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einen ähnlichen Sinn hätte, wie das berüchtigte valentinianische Citirgeset. Dem Landesfürsten würde durch diese Enthebung von der schwersten seiner Regierungssorgen wahrlich keine Schmeichelei angethan. Umgekehrt aber läßt sich eben so wenig behaupten, daß die Unterthanen an Freiheit und Rechtssicherheit gewinnen, wenn zwischen verschiedenen Ansichdie doch in der Regel nur auf verschiedenen Rechten und Interessen beruhen, nicht ein Höherstehender, schon durch seine Stellung und Geburt von allen Parteien Unabhängiger, sondern kraft der Abstimmung eine der streitenden Parteien selbst, und zwar jene der Richter seyn soll, welche zufällig in der ständischen Versammlung die meisten Wortführer und Vertreter zählt. Abwehrung in einer bloß berathenden Versammlung ist daher eine reine Anomalie. Sie gehört einem andern Ideenkreise an, und fließt aus einem ganz andern politischen Princip. Wenn das Land im loyalen Sinne (d. h. der Inbegriff aller Wähler) als souverän angesehen wird, wenn es demnach kraft der bekannten Fiction für eine, aus homogenen Bestandtheilen bestehende Corporation gilt, dann freilich bilden auch die in den Kammern vereinigten Repräsentanten derselben wiederum eine Corporation im verjüngten Maßstabe, und diese kann dann allerdings, wie jede andere Körperschaft, ihren Willen nur durch Abstimmung und Mehrheit fund geben. Eine solche Reihe von Folgerungen ist aber dem ständischen Systeme, welches von der Anerkennung verschiedener Rechte und Interessen im Lande ausgeht, fremd, widerspricht dem Charakter einer berathenden Versammlung, und findet nur im Repräsentativstaate ihren richtigen und angemessenen Plaz. Damit ist freilich in keiner Weise gesagt, daß der Monarch bei seiner Entscheidung für oder gegen eine Maßregel die Ueberzeugung, das Interesse, die Zustimmung oder Abneigung der Mehrheit seiner Unterthanen nicht als eines der wichtigsten Momente berücksichtigen solle. Nur ist dabei wohl zu beherzigen, daß die Mehrheit in den modernen Re

präsentativkammern wohl nur in den feltensten Fällen mit der Mehrheit des wirklichen Volkes außerhalb der Kammer gleichbedeutend seyn dürfte.

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Machen wir von dem bisher Auseinandergefeßten die Anwendung auf den preußischen Verfassungsstreit. Wir finden den Wunsch der liberalen Opposition am klarsten und bündigsten formulirt in der bekannten, in neuester Zeit so vielfach besprochenen Adresse, unterzeichnet von Herrn v. Holzendorf und Genossen *). Vierzig märkische Bauern fordern mit dem Leztgenannten ob aus eigener Bewegung oder durch den Einfluß ihres Führers bestimmt? ist für unsern Zweck zu untersuchen überflüssig! ihren Antheil an der Souverainetät des Königs. Hierin liegt das lösende Wort des Räthsels. Man sieht, es handelt sich im Geiste dieser Opposition um nicht mehr oder weniger, als um Verwandlung der dynastis schen Regierungsform in eine Collectivherrschaft. Wenn der König seine souveräne Macht der Entscheidung mit einer Versammlung theilen soll, so ist fortan nicht mehr Er der Souverän, sondern eine aus Krone und Kammern bestehende moralische Person, in welcher der Monarch (der Theorie nach) nur noch einen ideellen Antheil haben würde. Die Naivität, die dazu gehört, einen solchen Antrag zu stellen, liefert den vollständigen, aber für unser Nationalgefühl etwas beschämenden Nachweis, daß die politische Bildung in Deutschland zur

*) Es kann nicht genug bedauert werden, daß der maßlose Unverstand der subventionirten Preffe der Regierung auch in diesem Falle wieder mehr geschadet hat, als der Angriff der Gegner. Ein bekanntes, ultra serviles Blatt am Rhein antwortete auf ein Aktenstück, welches der Kritik so viele schwache Seiten bot, mit schmählichen, die Sache gar nicht berührenden Denunciationen und rein persönli chen Verdächtigungen, deren brutale Fassung auch dießmal wieder das ganze Gewicht der öffentlichen Meinung in die Schaale der Ops, position warf.

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Stunde noch in den Kinderschuhen geht. Wir wenigstens find des unvorgreiflichen Dafürhaltens, daß der Glaube: die Principien der englischen Verfassung ließen sich, wie man die Hand umkehrt, ohne Rücksicht auf Geschichte, Herkommen, Gewohnheit und politische Erziehung aus ihrer insularischen Heimath auf preußischen Boden verpflanzen, eine wahrhaft kindische Unschuld und Unerfahrenheit in Staats- und Verfassungsangelegenheiten verräth, - die etwas Rührendes haben könnte, wenn sie, nach den großen Erfahrungen der lezten sechszig Jahre, nicht über allen Ausdruck abgeschmackt wäre. Wir wollen hier von dem Standpunkte des Rechts schweigen, und den Sag nicht einmal geltend machen: daß der König zu einer solchen Theilung seiner Souveränetät (die der Sache nach eine Abtretung wäre, oder in nächster Zukunft würde) den Agnaten seines Hauses und seinem Volke gegenüber gar nicht einmal befugt sei. Dergleichen tiefgehende Ausführungen find jedenfalls für den deutschen Liberalismus zu spißfindig und transcendent. Aber was meinen wohl jene Bittsteller, daß das Ergebniß seyn würde, wenn jedem preußischen Unterthanen, der irgend etwas zu verlieren hat, Mann für Mann die einfache Frage vorgelegt würde: wer wollt Ihr soll in Zukunft Euer Herr und Meister seyn, der König, wie bisher, oder der souverän gesprochene Landtag? Wer im Namen des souveränen Volkes spricht, sollte sich vorher doch wenigstens die Frage gestellt haben: ob denn das wirkliche, leibhafte, preußisch- monarchisch- militärische Volk auch nur von ferne geneigt sei, ein so tief greifend politisches Erperiment zu wagen, an welchem das Wohl und Weh des Landes und des Einzelnen für alle Zeiten hinge, und dessen Folgen Niemand berechnen könnte? und ob denn eben jenes Volk irgend wie Lust und Belieben trage, sich mit Leib, Leben und Gut einem neuen Herrn zu unterwerfen, dessen Credit, nach den bisherigen Proben, keineswegs so hoch und feststeht, wie besagter Liberalismus es sich und Andern einzureden pflegt!

Wahrlich, es ist ein eben so alter als wahrer Sat: die gefährlichsten Gegner der politischen Freiheit sind die „Utopiften." Wer in Beziehung auf die heutigen preußischen Verfassungsverhältnisse von Volkssouveränetät spricht, weiß nicht, was er thut. Er arbeitet den abgesagtesten Gegnern aller und jeder ständischen Freiheit, den verstocktesten Bureaukraten, in die Hand, und verhindert oder verzögert zu Gunsten des Schreiberabsolutismus die Ausbildung und Entwickelung von Institutionen, die, richtig verstanden und vernünftig gehandhabt, der rechtlichen Freiheit eben so förderlich werden könnten, wie der wahren Wohlfahrt des Landes, und dieß zwar nicht bloß ungeachtet, sondern gerade vermöge der von ihnen geschaffenen bloß berathenden Stände. Hätten wir unserer Seits unsere Bedenken und Ausstellungen in Betreff der Ge seze vom 3. Februar 1847 anzugeben, so würden sie statt für den Landtag einen Antheil an der Souveränetät zu reklamiren, umgekehrt gerade darauf hinauslaufen, daß der, den allgemeinen Ständen beigelegte Charakter einer bloß berathenden Versammlung nicht streng genug festgehalten ist, und daß ihnen deßhalb wesentliche ständische Freiheiten und Rechte, die in den Händen bloß berathender Stände kein Bedenken hätten, nicht beigelegt oder verkümmert sind. Diese Auffassung bedarf jedoch einer weitern Auseinanderseßung und Begründung, die wir auf einen späteren Artikel versparen müssen.

III.

Kabinetsstück.

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Im Jahre 1802 erhoben sich die gleichen eidgenössis schen Cantone, welche jezt den Kern des Sonderbundes bildeten, gegen die damalige helvetische Central-Regierung. Die Beweggründe, das bestehende Joch abzuwerfen, waren ohngefähr die gleichen, deren wegen sie gemachten Zumuthungen sich nicht unterziehen wollten, nur daß jenes der That noch ungleich weniger schwer und minder schimpflich war, als dieses gewesen seyn würde. Die helvetische Regierung hatte stehende Truppen. Ihr Anführer, General Andermatt aus Baar im Kanton Zug, erhielt den Befehl, vorerst Zürich zu befeßen, dann mit dem Geschüß des dortigen Zeughauses die Urstände zu bekriegen. Wie nun dieser Andermatt mit seinem Kriegsvolk vor der Stadt erschien, schloffen ihm die gerüsteten Bürger die Thore; fie hielten es für Schmach, ihr Geschüß zur Bekämpfung der treuen, lieben Eidgenossen" der Urkantone herzugeben. Andermatt seßte sich nun mit seinen Söldnern auf den Züricherberg, und beschoß von da zwei Tage lang mit Granaten, Bomben und Pechkränzen. Auch diese Noth wollten die Bürger lieber bestehen, als zu einem empörenden Unternehmen gegen ihre „lieben, alten Miteidgenossen“ ihr Geschüß verwenden lassen. Ihre regsame Anstrengung bewahrte die Stadt vor Unglück, ihre Beharrlichkeit zwang den

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