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patagonischen Hochebene bilden, ein tiefes Bett gegraben, neben welchem durch die Anschwemmungen des Flusses eine theilweise sehr fruchtbare Thalebene sich gebildet hat, die nur 1-3 km breit, also weit schmäler als die des Rio Negro ist. Während im Rio Negro-Thale nur Weidenwäldchen, Busch- und Weideland oder Dünenbildungen und dürftig bewachsene, öfters überschwemmte Bodenoberflächen charakteristisch waren, zogen im Thale des Colorado auch die Flussufer durch ihren breiten mit Riesenschachtelhalmen durchwachsenen Röhrichtssaum, aus dem da und dort noch Weidenbäume ragten, die Aufmerksamkeit auf sich. Dann forderten die quer zum Laufe daran stossenden Dünenreihen mit der entsprechenden Vegetation ein grosses, für den Landwirth freilich negatives Interesse heraus, wie auch ferner die Sümpfe, Wassertümpel und feuchten Niederungen, die unmittelbar daran grenzten. Zwischen letzteren, die hohe Sumpfgräser, Röhricht und das prächtige, überreiterhohe Riesengras Gynerium zeigen, wuchsen in grösseren Bezirken etwa 6 Arten meist nutzloser, für sich allein gesellschaftlich stehender Kräuter, die je nach Vorhandensein für sie günstiger Lebensbedingungen sich im Grossen gleichsam wie Concurrenten zu verdrängen suchten. Hinter diesem feuchten Strich, der durch trocken gelegene Bodenwellungen jene Abwechselung verursachte, erschien entweder eine leidliche Grasflur, gemischt mit sehr mittelmässigem, enorm langem Medicago- oder MelilotusKlee, oder aber eine kaum mannshohe Salzpflanzenvegetation. Diese räumte bei weiterer Erhebung zum geneigten Thalufer einem eigenthümlichen Strauchgestrüpp den Platz, das sich dann sehr bald mit der etwa reiterhohen Strauchvegetation der Abhänge und des Hochlandes mischte und nur noch vereinzelte Grasbüschel und Kräuter wahrnehmen liess. Da auch längs des Flusses je nach seinem Gefälle das Terrain verschieden, doch aber für längere Strecken oft gleichartig war, so machten sich einzelne der geschilderten Florenbezirke auch in der Längsrichtung geltend.

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Und so erklären sich auch die zerstreut liegenden Weidestrecken, die man theilweise auch für die Colonisation reservirt hat. Das Erdreich ist stellenweise sehr gehaltreich und gut, und es wäre zu wünschen, dass daraufhin aus den immerhin schönen Thälern nach Ausrodung der Büsche, nach Ebnung des Terrains, nach Abdämmung und Herstellung eines regelrechten Bewässerungssystems, recht bald ein Culturland entstände" 1).

Das Gebiet, welches der Rio Negro und Colorado im S und N begrenzen, das patagonische Entre-Rios oder EntreRios del Sud, ist eine durchaus unfruchtbare, öde und

1) Vortrag im Centralverein für Handelsgeographie von Gustav Niederlein. (Export 1881, No. 1-3.)

wasserlose, durch niedrige Rücken unterbrochene Hochebene, welche selbst von den Indianern gemieden und nur auf den kürzesten Wegen, besonders zwischen der Insel Choelechoel und dem Cerro Choique Mahuida (Straussgebirge), passirt wurde. Den aus Kalkgebilden und Sandstein bestehenden Boden bedeckt nur eine dünne Schicht feinen Sandes, welcher von den jahrein, jahraus wehenden heftigen Winden, den gefürchteten heissen Pamperos, dem südamerikanischen Samum, sowie von den kalten Cordillerenwinden bald zu Dünen zusammengeweht, bald wieder über die Oberfläche vertheilt wird. Dass auf solchem Terrain, zumal bei Mangel an regelmässigen Niederschlägen, eine üppige Vegetation nicht gedeihen kann, ist natürlich. Die Flora ist denn auch in der That die denkbar einförmigste und dürftigste. Fast die gesammte Oberfläche ist von mannshohem Gestrüpp, besonders Dornenbüschen mit äusserst hartem Holze, bedeckt, welche selbst kaum als Brennholz zu verwenden sind; nur an wenigen tieferen Stellen zeigt sich ein spärlicher Graswuchs, gemischt mit nutzlosen Kräutern, und an solchen Punkten allein, welche ihren Pferden eine spärliche Weide boten, pflegten die Indianer bei ihren eiligen Durchzügen bisweilen Halt zu machen. So monoton wie die Vegetation, ebenso dürftig ist auch die Thierwelt. Strausse und Gürtelthiere sind die Hauptvertreter; in dem westlichen Theile tritt auch der Guanaco heerdenweise auf, und aus den Cordilleren verirren sich bisweilen Füchse, Condore und andere Raubthiere in diesen trostlosen Einöden. Diess ist der Typus der patagonischen Formation, auf welcher nach Darwin's klassischem Ausspruche der Fluch der Unfruchtbarkeit ruht.

Noch trostloser ist das nördlich vom Unterlaufe des Colorado bis zum Rio Sauce Chico zur alten Militärgrenze sich erstreckende Gebiet, welches auch von den Indianern so gefürchtet wurde, dass sie ihm den Namen Huecubu mapu, Pais del Diablo, Teufelsland, gaben. Sie zogen es vor, tagelange Umwege zu machen, um nicht diese Einöden passiren zu müssen, in denen sie Gefahr liefen, bei plötz lich eintretendem Winde durch Sandmassen vergraben zu werden. Diese ununterbrochen wasserlosee Sandfläche, in welcher nur wenige Salzlagunen zerstreut sind, scheint eine frühere Meeresbucht zu sein.

Der übrige Theil des von den Argentinern eroberten Gebietes ähnelt in seiner Beschaffenheit den sterilen Pampas, welche die westlichen Staaten einnehmen. Im Allgemeinen wird er gebildet von hartem lehmigem Sandboden, welcher nur dürre Leguminosen und mannichfaltige, riesengrosse Cactus-Arten gedeihen lässt; einzelne Strecken sind mit grauem Sande bedeckte, weite Ebenen, in welchen einige wenige, von den Winden häufig veränderte Dünen (Medanos) früher den Indianern und den Grenzjägern (Bomberos) als

Marke dienten; andere grosse Flächen sind im Sommer mit einer starken, bis zu 20 cm hohen Schicht ausgewitterten Salzes bedeckt. Über die ganze Pampa zerstreut giebt es zahlreiche Süss- und Salzwasserlagunen, welche allerdings zum grössten Theile während der heissen Jahreszeit austrocknen; die Süsswasserbrunnen (Jaguëles), welche während des ganzen Jahres Wasser enthalten, finden sich nur in grossen Entfernungen von einander. Unter diesen Lagunen ist weitaus die grösste der Urre Lavquen, das Mündungsgebiet der durch den Rio Atuel und Chadi Leuvu (Rio Salado) von den Abhängen der Cordilleren fortgeführten Niederschläge. Er bildet in der Regenzeit einen ungeheuren See, während er im Sommer zu einem grossen Salzsumpfe, dessen Ufer unpassirbar sind, zusammenschrumpft. Die Gewässer des Chadi Leuvu sind in dem unteren Laufe während des Sommers in Folge ihres starken Salzgehaltes selbst für Pferde ungeniessbar, stellenweise verschwindet dann auch das Wasser in der starken Mergelschicht, um einige Meilen weiter wieder zu Tage zu treten; im Winter aber wird er ein mächtiger, reissender Strom, welcher nicht nur die Gewässer des Rio Atuel, sondern auch die des nördlicheren Rio Diamantina und der Lagune Bebedero, sowie vieler sonst im Sande versiegender Pampasbäche aufnimmt. Nur an einigen Stellen sind seine Ufer mit Weidengebüsch bewachsen, fast überall sind sie kahl und unkenntlich.

Die

Am

Pflanzen- und Thierwelt ist hier bedeutend mannigfaltiger als in dem Patagonischen Entre-Rios, sie wechselt aber mit der sehr verschiedenartigen Bodenbeschaffenheit. Sandstrecken sind nur stellenweise mit Grasbüscheln bestanden, welche in der Regenzeit ein dürftiges Viehfutter abgeben; die Salzsteppen, welche im Winter grosse Salzlagunen (Salinas) bilden, sind gänzlich pflanzenarm. üppigsten gedeiht die Vegetation in der Umgebung der einzelnen Lagunen, welche fast regelmässig von dichtem Schilfröhricht (Cañadones) eingefasst sind; im Sommer stirbt das Schilf, wenn die Lagune austrocknet und das belebende Element fehlt, ebenfalls ab, während es mit dem Beginn der Regenzeit üppig aufzuschiessen beginnt. Dasselbe Schicksal theilen die Binsenwälder (Pajaneles), welche sich in jeder noch so geringfügigen Bodensenkung ausbreiten. Nur in der Umgebung der beständigen Süsswasserlöcher gedeihen gute Grasarten, darunter das zarte Pampasgras (Gynerium argenteum), welches den grössten Theil des Staates Buenos

Aires bedeckt und diesen dadurch so sehr zur Viehzucht geeignet macht. Ganz besonders finden sich diese fruchtbaren Stellen in den lichten Algarroben-Waldungen (Prosopis dulcis), in welche sich bisweilen wilde Äpfel-, Kirschen- und Quittenbäume verirrt haben; diese Waldungen schliessen bäufig ausgedehnte Grasflächen ein, welche vielen Tausenden von Rindern Nahrung liefern können, und so haben einzelne Viehzüchter schon begonnen, die Weideplätze ihrer Heerden über die alte Militärgrenze hinaus auszudehnen.

Wie die Pflanzenwelt, so wechselt auch die Thierwelt mit der Jahreszeit. Während man im Sommer viele Stunden weit über die ausgedörrte Pampa reiten kann, ohne ein Thier auf der Erde oder in der Luft zu entdecken, und erst bei der Annäherung an ein Süsswasserloch einige Guanacos, Strausse oder geschwätzige Staare bemerkt, ändert sich die Scene wie mit einem Schlage beim Eintritt des Regens. Rasch sind die ausgedehnten Röhrichte und Lagunen mit Wasser gefüllt und nun belebt sich Oberfläche und Ufer schnell, es wimmelt jetzt von Gänsen, Enten, Flamingos, Ibissen, Bekassinen und vielen anderen Vögeln; Guanacos, Pampashirsche und Strausse weiden die üppig emporschiessenden Gräser ab. In dieser Zeit stellten sich. früher die Indianer ein, um in den Algarroben-Waldungen ihre Heerden weiden zu lassen und dem Wilde nachzugehen. Durch die Vertreibung derselben ist auch dieses weite Gebiet der Colonisation erschlossen worden, der argentinische Vaquero schickt sich bereits an die verlassenen Territorien, welche die Regierung zum Theil bereits im Voraus verkauft hatte, zu besetzen, um dieselben in der einzig möglichen Weise, durch Viehzucht auszunutzen, wo die Bodenbeschaffenheit es nur irgend wie gestattet 1). H. Wichmann.

1) Unsere Karte, Tafel 5, ist im Wesentlichen eine Reduction der in Buenos Aires erschienenen officiellen Karte des Oberstlieut. M. J. Oloscoaga, welche die von den einzelnen Abtheilungen des Expeditionscorps zurückgelegten Routen zur Darstellung bringt. Die argentinische Regierung liess die Armee von einer wissenschaftlichen Commission, bestehend aus Prof. Dr. Lorentz von der Universität Cordoba, Dr. Schultz, Präparator Schultz und Assistenten G. Niederlein begleiten, welche gegenwärtig mit der Ausarbeitung des Reiseberichtes und der Bearbeitung des reichhaltigen wissenschaftlichen Materiales beschäftigt sind. Einen kurzen Überblick über die gewonnenen Resultate veröffentlichte G. Niederlein in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Erdkunde 1880, Nr. 9, S. 415; andere Berichte von Mitgliedern der Expedition finden sich im Boletin del Instituto Geografico Argentino.

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Die Fahrt des Dampfers „Oskar Dickson" zu den Mündungen des Jenissei im Jahre 1880.

Von A. Sibiriakoff.

Der Dampfer „Oskar Dickson", Capitain E. Nilson, segelte von Gotenburg am 28. Juli/9. August ab und kam in Hammerfest am 4./16. an, wo ich mich einschiffte, um mich von dort aus zu den Mündungen des Jenissei-Flusses zu begeben. In Vardö ergänzten wir unseren Kohlenvorrath und gelangten am 12./24. August nach Jugorski Schar; unsere Fahrt von Vardö bis Jugorski Schar dauerte etwas über 3 Tage. Wir ankerten in einem Hafen, wo eine kleine russische Ansiedelung und eine St. Nicolauscapelle sich befindet (Samoedby). Es dürften dortselbst einige zehn Russen sein: sie fahren alljährlich zu Ende Juni aus Pustozersk herüber, Behufs Ausbeute von Seekalbsfett, und kehren erst im Spätjahr zu Anfang October mit RenthierFahrzeugen zurück. Das ausgebeutete Fett wird grösstentheils in Tscherdyn, Gouvernement Perm, abgesetzt. Am nächsten Tage verliessen wir diesen Nicolaushafen, wenn man ihn so nach dem kleinen Flusse, in dessen Nähe er sich befindet, nennen will '), und kaum hatten wir die Meerenge hinter uns, als wir das Eis wahrnahmen. Der Eislinie folgend, gelangten wir bis in die Nähe des Vorgebirges Tolstoi 2), wo wir noch einmal den Meerbusen zu durchschneiden versuchten, aber leider vergebens. Capitain Nilson machte hierauf den Vorschlag, den Weg durch den Matotschkin Schar zu versuchen, welchen wir auch unverzüglich einschlugen. Durch die Karische Pforte, deren nördlicher Theil zugefroren war, segelten wir in's Atlantische Meer wieder herüber und gelangten am 18./30. August nach Matotschkin Schar. Nachdem wir diese Meerenge passirt, stiessen wir abermals auf Eis, und der Eislinie folgend, erreichten wir das Vorgebirge von Fünf Fingern 3); weiter zu fahren war unmöglich, da das Eis an die Ufer anschloss. Wir kehrten nach Matotschkin Schar zurück, ankerten in der Belushja - Bucht und verblieben dortselbst 3 Tage, bis zum 23. August/4. September, wo der heftige nordwestliche Seesturm sich legte. Ich schlug dem Capitain Nilson vor, einen abermaligen Versuch zu machen, indem ich voraussetzte, der Sturm habe nothwendigerweise im Eise eine für uns günstige Veränderung verursacht. Wir verliessen die Bucht) und segelten abermals in's Ka

1) Die Russen nennen diesen Ort einfach,,Jugorski Schar". 2) Zur Orientirung siehe Jahrgang 1879, Tafel 15. D. Red. 3) Nördlich von Matotschkin Schar an der Ostküste von Nowaja Semlja in 74° N. Br. D. Red.

4) Capitain Nilson maass dieselbe im kleinen Kutter ab und verzeichnete auf der Karte die Tiefe derselben und die der angrenzenden Bucht (s. die Aufnahme der Belushja-Bucht und Meta- Bai durch die Rosenthal'sche Expedition von 1871 in Peterm. Mittheilungen, 1872, Tafel 4. D. Red.).

rische Meer ein. Anfangs liess sich eine bedeutende Veränderung am Eise bemerken, es zog sich nämlich viel weiter vom Ufer zurück. Indem wir somit der angenommenen Regel gemäss die Eislinie als unseren Wegweiser gelten liessen, verfolgten wir sie gegen Norden und spähten, ob sie nicht irgendwo durchbrochen sei und uns einen Durchgang zu der Mündung des Jenissei frei lasse. So gelangten wir nordwärts bis zum Vorgebirge Middendorf 1), wo das Eis wiederum an das Ufer anschloss, und der heitere Himmel auf das Vorhandensein des Eises bis zu einer bedeutenden Entfernung gegen Norden schliessen liess. Es blieb Nichts zu thun übrig, als zurückzukehren. Den 28. August/9. September schickten wir uns bereits an, vom Matotschkin Schar in's Atlantische Meer hinüberzufahren, als wir am nördlichen Ufer der Meerenge ein Kreuz mit russischer Flagge bemerkten. Capitain Nilson begab sich an das Ufer und fand unter dem Kreuze eine Flasche, in der sich ein in deutscher Sprache geschriebener Brief folgenden Inhaltes befand: „Die Jenissei-Expedition, ausgerüstet von L. Knoop, Petersburg, bestehend aus den Dampfern ,,Luise", Capt. Burmeister, und Schleppraddampfer,,Dallmann", Capt. Dallmann, ankerte hier auf der Reise von Bremen nach dem Jenissei am 10. August (n. St.) 1880; fanden die Strasse eisfrei, jedoch den Ausgang in's Karische Meer mit Eis verschlossen, verliessen diese Strasse am 12. August wieder, um Nowaja Semlja nordwärts zu umgehen. Ed. Dallmann, Ed. Burmeister, den 11. August 1880".

Am 30. August/11. September kamen wir nach Jugorski Schar zurück und machten im Nicolaushafen Halt. Zwei Stunden vorher begegneten wir dem Schiffe „Nordland", Capitain Arnesen, welches ich in Norwegen nach den Mündungen des Jenissei verfrachtet hatte.

Am 7./19. September lief in den Hafen der Dampfer ,, Neptun", Capitain Rasmussen, ein, der vom Ob kam, am Vorabend des Tages, an welchem wir einen neuen Versuch, von der Jugor-Strasse nach den Mündungen des Jenissei zu fahren, unternehmen wollten.

Wir verliessen den Meerbusen und den ,,Neptun" am 8./20. September, nachdem wir ,,Nordland" in's Schlepptau genommen hatten. Die Fracht des ,,Nordland" bestand hauptsächlich aus Kohlen und Salz, der grössere Theil davon wurde jedoch zur Zeit unseres Verweilens im Jugorski Schar auf den Dampfer überladen, während auf dem „Nordland" nur so viel blieb, als für den Ballast unumgänglich

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Die Fahrt des Dampfers ,,Oskar Dickson" zu den Mündungen des Jenissei im Jahre 1880.

nothwendig war. Fast im vollen Laufe durchschnitten wir nun den Karischen Meerbusen in der Richtung nach dem entgegengesetzten Ufer; je weiter wir nordwärts vordrangen, desto weniger Eis fanden wir vor, und als wir uns dem östlichen Ufer des Meerbusens näherten, war Eis gar nicht mehr zu sehen '). Frisches Eis trafen wir erst in der Nähe der Weissen Insel (Bielyj Ostrow), obwohl das Wasser längs des nördlichen Ufers von Jalmal sich mit sogenanntem,,Eisfett" überzog.

In der Nacht vor dem 11./23. September, als wir uns bereits am Vorgebirge Matte-Sale befanden, stiessen wir unverhofft auf ein frisches dichtes Eis. Den Tag und die. Nacht des 11./23. September verbrachten wir mit Laviren inmitten des Eises bei einem ziemlich heftigen nordwestlichen Winde, welcher ohne Zweifel nicht ohne Einfluss auf unseren Curs blieb 2).

Am Morgen des 12./24. September, als wir bereits beschlossen, in den Ob 3) abzufahren, falls sich kein Durchgang zum Jenissei finden lasse, bemerkte der in dem Mastkorbe befindliche Matrose auf der Westseite ein Festland. Beide Capitains sahen dieses Land für das Vorgebirge Matte-Sale und für das westliche Ufer des Jenissei-Busens an; in der Nähe des Ufers zog sich ein offener Wasserkanal hin, dem wir folgten.

Vier Stunden später trat ein Festland auf der anderen Seite in Sicht, das die Capitains für die Sibiriakoff-Insel nahmen. Gegen Abend stiessen wir mit beiden Fahrzeugen auf eine Sandbank ) und in der Nacht fror das uns umgebende Eis zusammen. In diesem Zustande verblieben wir bis zum 30. September/12. October. Während dieser Zeit trafen wir Vorbereitungen zur Überwinterung; wir legten die Maschine des Dampfers auseinander, richteten Winterwohnungen ein, wägten den Proviant ab u. dergl. Im Laufe dieser Zeit machten die Capitains Nilson und Arnesen eine Excursion auf das Ufer, und stellten dort eine Säule auf mit der russischen Flagge und einer Inschrift. Sie begegneten auf dem Ufer einem Samojeden im Schlitten, leider ohne von ihm erfahren zu können, WO seine Jurte sich befände. Einige Tage später begab ich mich auch mit einem Theil der Schiffsmannschaft an das

1) Nach den Aussagen der Russen im Jugorski Schar wird von ,,Scharapowy Koschki" an gegen Norden hin kein Eis vorgefunden; die ganze Schwierigkeit der Communication im Karischen Meere concentrirt sich auf die Strecke vom Jugorski Schar bis zu diesem Punkt.

2) Nach den von den Capitains gemachten Beobachtungen befanden wir uns an jenem Tage etwas südwestlich vom Vorgebirge Matte-Sale. 3) Später erfuhr ich, dass zu der Zeit das Eis bereits bis Nadym im südlichen Theil des Obischen Busens reichte.

") Das Fahrzeug,,Nordland", welches einen Tiefgang von 8 Fuss hatte, blieb fast in derselben Tiefe stecken; Oskar Dickson", dessen Tiefgang etwa 11 Fuss betrug, lief in einer Tiefe von 10 Fuss auf. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft III.

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Ufer, aber auch dieses Mal sahen wir von der Anhöhe nur Renthiere in weiter Ferne, ohne die Jurten der Samojeden zu finden. Wir waren bereits Willens, eine besondere Fusspartie nach Dudinka (am Jenissei) vorzubereiten, als in der Nacht vor dem 30. September/12. October sich ein sehr heftiger Wind aus SSW erhob; auf dem uns umgebenden Eise liessen sich am Morgen Risse bemerken, und bald darauf setzte sich dasselbe in Bewegung. Es zeigten sich bald unter uns bei 4 Klafter Wasser. Wir liessen uns vom Eise gegen NO hintragen, bis am nächsten Tage gegen Abend beide Fahrzeuge stehen blieben, ,,Nordland" inmitten eines harten unbeweglichen Eises auf einer Tiefe von 3 Klafter,,,Oscar Dickson" in der Nähe des offenen Wasserkanals auf einer Tiefe von 2 Klafter. Wir beschlossen, die Maschine wieder zusammenzusetzen, uns aus dem Eis herauszuarbeiten und wo möglich gegen Süden vorzudringen. Am 4./16. October nahmen wir die Mannschaft von ,,Nordland" auf den Dampfer und setzten uns mittels des Dampfes in Bewegung, indem wir uns in dem offenen Wasserkanal hielten. Seine Tiefe wechselte zwischen 6 und 8 Klafter und zeigte sich jedes Mal seichter, so oft wir unseren Curs gegen Osten hielten. Einige Male mussten wir 21-3 Zoll dicke Eisengen durchschneiden, was beim vollen Laufe des Dampfers ziemlich gut von Statten ging. Endlich am Abend des 7./19. October, nachdem wir uns von dem Orte, wo wir den,,Nordland" zurückliessen, auf etwa 100 Werst gegen Süden (SSW) entfernt hatten, erblickte der Capitain Arnesen vom Mastkorbe ein Festland sowohl an der Westals an der Ostseite; näher war das westliche Ufer. Das Fahrwasser wurde seichter und der offene Wasserkanal selbst nach und nach enger. Dabei erwiesen die von uns gemachten Proben, dass das Wasser immer weniger salzhaltig wurde. Wir beschlossen, einen Ort für den Winter wo möglich in der nächsten Nähe des Ufers auszusuchen und daselbst zu ankern. Wir machten Halt auf einer Tiefe von 4 Klafter, 11⁄2 Werst weit vom Ufer, am Rande des Eises, welches sich daran anschloss.

Am folgenden Tage begab sich der Capitain Nilson mit einem Theile der Schiffsmannschaft an das Ufer, und kaum erreichten sie es, als sie Samojeden begegneten, die, wie es sich später herausstellte, den Dampfer bemerkt und sich ihm genähert hatten. Es waren drei erwachsene Männer und ein Knabe auf fünf Schlitten. Wir luden sie auf den Dampfer ein und ich machte ihnen den Vorschlag, uns nach Obdorsk zu fahren. Sie gingen darauf ein, wollten aber nicht mehr als drei Mann mit nach Obdorsk nehmen. Ich und die Ingenieure der Motalischen Fabrik Frazer und Sengolm machten uns noch denselben Tag mit Samojeden auf den Weg, indem wir Nahrungsmittel für mehr als 50 Tage mitnahmen. Erst den 11./23. December

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Die Fahrt des Dampfers „Oskar Dickson" zu den Mündungen des Jenissei im Jahre 1880.

kamen wir in Nadym 1) an, wo eine hübsch eingerichtete Wohnhütte und die Speicher des Tobolskischen Kaufmanns A. S. Cholin sich befinden. Der Wirth selbst mit seiner Frau waren zugegen, und sein Bruder J. S. Cholin sollte am nächsten Tage zurück nach Tobolsk fahren; wir kamen überein, unsere Samojeden daselbst zu lassen und mit ihm zu fahren. Am folgenden Tag traten wir den Weg an auf den Leichten"; vordem fuhren wir mit einem Paar Renthieren, jetzt wurden an jeden Schlitten je zwei Paar angespannt. In Obdorsk kamen wir am 17./29. December an, d. h. am 70. Tage, seitdem wir unseren Dampfer verliessen. Von Obdorsk aber fuhren wir schon mit Post auf der Chaussée nach Tobolsk und erreichten dieses am 30. December/11. Januar Abends.

In Obdorsk schloss ich mit einem Syränen Namens Koneff einen Contract, zu Folge dessen er einen von den Samojeden, die uns hierher gebracht, zum Wegweiser nehmen und sich unverzüglich auf den ,,Leichten" zu dem Dampfer begeben sollte. Koneff verpflichtete sich, in möglichst kurzer Zeit auf 15 Schlitten einen Theil der Schiffsmannschaft, jedoch nicht unter 10 Mann, vom Dampfer hierher zu bringen. Ausser warmen Kleidungsstücken für die gesammte Schiffsmannschaft wurde Nichts abgesandt. Unsere Reise vom Dampfer bis Nadym hatte etwa 2 Monate gedauert, aber Reisetage waren darunter nur 40; an den übrigen Tagen reisten wir nicht wegen des Unwetters oder um die Renthiere ausruhen zu lassen, und an Reisetagen legten wir durchschnittlich, scheint es, nicht mehr als 15 Werst zurück, da wir meistentheils im Schritt fuhoft Halt machten und unsere Tagereisen nicht länger als 6-7 Stunden fortsetzten 2). Koneff dagegen hoffte den Dampfer in zwei Mal kürzerer Zeit zu erreichen. Ausserdem bedang ich einen Lieferanten, Iwanoff, welcher abgesondert von Koneff, mit eigens hierzu gemietheten Renthieren ebenfalls zum Dampfer mit Nahrungsmitteln fahren sollte, wenn auch ein Mangel daran auf dem Dampfer, wenn sich die Mannschaft auf die Hälfte verringerte, selbst für eine längere Zeit nicht zu befürchten war. Iwanoff sollte dort die ganze Zeit bis zur Eröffnung der Schifffahrt verbleiben.

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Auf dem Dampfer giebt es jedenfalls bei ziemlich ge

1) Am 6./18.December, 70 Werst vor Nydy, begegneten wir zum ersten Mal vier Russen. Es waren Schiffsleute vom Fahrzeug des Herrn Trofimoff, welches in der Nähe jenes Ortes auf eine Sandbank gestossen war. Die Russen bauten sich auf dem Ufer eine Hütte und werden deselbst bis zur Eröffnung der Schifffahrt verbleiben. Wir haben ihnen die Ergänzung unserer Vorräthe zu verdanken.

2) Eine Ausnahme machten die Tage, an denen wir die Bucht von Wazow Nydy und die Mündungen des Nadym-Flusses passirten. An diesen Tagen fuhren wir mit Renthieren in leichtem Trab, beiläufig 8 Stunden lang täglich. Schneller ging's auch seit der Zeit, als wir den Obischen Busen am Vorgebirge,,Powovotny" erreicht hatten.

nauer Haushaltung Nahrungsmittel genug für einige Monate. Was das Brennmaterial anbelangt, so findet sich in seiner Nähe am Ufer Treibholz in Fülle vor und es blieben ausserdem auf dem Dampfer noch einige Tonnen Steinkohlen zurück.

Während der ganzen Zeit unserer Reise vom Dampfer nach Obdorsk herrschte warmes Wetter; Ausnahme machten etwa 3 bis 4 Tage in den 20er Tagen des November; es ist wohl möglich, dass der heurige Winter zu den Ausnahmen gehört. Es ist übrigens schwer, etwas Positives von den Winter-Kältegraden an dem Obischen Busen anzugeben. A. S. Cholin theilte mir mit, dass nach seinen Beobachtungen, die er im Laufe von drei Jahren zu Nadym machte, im Winter überhaupt Südwinde, vom Mai an aber Nordwinde wehen; es ist sehr wahrscheinlich, dass dieselben ihren Einfluss auf die Temperatur der Orte ausüben, welche in der Nähe des Karischen Meeres liegen.

Je mehr wir aber uns Obdorsk näherten, je kälter wurde es.

Nach den Beobachtungen der Capitains befand sich der Dampfer unter 72° N. Br. beim westlichen Ufer des Meerbusens vom Jenissei. Genaue Beobachtungen konnte man wegen der Refraction und des düsteren Wetters nicht an. stellen. Nach den Aussagen der Samojeden, mit denen wir uns mit Hülfe eines Dolmetschers unterredeten, soll sich der Dampfer,,Oskar Dickson" diesseits des Vorgebirges MatteSale 1) befunden haben, in dem Meerbusen, den sie,,Gyda" nannten, und der nicht dem Jenissei, sondern dem Ob. Flusse angehören soll. Unweit vom Dampfer soll sich ein grosser Fluss in den Meerbusen ergiessen, welcher bei der Mündung und über 30 Werst aufwärts 3-4 Klafter tief ist.

Insofern ich zum ersten Mal das Karische Meer beschiffte, kann ich bezüglich der Fahrt darin nur Meinungen von Leuten anführen, die mit diesem Meere wohlbekannt sind. Die besten Durchgänge zu den Mündungen des Ob und Jenissei sind Jugorski Schar und die Karische Pforte (in der letzteren giebt es Sandbänke, die auf der Karte nicht verzeichnet sind). Hierher nimmt ihre Richtung auch die Strömung des Atlantischen Meeres, welche allem Anscheine nach das Eisbrechen befördert. Das Eis, welches wir im Karischen Meerbusen vorfanden, war verschieden von dem jenigen, welches im Matotschkin Schar und weiter gegen Norden zu sehen war; das erstere ähnelte dem Eise grosser Flüsse zur Zeit des Eisganges, das letztere stellte förmliche Eisfelder vor, die sich in unterbrochener Kette sehr weit hinzogen.

1) In der Samojeden-Sprache: Matù-Salé.

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