getragen und so entstanden wahrscheinlich diese Schichten. Etwas weiter stromauf zeigte sich, in gleicher Höhe mit dem mittleren Wasserstande, gegen den Fluss streichend, auf einer Strecke von einigen. hundert Metern eine feste, fast steinige, mergelige, graugrüne Thonschicht. Schwarzer, schwerer, feinkörniger, glänzender Sand (Eisensand?) fand sich an den Mündungen des Tana und Osi, in horizontalen 3-5 cm dicken Schichten, in Höhe des Wasserspiegels. Vor Tjarra und Kau lag er tiefer, ward dann aber fast ununterbrochen von Munjuni bis Massa beobachtet. Die Küstenbewohner benutzen diesen hübschen Sand mit Vorliebe zur Bestreuung von Schriftstücken. In der Nähe der Gewässer besteht die Pflanzendecke der Ebene aus kurzen, saftigen Gräsern; im Weiteren setzt sie sich aus härteren, gröberen und aus Mimosen zusammen. An den Flussufern ziehen sich Mangroven entlang, soweit die Meerfluth reicht. Die Küstenbewohner verwenden das harte Holz der Mangroven zum Häuser- und Schiffsbau, und die Rinde dient zum Gerben und Färben des Leders. Weiterhin zeigt sich Hochwald mit mehreren Palmenarten, unter denen sich die schöne Borassus (,,Mtapa" der Eingeborenen, „Duleb" der Araber) besonders bemerklich machte. In den Districten Ndura und Subakini fanden sich selbständige, grosse Complexe derselben; die meisten Stämme aber waren verdorrt, weil die Wapokomo die Kronen abgeschlagen hatten, um aus den zartesten Blättern derselben ein beliebtes, berauschendes Getränk zu bereiten. Die Adansonia digitata, welche an der Küste häufig ist, war von Tjarra an selten und fehlte von Engatana ab ganz. Mächtige Schlingpflanzen und Buschholz verbinden die grossen Stämme zu einem schwer durchdringlichen Dickicht, in das wenig Licht und Luft dringt. Dieser Uferwald erstreckt sich jedoch meist nur in Breite einiger hundert Meter an den Flussufern; dahinter dehnt sich die weite Ebene aus, in welcher sich nahe der Küste grössere Buschgruppen, viele „Mkoma" (Dum-Palmen), oft in ganzen Wäldchen, und Adansonien, sonst nur Akazien und ähnliche Dorngewächse, landeinwärts von Mombasa aber ungeheuere Euphorbienwälder finden.

Nährpflanzen bietet die Wildniss nicht; die Eingeborenen, soweit sie nicht Hirtenvölker, sind daher auf Feldwirthschaft angewiesen. Bei der mohammedanischen Küstenbevölkerung liegt der Ackerbau in den Händen der Sclaven; die Leute von Kipini und Kau dagegen sehen das untere Tana-Land als ihr Terrain an und die dort ansässigen Wapokomo als ihre Knechte. Während an der Küste und im Wanika-Lande vorwiegend Mtama (Durrha) und Mawele (Pennicilaria spicata) gebaut wird und die Hauptnahrung bildet, ist es im Tana-Osi-Gebiete der Reis.

Von Tjarra

bis zum Gebiete Ndera erstrecken sich in fast ununterbrochenem Zuge zu beiden Seiten des Tana üppige Reisfelder,

welche den grössten Theil des Bedürfnisses der mittleren Ostküste Afrika's an dieser Frucht decken. Weiter bergwärts bis Hameje gestatten die hohen Flussufer keinen Reisbau; Mtama und Mais treten an seine Stelle; verschiedene Bohnen- und Erbsen-Arten, Bataten, Maniok, Zuckerrohr, Bananen, Melonen und Tabak werden gezogen.

Die Cocospalme gedeiht am besten im salzigen Boden in der Nähe des Meeres; daher fand sie sich nur in den Küstenplätzen und bis kurz über Tjarra.

Im Verhältniss zu anderen tropischen Ländern ist die Thierwelt arm an Arten und an prächtigen Erscheinungen, sie hüllt sich in unscheinbare Farben wie die Pflanzendecke. Die grasreichen Ebenen dienen Heerden von Giraffen, Antilopen, Büffeln und Zebras als Weideplätze. Elephanten kommen in grossen Trupps im ganzen Tana-Gebiete vor bis zum Meere. Die Gewässer beherbergen viele Crocodile, Hippopotami und u. A. zwei welsartige, sehr fette Fische: ,,Mamba" und ,,Tonsi". Das Rhinoceros findet sich zahlreich in den Uferwäldern, und Strausse und Hühnervögel machen sich besonders in der Steppe bemerklich. Bei solchem Wildreichthume fehlen auch nicht Raubtiere, wie Löwen, Leoparden, Hyänen, wilde Hunde, Schakale.

Hunde werden nur von den Wagalla gezüchtet zur Bewachung ihrer Heerden und Niederlassungen und zur Aufsuchung des Wildes. Die mohammedanische Bevölkerung und die Wapokomo verabscheuen den Hund; überhaupt sind die Wapokomo keine Freunde von Hausthieren. Hühner, welche zahlreich in den Küstenorten und dann wieder oberhalb von Kinakombe gehalten werden, findet man von Tjarra bis Kinakombe nicht, weil die Wapokomo befürchten, das Krähen der Hähne könne den räuberischen Somali die Lage der Wapokomo-Dörfer anzeigen. Kameele und Pferde leiden vom Klima; sie sind fast ausschliesslich im Besitze der Araber; Ziegen, Schafe und Rinder zieht man in den Küstenorten; die letzteren werden jedoch meist von den Somali gekauft.

man es

In dem in Rede stehenden Theile Ost- Afrika's hat abgesehen von Arabern, Suaheli, Wanika und einigen kleinen südlich und an der Küste sitzenden Stämmen besonders mit fünf Völkern zu thun, mit Somali, Wagalla, Wapokomo, Waboni und Wassaniä. Seit von der Decken's und Brenner's Reisen, welche sich in diesen Gegenden nicht über Ngao hinaus erstreckten, änderten sich einzelne Völkerstände ganz erheblich. Die Somali sind das herrschende, mächtigste dieser Völker geworden; sie drangen mordend und plündernd über den Juba bis zum Tana und Sabaki, die einst vom Sabaki zum Juba sich ausdehnenden Wagalla vernichtend und vor sich her treibend. Diesen Vernichtungskrieg stellten sie nur auf Verlangen der mohammedanischen Küstenbevölkerung ein, welche, wegen des

Handels und der Sicherheit, wohl ein Interesse an Niederdrückung der Wagalla hatte, zugleich aber auch deren Erhaltung wünschen musste.

Als Grenze zwischen Galla und Somali kann seit etwa 1874 der Tana angesehen werden, was aber nicht ausschliesst, dass die Somali ihre grossen Rinderheerden bis zum Sabaki weiden. Oberhalb Munjuni führt eine der grössten dieser Somali-Strassen in die Sabaki-Gegenden. Obwohl der officielle Kampf zwischen Somali und Wagalla vorläufig ruht, so fangen die Ersteren doch bei jeder Gelegenheit Leute der Letzteren ab. Besonders leiden die Wapakomo von den räuberischen, Alles verwüstenden Somali.

Sie überfallen die Wapokomo, morden die Männer und entführen junge Leute und Weiber als Sclaven.

Zur Wehr setzen sich die Unterdrückten nicht; sie beharren jetzt, vordem sich meist tapfer gegen die wilden Eindringlinge wehrend, in stumpfer Gleichgiltigkeit, höchstens vor den Räubern fliehend und ihre Wohnplätze wechselnd, in dem Glauben, Gott habe den Somali Kraft und Sieg verliehen, bis weisse Männer kommen, sich bei den Unterdrückten niederlassen und ihrer annehmen werden.

Am ganzen linken Tana-Ufer sucht man jetzt, ausser bei Kau, vergebens nach einer Galla-Niederlassung; dafür trifft man Wabere-, Desarguta-, Barawa-, Elai-, Tune-, Kalallaund Waledjido-Somali.

Die Wagalla zeigen sich seit den grossen Niederlagen als decimirtes, schwaches, in vieler Hinsicht ganz verkommenes Volk. Infolge jener über sie verhängten Trübsal besserten sie sich in Bezug auf friedlichen Verkehr aber ganz entschieden. Jetzt sind Araber und Suaheli, an der Küste sowohl als im Innern, frei von ihren, früher so frechen, anmassenden Belästigungen. Hin und wieder zahlen wohl noch die arabischen Befehlshaber dem Wagalla-Sultan ,,Tribut"; er erscheint jedoch mehr als Geschenk, das in nicht ferner Zeit auch in Wegfall kommen wird. Die Galla haben dann die übermüthige Rolle ausgespielt. Schon jetzt hängen sie und sie wissen das sehr wohl ganz von den Mohammedanern der Küste ab, denen allein sie ihre Errettung von vollständiger Vernichtung durch die Somali zu danken haben. Der sonst so stolze Galla, dem, ausser Fleisch, Blut und Milch seiner Rinder, andere Genussmittel Gräuel waren, der mit Spott und Hohn auf Arbeitende, namentlich auf Ackerbauer, herabblickte, er hat sich zum grossen Theile zu besseren Anschauungen bekehrt. Noth ist auch ihm ein harter Lehrmeister geworden! Seitdem sich die Somali den Viehreichthum der Wagalla aneigneten, diesen somit neben den unzureichenden Jagderträgnissen nichts zur Fristung des Lebens blieb, verrichten die verarmten Galla Dienste als Hirten bei den Küstenbewohnern, oder verdingen sich denselben als Lastträger und Feldar

beiter; sie sollen sogar am Sabaki, zur Deckung eigenen Bedarfes und für Handel, Reis- und Mtama-Felder angelegt haben.

Unter den Wagalla, und zum Theil auch unter den Somali, leben zerstreut Waboni, Wassaniä und Walangulo. Diese Stämme, einst vor den Wagalla mächtig in diesen Ebenen und von ihnen so verdrängt und unterdrückt, wie zur Zeit die Wagalla von den Somali, ähneln im Äusseren, in Sprachen und Sitten den Wagalla. Eigentliche Sitze der genannten drei Stämme lassen sich nicht angeben, da sie von Jagd lebend (die Walangulo zuweilen auch in der Teita-Ebene raubend), ihre Wohnplätze stetig wechseln; es scheint jedoch, als hielten sich die Waboni besonders links am unteren Tana, die Wassaniä zwischen Tana und Sabaki, und die Walangulo (auch Lungullu genannt) zwischen diesem und Kilifi bis in die Teita-Ebene. Balawa und die dichten Wälder der Umgegend von Wito, ferner Ginda, Rufu, Dadobaschora und Safaräni sind grössere Niederlassungen der Waboni; eine der kleineren ist Jalaluscho (,,Monalombaläsa" der Wapokomo) am Schaggababu.

Die werthvolleren Jagderträgnisse liefern die Angehö rigen dieser drei Stämme an die Wagalla, deren Vasallen sie in gewisser Hinsicht sind; sie nehmen jedoch diesen gegenüber nicht die missachtete, niedrige Stellung ein, wie die Wapokomo.

Die Wapokomo ähneln in nichts, als nur in der braunen Hautfarbe, ihren Herren, den Wagalla. Gestalt, Sprache, Sitten weichen weit von diesen und denen der ihnen untergebenen Stämme ab; sie neigen darin weit mehr zu Suaheli, Wanika, Wakamba und Wadschagga. Auch die Wapokomo sind Einwanderer. Ihre Sagen weisen auf eine grosse Völkerbewegung hin, wodurch sie gezwungen waren, ihre Wohnsitze aufzugeben, welche an einem hohen Schneeberge lagen, der viele Ströme entsandte. Einem derselben folgten sie und gelangten zum Tana, dessen Ufer ihre neue Heimath wurden. Einige meinen, der Kenia sei ihr Ursitz gewesen; Andere wieder glauben dasselbe vom KilimaNdscharo. Beides hat mancherlei für sich; zu Gunsten des Letzteren spricht auch die Thatsache, dass dort ein Landstrich,,Pokomo" heisst. Die Wanika, welche in Allem den Wapokomo sehr nahe stehen, sollen früher bis zum Tana gewohnt haben, von den Wagalla jedoch verdrängt worden sein. Für die Verwandtschaft der Wanika und Wapokomo zeugt unter Anderem auch, dass die Wanika von den Bewohnern des Kadiaro-Berges ,,Ambakomo" genannt werden.

Ein Zeitpunkt lässt sich vorläufig für die Einwanderung der Wapokomo nicht angeben; jedenfalls aber waren sie früher in diesen Gebieten als Wagalla und Suaheli. Wahrscheinlich bildeten sich aus den von Persien, Arabien &c. in altersgrauer Zeit (vielleicht noch vor Salomo) nach Ost

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Afrika übergesiedelten hellfarbigen Stämmen, durch Mischung mit den dunkelhäutigen Bewohnern der Küste worin möglichenfalls damals die Eingewanderten ebensowenig heikel waren, als heutzutage Araber und Suaheli die jetzige braune Küstenbevölkerung: die Suaheli. Ihre frühesten Hauptsitze scheinen sich auf den Inseln Lamu, Pata und Siu und auf dem benachbarten Festlandsstriche befunden zu haben. Dort bestand, aller Wahrscheinlickeit nach, ein inniger Verkehr mit den umwohnenden Völkern, vielleicht also auch mit den Wapokomo, die wohl schon damals Reislieferanten der Küstenbevölkerung waren, und es trat die Sitten- und Sprach-Mischung ein, welche uns heute so auffällt. Die Suaheli-Sprache ist thatsächlich der Schlüssel zu den meisten ostafrikanischen Sprachen, namentlich zum Kipokomo, Kikamba und Kinika.

Die Wapokomo sind kräftige, schöngewachsene, grosse Menschen; viele ihrer Männer und Frauen messen an 2 m in der Höhe. Die Kopfbildung ähnelt derjenigen der Wanika, Wakamba und Wadschagga; nur sind sie im Allgemeinen beleibter und bilden auch in dieser Hinsicht einen herben Gegensatz zu den überaus schlanken, dürrwadigen Wagalla. Zu den Negern zählen die Wapokomo nicht, obwohl ihr Haar kurz und gekräuselt ist. Wie die ihnen benachbarten Völker haben sie unklare Vorstellungen vom Vorhandensein eines unsichtbaren, göttlichen Wesens; sie verehren dasselbe aber so wenig, wie jene.

Die Zahl der Wapokomo von Tjarra bis Massa mag sich auf 15 000 Seelen belaufen, und wohl noch an 10 000 leben oberhalb des genannten Ortes friedlich mit Resten der Kokawe-Galla, der Waboni und Wassaniä zusammen.

Die Wapokomo sind bis zum Districte Korkorro fleissige Ackerbauer; Handel und Jagd treiben sie nur nebenbei, während sie im Korkorro-Gebiete sich der Letzteren mehr zuneigen und den Feldbau ihren Weibern überlassen. Handwerker, ausser Kahnzimmerern, giebt es nicht unter ihnen. Alle Metallgeräthe und allen Metallschmuck beziehen sie von den Handwerkern der Suaheli und Wagalla. Bis etwa hinauf nach Munjuni werden die Wapokomo des unteren Tana von Arabern und Suaheli geradezu als Sclaven, als Rechtlose angesehen und behandelt. Oberhalb von Munjuni gestaltet sich das Verhältniss für die Wapokomo etwas besser, weil sie dort der Macht der Küstenbewohner entzogen sind; vom Gebiete Subakini an kehrt es sich gänzlich um: dort sind die Küstenbewohner nicht die Herrschenden, sondern die Geduldeten.

Neben Arbeitsamkeit und Friedensliebe ist Geselligkeit ein in die Augen fallender Zug des Volkes. Vereinzelt stehen die Hütten der Wapokomo niemals; stets bilden sie Ortschaften, welche ausnahmslos in den Uferwaldungen, ganz nahe am Flusse, mit einer offenen Seite nach demselben, Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft I.

angelegt sind. Meistens umschliesst auch noch an den Waldseiten ein doppeltmannshoher starker Zaun, oder eine Umpfählung den Ort. Da, wo die Überfälle der Somali häufiger, liegen die Wapokomo-Orte stets auf dem rechten Flussufer. Als Wohnungen dienen bienenkorbförmige, aus Zweigen und trockenem Grase zusammengebundene Hütten von etwa 2 m Durchmesser und ebensoviel Höhe. Der als Schlaf- und Lagerstelle dienende Boden derselben ist aus Zweigen geflochten, mit Thierhäuten belegt und auf senkrecht in der Erde steckenden Pfählen über dieselbe gegen 2 m erhöht, um, besonders bei Überschwemmungen, gegen Feuchtigkeit geschützt zu sein. Seitlich vom Flusse erstrecken sich die Felder der Wapokomo nur einige hundert Meter, darüber hinaus dehnen sich ihre Niederlassungen niemals; von einem Lande dieses Volkes, wie es auf früheren Karten dargestellt ward, kann man demnach nicht wohl sprechen.

Das Land am Tana bezeichnen die Wapokomo nach den beiden grossen Galla-Stämmen, welche es früher inne hatten: am linken Ufer heisst es Kokawe (oder auch Imbo), am rechten Ufer Bararetta (oder Mongo). Das ganze in ihrem Besitze befindliche Land zerfällt in Gebiete, von denen jedes einen Hauptort hat, dessen Ältester der Vorsteher aller Ältesten der übrigen Orte desselben Gebietes ist. Ein gemeinsames Oberhaupt haben diese Vorsteher der einzelnen Gebiete nicht; überhaupt besteht keine geordnete Regierungsform nach unserem Sinne bei den Wapokomo. Die Verwaltung ihrer Interessen geschieht auf patriarchalischem Wege. Vorsteher sind stets die ältesten, sich durch irgend eine bessere Eigenschaft, oder durch Wohlhabenheit auszeichnenden Männer. Sie besitzen die Autorität und ihnen gehorcht willig die ganze Bevölkerung.

Die von uns durchreisten Gebiete heissen, von Tjarra aufwärts: Kalindi, Ngao, Engatana, Muina, Ndera, Guano, Kinakombe, Ndura, Subakini, Malalulu und Massa. Weiter bergwärts schliessen sich ihnen an: Bura, Tuni, Kidori (zusammen den Bezirk Malakote bildend) und Korkorro.

Das ganze Volk nennt unter sich vier Familien, welche sich auch durch leichte sprachliche Abweichungen kenntlich machen. Bei einigen dieser Familien werden beide Geschlechter beschnitten (wie diess auch Wagalla, Waboni, Wassaniä und Wanika thun); bei anderen nur die Knaben. Mit Ausnahme einer in Engatana ansässigen Familie (,,Watu wa bure" genannt), welche nur Weiber tätowirt, vollziehen. die Wapokomo die Tatuirung an beiden Geschlechtern. Diese Tatuirung besteht bei den Männern aus sechs wagerechten und zwei darüber befindlichen doppelten senkrechten Streifen zwischen Schambein und Brust; bei den Weibern zeigt sie sich in sieben Querstreifen am Vorderleibe, unter Wegfall

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der senkrechten Streifen, und in vier Querstreifen dicht über dem Gesäss. Die bezüglichen Linien werden mit dem Messer einpunktirt.

Beider Geschlechter Tracht ist fast gleich: ein 4 Unterarmlängen messendes Stück rohes Baumwollengewebe um die Hüften geschlungen, nicht ganz bis zu den Knieen reichend. Bei wohlhabenden Männern und Frauen kommt dazu noch ein 4-6 Armlängen haltendes derartiges Zeugstück, welches den Oberkörper einhüllt.

Fast ganz so kleiden sich auch die anderen Stämme der Tana-Gegenden; nur verwenden bei den Jägervölkern namentlich die Weiber ausserdem weiche, gegerbte Antilopenhäute.

Die Wapokomo-Mädchen tragen bis zu ihrer Verheirathung, oder bis zum Eintritte der etwa im 10. Lebensjahre erscheinenden Pubertät, ein nur handgrosses Zeugstück an einer um die Hüften gelegten Schnur als Schambedeckung. Kleine Knaben laufen nackt, grössere tragen den Schurz der Erwachsenen.

Der Hals- und Hüft-Schmuck setzt sich aus Eisen- und Messingkettchen und aus Schnuren weisser, schwarzer und rother Glasperlen zusammen. Ferner schmücken Ringe von Blei- und Messingdraht Handgelenke, Fussknöchel, Unterarme und Ohren. Die Weiber prunken mit schweren Halsreifen von Messingdraht, an denen Scheiben von AchatinaSchneckenschalen mittelst Riemchen befestigt sind. Dazu kommen verschiedene Haartrachten, sowie als hoch geschätzter Gegenstand weiblicher Toilette, Ngä-u, ein Eisenoxyd aus Indien, welches, mit Butter oder thierischem Fette vermischt, zur Rothfärbung des ganzen weiblichen Körpers verwendet wird.

Die Wapokomo sind sehr sittsam.. Verstösse gegen gute Sitte dem weiblichen Geschlechte gegenüber und sollten sie auch nur in leichten, scherzenden Reden bestehen werden von den Ältesten durch Forderung von Gütern des Übelthäters (meistens in Baumwollengewebe) hart geahndet.

Heirathen stellen sich, wie bei allen Ost-Afrikanern, als Käufe dar. Der Heirathslustige erwirbt das Mädchen vom Vater desselben für Baumwollengewebe, Messing- und Bleidraht, Perlen, Reis &c. Polygamie besteht nur in beschränktem Maasse und sagt auch dem Charakter der Wapokomo nicht recht zu; wir fanden daher nicht so widerwärtige Verhältnisse wie bei den Mohammedanern. Ein Pokomo nimmt bis zu 6 Frauen; solchen ,,Luxus" können sich jedoch nur sehr wohlhabende Männer gestatten. Die Frau nimmt nicht die sclavische Stellung ein wie bei den Mohammedanern und anderen ost - afrikanischen Völkern; sie arbeitet mit dem Manne und theilt seine Freuden und Leiden. Jede Frau bewohnt mit ihren Kindern eine eigene Hütte. Die Mädchen bleiben bis zu ihrer Verhei

rathung bei der Mutter, die Knaben dagegen nur bis etwa zum zwölften Jahre; von da an wohnen sie mit den Jünglingen zusammen in einer grossen, ausschliesslich den jungen Männern als Wohnung dienenden Hütte.

Die Wapokomo vergnügen sich gern durch Tanz und Gesang. Bei Hochzeiten, Namengebung der Kinder und Todesfällen werden Gelage abgehalten, die in vielem Essen, Trinken und Tanzen bestehen.

Neben dem Feldbau beschäftigen sich die Männer auch mit Jagd und Fischfang für Beschaffung von Speise. Ihre Waffen und Geräthe hierzu wovon sie die Ersteren allenfalls auch zur Vertheidigung gebrauchen bestehen in Bogen, Pfeilen und Keulen, grossblattigen Speeren, ähnlich denen der Wagalla, in Fischspiessen mit rundlicher, nadelförmiger Spitze, in Messern und in Fischreusen.

Genussmittel sind: Reis, Mais, Mtama, Erbsen, Bohnen, Bananen, Bataten, Maniok, Melonen, einige Palmfrüchte und alles Fleisch in gutem oder schlechtem Zustande Fleisch jedweden Gethieres ; das des Hippopotamus wird am höchsten geschätzt.

Stimulirende Genussmittel beschränken sich auf alkoholhaltige Getränke aus Honig und Palmsäften. Tabak, besonders am oberen Tana gut gedeihend und viel gebaut, wird, wie bei allen ostafrikanischen Stämmen, zum Kauen und Schnupfen leidenschaftlich von beiden Geschlechtern begehrt und oft schon im zartesten Kindesalter gebraucht.

Die grosse Ertragsfähigkeit des Landes, gehoben durch den Fleiss der Wapokomo, hat am Tana lebhaften Verkehr und Handel hervorgerufen. Als Verkehrswege dienen hierzu Tana und Osi, auf denen die Wapokomo, im Dienste der mohammedanischen Küstenbevölkerung, mit Kähnen (ausgehöhlten Baumstämmen) den Verkehr vermitteln und die Lasten befördern. In dieser Weise reisen die Händler bis Hameje, der letzten von Wapokomo bewohnten Ortschaft, bei welcher auch die Benutzung des Tana als Wasserstrasse endet. Alle Lasten gehen nach Kau und werden dort in Seefahrzeuge verladen zur Verschiffung nach Lamu, den Küstenplätzen und Sansibar.

Geld giebt es nicht, ausser in den Küstenorten; es wird durch Waaren ersetzt; der Handel ist daher Tauschhandel.

Ausfuhrartikel sind: Reis, Tabak, Elephanten- und Hippopotamuszähne, Büffelhörner und Fischfett in zum Theil erheblichen Mengen. Hieran schliessen sich in geringeren Quantitäten: Honig, Wachs, Thierhäute, Orseille, Flechtereien, Flechtgras und Töpfe.

Die Einfuhr setzt sich zusammen aus Baumwollengeweben, Speerblättern, Messern, Feldhacken, Beilen, Nähnadeln, Blei- und Messingdraht, Glasperlen, Salz und Ngä-u.

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