Page images
PDF
EPUB

roth gebänderter Quarz und viel Glimmer vorfinden. Bei Hochwasser ist jedenfalls die ganze Örtlichkeit mit Wasser bedeckt. Der Fels selbst ist ein äusserst fragiles, graues Gestein, nach allen Richtungen zersprungen und zerklüftet, so dass man grosse Stücke mit der Hand ausheben kann. Die Innenfläche solcher ist von ockrig gelber Farbe, theilweise mit bitter schmeckenden, weisslichen Efflorescenzen überzogen, die auch auf den umherliegenden Steinstücken in Menge sich finden. Aus allen Fugen und Rissen quillt hier ein völlig klares, gelbliches, stark nach Schwefelwasserstoff riechendes und schmeckendes Wasser hervor, welches hineingehaltenes Silber schwärzlich beschlägt. Seine Temperatur war an einer Stelle 46° C., an zwei anderen, nahe dabei, 53,5° C., während das nahe Seewasser 29,0° zeigte und die Aneroïd-Ablesung (11 Uhr Vormittags) 703,5 mm bei 27,5° Lufttemperatur ergab. Das Gestein ist bis zur Höhe von 11⁄2 m über dem Boden sehr heiss, und ein genähertes Thermometer erhob sich sofort zu 38,0° C. Eigentliche Sedimente, sowie thierisches Leben waren nicht zu gewahren, dagegen lag auf Steinen, über welche das heisse Wasser floss, eine Art schleimigen, weissen Überzuges. Gesteins-, sowie Efflorescenzen-Proben wurden zur Untersuchung mitgenommen. Viele blühende Euphorbien, zwei kleine wilde Dattelpalmen und viel Bambus wuchsen nahe dabei.

Es mag mir erlaubt sein, hier einige Worte über die heissen Quellen dieses Landes zuzufügen. Es sind mir deren vier bekannt, und zwar sind sie sämmtlich Schwefelthermen. Von Norden nach Süden gehend, findet sich die erste westlich von Ladò, nicht fern von der Strasse, welche von Niambara nach Makraka führt. Sie heisst Rillek und ist von Dr. Junker besucht und untersucht worden. Die nächste, von den Madi,,Amruppi" geheissen, sehr mächtige und sehr heisse (69°) Schwefelquelle liegt am Nordwestabhange des Djebel Labilla oder Abu Ssála von Dufilé aus ONO. Sie ist, wie es scheint, intermittirend oder wechselt ihr Wasserquantum doch sehr bedeutend. Nahe dabei liegt eine zweite Quelle, die kochendes Wasser zeigt. Die dritte, ebenfalls warme Quelle (56°), liegt im Schúli-Lande 2 Tagemärsche von Fatiko nach SW zu. Sie ist geringer als die vorhergehenden. Ausserdem wurde mir noch von sehr heissen Quellen in einem Lande gesprochen, das etwa 12 Tagemärsche nach O und SO von Fatiko liegt und von den Leuten als „,Turkánj" bezeichnet wurde. Es ist diess dasselbe Land, aus welchem mir Kameele zugeführt wurden, die jetzt noch hier leben. Die Quelle soll ein tiefes kreisrundes Bassin im Felsen bilden.

Weiter am Berge hindampfend, wo nun ein nicht breites Vorland sich entwickelt, passiren wir höhere und höhere Berge, hinter deren Gipfeln hin und wieder solche einer Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft I.

Parallelkette sichtbar werden; mehrere grosse Dörfer mit weit ausgedehnten Sorghumfeldern liegen auf den Höhen. Ein hoher, zweigipfeliger Berg führt zu den höchsten Erhebungen, wohl 3000 F. über dem See, und nachdem wir noch eine Zeit lang dem nun breiter werdenden Vorlande gefolgt, landen wir um 1 Uhr 24 Min. Nachmittags in Mahagi (Mason's). Die ganze Fahrdauer von unserer Station bis hierher beträgt 4 Stunde, wovon 20 Minuten auf die Umfahrung der oben erwähnten Untiefe abzurechnen sind. In etwa 3 m Wassertiefe wurde in einer Art Bucht geankert. Die Wassertiefe auf unserer Fahrlinie wechselte zwischen 6 und 15 m. Im Ganzen scheint die Westseite des Sees in der Hebung begriffen, wenn nicht gar der ganze See stetig kleiner wird. Ein ziemlich breiter Landstreif, mit feinem Quarzsande bedeckt, umgürtet die kleine Bucht. Keinerlei Conchylien finden sich hier, wie auch in Station Mahagi solche selten waren, während die Ostseite des Sees an manchen Orten, wie Ronga und Kibiro, mit Univalven und seltener Bivalven förmlich übersäet ist. Dafür finden sich hier um so häufiger Eierschalen von Krokodilen, die im See recht zahlreich sind. Hohe, mit vielem Gras bestandene Hügel bilden die Vorstufe zu den Bergen, welche gegen Süden zu ganz imposante Formen annehmen. Zwischen den Hügeln finden sich weite Bananenwälder; in ihnen stehen vereinzelt prachtvolle Sycomoren mit grossen, gut essbaren Früchten, auf deren einem ich das Glück hatte, ein Exemplar der seltenen Treron nudirostris zu erlegen. Unbekannt und neu für mich war ein stattlicher Baum mit genau den Hagebutten ähnlichen, etwas grösse. ren, süssen Früchten, die im Innern einen länglichen Kern enthalten. Diese werden von Vögeln und Insecten gefressen. Grosse Rohrwälder umsäumen die Wasserläufe, hie und da zeigen Felder von Sesam und Sorghum, dass die Bewohner nicht weit entfernt sind. Dioscorea alata findet sich hier cultivirt, auch Rotang ist nicht selten. Die Sprache der Leute ist das Lúri. Auf meine Frage, wie der See heisse, wurde mir geantwortet: Nám madduóng (grosses Wasser); der Name ,,Mwutan - Nzige" ist nur in Unyóro gebräuchlich und wird selbst in Uganda kaum verstanden.

Um 4 Uhr Nachmittags wurde die Rückfahrt angetreten und um 8 Uhr 38 Min. Nachmittags die Station erreicht. Am nächsten Morgen schon musste, da amtliche Geschäfte mich nach Norden riefen, dieses interessante Land verlassen werden. Dicht am Ufer haltend, hinderte auch heute der Nebel ein erspriessliches Arbeiten. Viele grosse Boote, von 2-6 Schaufelrudern getrieben, wurden überholt. Um 11 Uhr Vormittags befanden wir uns gegenüber der Einmündung des Victoria-Nil und fuhren etwa eine halbe Stunde später in den eigentlichen Fluss ein. Auch heute waren seine Ufer durch zahlreiche Antilopen-Heerden

2

belebt. Ein sehr langer und spitzflügliger kleiner Falke, oben dunkelgrau, unten weiss, flog hier paarweise, vielleicht Chelidopteryx Riocourii. Um 4 Uhr 55 Min. Nachmittags wurde südlich von Wádelaï zur Nacht gehalten. SorghumFelder und viele Dörfer, aus denen man sofort Holz zum Verkaufe brachte, waren hier bemerkbar. Am auffälligsten und unnützesten war ein Mann, der einen kleinen, früher von mir an Wádelaï's Bruder gegebenen Spiegel, an einem gekrümmten Stock aufgehangen, als Trophäe umhertrug und durch den Sonnenreflex alle Welt genirte. Sechs Tagemärsche von hier nach Westen soll man auf ein grosses, westlich fliessendes Wasser kommen. Es heisst Uáï.

Da die eigentlich durch Dr. Junker's Reise schon entschiedene Frage nach einem Abflusse von hier nach Westen von anderer Seite immer noch verfochten wird, gingen wir von hier nach Bora, wo ein Chef wohnen soll, der diesen westlichen Chor kennt. Nachdem dieser, Libba genannt, aufgefunden und durch kleine Geschenke zur Führung gewonnen worden, wurde der Fluss gekreuzt; als wir jedoch an der von ihm bezeichneten Stelle anlangten, fanden wir nur eine weite Einbuchtung ohne jeden Ausfluss vor. Da erbot sich ein Dongolani, uns zu leiten und führte uns etwa 3 engl. Meilen flussabwärts bis zu einer enormen Papyrus-Wand, die uns als Abflussstelle bezeichnet wurde. Nahebei, etwas südlich, liegt ein kleines Madi-Dorf, wo wir anlegten, aber die Leute entflohen und waren nur nach vieler Mühe zur Annäherung zu bringen. Als ich ihren Chef, einen jungen Mann von etwa 18 Jahren, bat, mich zu dem Chore zu führen, war er dazu bereit, unter der Bedingung, dass ich unbewaffnet mit ihm gehe, und so ging es denn vorwärts; leider war es schon sehr spät geworden. Nach ca 3 km Marsch durch hohe Gras- Djungel sahen wir vor uns in anderen 2-3 km Entfernung ein von ONO nach WSW in grossem Bogen ziehendes Sumpfbett von 1-11 km Breite völlig durch Pflanzenwuchs geschlossen. An den Seiten enorme Papyrus-Wucherungen, in der Mitte anscheinend Gräser und Rohr; nur hie und da wurde eine kleine Wasserfläche sichtbar. Nach Aussage der Neger soll dieser Wasserlauf weit in's Land hineingehen, weiter oben aber zu Fusse passirt werden können. Der Eindruck, den er auf mich machte, ist der eines alten Flussbettes oder eines

versumpften Altwassers. Der Madi-Name ist „Lárrogoi". Gerade mit Sonnenuntergang kehrten wir zum Dampfer zurück. Um viele Felder waren niedere Strohzäune geführt, um sie gegen das Wild zu schützen. Elephanten sollen sehr zahlreich sein. Auf Gerüsten hingen mächtige Fische zum Trocknen.

Eine mehr als viertelstündige Fahrt brachte uns von hier zur Meschra es-Séïd, wo der Leute wegen übernachtet wurde, und am nächsten Morgen um 11 Uhr langten wir nach durch starken Wind sehr verzögerter Fahrt wieder in Dufilé an.

Der kurze Aufenthalt hier war zunächst der Sammlung und Zusammenstellung eines Vocabular der Madi-Sprache gewidmet, die allen hier gesprochenen Sprachen völlig fern steht, dagegen entschiedene Verwandtschaft mit den Makraka-Sprachen zeigt. Zu sammeln war nicht viel, da in der Nähe der Station Alles niedergebrannt war und überhaupt kein Wald und nur sehr vereinzelte Hochbäume daselbst existiren. Chef Abu Nachra von der Westseite des Flusses gab mir interessante Notizen über die Madi-Stämme und bestätigte meine Vermuthung, dass Chor Lárrogoi nur ein Altwasser sei, vollständig.

Von Dufilé aus schlugen wir zur Vervollständigung früherer Aufnahmen einen neuen Weg ein und gingen über Djebel Labilla nach Fatiko und Fauvéra, Routen, die anderweit bereits erwähnt wurden. Von Fatiko aus waren bereits Communicationen mit der neuen Station Wádelaï eröffnet worden und erhielt ich Briefe von dort in 2 Tagen. Der Weg ist: Fatiko-Djebel Nurvira (Dj. el Adjúz) 5—6 Stunden; Djebel Nurvira-Fagáhk 6 Stunden; von hier zum Flussrande 2-3 Stunden.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small][merged small]

11

I.

Erkundigungen im äquatorialen Ost-Afrika.

Von Clemens Denhardt. Zeitz, September 1880.

(Mit Karte, s. Tafel 1.)

Das 1. Heft des Jahrganges 1877 dieser Zeitschrift brachte eine Nachricht über mein Forschungsunternehmen. Seither ist von demselben nichts wieder laut geworden, oder es gelangten doch nur incorrecte Angaben darüber an die Öffentlichkeit, welche zu widerlegen es mir an Zeit und Neigung mangelte; überhaupt unterblieben bezügliche Publicationen auf meine an betreffenden maassgebenden Stellen geäusserten Wünsche, weil Veröffentlichungen meinen Angelegenheiten mehr Schaden als Nutzen gebracht hätten; nach Abschluss der Reise aber war ich lange Zeit leidend und zu Arbeiten solcher Art unfähig.

Meine erste, wenn auch nur oberflächliche Andeutung über den Verlauf des Unternehmens gebe ich in diesen Blättern, weil diess mir als eine Pflicht erscheint gegenüber dem Andenken des Prof. Dr. A. Petermann, des Begründers dieser Zeitschrift, welcher mit ausserordentlicher Liebenswürdigkeit die erste Förderung meiner Angelegenheiten durch sein gewichtiges Urtheil und seine weitgehenden Beziehungen eintreten liess. Diese erwarben mir Interesse und Unterstützung hochherziger, vermögender Männer und weitsehender Vereine, denen an Erweiterung des Wissens und des Verkehrs liegt. So ward bei meinen eigenen geringen Mitteln in aller Stille die Ausführung des Geplanten in bescheidener Weise ermöglicht, ohne Unterstützung einer Regierung. In einem späteren eingehenden Reiseberichte werde ich das Zustandekommen des Unternehmens, unter Nennung der gütigen Förderer desselben und unter Abstattung meines Dankes, darlegen.

Der um die Geographie Ost-Afrika's so sehr verdiente Dr. Otto Kersten nahm in wirklich aufopfernder Weise sich seit dem Jahre 1875 meiner an; er bereitete mich speciell für meine Aufgaben vor und plante und berieth mit mir, auf Grund seiner eigenen reichen Erfahrungen, alle Theile der Unternehmung; ihm allein ist zu danken, dass dieselbe bei bescheidensten Mitteln so gut vorbereitet war, wie wohl wenige ähnliche unserer Zeit, und dass sie Erfolge erzielte!

Anfänglich war Untersuchung und Festsetzung am Juba geplant, an welchem Freiherr C. Cl. von der Decken und seine unerschrockenen Gefährten für die deutsche Forschung mit ihrem Leben eintraten; dann aber ward der Plan auf den Tana übertragen, weil nicht zu bezweifelnde Nachrichten über gänzliche Änderung der socialen Verhältnisse an jenem Strome diess nothwendig erscheinen liesund auch über die Zustände in den Ländern an

sen;

diesem Flusse liefen beachtenswerthe Berichte und Meinungen ein, welche den von R. Brenner gegebenen, dem Project Anfangs zu Grunde gelegten Schilderungen der dortigen Zustände gänzlich widersprachen. Bei solcher zweifelhaften Sachlage wäre Festhalten am ursprünglichen Plane unverantwortlich gewesen; als das Naheliegendste, Nothwendigste drängte sich daher eine Untersuchung des Tana und Feststellung der dortigen Völkerverhältnisse auf. Das ward denn auch nach Kräften vollzogen, um die nothwendige, sichere Grundlage zu schaffen für spätere Unternehmen wie das ursprünglich geplante.

In Gemeinschaft meines Bruders Gustav und des uns befreundeten Dr. med. G. A. Fischer aus Barmen vollzogen sich die beregten Untersuchungen.

Durch den Bau von Instrumenten und durch Weiterführung der Vorbereitungen schob sich meine und meines Bruders Abreise von Deutschland bis zum 19. December 1877 hinaus, während Dr. Fischer etwa ein Jahr früher dieselbe antrat, um zur Klärung der uns zunächst interessirenden Thatsachen durch eigene Umschau beizutragen.

Die Herren Gebrüder Heinrich und Ludwig Hansing in Hamburg, Inhaber der dortigen grossen Firma Hansing & Co., gewährten in liebenswürdigster Weise unentgeltliche Beförderung unserer Personen und unseres Gepäckes nach Sansibar und zurück mit ihren Schiffen ,,Amanda und Elisabeth" und „Suaheli", und liessen uns durch ihre Vertreter in Sansibar ungemein werthvolle Beihülfen mancher Art während unseres Aufenthaltes dort und der Dauer unserer Reisen zu Theil werden, Beihülfen, ohne welche wir schwerlich unseren Zielen so leicht und schnell nahe getreten wären.

In Sansibar trafen wir mit Dr. Fischer zusammen, der inzwischen von dort aus den ,,Sultan von Wito" besucht hatte, welcher uns nach R. Brenner's Berichten am nächsten stehen sollte. Dort fand Fischer fast durchgängig das Gegentheil der früheren Angaben, und es zeigte sich, wie recht wir gethan, den ursprünglichen Plan nach den uns gewordenen ernsten Bedenken zu ändern.

Reisevorbereitungen und ein Ausflug nach der am afrikanischen Festlande belegenen grossen katholischen Mission Bagamojo, deren Mitglieder uns dazu veranlassten und äusserst gastfreundlich aufnahmen, beschäftigten uns bis zum 23. Mai 1878, an welchem Tage wir von Sansibar zur Lösung unserer Aufgaben aufbrachen.

Eine wenig angenehme dreitägige Seefahrt auf einer ge

brechlichen arabischen „Dau" führte uns nach Malindi. Dort verweilten wir wegen heftiger Regen bis zum 20. Juni und gingen dann, mehrere Tage in Mambrui und Gallitja uns aufhaltend, über diese Orte, das zwischenliegende Gongoni und das später folgende Maräräni, an der Küste entlang bis Kipini am Osi. Von Kipini aus betrieben wir den Ankauf der erforderlichen Tauschwaaren und die Beschaffung von Kähnen zur Fahrt auf den Flüssen Osi und Tana. Diese Vorbereitungen und der verschmitzte arabische Befehlshaber von Kipini und Kau, Said ben Ali, hielten uns vom 5. Juli bis 8. August in Kipini. An jenem Tage fuhren wir den Osi hinauf bis Kau; aber auch diese Übersiedelung nach dem Wohnorte des gefürchteten, mit uncontrolirter Gewalt schaltenden Vertreters des Sultans von Sansibar störte fast gar nicht die Intriguen, durch welche er uns von der Reise nach dem Innern abzuhalten gedachte. Mit Umgehung Said ben Ali's beschafften wir nun durch unsere Leute die nöthigen Kähne aus Orten weit oberhalb von Kau und konnten dann endlich am 27. August dasselbe verlassen. Vom Osi fuhren wir durch den Belesoni in den Tana ein, nach sieben Tagfahrten Munjuni erreichend. Zuvor bereitete uns Said ben Ali jedoch noch zwei kürzere Aufenthalte in Ngao und Engatana, insofern auf seine Veranlassung hin die in der Umgegend von Kau sesshaften Bararetta-Galla zur Forderung hohen Tributes daselbst mit uns verhandelten. Diese Verhandlungen wurden friedlich erledigt, und dann unterblieben weitere Belästigungen.

In Munjuni erwarteten wir Waarenzufuhr aus Lamu, resp. Kau, und setzten dann ungehindert unsere Untersuchungen bis Massa fort, dem von Munjuni acht Tagfahrten entfernten Hauptorte des Districtes Malakote. Hier schlossen wir am 10. November das weitere Vordringen ab wegen der zur Neige gehenden, äusserst schwierig zu ersetzenden Tausch waaren.

Mit meinem an Dyssenterie schwer erkrankten Bruder kehrten wir in Eilfahrten nach Tjarra zurück; ich untersuchte von dort aus den Tana bis zum Meere und brachte dann meinen Bruder, über Kau und Kipini, zur See nach Malindi und von dort mittelst einer anderen „Dau" über Mombasa nach Sansibar. Wir trafen am 3. December 1873 in Sansibar ein, Dr. Fischer dagegen erst einige Wochen später, weil er sich der Jagd halber noch einige Tage in Kau aufhielt.

Meine durch starke Fieber geschädigte Gesundheit kräftigte sich in Sansibar, so dass ich vom 8. April bis 28. Mai 1879 die Umgegend von Mombasa, Ribe und Rabai freundlichst aufgenommen und unterstützt von den dortigen englischen Missionären sowie Theile der Küste bis hinab zum Pangani trianguliren konnte; mein Bruder aber

[ocr errors]

musste zur Heilung seines Leidens am 7. März die Heimreise nach Deutschland antreten. Dr. Fischer widmete sich in Sansibar ärztlicher Praxis, und da auch ich meine Arbeiten als abgeschlossen ansehen durfte, begab ich mich am 1. Juni 1879 ebenfalls nach Deutschland zurück.

Während unserer Reisen erfuhren wir von Eingeborenen niemals Belästigungen, abgesehen von den uns durch Said ben Ali und den von ihm aufgehetzten BararettaGalla in Ngao und Engatana bereiteten. Überall wurden wir freundlich und zuvorkommend aufgenommen und in unseren Arbeiten nach jeder Richtung hin nicht nur nicht gehindert oder misstrauisch beobachtet, sondern sogar gefördert. Wapokomo und Wagalla ersuchten uns an allen Orten dringend, bei ihnen uns niederzulassen, weil sie gefunden, dass mit weissen Männern besser zu verkehren sei als mit Mohammedanern, deren rücksichtsloseste Bedrückungen sie stillschweigend ertragen müssen.

[ocr errors]

,,Abenteuer" und Gefahren bestanden wir unter friedliebenden, entgegenkommenden Menschen nicht: wir reisten so sicher und ruhig, wie es nur irgend daheim unter geordneten Verhältnissen geschehen kann. Bei solcher Sachlage vermochten wir uns mit aller Hingebung unseren Aufgaben zu widmen, welche neben den allgemeinen Studien im Besonderen für Dr. Fischer in zoologischen, für uns Brüder in geodätischen und geographischen Arbeiten bestanden.

Unsere Zeit nützten wir so gut wir konnten und trachteten danach, durch möglichst genaue astronomische Ortsbestimmungen und Triangulationen ein festes Netz für die Küsten- und Flussaufnahmen bezüglich der danach herzustellenden Karten zu gewinnen. Magnetische und meteorologische Arbeiten gingen damit Hand in Hand.

Über diese Arbeiten, wie über die Reise selbst, werde ich später eingehender berichten: ihre Ergebnisse sind zu umfangreich, um sich in der Kürze hier in wenigen Zeilen zusammendrängen zu lassen, ohne den Schein grosser Oberflächlichkeit auf uns zu werfen. Heute sollen nur die Factoren gegeben und besprochen werden, welche zur Construction der beigefügten Kartenskizze leiteten.

Ganz besonders hebe ich hervor, dass ich die Karte eben nur als Skizze ansehe: meine Beobachtungen und Messungen sind noch nicht berechnet und kartirt; die Küstenlinie des bereisten Gebietes, Osi und Tana, sind daher nach den bestehenden Karten und oberflächlich eingetragen. Bei künftigen Kartenconstructionen wird der Tana eine willkommene Linie für Anschlüsse anderer Reisen bilden, die mit ihm in Verbindung stehen; in vorliegender Skizze ist in dieser Beziehung Manches unterblieben.

Nächst dem Juba (Djub) zeigt sich der Tana als der bedeutendste Fluss des nördlichen und mittleren Ost-Afrika.

Bis Hameje, dem letzten bewohnten Orte, 30 Tagefahrten von der Mündung entfernt, ist der Tana für Fahrzeuge bis zu etwa 1 m Tiefgang fahrbar. Seine Breite wechselt von 70 m an der Mündung und 30 m bei Tjarra zwischen 30 und 100 m, bei einer Tiefe von 4-10 m und einer mittleren Stromgeschwindigkeit von 3-4 Seemeilen in der Stunde. Auf der ganzen Strecke vom Meere bis Massa erhält er, ähnlich anderen afrikanischen Strömen, keine Zuflüsse, entsendet dagegen bei Hochfluthen sein Wasser in das umgebende Land, es meilenweit überschwemmend. Das gilt namentlich für die Strecke von Tjarra bis Engatana. Von Tjarra bis Ngao kann man selbst bei mittlerem Wasserstande scharf markirte natürliche Ufer nicht unterscheiden; man hat es dort meistens mit künstlich hergestellten zu thun, mit kaum meterhohen Dämmen, die viele Einschnitte zeigen, durch welche die Wapokomo den Wasserzufluss nach den am Flusse liegenden Länderstrecken hindern und regeln. Hinter diesen Dämmen, vielleicht nur einige Centimeter niedriger als der mittlere Wasserstand, befinden sich die Reisfelder der Wapokomo, über und durch welche das Tana-Wasser nach den weiter landeinwärts sich erstreckenden Niederungen strömt. Dort bilden sich aus dem Fluthwasser grosse seeartige Teiche, die wohl in vielen Fällen, wenn der Wasserstand im Flusse sinkt, ihr Wasser durch die tieferen Ufereinschnitte oder natürlichen Rinnsale wieder an ihn abgeben. Oberhalb von Munjuni benutzten wir derartige erhebliche Ausfluthungen zur Abschneidung starker Stromkrümmungen, zu möglichst schneller und geradliniger Fahrt bei der Heimreise, thungen, welche weiter stromab uns wieder in den Flusslauf führten, sich also dort als Zufluthungen darstellten, einzig hervorgebracht durch die Niveau - Unterschiede des sich sanft zum Meere abflachenden Terrains.

Ausflu

Derartige Überschwemmungen und Fluthrinnsale bedecken und durchschneiden oft das Land weit und bilden

dann Verbindungen zu den Nachbarflüssen. Der „Belesoni" (,,Belondsoni-Canal" von der Decken's,,,Khoti" von den Wagalla genannt) ist eine derartige natürliche Wasserverbindung zwischen Tana und Osi, welche von den Wapokomo, auf Veranlassung der Bewohner von Kau, in zweijähriger Arbeit erweitert ward, um einen bequemen Verkehrsweg auch in trockener Zeit zwischen beiden Flüssen zu bilden. Der Belesoni zweigt sich bei Tjarra in einer starken Krümmung des Tana am linken Ufer ab und erstreckt sich in einer Länge von etwa 12 Wegstunden zum rechten Osi-Ufer durch flaches, sumpfiges, teichiges Land, das meist nur wenige Centimeter über das Canalwasser ragt, sonst aber damit in gleicher Höhe liegt. Der Canal bildet viele kleine Curven, geht aber in ziemlich gerader Linie zum Osi. Seine Breite beträgt nicht mehr als 2 m,

4

verengt sich sogar vielfach bis auf 3 m, so dass Kähne, namentlich in Curven, häufig feststossen. Die Canaltiefe wechselt zwischen 3 und 1 m; die Strömung ist nahe der Abzweigung vom Tana stark, im weiteren Verlaufe schwächt sie sich jedoch bedeutend. Binsen und Schilf wuchern im Belesoni und würden das Rinnsal binnen wenigen Monaten gänzlich durchsetzen und bedecken, wenn es nicht durch stetiges Befahren von Pflanzenwucherungen frei bliebe.

Nur vom Schaggababu, einem hübschen See am rechten Tana - Ufer, möchte ich annehmen, dass er auch in trockener Zeit Wasser zum Tana sendet; vielleicht thun das aber auch die grossen Teiche Dumi und Mokange. Die sonst von uns gesehenen ,,Zuflüsse" scheinen der bereits geschilderten Art sämmtlich anzugehören oder nur Regenbäche zu sein, welche in den Regenzeiten die atmosphärischen Niederschläge aus den weiten Ebenen beiderseits des Flusses diesem zuführen.

Einstimmig behaupteten die Wapokomo, bei Hochwasser stehe der Tana mit dem Kilifi und Sabaki in Verbindung und man könne dann aus dem Tana durch den Schaggababu nach 2 Tagen in den Kilifi, nach 3 Tagen in den Sabaki mit Kähnen gelangen und sich Fussreisen zwischen diesen Flüssen ersparen. Unglaubhaft erscheint das nicht, nach dem Eindrucke zu urtheilen, den die Uferlandschaften des Tana verursachen, und unter Berücksichtigung von Aussagen der Eingeborenen, denen zufolge das Land zwischen Osi und Sabaki sehr eben ist.

Für einen späteren Verkehr bei gebesserten Zuständen wird diese natürliche periodische Wasserverbindung zwischen Osi, Tana, Kilifi nnd Sabaki sich wahrscheinlich verhältnissmässig leicht zu einer dauernden, zu einem Canale gestalten lassen, ähnlich, wie es Seitens der Eingeborenen bei Tana und Osi durch den Belesoni geschah.

Der Schaggababu stand bis etwa zum Jahre 1873 als in sich abgeschlossener, aber nahe am Tana belegener See mit diesem in Verbindung; in jenem Jahre trat jedoch eine überaus grosse Fluth auf und brach dem Flusse ein neues Bett, leitete ihn in ein Rinnsal, welches vom Tana-Bette nach der südlich belegenen Niederung nahe am See vorüber führte. So trat der Fluss zum See in ganz nahe Verbindung, tangirt ihn und bildet mit ihm auch bei niedrigem Wasserstande eine Fläche, aus welcher nur ein kleines inselartiges Stück des ehemals die Wasserscheide bildenden Landes sich erhebt. Das alte Tana-Bett ist seitdem gänzlich verwachsen und nur noch bei Hochwasser befluthet.

Eigene Quellen und das Flüsschen Tarsaa, welches sich aus einem grösseren Teiche entwickelt, geben dem Schaggababu Wasser. Mir erschien der See in seiner vom Tana her schnell abnehmenden Breite und vielfach gekrümmten

« PreviousContinue »